Protocol of the Session on April 23, 2015

Danke sehr, Herr Minister. - Es ist eine Fünfminutendebatte vereinbart worden. Als erster Debattenredner spricht der Kollege Meister für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der vorliegende Antrag macht es einem nicht eben leicht, ihn lieb zu haben.

(Herr Borgwardt, CDU: Ach, Herr Meister! - Oh! bei der CDU)

- Das ist so.

(Oh! bei der CDU - Weitere Zurufe von der CDU)

- Doch. - Zunächst betont er völlig zu Recht die Bedeutung von gewerblicher Forschung und Entwicklung, wobei dann aber eher Allgemeinplätze

folgen. Die schwierige Situation Sachsen-Anhalts im FuE-Bereich, also im Bereich von Forschung und Entwicklung, ist natürlich fraktionsübergreifend bekannt. Die Ausgaben der Wirtschaft in diesem Bereich sind in unserem Land im Bundesvergleich sehr niedrig. Hierbei handelt es sich um ein strukturelles Problem.

Umso wichtiger ist es, dass wir unsere Spielräume auch nutzen. Nun verhält es sich so, dass wir für die Förderung von Forschung und Entwicklung erhebliche Beträge eingeplant haben. Um die Mittel ausreichen zu können, bedarf es jedoch einer Richtlinie. Die hatten wir auch einmal; sie trat am 30. Juni 2014 außer Kraft. Seitdem gibt es keine mehr. Also gibt es auch keine Förderung mehr in diesem Bereich in unserem Bundesland.

Dieser beklagenswerte Zustand dauert nun bald ein Jahr lang an. Es gab dazu bereits berechtigte Kritik in der Presse. Wir haben das bereits in zwei Ausschüssen angesprochen. Im Verhältnis zu diesen ganz konkreten, wirklich handfesten Problemen sind die Forderungen wie - ich zitiere aus dem Antrag - „bewährte Instrumente der KfW für die Unterstützung aufrechtzuerhalten“ - ich wusste gar, dass darüber diskutiert wird, sie abzuschaffen - „und weiterzuentwickeln“ nicht wirklich ernst zu nehmen.

Die betroffenen Unternehmen müssen sich doch schlicht veralbert vorkommen, wenn wir hier im Stil von Sonntagsreden Forschung und Entwicklung hochhalten, aber ganz grundlegende Dinge einfach nicht auf die Reihe bekommen. Wir können nicht ernsthaft einen Antrag zu diesem Thema einfach durchwinken, der das aktuell bestehende Problem nicht einmal erwähnt.

Wir Bündnisgrüne sind natürlich - so sind wir - hilfreich und gut und haben deshalb einen Änderungsantrag vorgelegt, der versucht, dieses Problem anzugehen.

Der Antrag der Koalitionsfraktionen krankt jedoch an weiteren Problemen. So widmet er sich den Segnungen von Beteiligungs- und Risiko- bzw. Wagniskapital. Es ist nicht so, dass Sachsen-Anhalt da nicht auf eigene Erfahrungen zurückblicken könnte. Wir haben immerhin gerade einen Untersuchungsausschuss dazu laufen. Wer heute die Presse aufmerksam verfolgt hat, der konnte den aktuellen Beitrag sehen.

Der Antrag bringt das Kunststück fertig, sich zum Wagniskapital des Landes zu äußern - die IBG wird in der Begründung ausdrücklich erwähnt -, ohne auch nur mit einem Wort auf unsere landesspezifischen Erfahrungen und Problemstellungen einzugehen. Von einem Antrag, der die Frage der Vergabe von Wagniskapital in Sachsen-Anhalt durch das Land thematisiert, darf, ja muss man erwarten, dass er sich mit den Ergebnissen der

Vergangenheit auseinandersetzt und Konsequenzen zieht. Das passiert nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung von Herrn Henke, DIE LINKE)

Letztlich kommt der Antrag dafür auch einige Monate zu früh. Noch liegt der Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses nicht vor. Ich will dem Ausschuss auch nicht vorgreifen; einige Problemstellungen zeichnen sich aber schon recht deutlich ab. Offensichtlich hatte die Landes- bzw. Ministerialverwaltung ganz erhebliche Probleme, das große Rad, das da gedreht wurde, auch nur annähernd zu kontrollieren.

Scheinbar wurden Mittel in nicht unerheblichem Umfang auch nicht entsprechend den Förderkriterien vergeben. Da gab es in einem beachtlichen Ausmaß Beteiligungen, bei denen ich keinerlei innovativen Ansatz erkennen kann. Es fehlt auch eine Evaluierung hinsichtlich der Wirksamkeit der Förderung in Bezug auf Arbeitsplätze und Wertschöpfung im Land etc. Auch so grundsätzliche Fragen wie die Frage, ob die Privatisierung des Beteiligungsmanagements sinnvoll war, sind völlig offen.

