Protocol of the Session on July 17, 2014

Nach § 17 des Tierschutzgesetzes liegt eine Straftat vor, wenn jemand ein Wirbeltier ohne vernünftigen Grund tötet oder einem Wirbeltier aus Roheit erhebliche Schmerzen oder Leiden oder länger anhaltende und sich wiederholende erhebliche Schmerzen oder Leiden zufügt

Eine Tierschutzorganisation berichtete mir, dass auch die Kastenstände in den Deckzentren von Schweinezuchtanlagen Gegenstand ihrer Strafanzeigen sind, weil die Kastenstände viel zu schmal sind. Dieser gravierende Missstand wurde auch von den Behörden in etlichen Fällen festgestellt. Auch darauf wird in den Kleinen Anfragen abgestellt.

Ein Kastenstand ist eine Art Käfig, in dem die Sau bis zu vier Wochen nach der Besamung gehalten wird. Darin kann sie nur aufstehen und sich hinlegen; andere Bewegungen wie Drehen oder Gehen sind nicht möglich.

Laut der rechtlichen Grundlage will der Gesetzgeber, dass die Sau, wenn sie liegt, zumindest ihre Beine ausstrecken kann. Doch auch das ist in der Praxis oft nicht möglich, da die Kastenstände zu schmal sind. Die Sau liegt mit angewinkelten Beinen eingequetscht im Kastenstand oder sie streckt die Beine unter den Gitterstäben hindurch in den Nachbarkastenstand. Weil so wenig Platz ist, kommt es zwangsläufig dazu, dass sich die Sauen gegenseitig treten und drücken und sich dadurch Verletzungen zufügen.

Die Tiere erfahren in den Kastenständen erhebliches und länger anhaltendes Leid. Die qualvolle Enge in den Kastenständen muss so schnell wie möglich beendet werden.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN - Zustimmung von Herrn Kurze, CDU)

Das sollte relativ leicht möglich sein, indem eine klarstellende Ergänzung in der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung erfolgt. Dort muss ergänzt werden, dass die Breite eines Kastenstandes mindestens der maximalen Höhe der Sau im Stehen entspricht. Nur dann ist gewährleistet, dass die Sau ohne Verletzungsgefahr ihre Gliedmaßen auch in der Seitenlage ausstrecken kann.

Dies hat auch jüngst das Verwaltungsgericht Magdeburg in einem Urteil festgestellt, das bundesweit

Beachtung findet. In unserem Antrag ist das Aktenzeichen des Urteils genannt. Sie können das Urteil beim Verwaltungsgericht einsehen; darin können Sie alles nachlesen und dann wissen Sie auch, um wen es sich handelt.

(Herr Leimbach, CDU: Und warum haben Sie das nicht mitgebracht?)

Ein weiteres Problem ist, dass Sauen oft länger als die maximal vorgesehenen vier Wochen im Kastenstand gehalten werden. Das geschieht dann, wenn die Besamung nicht erfolgreich war und wiederholt wird. In der Praxis findet das bis zu vier Mal hintereinander statt, sodass die Sau bis zu vier Monate lang mit sehr starker Bewegungseinschränkung gehalten wird. Das ist nicht im Sinne des Gesetzgebers.

Zum Wohle der Tiere muss in der TierschutzNutztierhaltungsverordnung geregelt werden, dass der ununterbrochene Aufenthalt im Kastenstand vier Wochen nicht überschreiten darf und Sauen vor einer erneuten Besamung eine angemessene Zeit außerhalb des Kastenstandes gehalten werden.

Mit den Forderungen zur Breite des Kastenstandes und zur maximalen Verweildauer werden Zustände, die bereits nach heutiger Rechtlage unzulässig sind, endlich beendet. Damit kann kurzfristig eine graduelle Verbesserung bei der Haltung von Sauen erreicht werden.

Parallel müssen Haltungsbedingungen ohne Kastenstände entwickelt werden. Denn Kastenstände sind nicht tiergerecht und gehören perspektivisch abgeschafft. Hierfür müssen Lösungen gefunden werden. Die Landesregierung soll sich um alternative Haltungssysteme bemühen.

Am Montag haben uns die Fernsehbilder über das Ferkeltöten schockiert und tief getroffen. In unserem Antrag fordern wir eine Klarstellung, dass das Töten von Ferkeln aus wirtschaftlichen Motiven kein vernünftiger Grund im Sinne des Tierschutzgesetzes ist.

