Protocol of the Session on October 14, 2015

(Zustimmung bei der CDU)

Danke schön. - Wir treten in die Aussprache ein. Dafür sind fünf Minuten Redezeit je Fraktion vereinbart worden. Als Erste spricht für die Fraktion DIE LINKE Frau Abgeordnete Hunger.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Schon seit Jahren ist bekannt, dass die Netznutzungsent

gelte in den Regionen der Bundesrepublik, die führend bei der Erzeugung regenerativer Energien sind, also im Osten und im Norden, um bis zu 50 % höher sind als im Rest des Landes. Eine Studie der TU Dresden gab gewissermaßen als Extremwerte an, dass die Entgelte in Düsseldorf bei 4,75 Cent pro Kilowattstunde und im Norden Brandenburgs bei 9,88 Cent pro Kilowattstunde liegen.

Die kürzlich erfolgte Ankündigung der Erhöhung der Netzentgelte um etwa 30 % durch 50 Hertz Transmission ist, denke ich, für uns alle keine Überraschung gewesen. Die Landesregierung erklärt ebenfalls seit Jahren, dass sie sich im Bund dafür einsetze, dass die Netzentgelte bundesweit angeglichen würden. Die Fraktionen hier haben das immer mitgetragen. Offensichtlich ist es im Bund bisher aber nicht mit wirklichem Erfolg passiert. Vielleicht war die Strategie falsch. Vielleicht war man zu halbherzig oder hat sich nicht mit anderen zusammengetan. Wenn sich jetzt die Wirtschaftsminister einig sind, dann ist das zumindest eine positive Entwicklung auf dieser Strecke.

Ich möchte nun auf Ihren konkreten Antrag eingehen, den Sie uns heute vorgelegt haben. Unter dem ersten Anstrich setzen Sie sich für die bundesweite Angleichung der Netzentgelte auf Übertragungsnetzebene ein. Herr Minister Möllring hat es schon gesagt, dieser Ansatz findet sich auch im Weißbuch der Bundesregierung. Es heißt dort:

„In einem ersten Schritt soll daher ein einheitliches Entgelt für die Nutzung der Übertragungsnetze die Netzentgeltniveaus angleichen.“

Wir können also davon ausgehen, dass es eine Regelung in den Gesetzen geben wird, die jetzt für den Strommarkt vorbereitet werden, wenn auch sehr spät. Als ersten Schritt kann man dem auch zustimmen. Diesem Teil Ihres Antrages könnten wir also zustimmen.

Unsere Vorstellungen gehen aber durchaus weiter. Wir halten auch die Umlage der Kosten für notwendig, die im Verteilnetz entstehen; denn mehr als 90 % der Erneuerbare-Energien-Anlagen speisen auf dieser Ebene ein und haben dort erhebliche Neu- und Umbaukosten verursacht. Eine Angleichung der Netzentgelte darf dann aber nicht dazu führen, dass der Netzumbau West noch einmal durch die neuen Bundesländer bezahlt wird.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Es müssen Möglichkeiten gefunden werden, unsere bereits erbrachten Vorleistungen in Rechnung zu stellen.

Im Übrigen sollte man auch nicht vergessen, dass zur Angleichung bzw. Verringerung von Netzentgelten die ständige Überprüfung und Begrenzung der Befreiung von Netzentgeltzahlungen gehört.

Auch das gehört zur sozial gerechten Energiewende. Um noch einmal auf die Ankündigung von 50 Hertz einzugehen: die 30 % kommen bei vielen Unternehmen hier im Land gar nicht an. Insofern, Herr Thomas, sind Ihre Tränen für die Unternehmen, die so stark belastet wären, sicherlich nur begrenzt zu verstehen.

(Zustimmung von Herrn Grünert, DIE LINKE - Herr Dr. Schellenberger, CDU: Aber feucht!)

