Protocol of the Session on June 5, 2015

Ein letzter Punkt, den ich nennen will, vielleicht sogar der wichtigste: Es fehlen strategische Vorgaben zur Gewichtung finanzpolitischer, arbeitsmarkt- und wirtschaftspolitischer Faktoren. Auf gut Deutsch: Bei einem mit erheblichen Finanzmitteln ausgestatteten Förderinstrument findet ein weitgehender Blindflug statt. Wir geben nicht vor, welche Ziele wir erreichen wollen. Wir prüfen die Kriterien, wenn überhaupt, nur unzureichend. Der Beteiligungsausschuss ist - bzw. hoffentlich war - nicht willens oder nicht in der Lage, ordnungsgemäß zu arbeiten. Das Elend dokumentieren wir konsequenterweise nicht.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Und am Ende wissen wir nicht, was wir erreicht haben. Ich finde, das ist insgesamt irgendwie ein stimmiges Konzept. Ich kann auch eine Geschichte erkennen, aber das kann man nicht ernsthaft als Erfolgsgeschichte verkaufen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN)

Übrigens handelt es sich nicht um rasend neue Feststellungen. Der Landesrechnungshof hatte sich im Jahr 2003 schon einmal mit der IBG befasst und kam unter anderem zu folgenden Ergebnissen: Die Unterlagen seien formal nicht ordnungsgemäß geführt worden; der Aufsichtsrat habe seine Funktion nur bedingt ausgeübt; der Beteiligungsausschuss erhalte nicht immer alle notwendigen Informationen - na, so etwas -; die Gesellschafterrechte seien durch das Finanzministerium nicht mit der gebotenen Sorgfalt wahrgenommen worden; es sei keine Erfolgskontrolle der Beteiligung hinsichtlich der Zielerreichung erfolgt; mehrfach seien die Mittel nicht zweckentsprechend eingesetzt worden.

Man erkennt durchaus eine gewisse Konstanz, die auch die Privatisierung des Beteiligungsmanagements im Jahr 2006 mühelos überstand. In dem Jahr 2006 wurde das Management der Beteiligungen mit Kosten in Höhe von dann 4 Millionen € jährlich doppelt so teuer wie bisher, obwohl die gleichen Leute die gleichen Aufgaben erledigten.

Wenn man fragt, was sich nach der Prüfung im Jahr 2003 oder nach der Privatisierung im Jahr 2006 inhaltlich änderte, welche Lehren man gezogen hat und wie die Landesregierung auf die

Feststellungen reagierte, stellt man fest, dass das System unverändert fortgesetzt wurde.

Anmerken möchte ich, dass derzeit eine erneute Vergabe des Managements läuft und in Kürze abgeschlossen werden soll. Weder eine aktuell ausstehende Evaluierung der Wirksamkeit des Förderinstruments noch der Bericht des Landesrechnungshofs oder gar der noch zu erwartende Bericht des Untersuchungsausschusses flossen in die Entscheidung, wie wir zukünftig mit dem Einsatz von Risikokapital umgehen, ein. Man macht eben einfach weiter.

Ich bin noch mit keinem Wort auf die Unregelmäßigkeiten um Herrn von der Osten, die Schlossgruppe Neugattersleben der Herren Hübner oder sonstige Einzelfälle eingegangen. Auch das schlicht nicht fair durchgeführte Vergabeverfahren an von der Ostens Firma GoodVent im Jahr 2006 habe ich nur mit einem Halbsatz gestreift. Ich erspare uns nähere Ausführungen zu diesen Aspekten schon aus Zeitgründen, aber auch weil das Aufgabe des 14. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses ist und wir später noch Gelegenheit haben werden, diese Aspekte zu erörtern.

Dass ein solches System, wie es vom Landesrechnungshof beschrieben worden ist, zu missbräuchlichem Verhalten einlädt, ist doch klar. Insofern muss man natürlich fragen: Wer trägt die Verantwortung dafür? Welches Kollektiv hat denn kollektiv versagt? - Selbstverständlich ist es die Landesregierung. Wer denn sonst?

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN)

Selbstverständlich ist es das extra gebildete und durch die Landesregierung besetzte Aufsichtsgremium, der Aufsichtsrat. Selbstverständlich ist es der Aufsichtsratsvorsitzende. Von 2006 bis 2011 war das unser jetziger Ministerpräsident. Wir, Herr Haseloff und ich, hatten im Untersuchungsausschuss ein interessantes Gespräch zum Thema politische Verantwortung. Ich habe ihn gefragt - -

(Herr Leimbach, CDU: Gespräch kann man das nicht nennen! Er war Zeuge und Sie wa- ren Ausschussmitglied!)

