Protocol of the Session on June 20, 2014

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Ergebnisse der Anhörung haben uns viele wertvolle Hinweise gegeben und eindrucksvoll gezeigt, wo Baustellen sind, an denen nachzubessern ist.

In dem vorgelegten Antrag und in unserem Änderungsantrag haben wir die Ergebnisse unserer Anhörung zusammengefasst. Neben den Punkten, die wir in unserem ursprünglichen Antrag schon festgehalten haben, bleibt heute unter anderem festzustellen, dass Ehrenamt und bürgerschaftliches Engagement eine Ergänzung und kein Ersatz öffentlicher Einrichtungen und Dienstleistungen sind.

(Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Insbesondere in der Armutsbekämpfung, der Bildung, der Integration, der Gestaltung lebenswerter Quartiere, der Pflege und der Gesundheit braucht Ehrenamt hauptamtliche Unterstützung, eine stetige Sensibilisierung für das Thema und gute Rahmenbedingungen. Dazu zählen die rechtlichen Ausweitungen von Partizipationsmöglichkeiten zur Gestaltung bürgerschaftlicher Demokratie, eine verantwortungsvolle Sozial-, Gesundheits- und Arbeitsmarktpolitik sowie die Stärkung bestehender Infrastrukturen zur Förderung des bürgerschaftlichen Engagements.

Bürgerschaftliches Engagement benötigt auch Freiräume, Zugänge und Wertschätzung, damit

sich Menschen nicht nur engagieren, sondern mitbestimmen können.

Für unverzichtbar halten wir eine dauerhafte und verlässliche Landesförderung, die in erster Linie auf Unterstützung bestehender identitätsstiftender und wertgebundener Strukturen abzielt, um Werte wie Solidarität, Gerechtigkeit, Demokratie, Gemeinsinn und Weltoffenheit glaubwürdig und nachhaltig vermitteln zu können.

Besondere Beachtung erfordern der demografische Wandel, Veränderungen in der Arbeitswelt und die strukturschwachen ländlichen Regionen. Zeitlich befristete Projektförderungen sollten überdacht und Doppelstrukturen weitestgehend vermieden werden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Das im Jahr 2013 verabschiedete Gesetz zur Stärkung des Ehrenamts konnte viele Erwartungen nicht erfüllen und lässt in der Realität noch einige Probleme ungelöst.

(Beifall bei der LINKEN)

Uns geht es aber nicht nur um Verbesserungen an dieser Stelle. Vielmehr werden die Anstrengungen entwertet, wenn wir es weiterhin zulassen, dass ehrenamtlich Tätige wie Menschen in normalen Beschäftigungsverhältnissen behandelt werden.

Die Sozialversicherungspflicht bei ehrenamtlichen Tätigkeiten wird in der Praxis nun schon seit einer ganzen Reihe von Jahren durchgesetzt. In Sachsen-Anhalt sind vor allem ehrenamtliche Bürgermeister betroffen. Der Minister hat das auch ausgeführt und anerkannt. Hier besteht dringender Handlungsbedarf für eine Änderung, beispielsweise in § 7 SGB IV.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Zwar gibt es erfreulicherweise auch obergerichtliche Urteile, in denen die Sozialversicherungspflicht Ehrenamtlicher verneint worden ist. Diese konnten aber - nicht weil sie inhaltlich unrichtig wären, sondern aufgrund der Tücken des Revisionsrechts - einen Umschwung zugunsten des Ehrenamtes nicht bewirken.

Auch deshalb halten wir es für unabdingbar, dass sich die Landesregierung auf Bundesebene unter anderem dafür einsetzt, dass der Begriff des Ehrenamtes gesetzlich hinreichend abgegrenzt und rechtsverbindlich geregelt wird und dass ehrenamtliche Tätigkeiten bundesweit sozialversicherungsfrei sind.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Erinnert sei in diesem Zusammenhang an den Beschluss des Landtages in der Drs. 5/50/1627 B, der die Landesregierung dabei unterstützen sollte, sich im Bundesrat für den Entwurf des Gesetzes

zur Förderung ehrenamtlicher Tätigkeit einzusetzen.

Mit einem Engagementfördergesetz könnten aus unserer Sicht wirkungsvolle Anreize für Arbeitgeber geschaffen werden, das ehrenamtlich Engagement der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu fördern und Zeiträume für bürgerschaftliches Engagement sowie Weiterbildung im Einklang mit Erwerbsarbeit und Familie umfassender zu ermöglichen.