Dem zweiten Anstrich Ihres Antrags, in dem Sie sich mit den vermiedenen Netzgelten auseinandersetzen, möchte ich so nicht zustimmen. Das Weißbuch fasst deren Abschaffung für Neuanlagen ins Auge. Das scheint mir die realistischere Lösung zu sein. Im Übrigen würde die Abschaffung für die EEG-Anlagen bedeuten, dass dieses Entgelt, das nicht die Anlagenbetreiber bekommen, nicht auf das EEG-Konto eingezahlt würde. Damit könnte die EEG-Umlage steigen. Demgegenüber wären aber auch die Netznutzungskosten geringer. Welcher Effekt also letztlich erreicht würde, müsste man sich noch einmal genauer ansehen. Dass es für die KWK-Anlagen beibehalten wird, dafür würden wir uns allerdings auch einsetzen.

Ein kurzes Fazit: Am billigsten ist das Netz, das nicht gebaut werden muss. Wir werden uns auch weiter dafür einsetzen, einen Netzausbau nur in dem wirklich notwendigen Maß zuzulassen, mehr Möglichkeiten zur Nutzung des Stroms auf regionaler Ebene, zum Beispiel durch Speicherung oder stoffliche Umwandlung, zu nutzen und entsprechende Projekte im Land intensiver voranzutreiben.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Einen interessanten Ansatz hat dazu der Verband der Elektrotechnik, Elektronik, Informationstechnik mit seinem zellulären Konzept vorgestellt. Es geht von einer Versorgungsstruktur aus, bei der in jeder Zelle, zum Beispiel einer Kommune, Energieerzeugung und -verbrauch durch ein intelligentes Kommunikationssystem ausbalanciert werden. Es geht dabei nicht nur um die reine Stromversorgung, sondern gerade um die Verknüpfung von Speichern, Anwendungen der Mobilität und dem Wärmemarkt. Einen höheren Bedarf oder Überschuss gleichen diese Zellen zunächst mit benachbarten Zellen aus.

Der VDE schätzt ein, dass der Bedarf für den überregionalen Stromtransport damit um etwa 45 % und damit natürlich auch der Leitungsausbau reduziert werden kann. Dieser Ansatz, der die Stärken der erneuerbaren Energien voll ausnutzt und damit auch neue zukunftsfähige Arbeitsplätze schafft, scheint mir der innovativere Ansatz zu sein gegenüber einer zentralen Netzausbaustrategie.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich bitte also darum, dass wir über die beiden Anstriche getrennt abstimmen. Dem einen könnten wir zustimmen. Zu dem anderen würden wir uns der Stimme enthalten.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke schön. - Als Nächste spricht für die Fraktion der SPD Kollegin Schindler.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ein Teil der Energiewende ist natürlich der Netzausbau. Ich stelle es voran, wir sind auf dem Weg zur Energiewende. Ich möchte diesen Weg auch in keiner Weise infrage stellen. Die Energiewende ist aber ein gesamtdeutsches Projekt, und das kann nicht nur von denjenigen getragen werden, die sich dafür einsetzen.

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD)

Wir brauchen die Energiewende, und wir brauchen auch weiterhin den Ausbau erneuerbarer Energien. Wir brauchen aber dann wiederum auch Anreize für eine volkswirtschaftlich effiziente Integration der erneuerbaren Energien, und hierbei vor allen Dingen eben in die Netze. Eine erfolgreiche Umsetzung der Energiewende heißt also weiterhin Ausbau und Modernisierung der Netze. Damit ist die Bundesrepublik auf einem Weg, aber noch nicht auf dem Idealweg. Die Diskussion zuletzt auch wieder über die Erdverkabelung zeigt, wie interessengesteuert die Diskussion ist und wie unterschiedlich die Interessen sind.

Auf das System der Umwälzung der Netzkosten auf die Verbraucher sind meine Vorredner schon eingegangen. Wir brauchen ein intelligentes System der Umwälzung der Netzkosten und vor allen Dingen ein gerechtes.

