Meine Damen und Herren! Hohe Strompreise ärgern zwar den normalen Verbraucher, aber sie schaden der energieintensiven Industrie und dem heimischen Mittelständler und Handwerker. Es ist ein Unterschied, ob ich in Leverkusen als Unternehmen eine Energierechnung über 3 Millionen € im Jahr bekomme oder in Merseburg über 3,5 Millionen €. Diese Differenz von 500 000 € muss erwirtschaftet werden und sie geht zulasten von neuen Investitionen und Arbeitsplätzen. Das ist besonders bitter in einer Region, die in den zurückliegenden 25 Jahren durch einen bespiellosen Strukturwandel geprägt wurde.
bereits - hatte durchweg höhere Stromkosten als in Westdeutschland zu verzeichnen. Sehr schnell wurden hierzulande die Stromtrassen erneuert. Die neuen Länder haben den größten Beitrag bei der CO2-Reduktion der Bundesrepublik geleistet. Die Folge waren nicht nur die überall sichtbaren Windräder. Vor allem waren es höhere Kosten, die nicht nur die Industrie, sondern auch Gewerbe, Handel, Mittelstand und Handwerk betrafen. Alle diese Kosten wurden nicht solidarisch zwischen allen Bundesländern geteilt, sie verblieben hier in Ostdeutschland.
Jetzt gilt es, die alten Stromnetze im Westen zu sanieren und neue Stromtrassen zur Bewältigung der Energiewende zu bauen. Plötzlich sollen die neuen Länder erneut zahlen.
Ich sage Ihnen ganz offen, 30 % mehr Netzumlage sind eine Kampfansage an die gesamte ostdeutsche Wirtschaft, die wir nicht hinnehmen wollen.
Es ist schwer einzusehen, warum wir Trassen unter die Erde verlegen müssen. Denn das ist ein reines Luxusproblem jener Länder, die das verlangen, und wir sollen das alles mitbezahlen.
Meine Damen und Herren! Noch vor wenigen Jahren wurde die industrielle Basis Deutschlands als Old Economy geschmäht. Sie galt als Auslaufmodell. Modern und neu, das waren vor allem Internetfirmen. Doch in der Krise erwiesen sich die Autofabriken, chemische Unternehmen, Stahlwerke und Maschinenbaufirmen als Retter in der Not. Vor allem wegen des hohen Industrieanteils - darin sind sich Ökonomen einig - hat sich Deutschland schneller erholt als andere Staaten.
Die neue Ehre, die der Industrie zuteil geworden ist, währte nicht lange. Höhere Ökosteuern, verschärfte Bedingungen für den Kauf von CO2-Zertifikaten und der steigende Anteil an erneuerbaren Stromquellen haben die Energiekosten so in die Höhe getrieben, dass sich viele Unternehmen aus Deutschland verabschieden oder nicht mehr investieren.
Meine Damen und Herren! Sie tun es ohne großes Getöse. Wenn Sie sich einmal ein Werk wie Dow Chemical in Schkopau, die Total-Raffinerie in Leuna oder Solvay in Bernburg ansehen, werden Sie schnell feststellen, dass dies internationale Unternehmen mit weltweiten Standorten sind. Diese Standorte stehen nicht nur mit den Wettbewerbern in Konkurrenz, sondern auch konzernintern.
Die Vorstände, ob in Frankreich, den USA oder in Belgien, schauen sehr genau auf die Fixkosten und damit auf die Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen Werke. Sie können mir glauben, meine Damen und Herren, dass deutsche Standorte grundsätzlich schlechter abschneiden.
Das wiegt die Qualität des Fachpersonals, die hohen Fixkosten, die allgemeinen Auflagen und die Lohnkosten nicht mehr auf. Auch die teilweise Befreiung von der EEG-Umlage reicht nicht mehr aus.
Schon jetzt gibt es eine spürbare Investitionszurückhaltung in der Industrie; unser Wirtschaftsminister kann ein Lied davon singen. Das ist kein sachsen-anhalt-spezifisches Problem, meine Damen und Herren der GRÜNEN. Dennoch sollten auch hierzulande die Alarmglocken schrillen.
