Protocol of the Session on February 27, 2015

Herr Präsident! Frau Kollegin Lüddemann, ist Ihnen das Prinzip der Subsidiarität und der kommunalen Selbstverwaltung bekannt? Wenn nicht gerade ein solches Problem wie die Festsetzung einer sozialen Staffelung bei den Kita-Gebühren im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung durch die Räte entschieden werden soll, dann frage ich Sie: Welche Dinge sind denn überhaupt noch im Rahmen kommunaler Selbstverwaltung festzustellen?

Ist es tatsächlich Ihr Wunsch und Ihr Bestreben, dass der Landesgesetzgeber im Zweifelsfall immer über die Köpfe der Kommunen hinweg Festsetzungen trifft und damit nach unserem Dafürhalten das Prinzip der kommunalen Selbstverwaltung ein Stück weit ad absurdum führen würde?

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Selbstverständlich ist die kommunale Selbstverwaltung ein hohes Gut. Das ist keine Frage. Ich würde auch nicht unbedingt vorgeben: von 1,33 € bis 744,22 €. Aber ich würde die soziale Staffelung explizit vorgeben, wie wir auch die stundengenaue Abrechnung explizit im Gesetz verankert haben. Das ist die Position meiner Fraktion, diese müssen ja nicht alle anderen teilen. So würde ich das tatsächlich vornehmen.

Dann kann man das auch in diesem Fall vor Ort im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung, im Rahmen der Subsidiarität und unter Einbeziehung der Elternvertreter, wie es auch bei anderen Fragen der Ausgestaltung des KiFöG nötig und gewünscht ist, tun. Selbstverständlich.

Danke schön, Kollegin Lüddemann. Weitere Nachfragen sehe ich nicht. - Dann können wir in der Aussprache fortfahren mit der nächsten Rednerin. Für die Fraktion der SPD spricht nun Frau Abgeordnete Grimm-Benne.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Ehrlicher wäre es gewesen, die Aktuelle Debatte heute so zu nennen: Grenzen der Haushaltskonsolidierung. Oder: Auswirkungen des Finanzausgleichsgesetzes.

(Zustimmung bei der SPD)

Aber das mit dem Kinderförderungsgesetz zu verbinden, hat natürlich wesentlich mehr Wirkung.

Ich würde das gern auf die beiden betroffenen Gemeinden herunterbrechen. Ich möchte darauf

aufmerksam machen, dass wir im Lande mehr als 1 600 Gemeinden haben, die bisher - -

(Herr Wunschinski, CDU: Hatten wir einmal! Wir haben 250! - Unruhe bei der CDU)

- Wir haben also rund 250 Einheitsgemeinden und Verbandsgemeinden, die alle sehr verantwortungsbewusst in ihren Räten Elternbeitragssatzungen verfasst haben.

Jetzt gibt es in zwei Gemeinden Probleme, die sofort für das gesamte Land verallgemeinert werden.

(Herr Wunschinski, CDU: Das stimmt nicht!)

In der Stadt Jessen hatte der Stadtrat im Oktober 2014 eine moderate Erhöhung der Kostenbeiträge für seine Kindertagesstätten beschlossen. Dann haben wir in § 13 Abs. 2 des Kinderförderungsgesetzes gesagt: Diesen Kostenbeiträgen muss durch den Träger der öffentlichen Jugendhilfe zugestimmt werden, also durch den Landkreis Wittenberg. Anfang Dezember 2014 stimmte der Fachdienst Jugend dort auch zu. - So weit ein Verfahren, wie es in unserem Land Normalität ist.

Mitte Dezember 2014 beanstandete dann die Kommunalaufsicht die Kostenbeitragssatzung und forderte die Stadt Jessen auf, die Kostenbeiträge neu festzusetzen und ihren Anteil der Kosten auf 50 % zu begrenzen, da sie sich in der Haushaltskonsolidierung befindet. Landrat Dannenberg hat sich in dieser Woche in der „MZ“ gegen den Vorwurf verwahrt, dass die Kommunalaufsicht bei der Kreisverwaltung die Ursache für die Erhöhung der Kita-Gebühren sei. - Ja, wie denn nun?

