Protocol of the Session on October 14, 2015

Wir stellen uns vor und möchten das im Umweltausschuss mit der Landesregierung besprechen, dass man so etwas über Modellprojekte anschiebt. Man kann sich nach einigen Jahren - hier muss der Landtag dann dranbleiben - Best-practiceBeispiele zeigen lassen. Ich bin insbesondere immer wieder darauf gestoßen - um nicht zu sagen, darauf gestoßen worden -, als ich die Kollegen in Halle besuchte. Frau Dr. Pähle hat einige Besuche initiiert. Ich denke, einige Kollegen aus der CDU auch. Der Wunsch gerade in Halle war, solch ein kommunales Hochwasseraudit auf die Beine zu stellen. Es wäre schön, wenn eine der beiden größten Städte in Sachsen-Anhalt hierbei vorangeht.

Das Ganze muss im Interesse der Kommunen liegen. Begleitet werden sollte es durch das MLU, durch die Landesregierung. Selbstverständlich sollte dann regelmäßig - auch in der nächsten Legislaturperiode - im Umweltausschuss dazu berichtet werden, damit der Umweltausschuss weiß, wie das läuft. Gegebenenfalls schaut er sich die eine oder andere Sache einmal vor Ort an.

Dies vielleicht heute zur Einbringung. Das war bisher in dieser Legislaturperiode der unaufgeregteste Punkt, der mit Hochwasser zusammenhängt. Alles andere war in starker zeitlicher Verbindung zur Katastrophe von 2013. Für mich ist wichtig: Wir werden oft mit dem Spruch konfrontiert - ich habe es hier auch schon erwähnt -, dass die Landespolitiker gern unter der Krankheit der Hochwasserdemenz leiden. Wir möchten hiermit das Gegenteil andeuten. Das tun wir nicht. Wir bleiben auf jeden Fall dran. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Danke schön, Kollege Bergmann. - Für die Landesregierung spricht Herr Minister Dr. Aeikens.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte an das anknüpfen, was Herr Bergmann in seinen Schlussworten sagte. Ich habe den Eindruck, dass die Regierungsfraktionen erfreulicherweise nicht unter Hochwasserdemenz leiden. Sonst hätten sie diesen guten Antrag nicht eingebracht. Vielen Dank dafür.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Mehr Hochwasserschutz ist unser gemeinsames Anliegen. Ich glaube, da sind wir uns einig. Dazu zählt auch die Stärkung der Hochwasservorsorge im kommunalen Bereich. Wir dürfen die Kommu

nen und die Landkreise bei diesen umfassenden Aufgaben nicht allein lassen. Dieser Umstand wurde im Zuge meiner Bereisung nach dem Hochwasserereignis 2013 besonders deutlich.

Ich habe im Zeitraum von November 2013 bis Februar 2014 gemeinsam mit Vertretern des Landesbetriebes für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft und den lokalen Abgeordneten Gespräche mit allen Landkreisen und kreisfreien Städten geführt. Bei diesen Gesprächen wurde deutlich, dass sich die Kommunen und Landkreise in Fragen des Hochwasserschutzes auch selber stärker einbringen und engagieren möchten, jedoch finanzielle Unterstützung benötigen. Daher haben wir die Förderrichtlinie für den kommunalen Hochwasserschutz auf den Weg gebracht, auch um dort Hochwasserschutzmaßnahmen zu realisieren, wo eine Zuständigkeit des Landes nicht gegeben ist.

Wir wollen dafür 20 Millionen € EFRE-Mittel bereitstellen, und wir wollen die Kommunen mit einer Förderung von bis zu 80 % bei ihren Maßnahmen des Hochwasserschutzes und der Ausstattung der Wasserwehren unterstützen. Wir werden dieses Programm demnächst starten können. Eine umfassende Betrachtung und Bewertung der örtlichen Gefahrenlage in den Kommunen ist dabei erforderlich. Die Ableitung insbesondere von nichttechnischen Maßnahmen sowie das Aufzeigen von Handlungsmöglichkeiten sind wichtige Elemente der kommunalen Hochwasservorsorge. Hierbei können verschiedene Ansätze gewählt werden, seien es Studien, Konzepte oder Audits.