- Ja, gut, ich habe ihn also befragt. - Ich habe ihn gefragt, ob es schon aufgrund des Zeitbudgets nicht sinnvoll wäre, dass nicht ein Minister, sondern eine fachlich kompetente Person der Arbeitsebene den Vorsitz übernimmt. Wir hatten gestern kurz die Möglichkeit zu hören, was andere dazu meinen. Sie, Herr Ministerpräsident, sagten sinngemäß und - diesen Eindruck hatte ich - mit einer gewissen Nachdenklichkeit: Wissen Sie, die politische Verantwortung, die nimmt einem keiner ab. - Sie haben Recht.

Sie haben mich dann aber damit überrascht, dass Sie die Verantwortung für Handlungen anderer dann doch ablehnten. Es ist doch aber gerade der Witz bei der politischen Verantwortung, dass man für das Ganze Verantwortung trägt, in guten wie in schlechten Zeiten, bei Erfolgsgeschichten, die man feiert, wie bei Dramen, die man erleidet, nämlich weil man als politisch Verantwortlicher das Kontrollsystem in der Hand hat, es gestalten kann oder eben gestalten könnte.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN)

Wir haben jetzt das Risiko eines finanziellen Schadens von etwa 70 Millionen €, vom Imageschaden gar nicht zureden.

(Herr Schröder, CDU: Das wissen wir noch gar nicht!)

Ich sehe derzeit leider niemanden, der bereit ist, tatsächlich die politische Verantwortung zu übernehmen. Ich meine aber, Herr Ministerpräsident, sie liegt bei Ihnen. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN - Herr Striegel, GRÜNE: Es sind schon Leute wegen weniger zurückgetreten!)

Danke schön, Herr Kollege. - Für die Landesregierung spricht nun Herr Minister Möllring.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Meister hat Recht, die IBG ist eine wichtige und erfolgreiche Wirtschaftsförderungseinrichtung des Landes.

(Herr Striegel, GRÜNE: Haben Sie zuge- hört?)

- Ja, Sie haben das in einem Halbsatz gesagt. Dann haben Sie das nur noch schlechtgeredet.

(Zuruf von den GRÜNEN)

- Wir haben vorhin über gute Arbeit geredet und wie man gute Arbeitsplätze schafft. Aber wenn man alles schlechtredet, was durchaus erfolgreich ist,

(Beifall bei der CDU)

dann macht man genau diesen Fehler, den man nicht machen sollte.

Frau Budde hat neulich völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass Wirtschaftspolitik zum Teil auch Psychologie ist - zur Hälfte. Das verhält sich wie bei der Werbung: Die Hälfte der Werbung ist rausgeschmissenes Geld, man weiß nur nicht, welche.

(Zuruf von Herrn Striegel, GRÜNE)

Deshalb muss man auch einmal die Punkte benennen, wo Sachsen-Anhalt Erfolg hatte. Deshalb benötigen wir für Unternehmen in oftmals schwierigen Gründungsphasen finanzielle Mittel. Und das ist Risikokapital.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Es ist doch trivial, dass es gerade junge Gründer schwer haben, zur Bank oder zur Sparkasse zu gehen und zu sagen: Ich hätte gern eine Million; ich habe eine gute Idee.

(Herr Striegel, GRÜNE: Für junge Gründer wie Herrn Hübner, oder was?)

- Zu Herrn Hübner komme ich auch noch. Wissen Sie, Herr Hübner hat in Sachsen-Anhalt viele, viele Arbeitsplätze geschaffen und erhalten. Dass Sie jetzt, nur weil er einmal im Bundestag gesessen hat, versuchen, an ihm herumzukratzen - - Man hat doch kein Berufsverbot, nur weil man einmal Politiker gewesen ist.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Da Banken zunehmend das Risiko scheuen, jungen Unternehmern Geld zu leihen, war und ist eine öffentliche Risikobeteiligungsgesellschaft wie die IBG notwendig.

Die IBG hat sich in ihrer Zeit an 162 Unternehmen beteiligt. Es wurden insgesamt 287 Millionen € ausgezahlt. Die IBG beteiligt sich aber immer nur als Minderheitsgesellschafterin mit maximal 25 %. Das bedeutet, dass die Finanzierung der IBG nur ein Baustein ist und dass weitere Bausteine hinzukommen müssen. Wenn ich sage, dass sich die IBG mit maximal 25 % beteiligt, dann müssen mindestens 75 % von dritter Seite kommen, entweder von Banken, von dem Unternehmer oder von der Oma des Unternehmers. Jedenfalls muss er sich das Geld dann irgendwo besorgen. Das heißt, jeder Euro, den wir als Fördermittel in die IBG hineingeben, vervierfacht sich; denn es kommen drei Teile hinzu.

