Protocol of the Session on November 13, 2014

Guten Morgen, meine sehr geehrten Damen und Herren!

(Unruhe)

Ich bitte Sie, die Plätze einzunehmen und die noch ungebändigte Freude darüber, hier zu sein, akustisch etwas herunterzufahren; denn ich habe zwei frohe Botschaften zu verkünden, obwohl noch nicht Sonntag ist.

Ich eröffne zunächst die 77. Sitzung des Landtages von Sachsen-Anhalt der sechsten Wahlperiode und heiße Sie, verehrte Mitglieder des Hohen Hauses, sowie auch alle Gäste in diesem Hause auf das Herzlichste willkommen!

Ich stelle die Beschlussfähigkeit des Hohen Hauses fest.

Ich habe die Freude, Ihnen mitteilen zu dürfen, dass zwei Abgeordnete, eine Kollegin und ein Kollege, heute Geburtstag feiern. Es ist nicht jedes Mal so, es ist ganz selten der Fall, dass gleich zwei Personen an einem Tag Geburtstag haben. Es sind ein runder und ein nicht runder Geburtstag. Ich darf ganz herzlich im Namen des Hohen Hauses zum Geburtstag gratulieren und dies mit den allerbesten Wünschen verbinden. - Kollegin Hunger, alles Gute zum Geburtstag!

(Beifall im ganzen Hause)

Ich bin jetzt so ein bisschen Gebundener und Gefangener unseres eigenen Regelwerkes. Wir freuen uns schon auf den nächsten Geburtstag. Wenn es ein runder Geburtstag ist, gibt es nämlich einen Blumenstrauß.

(Heiterkeit)

Ich will dem nächsten Parteitag der LINKEN nicht vorgreifen, aber: Falls das noch dauern sollte, bitte ich darum, das mit zu berücksichtigen. Ein runder Geburtstag ist immer ein schöner Anlass in diesem Hohen Hause, um einen Blumenstrauß zu überreichen.

Wir haben heute die Gelegenheit, einen Strauß nicht nur auszufechten - es werden ja noch einige Debatten folgen -, sondern auch einen zu überreichen, weil es einen runden Geburtstag gibt. Vorhin habe ich schon einen Hausmeister mit einer Sackkarre gesehen; das hat damit nichts zu tun.

Der Kollege Holger Stahlknecht, Abgeordneter sowie Minister für Inneres und Sport, feiert heute seinen 50. Geburtstag. Dazu gratuliere ich ihm herzlich und wünsche ihm Glück und Gottes Segen!

(Beifall im ganzen Hause - Zunächst übergibt Minister Herr Dr. Aeikens Minister Herrn Stahlknecht einen kleinen Blumen- strauß; danach überreicht Präsident Herr Gürth Minister Herrn Stahlknecht einen großen Blumenstrauß. - Oh! bei allen Frak- tionen - Zuruf: Das war ja diskriminierend! - Heiterkeit)

Ich möchte mich recht herzlich für die Glückwünsche bedanken! Mir macht es Spaß, auch wenn wir uns gelegentlich mal in der Sache streiten, hier arbeiten zu dürfen und mich einzusetzen.

Eines haben wir heute an der Größe der Blumensträuße gesehen, Herr Ministerpräsident: Der Landtag hat mehr Geld als wir im Kabinett.

(Heiterkeit - Zuruf: Das ist wahr!)

Ich möchte gern den Blumenstrauß, den ich bekommen habe - allerdings den kleinen -,

(Heiterkeit und Beifall)

an Sie, Frau Hunger, weiterreichen; wir sind das gleiche Baujahr.

(Minister Herr Stahlknecht übergibt Frau Hunger, DIE LINKE, den kleinen Blumen- strauß.)

Herzlichen Glückwunsch von mir!

(Zuruf von Frau Hunger, DIE LINKE)

- Es ist der gleiche Geburtstag, nicht das gleiche Baujahr. Es fängt schon an; mit 50 passieren die ersten Fehler.

(Heiterkeit)

Welch nette Geste. Zu der Größe der Blumensträuße möchte ich nur sagen: Wir setzen leichte Prioritäten. - Nein, ich denke, dass alles von Herzen kommt.

Mit diesem freudigen Einstieg möchte ich in das Tagesgeschäft überleiten. Mit Schreiben vom 7. November 2014 bat die Landesregierung darum, für die 38. Sitzungsperiode Herrn Minister Bullerjahn heute, Donnerstag, ab etwa 16 Uhr wegen der Teilnahme an der Sitzung des Finanzausschusses des Bundesrates mit anschließender Finanzministerkonferenz in Berlin zu entschuldigen.

Ich möchte außerdem Folgendes bekannt geben: Nach der Sitzung des Ältestenrates hat die Fraktion DIE LINKE fristgemäß ein Thema zur Aktuellen Debatte eingereicht, das unter dem Tagesordnungspunkt 20 in die Tagesordnung aufgenommen wurde. Nach einer Vereinbarung der parlamentarischen Geschäftsführer soll die Beratung an zweiter Stelle heute, am Donnerstag, erfolgen. Der ursprünglich an zweiter Stelle am Donnerstag vorgesehene Tagesordnungspunkt 7 wird somit dann an dritter Stelle beraten.

In Bezug auf die Rednerreihenfolge möchte ich noch bekannt geben, dass die Fraktionen der CDU und der SPD tauschen, wie mir mitgeteilt wurde. Nach der Eröffnung der Aktuellen Debatte durch die Antragstellerin wird die Landesregierung reden, danach die Fraktion der SPD, die Fraktion der CDU und die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat mitgeteilt, dass der von ihr gestellte Antrag zum Thema „Krankenkassenkarten für Asylbewerberinnen und Asylbewerber“ für die Sitzungsperiode im Dezember 2014 zurückgestellt wird.