Ein Beispiel ist das Hochwasservorsorgeaudit der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall, DWA, das bereits in vielen Kommunen Deutschlands mit positiver Resonanz angewandt wurde. Dieses Hochwasservorsorgeaudit bezieht sich auf Binnenhochwasser und Überflutung aufgrund von Starkregenereignissen. Es orientiert sich an den Empfehlungen der BundLänder-Arbeitsgemeinschaft „Wasser“ zur Aufstellung von Hochwasserrisikomanagementplänen. Es erfolgt hier eine fachlich und rechtlich übergreifende Darstellung und Bewertung aller Anforderungen an eine sachgerechte Hochwasservorsorge. Im Mittelpunkt stehen dabei die Förderung des örtlichen Risikobewusstseins sowie das fachübergreifende Handeln aller Beteiligten.

Es ist ein gutes Konzept. Dieses Hochwasservorsorgeaudit wurde den Landkreisen und Kommunen bereits auf den Gewässerforen im März 2015 im Zusammenhang mit dem Informationsaustausch zum Stand der Hochwasserrisikomanagementplanung vorgestellt, und es stieß dort auf eine sehr positive Resonanz.

Die Kosten für ein solches Hochwasservorsorgeaudit sind abhängig von der Gemeindegröße. Sie

betragen bei Gemeinden mit weniger als 50 000 Einwohnern etwa 10 000 €, bei Gemeinden mit 50 000 bis 200 000 Einwohnern 15 000 €, und bei mehr als 200 000 Einwohnern ist von ca. 20 000 € auszugehen. Die Größenordnungen sind also überschaubar.

Dass ein solches Audit durchaus mit Erfolg umgesetzt werden kann, wird unter anderem im Freistaat Bayern deutlich. Dort wird derzeit in einer sogenannten Pilotphase die Durchführung von 20 DWA-Audits gefördert.

Auch in Sachsen-Anhalt wurden Konzepte und Planungen für alle Risikogebiete als Maßnahmen in kommunaler Zuständigkeit in die Hochwasserrisikomanagementpläne „Elbe“ und „Weser“ aufgenommen. Wir werden zukünftig die Kommunen bei der Durchführung solcher gezielter Analysen unterstützen, freuen uns, dass das auch im Parlament begrüßt wird, und werden sie über das im Jahr 2016 anlaufende kommunale Hochwasserschutzprogramm fördern. Damit, meine Damen und Herren, kann ein weiterer wesentlicher Beitrag zur Verbesserung des Hochwasserschutzes bei uns in Sachsen-Anhalt geleistet werden.

Ich begrüße insofern den Antrag der Regierungsfraktionen außerordentlich und danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Recht schönen Dank, Herr Minister. - Wir treten in die Aussprache ein. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eröffnet mit Herrn Abgeordneten Meister.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sachsen-Anhalt war in den letzten Jahren von schweren Hochwasserereignissen betroffen. Nicht nur entlang der Flüsse richtete das Wasser schwere Schäden an und gefährdete Menschenleben. Auch bei Starkregen und Gewitterereignissen wie zum Beispiel im September 2011 bei Bernburg können in wenigen Minuten Schäden in Millionenhöhe entstehen. Die Kommunen und Landkreise müssen dann trotz ihrer angespannten Finanzlage erhebliche Mittel einsetzen, um Schäden an Liegenschaften und der Infrastruktur zu beseitigen.

Neben der schnellen Schadensbehebung sollte man sich das Sprichwort „Aus Schaden wird man klug“ zugute halten. Mein Vorredner sprach vom Kampf gegen die Hochwasserdemenz. Genau darum geht es. Deshalb ist eine Auswertung der Ursachen bei solchen Ereignissen zwingend geboten. Oftmals steht dabei der erforderliche technische Hochwasserschutz im Vordergrund. Für ihn werden auch erhebliche Mittel zur Verfügung ge

stellt. Dass man Flüssen und Bächen darüber hinaus an geeigneten Stellen noch mehr Raum geben muss, ist eine Erkenntnis, die sich leider in der Praxis nur schwer durchsetzt.

(Zustimmung von Frau Prof. Dr. Dalbert, GRÜNE)

Doch zu einer umfassenden Vorsorge gehört noch eine ganze Reihe von anderen Bereichen. Hier setzt das im Antrag thematisierte kommunale Audit zur Hochwasservorsorge an, indem es unter Einbeziehung der vor Ort lebenden Menschen überprüft, welche nichttechnischen, lokal zu verantwortenden Maßnahmen für einen verbesserten Hochwasserschutz möglich sind. Auf einige Punkte möchte ich kurz eingehen.

Erster Punkt: Flächenvorsorge. Hierbei gilt es, in Überschwemmungsgebieten Bebauungen zu vermeiden oder hochwasserangepasste Nutzungsformen zu finden, um so die Schäden im Hochwasserfall zu minimieren.

