Mittlerweile 16 Jahre nach Ingangsetzung der Bologna-Reform ist es Zeit zurückzublicken. Woher sind wir gekommen und was haben wir erreicht? - Deshalb möchte ich am Anfang kurz daran erinnern, was die Ziele der Bologna-Reform waren.
Worauf hatte man sich in der im Jahr 1999 unterzeichneten Erklärung geeinigt? - Es sollten in Europa vergleichbare Studienabschlüsse geschaffen werden - in Klammern gesagt: hauptsächlich nach den Vorstellungen und den Vorgaben des britischen Studiensystems. Es sollte ein zweistufiger Studienabschluss eingeführt werden. Das ist das, was bei uns heute als Bachelor- und als MasterAbschluss bekannt ist.
Es sollte ein einheitliches Leistungssystem innerhalb der europäischen Länder eingeführt werden, um die Mobilität der Studierenden - aber nicht nur der Studierenden, sondern auch der Lehrenden - zu erhöhen, um den Austausch zwischen den europäischen Ländern zu befördern.
Man hatte sich auch darauf verständigt, eine europäische Qualitätssicherung einzuführen und diese zu befördern. Also: Jeder Studiengang in jedem europäischen Land sollte gleich viel wert sein und in seiner Qualität gesichert sein.
Insbesondere Deutschland legte Wert darauf, dass mit den Abschlüssen auch eine Beschäftigungsfähigkeit der Studierenden erzielt wird, das heißt, die Studienabschlüsse sollten an den Ansprüchen der Wirtschaft, der Industrie und der Unternehmen orientiert werden.
Jetzt kann man sagen: Jubiläum dieses Prozesses war im letzten Jahr. Es wurde vielfältig öffentlich diskutiert. Es gab Pro und Kontra. Die Studierenden kamen zu Wort. Die Hochschulleitungen und auch das BMBF kamen zu Wort. Warum dann jetzt die Vorlage eines Antrages zu diesem Thema?
Auch in diesem Jahr gab es einige neue Untersuchungen zum Ergebnis der Bologna-Reform, die aufhorchen lassen und die Fragen stellen, die wir beantworten sollten, zumindest wenn wir an der Zukunftssicherheit unseres Wirtschafts- und Wissenschaftssystems in Sachsen-Anhalt festhalten wollen.
Die verschiedenen Studien - ich habe es bereits erwähnt -, zum Beispiel die der DIHK, des Stifterverbandes für die deutsche Wirtschaft, aber auch des BMBF, zeigen Ergebnisse unterschiedlichster
So zeigt sich beispielsweise, dass der Anteil der Beschäftigten mit einem Bachelorabschluss in unseren Unternehmen insgesamt gestiegen ist. Waren es im Jahr 2010 noch 13,2 %, so waren es im Jahr 2014 bereits 23,4 %. Insgesamt ist der Anteil von Beschäftigten mit einem akademischen Abschluss gestiegen.
76,6 % der Unternehmen geben in einer Befragung an, dass sie keinen Unterschied machen, ob der Bachelorabschluss an einer Hochschule für angewandte Wissenschaft oder an einer Universität erworben wurde. Das heißt, auch diese beiden Hochschulsysteme haben sich in ihrer Qualität und in ihrem Abschluss sehr stark angenähert.
Aber die Unternehmen sagen gleichzeitig, dass sie, wenn sie Wahl zwischen einem Absolventen der Fachhochschule und einem Absolventen der Universität haben, dann den Absolventen der Fachhochschule bevorzugen.
Was sagt das über die Studienabschlüsse aus? Was sagt das über die Studiengänge, die an beiden Hochschultypen angeboten werden, aus? Was muss es für uns als Wissenschaftspolitiker, als Land heißen? Welche Rückschlüsse können wir daraus ziehen?
Denn - das besagt die Studie der DIHK - viele Personaler, viele Verantwortliche in den Unternehmen stellen sich immer noch die Frage: Was sagt mir denn ein Bachelorabschluss? Was können die Absolventen tatsächlich? Diese Frage wird oftmals durch das Vorlegen eines Bachelorzeugnisses nicht beantwortet.
So zeigt sich in der Befragung aus dem Jahr 2015 auch, dass 16 % der Unternehmen für ausgeschriebene Stellen für Bachelorabsolventen unter den Bewerbern keine fachlich ausreichend Qualifizierten finden. Das heißt, die Bewerbungen laufen ins Leere. Sie finden nicht die Absolventen der Hochschulen, die sie benötigen.