Ich frage Sie: Gibt es weitere Bemerkungen zur Tagesordnung? - Das sehe ich nicht. Dann können wir so, wie besprochen, verfahren.

Ich möchte noch darauf hinweisen, dass heute an die Sitzung anschließend eine parlamentarische Begegnung des Landesverbandes der Freien Berufe e. V. im Erdgeschoss des Ostflügels, im Ostflügelfoyer, stattfinden wird. Ich möchte Sie herzlich dazu einladen. Die morgige Sitzung des Landtages beginnt um 9 Uhr.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 a auf:

Beratung

Regierungserklärung der Ministerin für Justiz und Gleichstellung Frau Professor Dr. Angela Kolb zum Thema: „Sachsen-Anhalt auf dem Weg zu mehr Gleichstellung“

Zunächst hat die Ministerin Frau Professor Dr. Kolb das Wort zur Abgabe der Regierungserklärung.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren und Abgeordnete! Ich freue mich, dass heute das Thema Gleichstellung an erster Stelle der Tagesordnung steht.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Ich glaube, es gibt auch gute Gründe für eine Regierungserklärung zur Gleichstellungspolitik in Sachsen-Anhalt. Zum Ersten ist die Gleichstellung von Frauen und Männern eine Frage der Gerechtigkeit. Die Gleichstellung der Geschlechter ist auf europäischer Ebene in den Artikeln 2 und 3 des EU-Vertrages, in der Charta der EU-Grundrechte, in Artikel 3 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland und in Artikel 34 der Landesverfassung verankert.

Trotz dieser eindeutigen Rechtslage und der Verpflichtung in Artikel 3 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes „Der Staat fördert die Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und

wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin“ ist in Deutschland die Gleichstellung von Frauen und Männern tatsächlich heute noch nicht in allen gesellschaftlichen Bereichen erreicht. Beispielhaft darf ich an dieser Stelle auf die derzeitige Debatte zur Einführung einer Frauenquote für die Aufsichtsräte der börsennotierten und mitbestimmten Unternehmen verweisen.

Der zweite Grund ist: Die Koalitionsvereinbarung für die derzeitige Legislaturperiode „Sachsen-Anhalt geht seinen Weg- Wachstum, Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit“ räumt der Herstellung von Chancengleichheit einen zentralen Platz ein. Wir haben darin konkrete Schritte zur Gleichstellung von Frauen und Männern, zum Beispiel eine 40%Quote für Frauen in Führungsfunktionen von Landesverwaltung und Hochschulen, verankert. Herr Ministerpräsident Haseloff hat mit der Einrichtung eines Frauenbeirates diesen Politikbereich zu einem seiner persönlichen Schwerpunkte gemacht.

Zum Dritten, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist Gleichstellungspolitik Zukunfts- und Innovationspolitik. Zu dieser Erkenntnis kommt das Expertengutachten, das die Bundesregierung in der letzten Legislaturperiode zur Erstellung des ersten gleichstellungspolitischen Berichts des Bundes in Auftrag gegeben hat. Darin wird nachgewiesen, dass durch die Erwerbstätigkeit von Frauen wirtschaftliche Nachfrage und neue Beschäftigungsverhältnisse entstehen und zugleich die Sozialsysteme stabilisiert werden.

Gleichstellungspolitik ist somit ein zentrales Politikfeld, das es uns ermöglicht, die zukünftigen Herausforderungen wie den demografischen Wandel zu meistern.

Das Motto „selbstverständlich gleichberechtigt“ der zeitgeschichtlichen Biografie von Frau Dr. Lore Peschel-Gutzeit könnten viele von uns wohl unterschreiben. Dank des historischen Einsatzes mutiger Frauen ist es heute eine Selbstverständlichkeit, dass Frauen die gleichen Rechte wie Männer innehaben. Ebenso setzen wir voraus, dass sie auch die gleichen Chancen haben sollten, ihre Rechte und Potenziale zu nutzen.

Oft erscheint dieser Anspruch sogar so selbstverständlich, dass die Frage aufgeworfen wird, ob die Chancengleichheit nicht längst erreicht sei. Frauen, die im Erwerbsleben durchstarten oder erfolgreich eine politische Karriere machen, sind inzwischen ebenso wenig eine Ausnahme wie Männer, die in Elternzeit gehen.

Partnerschaftlichkeit in Beziehungen ist für junge Menschen gerade heute ein weit verbreiteter Anspruch. Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Realität begrenzt oft die Möglichkeiten der individuellen Lebensplanung.

Die Quote von Frauen in den Vorständen der DaxUnternehmen ist gerade wieder zurückgegangen.

Bei einem Anteil von 5 % kann man eben nicht von gleichen Chancen für Frauen sprechen. Sie stoßen an eine gläserne Decke, die aus meiner Sicht - es gibt nunmehr auch einen entsprechenden Gesetzentwurf auf der Bundesebene - nur mit einer gesetzlichen Quote aufgebrochen werden kann.

(Zustimmung bei der SPD)

Männer, die sich mehr Zeit für ihre Familie nehmen möchten, stoßen auf Skepsis und Vorbehalte. Dies zeigt, dass die Gleichstellung nach wie vor nicht selbstverständlich ist.

Die Chancengleichheit und die Partnerschaftlichkeit von Frauen und Männern sollten aus meiner Sicht in allen Lebensbereichen die Ziele einer modernen Gleichstellungspolitik sein.