Dass die Vergabe in den Jahren 2006 und 2007 an Private nicht wirklich fair war, dürfte kaum noch zu bestreiten sein. Man muss sich das einmal vorstellen: Das Land Sachsen-Anhalt suchte unter 160 000 Rechtsanwälten in Deutschland zur Abwicklung der Vergabe einen Rechtsanwalt aus, der mit dem wichtigsten Bewerber befreundet war. Er wurde dann konsequenterweise auch im Rahmen der Aufarbeitung der Vorgänge beauftragt und ist auch in der aktuellen Vergabe tätig.

(Zuruf von Herrn Striegel, GRÜNE)

Ein Neuanfang sieht anders aus.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN)

Ein Antrag zu diesem Thema, der sich mit diesen Problemstellungen nicht einmal auseinandersetzt - ich möchte jetzt gar nicht ultimativ sagen: das ist die Richtung -, kommt nicht über das Stadium der weißen Salbe hinaus.

Dann wären da noch die übrigen Ungereimtheiten in dem Antrag. Mit ist völlig unklar, worauf Nr. 2 des Antrages konkret abzielt: Rechtliche Rahmenbedingungen für Wagniskapital international wettbewerbsfähig gestalten. Was genau soll da passieren? - In der Begründung wird das nicht erläutert.

Nr. 6 sieht vor, die Markteinführung innovativer Produkte ressortübergreifend zu entwickeln und - natürlich - revolvierend einzusetzen. Ich ahne dunkel, was gemeint ist. Es gab aber schon verständlichere Anträge.

(Herr Borgwardt, CDU: Das sagt ihr gerade!)

- Gut, diese Kritik mag alle Fraktionen treffen. - Verdächtig oft ist in den anderen Punkten nur unkonkret von „Weiterentwicklung“ die Rede - das ist ein gefährliches Wort -, ohne dass im Antrag auch nur ansatzweise das Wie und Wohin erklärt wird.

Im Ergebnis werden wir den Antrag ablehnen. Sollte unserem Änderungsantrag gefolgt werden, werden wir uns der Stimme enthalten.

Der Änderungsantrag der LINKEN stellt durchaus eine deutliche Verbesserung des Ursprungsantrags dar. Das Problem der fehlenden Auseinandersetzung mit der Frage des Risikokapitals wird aber auch dort nicht angegangen. Das ist wohl momentan auch einfach noch nicht möglich. Auch die fehlende Konkretheit der Weiterentwicklungen wurde übernommen. Ihr habt an dem Antrag gearbeitet, aber na ja.

Wir werden uns daher bei der Abstimmung über den Änderungsantrag der LINKEN der Stimme enthalten. - Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke sehr. - Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Thomas.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vertrauen, persönliche Haftung, regionale Verbundenheit, langfristige Orientierung und Nachhaltigkeit - all das sind Eigenschaften, die den wirtschaftlichen Mittelstand in Sachsen-Anhalt auszeichnen.

Mehr als 90 % der Unternehmen im Land sind kleine und mittlere Unternehmen. Diese repräsentieren auch in Deutschland den weit überwiegenden Teil des Sozialproduktes und der Arbeitsplätze. Zu kleinen Unternehmen zählen wir Betriebe mit einer Bilanzsumme von weniger als 4,84 Millionen €, einem Umsatzerlös von weniger als 9,68 Millionen € und nicht mehr als 50 Beschäftigten im Jahresdurchschnitt.

Mittlere Unternehmen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie mit ihrer Bilanzsumme 19,25 Millionen € nicht überschreiten. Ihr Umsatzerlös liegt nicht über 38,5 Millionen € pro Jahr. Sie beschäftigen nicht mehr als 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Jahresdurchschnitt.

Meine Damen und Herren! In Sachsen-Anhalt weisen die oftmals inhabergeführten kleinen und mittleren Unternehmen eine hohe Standorttreue auf. Mit gut 80 % aller sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze beschäftigen kleine und mittlere Unternehmen in Sachsen-Anhalt deutlich mehr Arbeitnehmer als im gesamten Bundesdurchschnitt.

Aufgrund der häufig ausgeprägten Beziehungen zwischen der Unternehmensführung, der Beleg

schaft und den Kunden - das halte ich auch für sehr wichtig, wenn es in der heutigen Debatte um die Bewertung von KMU geht - gehören die mittelständischen Unternehmen auch in schwierigen Zeiten zu den stabilisierenden Faktoren; sie stabilisieren damit eine gesamte Region. Wie wichtig dies war und ist, meine sehr geehrten Damen und Herren, hat die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise bewiesen, in der insbesondere die kleinen Unternehmen eine außergewöhnliche Flexibilität gezeigt haben. Dies hat dazu geführt, dass insbesondere unser Bundesland mit seiner mittelständisch geprägten Struktur relativ schadlos durch das schwierige Marktumfeld gekommen ist.