Daneben gilt es, den Verwaltungsaufwand im Ehrenamt zu reduzieren und entbehrliche administrative Vorgaben zu streichen.

Gerade die jüngsten Erfahrungen zum Beispiel in Magdeburg bei der drohenden Schließung des Jahn-Stadions zeigen ferner, wie notwendig es ist, das Projekt Bürgerarbeit umgehend qualifiziert weiterzuführen. Dazu zählt jedoch, dass die Arbeitsstellen tariflich und nicht unter Mindestlohn vergütet werden, außerhalb von Hartz IV vollständig versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse begründen, langfristig auf bis zu drei Jahre angelegt und auf gemeinnützige Aufgaben beschränkt werden und dass das Prinzip der Freiwilligkeit gilt.

Darüber hinaus sollte die interkulturelle Öffnung der Gesellschaft vorangebracht werden,

(Zustimmung von Frau Hunger, DIE LINKE)

um Menschen mit Migrationshintergrund stärker am gesellschaftlichen Leben und am bürgerschaftlichen Engagement teilhaben zu lassen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Ich habe mich mit meinem Kollegen Herrn Striegel abgestimmt und wir haben einen Kompromiss gefunden. In unserem Änderungsantrag haben wir einmal im Jahr einen Bericht von der Landesregierung gefordert. Wir konnten uns jetzt auf die Forderung nach einem Bericht zweimal innerhalb einer Wahlperiode einigen, sodass wir unsere Änderungsanträge gegenseitig unterstützen können. Dies würde eine gute Basis legen, um das Ehrenamt weiterzuentwickeln und bürgerschaftliches Engagement zu stärken.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und bitte um Zustimmung zu unserem Antrag und zu unserem Änderungsantrag. - Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Kollegin Edler, war das eine mündliche Änderung Ihres vorliegenden Antrages?

Ja, genau.

Danke schön. - Wir fahren in der Aussprache fort. Für die Fraktion der CDU spricht nun der Abgeordnete Herr Krause.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Ehrenamtlichen erfüllen eine wichtige gesellschaftliche Funktion. Sie sichern den sozialen Zusammenhalt und die Wärme unseres Gemeinwesens. Gerade die große Flutkatastrophe im Jahr 2013 hat uns die Wichtigkeit des ehrenamtlichen Wirkens deutlich gemacht. Unter den insgesamt mehr als 110 000 eingesetzten Einsatzkräften waren rund 60 000 ehrenamtliche.

Wir sehen es als zentrale Aufgabe an, das Ehrenamt nicht nur mit wonnigen und warmen Worten, sondern mit Taten zu unterstützen. Auf Bundes- und auf Landesebene wurden zahlreiche Maßnahmen ergriffen, um die Rahmenbedingungen für die ehrenamtlich Tätigen weiter zu verbessern.

Im Februar 2013 wurde im Bundestag das Gesetz zur Stärkung des Ehrenamtes beschlossen. Dieses Gesetz hebt die sogenannte Übungsleiterpauschale im Einkommenssteuerrecht von jährlich 2 100 € auf 2 400 € an. Auch die Ehrenamtspauschale erhöht sich von 500 € auf 720 €.

In beiden Fällen unterliegen die Einnahmen weder der Steuer noch der Sozialversicherungspflicht, was einen Abbau bürokratischer Hemmnisse darstellt. Außerdem können Vereine nunmehr leichter Geld ansparen. Zu den weiteren Verbesserungen gehören eine höhere Steuerfreigrenze für Gewinne aus sportlichen Veranstaltungen und Änderungen bei Haftungsregelungen für Ehrenamtliche.

Wer für einen Verein oder eine Stiftung ehrenamtlich tätig ist, der haftet nunmehr bei einer zweckwidrigen Verwendung von Spendengeldern nur noch bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit. Bisher setzte die Haftung bereits bei leichter Nachlässigkeit ein. In diese Richtung gingen auch Bestrebungen des Bundesrates, ehrenamtlich tätige Vereinsmitglieder besser gegen ungerechtfertigte Haftungsrisiken abzusichern.

Weiterhin begrüßen die Koalitionsfraktionen der CDU und der SPD die Ankündigung im Koalitionsvertrag auf Bundesebene, dass die Kommunen durch die Übernahme der Grundsicherung im Alter und der Wiedereingliederungshilfe entlastet werden sollen. Diese finanziellen Spielräume bieten den Kommunen die Möglichkeit, bürgerschaftliches Engagement weiter zu fördern und diesbezüglich eine erhöhte Planungssicherheit zu erhalten.