Im Landkreis Mansfeld-Südharz wurde der Verbandsgemeinde Mansfelder Grund-Helbra von Vornherein auferlegt, ihren Anteil aufgrund der derzeitigen Haushaltslage auf 50 % zu beschränken. Sie durfte gar keine andere Satzung machen. Die dort erfolgte Gründung einer Bürgerinitiative von aufgebrachten Eltern kann ich sehr gut nachvollziehen.

Zu der 50:50-Regelung. Ich muss sagen: Die Kinderbetreuung ist in unserem Land eine Aufgabe der Kommunen; es ist sogar eine Pflichtaufgabe der Kommunen.

(Zustimmung bei der SPD)

Es ist schon mehrmals gesagt worden: Unabhängig davon, ob es irgendwo einen Erlass, eine verbindliche Anweisung oder ein Arbeitspapier gibt - die 50:50-Regelung in unserem Gesetz ist eine Bis-zu-Regelung. Wir haben uns im Gesetzgebungsverfahren - und ich habe alle Anhörungen mitgemacht - einvernehmlich auf diese Regelung verständigt, weil es in unserem Land bis dahin auch Kommunen gegeben hat, die von den Eltern mehr als diese 50 % genommen haben.

(Zuruf von der LINKEN: Weniger!)

- Mehr als 50 %.

(Zuruf von Herrn Knöchel, DIE LINKE)

Ich darf für meine Fraktion sagen: Wir sind nicht zu eitel, um eine Gesetzesänderung vorzunehmen - wenn es denn wirklich helfen würde. Gesetzt den Fall, wir machen das, was die Landeselternvertretung fordert, und begrenzen den Anteil der Eltern, um diese zu schützen, auf maximal 40 %. Haben Sie einmal für Ihre Kommunen durchgerechnet, was das für die Elternbeiträge bedeuten würde? - Das würde überhaupt nicht helfen. Es würde nach wie vor zu einer drastischen Erhöhung kommen, weil die Kommunen im Krippenbereich, dem teuersten Bereich, fast 80 % tragen, um die Elternbeiträge zu stützen.

(Herr Knöchel, DIE LINKE: Ich denke, 50 % sind sinnlos!)

Ich möchte auf einen Punkt zu sprechen kommen, der in der Debatte noch keine große Rolle gespielt hat. Markus Kurze hat ihn vorhin angesprochen. Warum wollen wir Leistungs- und Qualitätsvereinbarungen im Land haben? - Weil wir festgestellt haben, dass wir, selbst wenn wir irgendwann einmal zu einer Gebührenfreiheit für alle Kinder kommen sollten, nicht beziffern können, wie viel es kostet. Wir können bisher nicht sagen, wie viel in unserem Land ein Krippen- oder ein Kindergartenplatz kostet.

Wir wollten zum 1. Januar 2015 eigentlich schon weiter sein. Wir haben jetzt noch einmal die Frist für den Abschluss der Leistungs- und Qualitätsvereinbarungen verlängert, weil die Kommunen mehr Zeit benötigen. Ich bin wirklich darüber erschrocken, dass eine Vielzahl von Gemeinden zum ersten Mal kalkuliert, wie viel in ihrer Gemeinde ein Kita-Platz kostet.

Im Augenblick kann man feststellen, dass die kommunalen Einrichtungen wesentlich teurer erscheinen als die der freien Träger. Man kann den Eindruck gewinnen, dass sie sich hochrechnen würden. Woran liegt denn das? Das kann man nur erahnen, wenn man einmal schaut, was jetzt mit hineingerechnet wird. Herausgerechnet wurden bislang offensichtlich Hausmeister- und Winterdienste, Mieten und Pachten, Abschreibungen, was sie jetzt natürlich über die Doppik ohnehin machen müssen.