Dass die Thematik im gesamten Parlament von besonderer Bedeutung ist, zeigen mir auch die Reaktionen der Oppositionsfraktionen, die ihrerseits Änderungsanträge erarbeitet haben. Ich denke, dass es auch einen fraktionsübergreifenden Konsens bei der Bewertung des Mittelstandes und von kleinen und mittelständischen Unternehmen im Hinblick auf die Bedeutung für die Wirtschaft Sachsen-Anhalts gibt.

Kollege Meister, natürlich ist es immer schwierig mit der Bereitstellung von Fördermitteln. Sie beklagen zu Recht, dass das hier und da auch etwas zu lange dauert. Aber Sie beklagen - das habe ich live miterleben dürfen - auch sofort, wenn Fördermittel Ihrer Meinung nach falsch oder rechtswidrig vergeben worden sind. Sie wissen genau, es ist ein Spagat: Wie mache ich es möglichst schnell und zugleich auch rechtlich fest? Wie man diesen Spagat meistern kann, haben Sie uns noch nicht erklärt.

Ich möchte ein bisschen davor warnen, auf der einen Seite Schnelligkeit zu fordern und auf der anderen Seite zu beklagen, es sei zu schnell gewesen und deshalb sei etwas nicht korrekt gelaufen. Das ist ein spannendes Thema. Mit vorschnellen Anträgen sollten wir vorsichtig sein.

Kollege Herr Dr. Thiel von der LINKEN hat einen interessanten Ansatz aufgenommen, bei dem wir als Koalitionsfraktionen glauben, dass wir unseren Antrag um diesen Punkt erweitern können. Der besteht vor allem darin, dass bei der Vergabe öffentlicher Aufträge die Kleinstunternehmen und diese Neugründungen direkt angesprochen werden und dass um ihre Teilnahme an den Vergaben geworben wird. Ich denke, das ist ein richtiger Ansatz. Ich würde darum bitten, dass wir unseren Antrag um diesen Punkt erweitern.

Meine Damen und Herren! Wir begehen in diesem Jahr den 25. Jahrestag der deutschen Wiedervereinigung. Wenn man auf den Beginn der 90erJahre zurückblickt, dann weiß man, dass diese Zeit vor allem durch einen beispiellosen Strukturwandel geprägt war. Ganze Industrien wurden abgewickelt. Es gab in Ostdeutschland einzelne Re

gionen, in denen es eine Arbeitslosigkeit von 35 % gab.

In dieser Zeit entstanden aber auch die zahlreichen mittelständischen Unternehmen, die noch heute die Wirtschaftskraft in Ostdeutschland prägen. Ich glaube, wir sollten auch den Unternehmerinnen und Unternehmern dafür danken, dass sie die ganzen Jahre lang hier in Sachsen-Anhalt für uns zum Wohlstand beigetragen haben.

Aber, meine Damen und Herren, das reicht natürlich nicht. Es gibt noch immer eine erhebliche Lücke bei der Angleichung der Wirtschaftskraft zwischen Ost- und Westdeutschland. Diese Lücke - das wissen wir alle - wird sich auf Dauer nur durch Firmenneugründungen, durch Erweiterungsinvestitionen und neue und innovative Produkte verringern lassen.

Vielen Kleinstunternehmen fehlt hierfür das nötige Kapital. Genau hier setzt unser Antrag an. Insbesondere mit der Einführung von Basel III werden sich die Eigenkapitalforderungen der Banken weiter verschärfen. Wir erleben bereits heute, dass trotz der Geldschwemme, die die EZB ausgelöst hat, und trotz der Niedrigzinsen keine Entspannung auf dem Kapitalmarkt für Unternehmensfinanzierungen zu verzeichnen ist.

Daher ist es nötig, dass die Landesregierung mit dafür sorgt und dabei mithilft, dass insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen über unterschiedliche Instrumente der KfW, über die Förderung steuerlicher Rahmenbedingungen, über Zuschüsse und über verbesserte Abschreibungsbedingungen sowie revolvierende Fonds oder auch über Beteiligungs- und Risikokapital bei ihrer Fortentwicklung unterstützt werden.

Ich möchte an dieser Stelle nicht unerwähnt lassen - ich bin gleich fertig, Frau Präsidentin -, dass die Förderpolitik in den zurückliegenden Jahren hierzulande durchaus erfolgreich war. Es geht uns aber im Kern darum - daher auch dieser Antrag heute -, die Förderpolitik auf die Zeit nach Basel III anzupassen.

Die finanziellen Spielräume des Landes werden nach der Neufassung des Länderfinanzausgleiches und dem Auslaufen des Solidarpaktes nicht größer. Daher ist es schon wichtig, dass wir Existenzgründer und Wachstumsfinanzierung rechtzeitig fördern und uns rechtzeitig dazu positionieren. Meine Damen und Herren, ich bitte Sie deswegen um Unterstützung für unsere KMU-Landschaft im Land Sachsen-Anhalt und bitte Sie um Zustimmung zu diesem Antrag. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Für die Fraktion DIE LINKE spricht der Abgeordnete Herr Dr. Thiel.