So werden Unterbringungsformen, wie zum Beispiel in Vockerode im Landkreis Wittenberg, bei denen es sich eigentlich um klassische Sammelunterkünfte handelt, mit wenigen Ausnahmen als dezentrale Unterbringung und Wohnung deklariert. Diese fallen dann aus dieser Zählung heraus.
In Mansfeld-Südharz ist es ähnlich. Wir sehen Tendenzen von Landkreisen, die Lage ein bisschen schönzureden, etwas anders zu machen, aber an der Charakteristik, an der isolierten Lage ändert sich nichts.
Meine Damen und Herren! Wir lehnen diese Mimikry ab. Wir fordern dazu auf, die Anstrengungen ernst zu nehmen. Dezentrale Unterbringung in Wohnungen muss man mit der entsprechenden Betreuung, die dazugehört, aber auch mit einer Lage inmitten der Siedlungen und Städte realisieren. Das muss überall gemacht werden, damit die Menschen vor allen Dingen mit den Anwohnerinnen und Anwohnern der Mehrheitsgesellschaft in Kontakt kommen können, meine Damen und Herren.
Wir haben im Land seit zwei Jahren die Leitlinien für die Unterbringung von nicht dauerhaft aufenthaltsberechtigten Ausländerinnen und Ausländern, wie es auf Amtsdeutsch heißt. Das ist gut, dass wir diese Leitlinien haben. Aber wir müssen sie weiterentwickeln. Wir sehen aufgrund der Antworten auf unsere Große Anfrage, dass sie in den meisten Landkreisen in vielfacher Hinsicht nicht ausreichend angewendet werden.
So steht in den Leitlinien, dass Familien und Alleinerziehende mit Kindern vorranging in Wohnungen dezentral untergebracht werden sollten. Wir sehen, dass dies noch immer nicht in allen Landkreisen Anwendung findet. Das ist besonders schlimm, weil es sich bei dieser Personengruppe um eine besonders schutzbedürftige handelt.
Ich möchte Ihnen dazu Beispiele bringen: In Harbke im Landkreis Bördekreis leben im Ortsteil Autobahn neben dem Grenzübergangspunkt Marienborn in völliger Abgeschiedenheit auch heute noch acht Familien mit Kindern mitten im Wald. Ich muss Ihnen sagen, meine Damen und Herren, das ist ein Zustand, der sofort beendet werden muss.
In der Sammelunterkunft in Zeitz im Burgenlandkreis haben wir es mit einem Anstieg von 36 Familien im Jahr 2012 auf 48 Familien im Jahr 2013 zu tun. Das ist eine besorgniserregende Entwicklung, meine Damen und Herren, die ganz und gar nicht in unserem Sinne ist. Hier muss sich etwas tun.
Auch in Magdeburg gibt es einen Anstieg von 66 Familien auf 84 Familien, in Stendal von 30 auf 32. Besonders tragisch dabei: In Stendal und Magdeburg gab es laut den Antworten zwei Familien, die mehr als fünf Jahre lang in Sammelunterkünften leben mussten.
und Eltern, die traumatisiert werden, die häufig schon mit psychischen Belastungen und Traumata kommen, die wir durch diese Unterbringungsform noch verstärken.
Insgesamt müssen wir beobachten, dass wir Hunderte von Kindern in Gemeinschaftsunterkünften in Sachsen-Anhalt unterbringen. Ich finde, Sammelunterkünfte sind kein Ort, an dem Kinder großgezogen werden sollten. Das ist kein Umfeld, in dem Menschen aufwachsen sollten.
Lassen Sie uns daran arbeiten, insbesondere diese Gruppe sehr schnell dezentral unterzubringen und vor allen Dingen vernünftig zu betreuen, meine Damen und Herren.
Es gibt die Möglichkeit, Anträge zu stellen, damit man eine Wohnung bekommt. Wenn man das nicht macht, passiert meist überhaupt nichts. Wir beobachten, dass sehr viel Eigeninitiative notwendig ist und oft erst nach mehreren Anläufen Genehmigungen erteilt werden. Auch das haben wir mit unserer Kleinen Anfrage, wie es in den Kreisen aussieht, erfasst.