(Zustimmung von Frau Frederking, GRÜNE)

Wir wissen, dass die Netzentgelte derzeit etwa 10 % bis 25 % der Stromrechnung ausmachen. Wir reden gar nicht mehr sehr viel über die EEGUmlage, weil die bundesweit gleich ist, aber auch nicht mehr so stark steigt. Wir haben jetzt vor allen Dingen das Problem der Unterschiedlichkeit der Netzentgeltkosten. Das ist natürlich durch die unterschiedlichen Voraussetzungen bedingt. Wir werden es auch gesetzlich nicht ändern, dass es Gebiete in Deutschland gibt, in denen mehr erneuerbare Energien erzeugt werden können, weil die gebietlichen Voraussetzungen andere sind. Das muss aber ausgeglichen werden, um auch weiter die Akzeptanz für diesen Ausbau der erneuerbaren Energien zu haben.

Wir dürfen den Markt nicht verzerren und wir müssen einen Ausgleich schaffen.

Wir wissen auch, dass wir vor allen Dingen in Ostdeutschland - es ist schon mehrfach erwähnt worden - einen großen Beitrag dazu leisten, dass die Energiewende geschafft wird, indem wir vordergründig auch erneuerbare Energien ausbauen.

Hinzu kommt - das ist durch die Vorredner schon gesagt worden -, dass der Verbrauch hier geringer ist. Diese Differenz zwischen Erzeugung und Verbrauch zeigt sich vor allen Dingen an den hohen Kosten der vermiedenen Netzentgelte. Der bundesweite Vergleich zeigt - die Zahlen hatte Frau Hunger gerade genannt -, dass die Unterschiede 4 bis 10 Cent pro Kilowattstunde betragen. Wenn wir die Landkarte betrachten, haben wir eine sehr große Spreizung zwischen Südwest und Nordost.

Ich möchte Ihnen, Frau Hunger, aber entgegenhalten, dass diese bundesweite Umlage der vermiedenen Netzentgelte bzw. deren Abschaffung natürlich eine Erhöhung der Umlage - wir wollen sie nicht ohne Ausgleich abschaffen -, eine geringfügige Erhöhung der EEG-Umlage bundesweit bedeuten würde. Es gibt eine Berechnung des brandenburgischen Wirtschaftsministeriums, die besagt, dass speziell für Brandenburg die Abschaffung der vermiedenen Netzentgelte eine Absenkung von 2 Cent pro Kilowattstunde bedeuten würde und die bundesweite Erhöhung der EEGUmlage nur 0,4 Cent beträgt. Das ist ein bundesweiter Ausgleich, der vor allen Dingen den Gebieten zugute kommt, die durch diese zusätzliche Abgabe besonders belastet werden.

Wir haben im Osten höhere Belastungen aufgrund verstärkter Investitionen nach der Wiedervereinigung, aufgrund der Kosten des Netzausbaus für die erneuerbaren Energien und aufgrund der vermiedenen Netzentgelte. An allen drei Stellen müssen wir weiter arbeiten. Die Kosten müssen aber nicht nur regional, sondern bundesweit getragen werden.

Die SPD-Fraktion hat sich auf der Konferenz der wirtschafts- und energiepolitischen Sprecher am 14. und 15. September 2015 in Magdeburg mit dem Thema intensiv befasst und den Beschluss gefasst, dass wir uns für eine bundesweite Abschaffung der vermiedenen Netzentgelte und eine bundesweite EEG-Umlage einsetzen.

Wir wollen uns weiterhin dafür starkmachen, dass uns das gemeinsam auf Bundesebene gelingt. Deshalb bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Danke schön, Kollegin Schindler. - Als Nächste spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Kollegin Frau Frederking.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Als der Ausbau der erneuerbaren Energien so richtig durchstartete, ist man von einer Netzentlastung durch die erneuerbaren Energien ausgegangen. Diese Entlastung gab es real auch, und zwar deshalb, weil das vorgelagerte Netz sowohl auf der Übertragungsnetzebene als auch auf der 110-kV-Ebene bei der Einspeisung von Wind- und Sonnenenergie nicht so stark benutzt wurde.