Zweiter Punkt ist der natürliche Rückhalt des Wassers in der Fläche. Kommunen können Flächen entsiegeln und durch Möglichkeiten zur Versickerung von Wasser dafür sorgen, dass das Wasser natürlich zurückgehalten wird und so die Entstehung von Hochwasser verzögert und Hochwasserspitzen gekappt werden. Dazu gehören auch eine dementsprechend angepasste Landwirtschaft und eine naturnahe Gewässerunterhaltung.

Im dritten Punkt wird überprüft, wie die Kommunen in den Bereichen Gefahrenabwehr und Katastrophenschutz aufgestellt sind. Ein weiterer Punkt ist die Informationsvorsorge. Hierbei geht es darum, wie die Verwaltung die Bürgerinnen und Bürger im Katastrophenfall informiert, wie sie sich verhalten können und sollen.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Das Audit soll die Verantwortlichen vor Ort, aber auch die potenziell von Hochwasser betroffenen Bürgerinnen und Bürger in die Lage versetzen, den Status der Hochwasservorsorge aus ihrer lokalen Perspektive heraus zu überprüfen, zu bewerten und daraus Prioritäten zum weiteren Handeln abzuleiten.

In diesem Sinne verdient der Antrag Unterstützung, da im Grundsatz der Fokus mehr auf die Vorsorge gegen Hochwasser- und Starkregenereignisse gelenkt wird. Dies kommt auch uns als Land zugute, da in der Perspektive dann weniger Geld für Nachsorge zur Verfügung gestellt werden muss.

Die Frage, die man sich aber stellen muss, ist, warum zur Beförderung eines Audits zur kommunalen Hochwasservorsorge nur auf wenige Modellprojekte gesetzt werden soll. Modellprojekte sind üblicherweise dazu da, bei der Einführung von neuen Verfahren und Projekten Erfahrungen zu sammeln, um später bei der Einführung in der

Fläche, in der breiten Masse, davon zu profitieren. Beim Audit kommunaler Hochwasservorsorge

- auch das hat mein Vorredner angesprochen - hat es von 2011 bis 2013 eine zweijährige Pilotphase gegeben. In dieser Phase hat die Deutsche Bundesstiftung Umwelt in Zusammenarbeit mit der DWA 20 Audits gefördert, auch wenn sich darunter leider kein einziges Projekt aus Sachsen-Anhalt befand. Das hat mich etwas überrascht. Schade. Wieso eigentlich nicht? Wir sind ein stark betroffenes Land.

Es liegen jetzt ausreichend Erfahrungen bei der Erstellung solcher Audits vor. Wir benötigen daher keine Modellprojekte mehr, sondern ein Angebot des Landes, mit dem möglichst viele Kommunen in die Lage versetzt werden, einen Antrag für ein Audit zur kommunalen Hochwasservorsorge bei der DWA zu stellen. Zu einem solchen Angebot für die gesamte zu betrachtende Fläche schweigt der Antrag leider. Ich meine, insoweit springt er zu kurz.

(Beifall bei den GRÜNEN)

In dem Antrag wird die Landesregierung gebeten, im vierten Quartal, also sozusagen sofort, über die eingeleiteten und geplanten Maßnahmen im Ausschuss zu berichten; das begrüße ich. Ich erwarte von der Berichterstattung der Landesregierung auch eine Antwort auf die Frage, wie wir die Phase lediglich punktueller Modellprojekte in der für unser Land elementaren Frage hinter uns lassen können und zu Angeboten für die gesamte Fläche kommen.

Wenn ich den Minister richtig verstanden habe, geht das tatsächlich schon in eine solche Richtung. - Herr Minister, es klang in Ihrer Rede ganz positiv, dass das tatsächlich über den reinen Modellcharakter hinausgeht, vor allem wenn man sieht, dass sich die Kosten im Verhältnis zum Nutzen doch in einem sehr erträglichen Rahmen halten.

Trotz dieser generellen Kritik stimmen wir diesem Antrag zu, da es sich bei dem Audit um ein sehr kluges Instrument des Hochwasserrisikomanagements handelt. Wir fordern die Landesregierung auf, sich im Interesse der betroffenen Kommunen zu bewegen und einen Vorschlag zu unterbreiten, der deutlich über schlichte Modellprojekte hinausgeht. - Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön. - Als nächster Redner spricht für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Herr Schachtschneider.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Wie Sie sehen können,

lässt uns das Thema Hochwasserschutz auch zwei Jahre nach der verheerenden Flut im Jahr 2013 nicht los. In der letzten Sitzung des Landtages habe ich zu einem Gesetzesvorhaben gesprochen, welches eine notwendige Beschleunigung nach sich ziehen soll. Zu dem Gesetzentwurf zur Verbesserung des Hochwasserschutzes soll nunmehr zeitnah in den Ausschüssen beraten werden.