Die aus meiner Sicht holprige Energiewende und eine von ökonomischen Erwägungen wenig beeinflusste Klimapolitik sind nicht nur für die Unternehmen ein Planungs- und Investitionsrisiko, sie könnten auch zunehmend zum Arbeitsplatzrisiko werden.
Führende Wirtschaftsverbände warnen angesichts hoher Energiekosten vor einer Abwanderung deutscher Unternehmen in die USA. Die US-Regierung habe mit ihrer Unterstützung der Gasförderung im Inland für sinkende Energiepreise gesorgt, sagt der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, BDI, Ulrich Grillo, dem Handelsblatt. Ich zitiere:
„Das bedeutet für uns, dass einige Unternehmen verstärkt dort investieren werden. Deutschland müsse deshalb ‚aufpassen, dass sich damit kein Prozess einer schleichenden Desinvestition festsetzt’ - also dass sich Unternehmen schrittweise vom Standort Deutschland verabschiedeten.“
Meine Damen und Herren! So könnten etwa Chemieunternehmen und Zulieferer in die USA ziehen. Wacker Chemie startete 2011 den Bau einer Fabrik im US-Bundesstaat Tennessee, die 2015 die Produktion aufnehmen soll. Der weltgrößte Chemiekonzern BASF sieht angesichts der niedrigen Gaspreise in den USA klare Wettbewerbsvorteile.
Meine Damen und Herren! Die Landesregierung von Sachsen-Anhalt hat sich schon sehr oft in der Vergangenheit für eine Reform der Netzentgelte starkgemacht. Ich bin sehr froh darüber, dass es hier einen breiten Konsens gemeinsam mit unserem Koalitionspartner, aber auch mit den Gewerkschaften, gibt.
Das gilt nunmehr auch für die Braunkohle. Denn eine Strompreisexplosion konnte in der Vergangenheit nur durch einen breiten Energiemix unter Beteiligung der Braunkohle realisiert werden. Wir wissen, dass Energiewende und Netzausbau zusammengehören.
Aber wer ja zu erneuerbaren Energien sagt, der muss auch dafür sorgen, dass Wind- und Sonnenstrom dorthin fließen können, wo sie gebraucht werden. Deswegen bekennt sich Sachsen-Anhalt
zum bundesweiten und europäischen Ausbau der Stromnetze. Das ist keine Frage. Sachsen-Anhalt ist Vorreiter der Energiewende.
Bereits 2013 lag der Anteil der erneuerbaren Energien an der Bruttostromerzeugung bei knapp 45 %. Dieses Ziel hat der Bund für 2025 ausgegeben. Am Bruttoendenergieverbrauch betrug der Anteil der erneuerbaren Energien 2014 in Sachsen-Anhalt knapp 24 %. Zum Vergleich: Das Ziel des Bundes für 2020 liegt bei 18 %. Der Bund muss nun rasch handeln.
Die hohen Netzentgelte, meine Damen und Herren, sind eine regionale Sonderlast. Ihr Abbau ist längst überfällig. Wir brauchen eine faire Lastenverteilung beim Netzausbau. Wir fordern, die - eigentlich von der Bundesregierung für später zugesagte - bundesweite Angleichung der Netzentgelte auf der Übertragungsnetzebene schnellstmöglich vorzuziehen.
Weiterhin erteilen wir der Bundesregierung in der Absicht, die sogenannten vermiedenen Netzentgelte erst 2021 abzuschaffen, eine klare Absage. Das ist aus unserer Sicht zu spät. Hinter den vermiedenen Netzentgelten verbirgt sich eine zusätzliche Vergütung für Betreiber dezentraler Energieerzeugungsanlagen. Sie erhalten Geld, da ursprünglich angenommen wurde, dass diese dezentralen Anlagen die Stromnetze entlasten und daher geringere Netzkosten verursachen.
Meine Damen und Herren! Darüber hinaus müssen Anlagen zur Kraft-Wärme-Kopplung, die viele chemische Unternehmen betreiben, von der Neuregelung ausgenommen werden. Es dürfen nur vermiedene Netzentgelte für volatil einspeisende Anlagen abgeschafft werden. Anders als Wind- und Photovoltaikanlagen belasten KWK-Anlagen das Stromnetz nicht, vielmehr sorgen sie für eine Stabilisierung der Grundlast.