Hierbei gibt es große Unterschiede. Bei manchen läuft das ganz gut. Dort werden 60 % der Anträge positiv beschieden. Aber es gibt auch Negativausreißer, wie zum Beispiel Magdeburg bzw. den Salzlandkreis, wo ungefähr die Hälfte bzw. zwei Drittel der Anträge auf dezentrale Unterbringung negativ beschieden werden. Auch das muss sich ändern, meine Damen und Herren.
Beim Personal gibt es weiterhin riesige Defizite. Ich möchte ausdrücklich noch einmal hervorheben: Die Frage der dezentralen Unterbringung in Wohnungen ist nur eine Frage. Das ist noch nicht automatisch gut, sondern dazu muss auch eine adäquate Betreuung der Menschen kommen. Wir dürfen sie nicht sich selbst überlassen. Wir müssen ihnen bei Problemen helfen, wir müssen sie bei Behördengängen unterstützen, wir müssen sie begleitend beraten und betreuen, meine Damen und Herren. Das passiert viel zu wenig, wie die Antworten zeigen.
Es gibt allgemein keinen Aufwuchs des Personals, aber die doppelte Anzahl von Asylantragstellungen. Insbesondere bei den Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern, die wir als Land bezahlen, sieht es immer noch sehr, sehr schlecht aus.
Das Hauptproblem ist die mangelnde Qualifizierung der Leute. Wir haben dieses Mal die Berufsgruppen mit abgefragt. Wenn man sich die Antworten anschaut, dann sehen wir, dass unter den sogenannten Sozialarbeitern so gut wie alle Berufsgruppen vorkommen, nur keine Sozialarbeiter.
Das ist besonders bedauerlich, meine Damen und Herren, weil wir für diese Menschen bezahlen. Beispiel: Harbke, Ortsteil Autobahn. Das Land bezahlt fünf Sozialarbeiter, eingestellt sind aber nur ein Sozialwissenschaftler mit Abschluss - man kann sich darüber streiten, ob das ein Sozialarbeiter sein kann -, ein Betriebswirt, ein Einzelhandelskaufmann und zwei Bürokräfte, aber alle vier ohne Abschluss.
Meine Damen und Herren! Das meinen wir nicht mit Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern. Wir wollen und fordern nachdrückliche Anstrengungen, dass auch das Land den Kreisen wirklich im Nacken sitzt, für die Leistungen, die wir bezahlen, richtiges Personal einzustellen, meine Damen und Herren.
Nächster Punkt: Heimbeiräte, die Vertretung der Asylsuchenden selbst. Das ist ein wichtiger Punkt, um auf Probleme, auf Missstände aufmerksam zu machen, aber auch psychologisch sehr wichtig, damit man sich in der Gruppe stärker fühlt, damit man sich von den eigenen Leuten gut vertreten fühlt, damit man adäquat gegenüber den oft etwas rigide auftretenden Heimleitungen auftreten kann. Dafür sind Heimbeiräte notwendig.
In den Leitlinien steht auch, dass das Land sie fordert und unterstützt. Dennoch gibt es von 22 Sammelunterkünften nur in sechs Heimbeiräte. Einige sind angeblich in Planung. Das finde ich ein bisschen merkwürdig, insbesondere aufgrund der Begründungen, die in den Antworten angeführt werden. Zum Beispiel in Bezug auf Krumpa im Saalekreis heißt es dann: Die Infrastruktur steht zur Verfügung, jedoch kein Interesse der Bewohner. Das heißt, ein Heimbeirat wird von den Bewohnern nicht gewünscht.
Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, ob Sie den privaten Betreiber dieser Gemeinschaftseinrichtung in Krumpa kennen, den berüchtigten Betreuungs- und Integrationshilfeverein, der dort unterwegs ist. Ich glaube nicht, dass diese Begründung wirklich ernst gemeint ist.
Viele Flüchtlinge haben sich an uns gewendet, insbesondere aus Krumpa sind auch heute einige hier. Sie sagen, sie würden sich gern dort organisieren, aber ihnen werden die Möglichkeiten dazu nicht gegeben.
Auch an dieser Stelle sollte das Land noch einmal ganz genau hinsehen, auf die Betreiber zugehen und sie fragen, wieso es zu solchen hanebüchenen Begründungen kommen kann. Nicht gewünscht - das nimmt ihnen niemand ab.
tären und hygienischen Bedingungen in den Gemeinschaftsunterkünften sind ein anderes wichtiges Thema, das wir abgefragt haben. Hierbei hat sich etwas verändert, aber immer noch nicht genug.