Die Sauen sind inzwischen so hochgezüchtet, dass sie mehr Ferkel zur Welt bringen, als sie säugen können. Schwächere, aber durchaus überlebensfähige Ferkel müssten eigentlich von natürlichen oder künstlichen Ammen ernährt werden. Das ist ein Aufwand, der von manchen Tierhaltern gescheut wird. Für sie ist es wirtschaftlicher, die Ferkel einfach zu töten. Nach dem Tierschutzgesetz ist das eine Straftat.

(Zuruf von Herrn Leimbach, CDU)

Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen haben in der vorletzten Woche jeweils mit einem Erlass klargestellt, dass das Töten von Ferkeln aus wirtschaftlichen Gründen verboten ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nottötungen dürfen nur bei nicht überlebensfähigen oder erheblich leidenden Ferkeln erfolgen. Sachsen-Anhalt muss dem Beispiel der anderen beiden Bundesländer folgen und entsprechende Reglungen erlassen.

In dem Alternativantrag von CDU und SPD sehe ich die Forderung nach einem Verbot des Ferkeltötens aus wirtschaftlichen Gründen nicht. Diesbezüglich wäre ich für eine Aufklärung dankbar.

Wichtig ist aber auch, dass wir uns über die Art des Tötens unterhalten. Es ist eine Klarstellung zu den tierschutzgerechten Tötungsverfahren erforderlich. Ferkel müssen betäubt werden und anschließend müssen sie ausbluten. Das grausame Töten durch das Brechen des Genicks oder des Rückgrates muss endlich ein Ende haben.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der CDU, bei der SPD und bei der LINKEN)

Für die Durchsetzung und die Kontrolle dieser beiden Forderungen bezüglich des Ferkeltötens hat Niedersachsen bereits einen Vorschlag gemacht. Danach sollen tote Ferkel stichprobenartig daraufhin untersucht werden, ob sie tierschutzgerecht getötet wurden und ob überhaupt ein hinreichend vernünftiger Grund dafür vorlag.

Doch unabhängig von diesen Schritten muss darüber diskutiert werden, ob Sauen, die übermäßig viele Ferkel bekommen, als Qualzucht zu bezeichnen und in Zukunft zu verbieten sind.

(Zustimmung bei den GRÜNEN, von Frau Bull, DIE LINKE, und von Herrn Czeke, DIE LINKE)

Heute sollte nicht nur ein Tag der Abrechnung sein. Heute muss vorrangig ein Tag des Aufbruches sein. Bei so viel Tierleid sollte niemand mehr rechtfertigen oder relativieren. Lassen Sie uns gemeinsam eine bessere Tierhaltung auf den Weg bringen für mehr Tierschutz im Stall. Es kann eigentlich niemand gegen das Anliegen unseres Antrages votieren. Alle sollten sich der Verantwortung für die Tiere als fühlende Mitgeschöpfe stellen.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der SPD, bei der LINKEN und von Herrn Kurze, CDU)

Danke schön für die Einbringung, Kollegin Frederking. - Für die Landesregierung spricht nun der Minister für Landwirtschaft und Umwelt Herr Dr. Aeikens.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die landwirtschaftliche Nutztierhaltung ist

zunehmend Gegenstand öffentlicher Debatten. Problemfälle, die wir auch in unserem Land haben, regen diese Debatten zusätzlich an. Ich stelle mich diesen Debatten.

Wir sind uns sicherlich einig darin, dass die landwirtschaftliche Nutztierhaltung im Rahmen des geltenden Rechts zu erfolgen hat - das ist selbstverständlich - und dass sie auch der gesellschaftlichen Akzeptanz bedarf.

Wir haben aber leider auch in unserem Bundesland Tierhalter, die gegen Tierschutzbestimmungen verstoßen, einige in gravierender Weise, ja auch in abstoßender Weise.

Meine Damen und Herren! Das ist nicht akzeptabel; das nehme ich nicht hin.

(Beifall bei der CDU)

Ich nehme auch nicht hin, dass Behörden kuschen.

(Zustimmung bei der CDU - Herr Leimbach, CDU: Ja!)

Wenn Sie konkrete Anhaltspunkte haben, Frau Abgeordnete Frederking, dann sagen Sie mir das; dann werde ich diesen nachgehen.