Schauen wir nun auf unser schönes Bundesland. Auch auf landespolitischer Ebene wurde in dieser

Wahlperiode viel für die Stärkung des Ehrenamtes und für den Abbau bürokratischer Hindernisse getan.

Konzentrieren wir uns auf den Bereich Inneres und Sport. Beispielhaft zähle ich hierfür die Förderung des Ehrenamtes im Katastrophenschutz durch das neue Rettungsdienstgesetz sowie die Entlastung des Ehrenamtes und die Entbürokratisierung von Verwaltungsabläufen im neuen Sportfördergesetz auf.

Denken wir aber bitte auch an unsere neue Kommunalverfassung. Neben der besseren Verständlichkeit und Anwendbarkeit des Regelwerkes für die vielen ehrenamtlich Tätigen haben wir für die ehrenamtlichen Mitglieder der Vertretung der ehrenamtlich tätigen Bürgermeister, Oberbürgermeister und Ortsvorsteher die Rahmenbedingungen ihrer ehrenamtlichen Mitwirkung attraktiver ausgestaltet.

Daher haben wir im Interesse der Rechtsklarheit bestimmt, dass eine Haftung ehrenamtlich tätiger Mandatsträger nur bei vorsätzlichem oder grob fahrlässigem Handeln in Betracht kommen kann und sie sich an der Höhe der Aufwandsentschädigung orientiert.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nun kommen wir zu dem Antrag der LINKEN unter dem Titel „Ehrenamt stärken“.

Durch den Antrag wird eine bereits geführte Debatte erneut aufgewärmt. Die Landesregierung hat die Willensbekundung dieses Hohen Hauses aufgegriffen und sich auf Landes- und Bundesebene für die Sozialversicherungsfreiheit der ehrenamtlichen Tätigkeit eingesetzt. Ich erinnere an die Bundesratsdrucksache 597/08, die von unserer Landesregierung unterstützt worden ist.

Auch wir halten eine gesetzlich klar geregelte Freistellung ehrenamtlich Tätiger von der Sozialversicherungspflicht zur Herstellung von Rechtssicherheit sowie zur Abwendung von Schaden an der Ehrenamtskultur Deutschlands für notwendig.

Zur Genese nur so viel: Ursprünglich wurden Aufwandsentschädigungen für Ehrenamtliche als sozialversicherungsfrei angesehen. Mit der Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse ab dem 1. April 1999 hat sich diese Auffassung gewandelt und in vielen Fällen zur Feststellung von Sozialversicherungspflicht und damit zu entsprechenden Beitragsforderungen zulasten dieses Personenkreises geführt.

Die Träger der Deutschen Rentenversicherung stellten unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, das wiederholt ehrenamtliche Tätigkeit als sozialversicherungspflichtige

Beschäftigung beurteilt hat, in vielen Fällen Sozialversicherungspflicht fest.

Auch aus der Sicht der CDU-Fraktion sind dabei zugrunde gelegte Kriterien zur Definition von Beschäftigungsverhältnissen bei der Erfassung ehrenamtlicher Tätigkeit nicht geeignet. Kriterien wie Weisungsgebundenheit, Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers und Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben über Repräsentationsfunktionen hinaus sind im Zusammenhang mit ehrenamtlichen Tätigkeiten Begriffe, die dem ehrenamtlichen Engagement nicht gerecht werden.

Eine Vermischung der Begriffe Beschäftigungsverhältnisse und Ehrenamt und eine damit verbundene zusätzliche Sozialversicherungspflicht hätten vermutlich einen Rückgang des uneigennützigen Engagements der Bürgerinnen und Bürgern zur Folge. Im Umkehrschluss könnten die Bürgerinnen und Bürger auch die üblichen Rechte aus Beschäftigungs- und Arbeitsverhältnissen einfordern. Eine solche Kommerzialisierung des Ehrenamtes wollen wir als Union nicht.

Ich denke, dass zum aktuellen Stand des Beratungsganges auf Bundesebene alles gesagt worden ist. Das Ziel muss es sein, durch eine möglichst präzise Definition ehrenamtliche Tätigkeiten von der Sozialversicherungspflicht freizustellen. Es bleibt zu hoffen, dass auf Bundesebene im Interesse der ehrenamtlichen Tätigkeit der Bürgerinnen und Bürger eine angemessene Lösung gefunden wird.