Protocol of the Session on September 9, 2011

Wir stimmen ab über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung und Kultur, Drs. 6/343. Wer der Beschlussempfehlung zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind alle Fraktionen. Damit ist der Beschlussempfehlung zugestimmt worden.

Wir treten jetzt in eine Mittagspause bis 13.30 Uhr ein. Ich möchte noch einmal daran erinnern, dass der Vorsitzende des Innenausschusses Dr. Brachmann darum gebeten hat, dass sich der Innenausschuss jetzt in Raum B0 05 trifft.

Unterbrechung: 12.27 Uhr.

Wiederbeginn: 13.34 Uhr.

Meine Damen und Herren! Das Warten hat keinen Erfolg gezeitigt. Ich merke an, dass bisher niemand von der Landesregierung anwesend ist. Bei dem anstehenden Tagesordnungspunkt geht es um ein Thema, das eigentlich uns alle beschäftigen sollte. Aber ich denke, im Laufe der Debatte werden wir hier noch Ministerinnen und Minister begrüßen können.

Ich möchte dann den Tagesordnungspunkt 16 aufrufen, die Beratung zum Thema „Offener Haushalt als Einstieg in Open Data“. Hierbei handelt es sich um einen Antrag der Fraktion DIE LINKE in der Drs. 6/337. Einbringer ist Herr Wagner.

(Herr Herbst, GRÜNE: Ich finde es ganz schwierig, das ohne den Finanzminister zu be- arbeiten! Das geht gar nicht! - Herr Lange, DIE LINKE: Ja! - Weitere Zurufe von der LINKEN: Ja!)

- Einen kleinen Moment, bitte. - Herr Wagner, ich möchte Sie bitten, noch einmal Platz zu nehmen, damit Sie nicht so lange stehen müssen.

(Herr Wagner, DIE LINKE: Kein Problem! - Heiterkeit und Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Wir warten, bis der Finanzminister Herr Bullerjahn eingetroffen ist. Ich bitte Sie aber, den Saal nicht zu verlassen.

(Herr Miesterfeldt, SPD: Wir halten hier aus bis zum Letzten! - Frau Niestädt, SPD: Wir haben Disziplin! - Frau Dr. Klein, DIE LINKE: Ein starkes Stück! - Ministerin Frau Prof. Dr. Kolb betritt den Sitzungssaal - Ah! und Zustimmung bei der LINKEN - Herr Gallert, DIE LINKE: Sie ist doch nicht zurückgetre- ten, die Landesregierung! - Frau Rogeé, DIE LINKE: Nun ist sie einmal die Erste! - Herr Czeke, DIE LINKE: Oder sie hat es über- standen! Kann ja auch sein! - Heiterkeit bei der LINKEN - Staatsminister Herr Robra betritt den Sitzungssaal - Zustimmung bei der LINKEN - Herr Gallert, DIE LINKE: Die Staatskanzlei ist da! - Herr Lange, DIE LIN- KE: Was soll denn das jetzt? Gibt es nie- manden aus der Koalition, der einmal Be- scheid sagen kann? - Oh! bei der CDU - Un- ruhe)

Meine Damen und Herren! Ich habe mich jetzt bemüht, einen anderen Tagesordnungspunkt zu finden, den wir vorziehen könnten, aber es fehlen jeweils die Redner.

(Frau Rogée, DIE LINKE: Dann brechen wir ab und machen morgen weiter! - Herr Cze- ke, DIE LINKE: Das ist ein positiver Vor- schlag! - Unruhe - Herr Czeke, DIE LINKE, und Frau Zoschke, DIE LINKE, klopfen rhythmisch auf den Tisch - Herr Czeke, DIE LINKE: Bis uns der Arzt hier herausholt! - Heiterkeit bei der LINKEN - Minister Herr Bullerjahn betritt den Sitzungssaal - Ah! bei der LINKEN - Minister Herr Bullerjahn: Soll ich gleich reden?)

Ich steige noch einmal ein.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 16 auf:

Beratung

Offener Haushalt als Einstieg in „Open Data“

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 6/337

Einbringer ist der Abgeordnete Herr Wagner.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Manchmal gibt es Anträge im Hohen Haus, die von solch sonderbarem Interesse zu sein scheinen, dass sich fast das ganze Haus im Plenum versammelt. Ich bedauere, dass es meiner Fraktion nicht gelungen ist, mit diesem Antrag jenes Interesse zu wecken.

(Unruhe bei der SPD - Frau Niestädt, SPD: Kann ja noch kommen!)

Die digitale Welt entwickelt sich. Keine Technologie verändert unsere Lebensumstände heute schneller als die digitale Vernetzung. Die Potenziale der vernetzten digitalen Welt werden überall anerkannt, genutzt und weiterentwickelt, um wiederum neue Potenziale zu entdecken.

(Herr Höhn, DIE LINKE: Das haben wir vor- hin gemerkt!)

Im digitalen Zeitalter lassen sich Probleme lösen, bei denen zuvor kaum jemand an eine einfache Lösung gedacht hätte. Im digitalen Zeitalter erwachsen Potenziale, deren Mehrwert für die Gesellschaft oft kaum abzusehen war oder noch immer nicht abzusehen ist.

Es gelingt uns im digitalen Zeitalter, mit Daten effektiv umzugehen, und aus riesigen Datenanhäufungen relevante Informationen zu gewinnen. Natürlich ist auch die politische Landschaft von dieser Entwicklung positiv betroffen.