Sachsen-Anhalt fordert deshalb, die Netzentgeltsystematik im Sinne einer fairen Lastenverteilung zu reformieren. Meine Damen und Herren! Dieser Forderung hat sich im Juni dieses Jahres auch eine klare Mehrheit der Wirtschafsminister der Länder angeschlossen.
Zum Schluss meiner Ausführungen bitte ich die Landesregierung, mit allen Mitteln eine Erhöhung der Netzentgelte zu verhindern. Das ist kontraproduktiv und konterkariert alle wirtschaftlichen Aufbaubemühungen der letzten 25 Jahre. - Ich bitte Sie um Zustimmung und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Sie haben dargestellt, dass erhöhte Stromkosten den Wirtschaftsstandort Sachsen-Anhalt gefährden. In Ihrem Antrag sprechen Sie sogar von Tausenden von Arbeitsplätzen, die gefährdet seien. Ich halte diese Aussage für etwas übertrieben. Denn unter dem Strich ist es so, dass die Stromkosten gerade für die Großindustrie - Sie sprachen auch die Chemie an - gut sind. Das liegt im Wesentlichen an den gesunkenen Börsenstrompreisen. Ihre Aussage, dass die Unternehmen abziehen, kann ich so nicht nachvollziehen.
Wie bewerten Sie die Information von Akzo Nobel, die der Ministerpräsident bei seiner Reise in die Niederlande erhalten hat, dass sie gerade den Standort Bitterfeld wegen der guten Stromkosten schätzen?
Frau Kollegin Frederking, wir reden über eine angekündigte Preiserhöhung bei den Stromkosten. Es wurde angekündigt, dass sich die Netzentgelte am 1. Januar des nächsten Jahres um 30 % erhöhen sollen.
Viele Unternehmen haben natürlich Lösungen für sich gefunden, sind aber an der Grenze. Viele Unternehmen sind natürlich dabei, perspektivisch neue Standortentscheidungen vorzubereiten und zu treffen.
Diese Entwicklung, die uns hier droht und die Sie hier und da schon wahrnehmen können, dass der Standort Sachsen-Anhalt eben kein Wettbewerbsvorteil mehr ist, mit den Stromkosten, war Anlass für uns, hier darauf hinzuweisen.
Ich würde mich freuen, wenn Sie heute mit uns gemeinsam einer fairen Lastenverteilung bei den Netzkosten zustimmen würden.
Danke schön. Weitere Nachfragen sehe ich nicht. - Dann spricht jetzt für die Landesregierung Herr Minister Möllring.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Thomas hat gerade darauf hingewiesen, dass Sachsen-Anhalt bereits Vorreiter bei der Energiewende ist. Wir erfüllen bereits heute die
durch den Bund bzw. die EU erst für die Jahre 2020 bzw. 2025 gesetzten Ziele für den Ausbau der erneuerbaren Energien und für die Minderung der CO2-Emissionen.
Mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien muss aber auch der Ausbau der Stromnetze Schritt halten. Ein Ausbau der Stromnetze ist für SachsenAnhalt als Stromexporteur vor allem deshalb wichtig, damit der Weitertransport der Energie sichergestellt werden kann. Wenn der Weitertransport nicht sichergestellt ist, dann nehmen die Eingriffe in die Stromnetze und damit die sogenannten Redispatch-Kosten permanent zu. Daher habe ich bereits vor eineinhalb Jahren hier im Landtag klargestellt, dass jeder nicht gebaute Kilometer Stromnetz Geld kostet.
Das haben wir gerade in diesem Jahr wieder deutlich erlebt. Weil die wichtigen Stromautobahnen in den Süden selbst auf dem Papier nur langsam vorankommen, hat die Zahl der notwendigen Netzeingriffe noch einmal deutlich zugenommen. Jeder Netzeingriff kostet Geld, und zwar Geld der Endverbraucher; denn irgendwer muss es bezahlen, und bezahlen tut es immer der Endverbraucher.