Erst in der letzten Woche wurde im Kabinett die veränderte Hochwasserschutzkonzeption verabschiedet. Damit sollen nicht nur alle Deiche bis zum Jahr 2020 DIN-gerecht saniert werden - an dieser Stelle erlaube ich mir den kleinen Einschub: Ich hoffe, der Deich in meiner Nähe wird nicht bis zum Jahr 2020 auf sich warten lassen -, es werden in diesem Zeitrahmen auch mehr als 700 Millionen € in den Hochwasserschutz investiert.

Erstmals werden auch hier die Belange des kommunalen Hochwasserschutzes erfasst. Um die Landesplanung in den Landkreisen transparenter zu gestalten, hat der Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft Listen mit den Schwerpunktmaßnahmen in den Landkreisen ins Internet eingestellt. Heute geht es um genau diesen Teilaspekt der sehr vielfältigen Thematik Hochwasserschutz: die kommunale Hochwasservorsorge. Gerade vor Ort ist es sinnvoll, wesentliche Vorkehrungen für den Hochwasserfall zu schaffen. Dies trifft nicht nur auf den Katastrophenfall, sondern auch auf den Hochwasserschutz in der Bauleitplanung oder auf die interkommunale Zusammenarbeit zu.

Konsens sollte es sein - das sagten meine Vorredner ebenfalls -, in Überschwemmungsgebieten möglichst kein Bauland mehr auszuweisen.

Lassen Sie mich auf einige Beispiele eingehen. In einigen vom Saale-Hochwasser im Jahr 2013 betroffenen Städten und Gemeinden hat sich gezeigt, dass der Wille zum Helfen fast grenzenlos war, dass aber an vielen Stellen ein wirklicher Plan fehlte. So teilten mir zum Beispiel einige Freiwillige Feuerwehren mit, dass die Alarmierung zwar sehr zeitnah erfolgte, am Einsatzort aber jegliches gezielte Vorgehen über viele Stunden fehlte und die Wehrleitung mit ihren Ideen sich selbst überlassen war. Ich möchte an dieser Stelle aber nicht nur Negatives aufzählen, sondern allen Einsatzkräften und Helfern für ihre Arbeit danken.

Ein weiteres Beispiel sind Evakuierungen. Wann erfolgen sie? In welchen Gebieten und über welche Zeiträume sollen diese erfolgen? - Diese Fragen müssen beantwortet und die Antworten im Katastrophenfall von den Einsatzkräften abgerufen werden können.

All diese Maßnahmen in ein gemeinsames Konzept zu gießen ist Ansinnen des Hochwasseraudits der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft. Dabei werden wesentliche Fragen zu Flächen,

zum Bau, zum Verhalten und zur Risikovorsorge ausgiebig erörtert. Auswertungskriterien werden für ein zehnjähriges, ein hundertjähriges und ein extremes Hochwasser berechnet, unterschieden nach Flusshochwasser oder Sturzfluten nach schweren Niederschlägen. Daraus entsteht ein Aufgabenkatalog. Nach fünf Jahren wird die Arbeit dann kontrolliert.

Die Erstellung solcher Konzepte und Aktionspläne wollen wir durch das Förderprogramm zum kommunalen Hochwasserschutz unterstützen. Dieses soll einerseits Beschaffungen zur Verbesserung des mobilen Hochwasserschutzes sowie zur Ausrüstung der Wasserwehren ermöglichen, zum Beispiel den Kauf von Deichschläuchen, andererseits Konzepte und Planungsleistungen wie das Hochwasseraudit fördern.

Des Weiteren ist die Umsetzung von Vorhaben erforderlich, zum Beispiel von Maßnahmen zur Verbesserung des natürlichen Wasserrückhaltevermögens in festgesetzten Überschwemmungsgebieten zum flächendeckenden Wasserrückhalt in Einzugsgebieten von Gewässern zweiter Ordnung. Städte, Landkreise, Gemeinden oder Verbandsgemeinden können Anträge auf eine bis zu 80-prozentige Förderung stellen. Ich möchte hierbei insbesondere die kleineren Gemeinden ermuntern, Anträge zu stellen.