Auch hierbei stellt sich wieder die Frage: Was ist aus den Zielen der Bologna-Reform von 1999 geworden? Hat die Wirtschaft zu hohe Ansprüche? Sind die Studienprogramme ungleichmäßig gewichtet in Bezug auf ihre Ausrichtung auf Praxisorientierung und Theorie? An welcher Stelle stehen wir?
Es zeigt sich ebenfalls, dass die Zufriedenheit mit den Bachelorabschlüssen in den letzten vier Jahren merklich gesunken ist. Im Jahr 2011 sagten 63 % der befragten Unternehmen, sie seien mit
An dieser Stelle ist wieder zu fragen, wo wir insgesamt stehen bzw. spezifisch für das Land, wo wir in Sachsen-Anhalt in diesem Prozess stehen.
Ein weiterer Bereich, der Fragen aufwirft, ist die Mobilität, die durch die Vereinheitlichung der Systeme gewährleistet werden sollte. Das BMBF sagte im Jahr 2014 selbst, dass es weiterhin eine der größten Herausforderungen sei, die Mobilität von Lehrenden und Studierenden im System der Hochschulen zu steigern.
Woran liegt es, dass wir in diesem Bereich immer noch Nachholbedarf haben? - Möglicherweise daran, dass selbst das BMBF angibt, dass ein Drittel der Studienleistungen, die im Ausland erworben wurden, an unseren Hochschulen nicht anerkannt werden?
Auch in Sachsen-Anhalt ist es so, dass Studienleistungen des Bachelors von den Universitäten, an denen der konsekutive oder nachfolgende Masterstudiengang angeboten wird, nicht vollumfänglich anerkannt werden. Es werden Vorbereitungsmodule erforderlich, um einen Masterstudiengang zu absolvieren. Eigentlich widerspricht das dem Ziel der Angleichung der Studiensysteme.
Was die internationale Mobilität betrifft, so kann man feststellen, dass laut Bericht des BMBF insgesamt 140 000 Studierende an ausländischen Hochschulen eingeschrieben sind. Offen bleibt die Frage - das wird auch von den Studierenden als ein großes Problem bezeichnet -, wie viel davon der sogenannten Brückenmobilität zuzuordnen sei. Das heißt, die Mobilität beim Übergang zwischen dem Bachelor- und dem Masterstudium, weil der Masterstudiengang überfüllt ist.
Wie viele nutzen den Weg ins Ausland, weil sie als Bachelor hier keine Beschäftigungsperspektive haben und auf diese Weise etwas Zeit überbrücken wollen? - All diese Dinge gilt es, strukturiert zu bearbeiten und erst einmal für unser Bundesland Anhaltspunkte und Antworten zu finden. Denn ich glaube, die Entwicklung gerade in Sachsen-Anhalt als Wissenschafts- und Wirtschaftsland ist davon abhängig, wie gut unsere Hochschulen Ausbildungs- und Studiengänge anbieten.
Ich will an dieser Stelle aber auch anmerken, dass ein Studium natürlich nicht allein darauf ausgerichtet ist, in der Wirtschaft eine Beschäftigung zu finden.
Das ist mir klar. Darum soll es auch nicht gehen. Dennoch sollten wir nicht in die Falle tappen und alle Studienangebote per se gutheißen - unabhängig davon, wie die nachfolgenden Beschäftigungsaussichten für die Studierenden aussehen, immer
mit dem Hinweis darauf, im Zweifelsfall hilft es der Persönlichkeitsentwicklung. Ich glaube, das ist kein Argument. Vielmehr sollte uns dieser Aspekt wichtig sein, dass unsere Abschlüsse auch kompatibel sind mit den Anforderungen des Arbeitsmarktes.
Deshalb halte ich fest, dass neben der Beschäftigungsfähigkeit und der Berufsperspektiven auch Themen wie Mobilität ins Ausland für uns und zur Weiterentwicklung unseres Bundeslandes wichtig sein sollen. Auch die systematische Mobilität zwischen den Hochschulen der angewandten Wissenschaften und den Universitäten soll für uns ein wichtiger Aspekt sein. Hier gibt es offensichtlich einiges zu tun.
Deshalb bitte ich, den vorliegenden Antrag zu beschließen, damit wir über die aufgeworfenen Fragestellungen im Ausschuss debattieren können und möglicherweise daraus Schlussfolgerungen ziehen können, welche Verbesserungen für Sachsen-Anhalt und unsere Hochschullandschaft sinnvoll und notwendig sind. - Vielen Dank.
Danke sehr, Frau Dr. Pähle für die Einbringung. - Für die Landesregierung spricht Minister Herr Möllring.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Bologna-Prozess ist ein höchst bedeutsamer Motor für den Reformprozess im deutschen Hochschulwesen der letzten Jahrzehnte. Die europäische Studienreform hat in ganz Europa zu weitreichenden Veränderungen der nationalen Hochschulsysteme geführt. Deutschland hat diesen Prozess von Anfang an aktiv mit gestaltet. Die deutschen Hochschulen haben dabei eine gewaltige Leistung erbracht.