Meine Damen und Herren! Ich kann Sie am Weltflüchtlingstag wirklich nur noch einmal bitten - ich habe es am Anfang gesagt, die individuellen Schicksale sind wichtig -: Gehen Sie einmal in die Gemeinschaftsunterkünfte Ihres Landkreises. Schauen Sie sich diese einmal an, nicht um zu skandalisieren, sondern um sie einfach kennenzulernen.
Ich sage Ihnen, die wenigsten von Ihnen würden sich entscheiden, freiwillig auch nur einen einzigen Tag oder eine einzige Nacht in einer Sammelunterkunft in Sachsen-Anhalt zu verbringen. Das kann ich für alle Landkreise gelten lassen, meine Damen und Herren.
Herr Bommersbach, ich möchte sehen, wie Sie sich in eine Gemeinschaftsunterkunft begeben und dort einmal freiwillig eine Nacht mit den Bewohnern verbringen.
Einige der Sammelunterkünfte sind immer noch von starkem Schädlingsbefall betroffen, zum Beispiel in Bernburg und in Zeitz.
Aber - das muss man sagen -: Die Öffentlichkeit, die das Thema seit einigen Monaten - man muss schon sagen: seit einigen Jahren - begleitet, hat zu Verbesserungen beigetragen. Deswegen ist es wichtig, dass wir diese Debatten im Landtag weiter führen, auch wenn sie anstrengend sind, und dass wir diese Anfragen weiter stellen, auch wenn das viel Arbeit ist.
Wir brauchen diese Zahlen. Wir brauchen die Öffentlichkeit. Wir brauchen auch die Personen, die draußen unter dem Luther-Denkmal, dem Denkmal des großen Reformators, standen und für eine Reformation des Asylrechts eintraten, meine Damen und Herren. Die alle brauchen wir.
Zum Thema Kontrollen durch das Landesverwaltungsamt ist den Antworten ganz klar zu entnehmen, dass viel zu wenig Kontrollen stattfinden. Die können auch nur viel zu selten durchgeführt werden, weil das Personal mit der Frage völlig überlastet ist.
Im Landesverwaltungsamt gibt es nur wenige Personen, die das machen; ich kenne sie persönlich. Damit kann man 22 Gemeinschaftsunterkünfte
nicht adäquat überwachen und schon gar nicht unangemeldete Kontrollen durchführen. Hier müssen wir nachlegen. Wir müssen mehr Personal für die Wahrnehmung dieser Aufgabe einstellen oder mehr Personal aus dem Landesverwaltungsamt damit betrauen, meine Damen und Herren.
Letzter Punkt: Finanzierung, Tagessätze. Leider - das finde ich besonders betrüblich - ist die Gemeinschaftsunterbringung in vielen Kreisen immer noch vorrangig ein Geschäftsmodell. Wir zahlen Tagessätze zwischen 8 € und 10,20 €. In den meisten Gemeinschaftsunterbringungen zahlen wir auch für unbelegte Plätze, meine Damen und Herren.
Ich finde, es ist ein Unding, dass Menschen, die diese Unterkünfte betreiben, für unbelegte Plätze von uns Tagessätze gezahlt bekommen; das müssen wir ändern. Wir müssen auf die Kreise zugehen, auf die Betreiberverträge einwirken und das in Ordnung bringen.
Zum Schluss möchte ich Ihnen unseren Entschließungsantrag ans Herz legen, den wir eingebracht haben, um zu zeigen, wie wir mit den Ergebnissen umgehen wollen. Wir wollen, dass das Land die dezentrale Unterbringung weiter voranbringt, dass Handlungsspielräume im Interesse der Betroffenen genutzt werden und nicht gegen sie, wie es häufig stattfindet.
Wir wollen das Land beauftragen zu prüfen, wie die Leitlinien einen rechtlich bindenden Charakter bekommen können, damit sie auch in den Kreisen zwingend angewendet werden. Wir wollen die unangemeldeten Kontrollen in den Gemeinschaftsunterkünften verdoppeln. Zudem wollen wir die Landkreise auffordern, Unterbringungskonzepte einzureichen, wie zum Beispiel Magdeburg das macht, damit die Gemeinschaftsunterbringung in den Landkreisen zukünftig überhaupt genehmigungsfähig ist.
Ich bitte darum, die Überziehung der Redezeit durch mich zu entschuldigen, und danke Ihnen für Ihr Interesse. - Vielen Dank.