Es ist einfacher, Verwaltungsprozesse offenzulegen, da die Verhältnismäßigkeit oft gegeben ist. Es ist einfacher, wichtige Strukturdaten zu erheben, zu verwerten und zu kontrollieren. Es ist einfacher, unterschiedliche Modelle gegenzurechnen und sie auf ihre Wirksamkeit hin zu falsifizieren. Es ist einfacher, Verhältnismäßigkeiten im Haushalt zu überprüfen, alternative Querschnittberechnungen vorzunehmen oder Titelgruppen zu aggregieren.

Was zunächst kompliziert klingt, ist es anfangs auch. Um hierbei einen guten Start hinzubekommen, ist es umso wichtiger, wesentliche Prinzipien des Open Data zu klären und den Unterschied zwischen einfacher Veröffentlichung und Open Data anhand des Mehrwerts darzulegen.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, Sie alle kennen folgendes Phänomen: Im Herbst erhalten Sie von der Regierung einen Haushaltsplanentwurf. Dieser umfasst drei Bände und eine vierstellige Anzahl von Seiten. Wer von Ihnen ist in der Lage, dieses Machwerk umfänglich zu verstehen?

(Unruhe bei der CDU und bei der SPD - Zu- ruf von Minister Herrn Bullerjahn)

Die wenigsten werden es sein.

Maschinenlesbar und in einem freien Format zur Verfügung gestellt, würde der Haushalt von uns, aber auch von jedem weiteren interessierten Mitbürger in der Bevölkerung noch leichter durchdrungen werden können. Erst dadurch werden die verfassungsrechtlichen Grundsätze der Kontrolle der Exekutive und der Transparenz der parlamentarischen Arbeit in der heutigen Zeit erfüllt.

Unser Antrag möchte dem Landtag ein Bekenntnis zu Open Data abringen. Beginnen wollen wir mit dem Landeshaushalt. Was Open Data ist, das lässt sich nicht in zwei englischen Wörtern erklären. Erlauben Sie mir, uns den Grundgedanken dieser Idee noch einmal kurz zu vergegenwärtigen.

Open Data bedeutet im Grunde nichts anderes, als das Hantieren mit jenen Daten öffentlich zu ermöglichen, welche leicht zu veröffentlichen oder gar prinzipiell öffentlich und nicht persönlich sind, welche steuerfinanziert oder zumindest subventioniert sind. Damit geht es auch um ein Grundrecht. Wir fordern, dass diese Daten für die Öffentlichkeit verwertbar vorgehalten werden.

Für die Erstellung eines Haushaltsplans verfügt das Ministerium der Finanzen über Software, die den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die eine oder andere Arbeit abnimmt. Wir Abgeordnete wie die Vertreter der Öffentlichkeit erhalten den Haushaltsplan in Buchform oder im PDF-Format. Damit erwächst der Regierung ein Vorteil, nämlich alleiniger Herr über die Daten des Haushalts zu sein. Das sollte aber nicht nur dem Finanzminister und einem überschaubaren Stab im Finanzministerium erlaubt sein.

(Frau Niestädt, SPD: Da sind Sie aber falsch im Bilde, junger Mann!)

Wir haben vor der Sommerpause schon darüber diskutiert, die Stellung des Landesparlaments nicht unnötig weiter zu beschneiden, nein, sie sogar zu stärken.

Der Landtag hat zwei wesentliche Hauptaufgaben: die Kontrolle der Regierung und das Budgetrecht. Um Letzteres wahrnehmen zu können, bedarf es in Anbetracht der heutigen technologischen Möglichkeiten eines offenen Haushalts. Ansonsten ist Stellschraubenpolitik das höchste der Gefühle.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Infolgedessen ist Open Data nichts weiter als die konsequente Folge einer transparenten und somit demokratischen Verwaltung unter den Bedingungen der digitalen vernetzten Welt. Es muss daher Anliegen aller Fraktionen des Landtags sein, sich als Legislative von der Regierung nicht weiter abhängig machen zu lassen.

(Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Sich Open-Data-Strategien zu verweigern, hieße demnach auch, sich dem größtmöglichen Maß an Demokratie in unserer freien Gesellschaft zu verweigern. Daher stellt sich tendenziell nicht die Frage des Ob, sondern die des Wie.

Die Open Government Working Group hat für internationale Verhältnisse realistische Prinzipien entwickelt, wonach Open Data von aktuellen Veröffentlichungen unterschieden wird. Wenn wir uns diese einmal genau vergegenwärtigen, dann ist es nicht mehr schwer, den Mehrwert dieser Form der Zurverfügungstellung von Daten zu erkennen, auch weil wir vielleicht die eine oder andere Situation aus unserem individuellen Leben kennen, in der

diese Prinzipien nicht eingehalten wurden, was uns dann gestört hat.

Die Prinzipien lauten im Einzelnen wie folgt. Vollständigkeit. Wir benötigen zum Beispiel den Haushalt und die Jahresrechnung in vollem Umfang. Das erklärt sich, glaube ich, von selbst.

(Minister Herrn Bullerjahn: Kriegen Sie heu- te schon!)

Primärquellennutzung.

(Minister Herrn Bullerjahn: Kriegen Sie heu- te schon!)

Die Daten liegen irgendwann als Rohdaten vor.

(Minister Herr Bullerjahn: Rohdaten?)

Diese sollen bei der Veröffentlichung immer mit bedacht werden.

Zeitnähe. Wir gehen davon aus, dass Open Data auch neue Impulse für die Demokratieentwicklung in Sachsen-Anhalt setzen kann. Das funktioniert nur, wenn die Zurverfügungstellung von Daten ohne weitere künstliche Verzögerungen erfolgt. Ansonsten wäre es alles kalter Kaffee.