50 Hertz Transmission, der ostdeutsche überregionale Übertragungsnetzbetreiber, hat deshalb vor einigen Tagen angekündigt, dass sich die Übertragungsnetzentgelte um bis zu 30 % erhöhen würden oder erhöhen könnten. Das wären 0,6 Cent pro Kilowattstunde. Diese Netzkosten würden nach der geltenden Regelung allein von den Verbrauchern in der betroffenen Netzregion in Ostdeutschland getragen werden. Die Netzentgelte in Ostdeutschland sind aber bereits heute - Herr Thomas hat darauf hingewiesen - deutlich höher als in den meisten westdeutschen Bundesländern. Diese Belastung würde durch die Erhöhung noch einmal verschärft werden. Deshalb müssen wir dagegen steuern.
Die hohen Netzentgelte stellen einen echten Wettbewerbs- und Standortnachteil für Sachsen-Anhalt dar. Insbesondere für energieintensive Unternehmen bilden die Netzentgelte ein wesentliches Entscheidungskriterium bei der Prüfung von Ansiedlungsoptionen. Hierauf habe ich bereits im Januar 2014 in einem Schreiben an Bundesminister Gabriel hingewiesen und zugleich in einem Positionspapier konkrete Vorschläge für eine faire Lastenverteilung unterbreitet.
Das Bundeswirtschaftsministerium hat in seinem Weißbuch zum Strommarkt und in dem aktuellen Referentenentwurf zum Strommarktgesetz zwar die Notwendigkeit einer Weiterentwicklung des Netzentgeltsystems im Sinne einer fairen Lastenverteilung bei den Netzentgelten eingeräumt, was mich im Grundsatz sehr freut, doch leider sind die dazu in Angriff genommenen Umsetzungsschritte noch völlig unzureichend.
Daher halten wir unverändert an zwei Forderungen fest, die sich auch in dem Antrag der Koalitionsfraktionen wiederfinden. Es geht um die bundesweite Angleichung der Netzentgelte auf Übertragungsnetzebene, wohlgemerkt nur auf dieser Ebene, da hierfür auch die überregional wirkenden Investitionen getätigt werden. Die Netzkosten des Übertragungsnetzbetreibers 50 Hertz sind energiewendebedingt höher als die der anderen drei Übertragungsnetzbetreiber. Eine bundesweite Verteilung der Kosten ist sachgerecht. Hierzu muss der Bund tätig werden.
Noch wichtiger ist die sofortige Abschaffung der sogenannten vermiedenen Netzentgelte für volatil einspeisende Anlagen, also für Solar- bzw. Windenergieanlagen, die nur Strom liefern, wenn die Sonne scheint oder der Wind weht. Volatil einspeisende Anlagen sind ein wesentlicher Treiber des Netzausbaus und belasten ausschließlich die Verbraucher in den Ausbauregionen. Eine Abschaffung der vermiedenen Netzentgelte für volatil einspeisende Anlagen wird daher von SachsenAnhalt seit Langem angemahnt. Diese Forderung wurde im Juni dieses Jahres auf der Grundlage eines von uns, also von Sachsen-Anhalt erarbeiteten Beschlussvorschlags auch durch die Wirtschaftsministerkonferenz bekräftigt.
Die Bundesregierung sieht im Referentenentwurf für ein Strommarktgesetz zwar eine Abschaffung aller vermiedenen Netzentgelte vor, allerdings nur für die Anlagen, die ab dem Jahr 2021 in Betrieb gehen. Das ist nach meiner Überzeugung zu spät. Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen belasten das Stromnetz nicht, sondern können zu einer Stabilisierung beitragen. Für diese Anlagen sind die vermiedenen Netzentgelte durchaus sinnvoll und sollten hierfür beibehalten werden.
Bei schneller Umsetzung können beide Maßnahmen, also die sofortige bundesweite Angleichung der Netzentgelte auf Übertragungsnetzebene und die sofortige Abschaffung der sogenannten vermiedenen Netzentgelte für volatil einspeisende Anlagen, einen erheblichen Beitrag zu einer bundesweiten Annäherung der Netzentgelte und damit zu einer gerechten Lastenverteilung leisten. - Vielen Dank, meine Damen und Herren, für Ihre Aufmerksamkeit.