Protocol of the Session on July 8, 2011

Für die SPD-Fraktion spricht die Abgeordnete Frau Reinecke.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, das Thema „Kulturgut stärken“ bewegt uns auf unterschiedliche und wiederum auch auf gleiche Weise.

Es wurde angesprochen, dass das Landeskulturkonzept unter veränderten Rahmenbedingungen erarbeitet werden muss, einerseits im Hinblick auf die finanziellen Ressourcen und andererseits im Hinblick auf die veränderten Bedingungen, wie beispielsweise die veränderte Demografie, moderne Kommunikationsmedien, aber auch länderübergreifende und sogar internationale Vernetzung.

Die Basis für das neue Landeskulturkonzept soll durch fachlich qualifizierte kulturpolitische Diskussionen geschaffen werden. Ich finde, der Kulturkonvent stellt in der Tat ein geeignetes Forum hierfür dar. Es wurde schon angesprochen, wie sich die Zusammensetzung des Gremiums gestalten soll und wie die Aufgaben definiert werden sollen.

Ich denke, es geht darum, Empfehlungen zu erarbeiten, die dem Landeskulturkonzept die Bedeutung zukommen lassen, welche die Kultur verdient - keine Frage. Außerdem wird darauf abgestellt, Empfehlungen aus dem Abschlussbericht der Enquetekommission „Kultur in Deutschland“ aus dem Jahr 2007 mit in die Arbeit einzubeziehen.

Ich glaube, dass es unter Einbeziehung der kulturpolitischen Akteure gelingen kann, einen gesellschaftlichen Konsens herbeizuführen. Die Erfahrungen des Bildungskonvents stellen einen guten Vorlauf dar, wenngleich die Voraussetzungen für die Arbeit des Kulturkonvents andere sind. Den Bildungskonvent haben wir vor dem Hintergrund ein

gesetzt, Empfehlungen für die Novellierung der Gesetzgebung im Bildungsbereich zu erarbeiten.

Im Kulturkonvent haben wir die Aufgabe, Versäumnisse nachzuholen, weil das Thema Kultur in den letzten Jahren nicht unbedingt an erster Stelle auf der Agenda des Ausschusses stand. Das wird sich mit dem Kulturkonvent ändern. Wir haben damit die Möglichkeit, Empfehlungen zu geben, damit für die Kultur im Rahmen des zur Verfügung Stehenden das Bestmögliche herausgeholt werden kann. Dabei wollen wir vor allen Dingen die Akteure mit dabei haben.

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD)

Die Beteiligung der Betroffenen liegt uns sehr am Herzen.

(Frau Niestädt, SPD: Sehr gut!)

Diese Dinge haben uns bewogen, die Einsetzung eines Kulturkonvents zu fordern. Das haben wir auch in die Koalitionsvereinbarung aufgenommen.

Von der Zeitschiene her ist angedacht, im Herbst mit der Arbeit zu beginnen. Das bedeutet, dass im September, wie es der Kultusminister ausgeführt hat, die Arbeit des Kulturkonvents beginnen müsste. Ich finde es aber legitim, wenn weitere Vorschläge kommen. Es eint uns, die Kultur wirklich nach vorn bringen zu wollen.

Ich würde mich dafür aussprechen, alle drei Anträge an den Fachausschuss zu überweisen, damit wir die Themen noch einmal intensiv besprechen und die Anträge den Ausschuss im Konsens wieder verlassen können. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD)

Danke schön, Frau Reinecke. - Herr Gebhardt verzichtet auf eine Erwiderung.

Damit kommen wir zum Abstimmungsverfahren zu dem Antrag der Fraktion DIE LINKE in Drs. 6/139, zu dem Alternativantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN in Drs. 6/197 und zu dem Alternativantrag der Fraktionen der CDU und SPD in Drs. 6/198.

Es war im Haus unstrittig, dass die drei Anträge an den Ausschuss für Bildung und Kultur überwiesen werden sollen. So habe ich das verstanden. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind alle Fraktionen. Damit ist die Überweisung der Anträge so beschlossen worden. Wir verlassen den Tagesordnungspunkt 13.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 14 auf:

Beratung

Gender-Budgeting - Prinzipien der geschlechtergerechten Haushaltsführung im Haushaltsaufstellungsprozess

Antrag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 6/155

Änderungsantrag Fraktionen CDU und SPD - Drs. 6/195

Einbringerin ist die Abgeordnete Frau Lüddemann. Bitte sehr.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Vor vier Wochen stand ich hier und habe versucht, Sie für ein geschlechtergerechtes Sachsen-Anhalt zu sensibilisieren. Ich hatte damit teilweise Erfolg. Der Antrag ist an den Ausschuss überwiesen worden. Auf die entsprechende Berichterstattung bin ich schon gespannt.

Das hat mich ermutigt, heute einen Bereich dezidiert herauszugreifen, der - das haben wir heute schon gehört - für das Parlament eine besondere Bedeutung hat, und zwar den Bereich der Finanzen.