Der Prozess der vergangenen 16 Jahre und auch die jetzt stattfindende Konsolidierung und Optimierung sind im Wesentlichen eine kontinuierliche systematische Weiterentwicklung des Hochschulwesens. Sie ist in eine nationale und internationale Entwicklung mit vielen Beteiligten in Europa eingebunden.
In Deutschland liegt die Umsetzung beim Bund, bei den Ländern und den Hochschulen. Daher wird der Reformprozess von der Hochschulrektorenkonferenz, dem Deutschen Akademischen Austauschdienst, dem Akkreditierungsrat, den Studierenden, den Arbeitgebern, den Gewerkschaften und vom Deutschen Studentenwerk begleitet.
Entschuldigung, Herr Minister, aber es ist zu laut im Saal, sowohl im Plenum als auch auf den Regierungsbänken. - Bitte sehr, Herr Minister.
Vielen Dank. - Was die Teilnahme Deutschlands an diesem Prozess betrifft, kommt noch ein weiterer Anlass hinzu, den manche nicht mehr so gut in Erinnerung haben. Es gab in den 90er-Jahren in Deutschland eine verbreitete und echte Sorge um die Wettbewerbsfähigkeit des Studienstandortes Deutschland. Daher haben die Regierungschefs von Bund und Ländern sich dem im Jahr 1996 gewidmet.
So geht nicht jede Reform, die wir mit Bologna verbinden, ausschließlich auf Bologna zurück. Deutschland und seine Hochschulen hatten sich bereits auf einen Reformkurs begeben. Schon im Jahr 1997 hatte das Plenum der Hochschulrektorenkonferenz die Einführung von Bachelor- und Masterabschlüssen und die Einführung eines Akkreditierungsverfahrens gefordert. Auch die deutsche Wirtschaft hatte sich damals bereits - wie immer - für kürzere Studienzeiten ausgesprochen.
Bologna ist also weniger die Einführung neuer Elemente von außen gewesen, sondern das Bekenntnis, die Verpflichtung, die Hochschulreform abgestimmt in der Dimension eines europäischen Hochschulraumes einzusetzen. Das hat der Dynamik und der Bedeutung erhebliche Schubkraft verliehen.
Der Bologna-Prozess mit dem Ziel, einen einheitlichen europäischen Hochschulraum zu schaffen, war insbesondere in seinen Anfängen von heftigen Protesten begleitet, die unter anderem in den Problemen, die Frau Pähle völlig zutreffend vorgetragen hat, begründet waren. So dachte man, wenn man einen Bachelor habe, könne man anschließend irgendwo in Europa den Master studieren. Dann stellte man fest, dass die Anforderungen des Masterstudienganges ganz andere Voraussetzungen erfordern, als man mit dem Bachelor erworben hatte.
Einige dieser Kritikpunkte an der Umstellung auf Bachelor- und Masterstudiengänge sind inzwischen aufgegriffen und zum Teil aufgearbeitet worden. Dennoch bleibt es natürlich ein Prozess, der weiterhin ausgeformt werden muss.
Allerdings haben wir auch mehr Internationalität, Mobilität, eine bessere Anerkennung von Studienleistungen und kürzere Studienzeiten erreicht. Es
ist eben darauf hingewiesen worden, dass etwa 140 000 Deutsche an ausländischen Hochschulen eingeschrieben sind. Aus welchen Gründen, wissen wir nicht genau. Zum Teil ist es ja auch eine Voraussetzung für den Studiengang, dass man ein oder mehrere Auslandssemester vorweisen kann. Zumindest ist internationale Erfahrung immer ein Gewinn.
Lassen Sie mich zum Schluss zum Ausdruck bringen, dass ich mit der Einschätzung unserer Bundesministerin übereinstimme, dass auch und gerade in schwierigen Zeiten der europäische Hochschulraum zu einem friedlichen Miteinander beiträgt. Es ist wichtig, dass Menschen aus Ländern mit verschiedenen Regierungsformen, mit anderen historischen Erfahrungen und mit unterschiedlichen Religionen und Weltanschauungen zusammen studieren und voneinander lernen können.
Wer das im eigenen Land einmal sehen will, der sollte die Hochschule Anhalt in Bernburg und Köthen besuchen, wo immer gut vorgeführt wird, wie Studierende aus vielen verschiedenen Ländern friedlich miteinander zusammenleben und sich gegenseitig beim Studium helfen. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.