Es gibt ganz krasse Fälle. Bei Krippenplätzen - man wundert sich - gibt es Kostenspannen zwischen 855 € bis 1 785 € in den Gemeinden und Kommunen. Wie kommt das zustande? - Das ist nicht alles mit tariflichen Erhöhungen zu erklären. Ein Punkt ist, wie ich mitbekommen habe, dass man beispielsweise auch die Kosten für die Altersteilzeit der Erzieherinnen in der Kommune in die Kalkulation der Kinderbetreuungskosten einbezieht. Ist das gerechtfertigt? - Ich denke, die Kom

munalaufsicht sollte sich auch die Kalkulationen der Kommunen anschauen.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Dann hätten wir nämlich auch den Punkt, der sehr entscheidend dafür ist, was tatsächlich als Defizit bei der Kommune verbleibt. Ich habe mir gar nicht vorstellen können, dass eine Kommune die Kosten hochrechnet in der Kalkulation; denn das ist doch auch das Defizit, das sie letztlich tragen muss.

Wenn man diesen Gedanken etwas weiter spinnt und sagt, die Landkreise Mansfeld-Südharz und Wittenberg bestehen trotz der Elternproteste darauf, dass die Kommunen pro Platz einen Elternbeitrag von 400 € erheben, dann werden wahrscheinlich Dreiviertel aller Eltern beim Landkreis einen Antrag auf Zuschuss zur Kinderbetreuung stellen. Das ist eine tolle Maßnahme zur Haushaltskonsolidierung, weil man dann die Haushalte der Landkreise aufstocken muss. Denn diese müssten die exorbitanten Elternbeiträge für diejenigen, die sie nicht mehr aufbringen können, refinanzieren. Deshalb sage ich noch einmal: Es wäre gut gewesen, die Aktuelle Debatte mit „Grenzen der Haushaltskonsolidierung“ zu überschreiben.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Zu diesem Arbeitspapier, das überall herumgeistert, sage ich: „Wenn das umgesetzt wird, dann ist es billiger, die Gemeinden mit dem Bagger zuzuschieben. Denn wenn man alle darin enthaltenen Maßnahmen anwenden müsste, dann wären die Kommunen nicht mehr lebens- und liebenswert. Dann wäre nichts mehr möglich; dann könnte der Letzte nicht einmal mehr das Licht ausmachen.“

(Zustimmung bei der SPD)

Die Finanzpolitiker und die Kommunalpolitiker sollten sich einmal darüber unterhalten, was Haushaltskonsolidierung eigentlich bedeutet. Heißt das, so zu kürzen, dass nichts mehr konsolidiert werden kann?

(Herr Schröder, CDU: Das behauptet gar keiner!)

- Nein, aber das wäre die Auswirkung des Entwurfes eines Maßnahmekatalogs, der kursiert und von dem manche meinen, es wäre die Bibel und das müsste die Kommunalaufsicht bei der Haushaltskonsolidierung anwenden.

Zum Schluss möchte ich eines sagen: Ich bin stolz auf unser Kinderförderungsgesetz.

(Zustimmung bei der SPD)

Wir wollten alle - dafür haben wir jahrelang gekämpft -, dass alle Kinder einen Rechtsanspruch auf eine Ganztagsbetreuung unabhängig vom Sozialstatus der Eltern haben.

(Zuruf von Frau Bull, DIE LINKE)

Herr Kurze, wir haben um den Anspruch auf bis zu zehn Stunden gerungen. Ich habe immer gesagt - das hat auch Frau Lüddemann gesagt -: Das Land setzt nur einen Rahmen fest. Die Stadt Dessau zum Beispiel hat für alle Kinder eine Betreuungszeit von acht Stunden festgelegt, wenn wegen Vereinbarung von Familie und Beruf nicht mehr benötigt wird. Jede Kommunen kann nach wie vor das festlegen, was sie als den Ganztagsanspruch ansieht. Es kann aber auch notwendig sein, wie der Minister gesagt hat, zehn Stunden vorzusehen.

(Zuruf von Herrn Kurze, CDU)

- Ja, das wollte ich gerade sagen. Das letzte KitaJahr würden wir gern beitragsfrei anbieten. Dafür müssen wir aber erst einmal wissen, wie viel es kostet. Erst dann können wir das einführen.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen sage ich: Lassen Sie uns diesen Weg weiter gehen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der CDU)

Kollegin Grimm-Benne, es gibt eine Nachfrage des Abgeordneten Herrn Gallert. Möchten Sie sie beantworten?