Der Einsatz öffentlicher Mittel ist mit einer besonderen Steuerungswirkung verbunden. Eine klassische Aufgabe des Staatshaushalts ist die Verminderung sozialer und ökonomischer Ungleichheiten. Die Verteilung finanzieller Mittel entscheidet über die inhaltliche Arbeit im Land und über die Erreichung bestimmter Ziele. Durch die Bereitstellung finanzieller Mittel oder durch die Verweigerung finanzieller Mittel kann Zielen der Boden bereitet oder auch entzogen werden.

Selten macht man sich klar, dass hinter jeder Haushaltsstelle, hinter jeder Zahl im Haushaltsplan Menschen stehen - Menschen mit ihren Lebenschancen, denen man den Boden bereiten oder entziehen kann. Das meint Gender-Budgeting: Strategien, um Lebenschancen gerechter zu verteilen, gerechtere Verteilung finanzieller Mittel.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung von Frau von Angern, DIE LINKE)

Wenn der Kollege Scheurell heute hier wäre, dann hätte er sich sicher schon gemeldet; denn ich habe heute bestimmt schon drei oder vier Mal den Begriff „Gender-Budgeting“ gebraucht.

(Herr Leimbach, CDU, stößt einen Pfiff aus)

Ich kann leider nicht vermelden, dass sich in den vergangenen vier Wochen im Bereich der Sprachforschung Neues getan hätte. Es gibt noch immer keine Entsprechung für den Begriff „Gender-Budgeting“.

(Herr Lange, DIE LINKE: Da kann man nach- her noch einmal nachgucken!)

Ich kann Ihnen aber sagen und das können Sie ihm ausrichten, dass man den Begriff „GenderBudgeting“ relativ leicht mit dem Begriff „ge

schlechtergerechte Haushaltsführung“ umschreiben kann.

Um es gleich vorweg zu sagen: Wir wollen kein separates Budget. Wir wollen kein Extrabudget für Frauen. Wir wollen vielmehr, dass in allen Phasen der Aufstellung und des Vollzugs des Haushalts die besonderen Bedürfnisse von Männern und Frauen explizit mitgedacht und beachtet werden.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der LINKEN)

Wir gehen davon aus, dass alle scheinbar neutral wirkenden Haushaltsentscheidungen doch höchst unterschiedliche Wirkungen auf Frauen und Männer haben. Ich möchte Ihnen dies an zwei Beispielen erläutern.

Zum Ersten ein Beispiel aus der Sportförderung. Die Sportförderung scheint zunächst geschlechtsneutral zu sein. Sie steht allen Frauen und Männern und Mädchen und Jungen in diesem Land offen. Wenn man aber genauer hinguckt, dann stellt man fest, dass sehr viel Geld in den Bereich der Fußballförderung fließt, und der Fußball ist nach wie vor von Männern dominiert.

(Beifall bei den GRÜNEN - Herr Daldrup, CDU: Weltmeisterschaft! - Weitere Zurufe von der CDU)

- Die Frauenfußball-WM mag daran Einiges ändern. Das hoffe ich sehr.

(Oh! bei der CDU)

Wenn man den Landesfußballverband befragt, dann hört man, dass darin zwar 7 592 Mädchen und Frauen organisiert sind - ich finde, das ist eine ziemlich große und beachtliche Zahl -, denen aber 95 780 Jungen und Männer gegenüberstehen.

(Herr Schulz, CDU: Wollen Sie eine Quote einführen?)

Die organisierten Mädchen und Frauen machen daher nur einen Anteil von 7,9 % aus. Das ist, glaube ich, doch ein bisschen wenig.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Herr Leim- bach, CDU: Aber das ist kein Problem des Budgets!)

Zum Zweiten möchte ich Ihnen ein Beispiel aus der Hochschulfinanzierung nennen. Wenn man sich den Hochschulbereich ansieht, dann scheinen mögliche Kürzungen zunächst einmal alle gleichermaßen zu betreffen. Wenn man die Situation aber genauer nach den Studierendenzahlen und nach den Studienfächern analysiert, dann stellt man fest, dass insbesondere in den geisteswissenschaftlichen Bereichen überproportional viele Frauen vertreten sind, sodass Kürzungen in diesem Bereich Frauen überproportional betreffen. Das sollte doch eher eine unbeabsichtigte Wirkung sein in einem Land, das sogar Maßnahmen unter

nimmt, um junge Frauen wieder in das Land zurückzuholen.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der LINKEN)

Ich habe die geringe Hoffnung, mit diesen beiden Beispielen verdeutlichen zu können, was GenderBudgeting für mich so spannend macht. Das ist nämlich die Erkenntnis der Wirkung, die mit diesem Prozess verbunden ist.

Wenn man genau weiß, was mit dem Geld passiert, das man einsetzt, dann kann man auch dessen Wirkung klarer beschreiben. Das finde ich wirklich spannend. Zugegebenermaßen muss man dafür am Anfang etwas mehr investieren. Dabei handelt es sich aber weniger um Geld als vielmehr um Geist und Kreativität. Ich bin zutiefst davon überzeugt, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass sich dieser Effekt auszahlen wird.