(Zustimmung bei der CDU - Herr Borgwardt, CDU: Aber konkrete! - Zuruf von der CDU: Genau!)

Aber ich möchte auch deutlich sagen, dass die übergroße Mehrheit unserer Tierhalter ihrer Verantwortung nachkommt. Das zeigen die Ergebnisse unserer Kontrollauswertungen.

(Zustimmung bei der CDU)

Lassen Sie mich nunmehr auf Punkt 1 des Antrages der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingehen. Die Landesregierung soll aufgefordert werden, sich über eine Bundesratsinitiative für eine Ergänzung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung einzusetzen. Es geht hierbei, wie es Frau Frederking erläutert hat, um eine konkrete Definition der notwendigen Breite von Kastenständen für Sauen sowie um eine Klarstellung zur Verweildauer von Sauen in Kastenständen. Das ist ein berechtigtes Anliegen.

In der Begründung zu dem Antrag wird unter anderem auf ein Urteil des Verwaltungsgerichtes Magdeburg vom 3. März 2014 Bezug genommen. Das Verwaltungsgericht spricht der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zu und hat die Berufung zugelassen.

Auch ich sehe eindeutig Diskussionsbedarf zu diesem Thema. Ich lasse zurzeit konkrete Handlungsoptionen zur Verbesserung der Sauenhaltung prüfen. Ergebnisse erwarte ich bis September 2014. Dann wird über das weitere Vorgehen entschieden.

Punkt 2 des Antrages bezieht sich auf zukünftige alternative Haltungssysteme für Sauen, die derzeit bereits in der Diskussion sind. Ich beabsichtige hierzu, ein entsprechendes Versuchsvorhaben in Sachsen-Anhalt zu etablieren. Wir werden die Ergebnisse auswerten, daraus Schlussfolgerungen ziehen und handeln.

Punkt 3 des Antrages widmet sich dem Töten von Ferkeln. Wir müssen offenbar bilanzieren, dass nicht allen Tierhaltern hinreichend bewusst ist, welche Umstände vorliegen müssen, damit Ferkel überhaupt getötet werden dürfen.

Auch ist es so, dass den Tierhaltern in etlichen Fällen nicht bekannt ist, welche Betäubungs- und Tötungsverfahren bei neugeborenen Ferkeln rechtlich zulässig und geeignet sind. Leider sind auch die Kenntnisse und Fähigkeiten und damit die notwendige Sachkunde mancher Beschäftigten im Abferkelbereich nicht ausreichend.

Im Ergebnis dieser Schlussfolgerungen hat mein Haus den Entwurf eines Erlasses mit dem Titel „Tierschutz beim Töten von Ferkeln“ erarbeitet. Dieser Entwurf beinhaltet Folgendes: erstens die Darstellung zulässiger Verfahren zur Betäubung und Tötung von Ferkeln, zweitens die Bewertung dieser Verfahren für Ferkel unter Berücksichtigung der Aspekte Tierschutz, Tiergesundheit, Tierseuchenprophylaxe und Praktikabilität sowie drittens die Darlegung der marktverfügbaren Technik sowie Maßnahmen für einen einheitlichen Verwaltungsvollzug.

Ich beabsichtige, die Einhaltung der Rechtsvorschriften für die Tötung von Ferkeln verstärkt im Rahmen der tierschutzrechtlichen Überwachung zu kontrollieren. Zudem wird geregelt, dass an die Sachkunde von Personen, die täglich nicht lebensfähige Ferkel töten, besondere Anforderungen zu stellen sind.

Zur praktischen Umsetzung dieser Forderung wird noch in diesem Jahr eine Fortbildungsveranstaltung für Tierbetreuer in Schweinezuchtanlagen durchgeführt. Und - das ist mir besonders wichtig -: Es wird in dem Erlassentwurf herausgestellt, dass für die Tötung eines Tieres stets das Vorliegen eines vernünftigen Grundes Voraussetzung ist.

Bei neugeborenen Ferkeln ist nur bei schwerkranken, verletzten und lebensschwachen bzw. bei nicht überlebensfähigen Einzeltieren, zum Beispiel bei angeborenen Anomalien, ein vernünftiger Grund für die tierschutzgerechte Tötung anzunehmen.