Wir verschenken das Geld nicht. Es wird immer der Eindruck erweckt, das Land tue etwas Gutes und das Geld sei hinterher weg. Wer sich eine solche Beteiligung ins Haus holt, der muss sie teuer bezahlen. Wir haben für dieses Risikokapital ein durchschnittliches Entgelt von 13 %, und dies bei der heutigen Niedrigzinsphase. Das heißt, wenn das Land 1 Million € hineingibt, dann muss der Unternehmer ein jährliches Entgelt von 130 000 € zahlen. Dieses Geld muss der Unternehmer erst einmal erwirtschaften.

Wie wichtig die Arbeit der IBG ist, möchte ich an einigen wenigen Beispielen deutlich machen. Ich nenne die Lipocalyx GmbH mit Sitz in Halle. Dieses Unternehmen ist im Jahr 2011 gegründet worden. Es stellt ein Viromer her, das ist eine Art Taxi für Wirkstoffe, damit DNA in andere Zellen gelangt.

Dieses Unternehmen ist mittlerweile weltweit aktiv, insbesondere bei Medizinern in den USA, Japan und anderswo.

Ich nenne die EKF Diagnostics GmbH in Magdeburg, die Präzisionsmessgeräte herstellt und in 70 Länder exportiert. Sie hat inzwischen 150 Beschäftigte und würde gern noch 30 mehr einstellen, wenn sie sie auf dem Arbeitsmarkt finden würde. Ich nenne die Icubic AG in Magdeburg, die eine Standardsoftware entwickelt hat und mittlerweile 150 Mitarbeiter beschäftigt. Das alles sind doch Erfolgsgeschichten, über die man einmal sprechen kann.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Oder nehmen wir das Beispiel Aimess. Herr Kurze und ich waren neulich bei der Firma Aimess. Die Gründer haben an der Hochschule Anhalt studiert, haben Erfindungen gemacht, haben Patente angemeldet und haben inzwischen, glaube ich, 60 Mitarbeiter. An dieser Stelle könnte ich noch viele andere Unternehmen nennen.

Sie sehen, die IBG ist mit ihren Investitionen ein Ankerinvestor für Investments, die im Land Sachsen-Anhalt getätigt werden. Im Moment ist die IBG noch an 47 Unternehmen beteiligt. Über die Beteiligung der IBG konnten Koinvestoren gewonnen werden, die zusätzlich rund 360 Millionen € zur Verfügung gestellt haben. Die IBG hat 98 Millionen € gegeben. Mehr als das Dreieinhalbfache haben also zusätzliche Investoren aufgebracht.

Ein weiterer Fakt: Diese 47 Unternehmen, an denen die IBG noch beteiligt ist, beschäftigen mehr als 900 Menschen auf hochwertigen Arbeitsplätzen. Wir haben gerade über hochwertige Arbeitsplätze diskutiert. Hier ist der Beweis. Diese Unternehmen wollen sich auf 1 700 Arbeitsplätze steigern. Nun rechnen wir einmal: Wenn 47 Unternehmen in der letzten Zeit 900 Arbeitsplätze geschaffen haben und die Anzahl der Arbeitsplätze auf 1 700 erhöhen wollen, wie viele Arbeitsplätze schaffen dann 162 Unternehmen? - Das kann man verdreifachen und kommt auf mehr als 5 000 Arbeitsplätze.

Wenn Sie jetzt sagen, das sei eine Hochrechnung, dann möchte ich Ihnen zwei Beispiele nennen. Allein bei Q-Cells waren zwischenzeitlich 2 700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern beschäftigt. Heute hat Q-Cells immerhin noch 450 Mitarbeiter. Und diejenigen, die nicht mehr bei Q-Cells beschäftigt sind, haben andere hochwertige Arbeitsplätze bekommen. Sie sind nicht zum Arbeitsamt gegangen, sondern sie sind vermittelt worden, auch unter der Beteiligung von Q-Cells.

Oder nehmen Sie die Schlossgruppe - Hübner ist gerade genannt worden. Übrigens war die Beteiligung an Q-Cells für die IBG bisher die erfolgreichste; denn bei der Veräußerung, beim Exit hat

das Land 13 Millionen € erlösen können, also an Gewinn, Überschuss gemacht. Von den Gesellschaften in der Schlossgruppe Neugattersleben haben wir uns im letzten Jahr getrennt. Wir haben bei den Gesellschaften, von denen wir uns Ende letzten Jahres getrennt haben, immerhin 1,2 Millionen € mehr erwirtschaftet, als wir selbst hineingegeben haben. Das muss man doch auch einmal sagen.

(Zustimmung von Frau Budde, SPD, und von Herrn Harms, CDU)