Mit der Zunahme der erneuerbaren Energie sind die Zeiten der Netzentlastung jedoch lange vorbei; denn wir haben inzwischen so viel erneuerbaren Strom im Netz, dass dieser abtransportiert und hochtransformiert werden muss, das heißt, das vorgelagerte Netz wird gebraucht.

Real gibt es pauschal keine vermiedene Netznutzung. Diese vermiedene Netznutzung wird aber trotzdem noch immer angerechnet. Der Effekt ist, dass sich die Verteilnetzbetreiber dieses Geld über erhöhte Netznutzungsentgelte zurückholen. Das geschieht in der Region, in der es viele erneuerbare Energien gibt. Das ist ungerecht für die Menschen, die dort leben, und deshalb ist es richtig, das heutige System der vermiedenen Netznutzungsentgelte abzuschaffen.

Auf dem Weg zu 100 % erneuerbare Energien müssen folgende Anforderungen an die Kosten der Netzinfrastruktur gestellt werden:

Erstens. Die Kosten dürfen nicht aus dem Ruder laufen, deshalb: so wenig Netzaufwand wie möglich und so wenig Netzausbau wie möglich.

Zweitens. Das Preisbildungssystem für die Netznutzungsentgelte muss Anreize schaffen, damit Angebot und Nachfrage von erneuerbaren Energien gut zur Deckung gebracht werden. Somit wird dann auch die Inanspruchnahme der Netze minimiert und ihre Nutzung zumindest zum Teil vermieden. Es muss also ein Smart Market, ein intelligenter Markt, entwickelt werden.

Frau Schindler, Sie haben es zwar angesprochen, aber es findet sich in Ihrem Antrag nicht wieder. In Ihrem Antrag werden nur zwei konkrete Maßnahmen vorgesehen, die aus unserer Sicht zu kurz springen. Wir wollen anregen, dass ein intelligenter Markt entwickelt wird, bei dem die vermiedene Netznutzung nur dann angerechnet wird, wenn sie tatsächlich stattgefunden hat.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wenn wir also viel Windstrom haben und dieser zeitgleich aufgrund einer höheren Nachfrage abgenommen wird, dann muss sich das durch niedrigere Netznutzungsentgelte auch positiv auswirken.

Die Bundesnetzagentur hat Vorschläge zur Entwicklung eines Smart Markets gemacht. Es macht

keinen Sinn, die vermiedenen Netznutzungsentgelte den einzelnen Stromerzeugungsanlagen, zum Beispiel Windenergieanlagen, pauschal anzurechnen, wie es heute der Fall ist, oder pauschal nicht anzurechnen, wie Sie es vorschlagen.

Drittens. Die Kosten müssen fair auf alle verteilt werden. Deshalb ist es aus unserer Sicht wichtig, bundeseinheitliche Netznutzungsentgelte für alle Netzebenen zu erheben, und nicht, wie Sie es in Ihrem Antrag vorschlagen, nur für die Übertragungsnetze. Die Netzentgelte sind der einzige regional unterschiedliche Bestandteil des Strompreises. In Sachsen-Anhalt liegen sie zurzeit fast 1 Cent höher als im Bundesdurchschnitt.

Wir brauchen ein bundesweit einheitliches Netznutzungsentgelt, wenn der gegenwärtige und der zukünftige Netzausbau gerecht ablaufen soll. Unsere Landtagsfraktion hatte dazu bereits im März 2014 eine umfangreiche Studie in Auftrag gegeben. Der von den Gutachtern vorgeschlagene Lösungsweg ist einfach und schnell umzusetzen: Die bestehende Anreizregulierung soll bestehen bleiben, und aus den regional unterschiedlichen Netzkosten für jede Netzebene soll ein Mittelwert gebildet werden, der dann beim Stromkunden für deutschlandweit einheitliche Netzentgelte auf der Stromrechnung sorgt. Damit würden die Netznutzungsentgelte in Sachsen-Anhalt um 0,82 Cent pro Kilowattstunde reduziert werden können.