Protocol of the Session on June 20, 2014

Danke schön. Mir liegen drei Anfragen von den Abgeordneten Hövelmann, Wanzek und Bommersbach vor. Ich rufe sie der Reihe nach auf. - Herr Kollege Hövelmann.

Liebe Frau Kollegin Quade, Sie haben in Ihrem Redebeitrag geäußert, dass sich Ortsbürgermeister weigern würden, Menschen aufzunehmen - das habe ich wörtlich mitgeschrieben.

Ich möchte Sie fragen, ob Sie dem Parlament Beispiele nennen können, in denen so etwas vorgekommen ist, und, wenn ja, woher Sie wissen, dass die Ortsbürgermeisterinnen und Ortsbürgermeister im Lande Sachsen-Anhalt die Kompetenz hätten, über die Aufnahme von Menschen in ihre Ortschaften zu entscheiden und auch über die Frage, wer welche Wohnungen an welche Menschen vermietet. Gibt es Ihrerseits Ergebnisse darüber, dass die Ortschaften in Sachsen-Anhalt eine solche Kompetenz besitzen?

Herzlichen Dank für die Frage, weil ich dadurch die Gelegenheit habe, den in der Tat komplizierten Sachverhalt etwas näher zu beleuchten. Tatsächlich war und ist es im Landkreis Wittenberg so, dass der Landkreis die Entscheidung getroffen hat, man wolle die GU Möhlau schließen. Das war ein großer und ein wichtiger Schritt. Ich verhehle nicht, dass er mir viel zu lange gedauert hat. Ich bin froh, dass er gegangen wurde.

Doch nun haben wir das Problem, dass der Landkreis die Entscheidung trifft, die Kommunen aber in sehr unterschiedlicher Weise mitziehen. Es gibt Kommunen, die diese Entscheidung mittragen, die nach Möglichkeiten suchen, die versuchen, Wohnungen zur Verfügung zu stellen, und die sich sehr aktiv beteiligten. Es gibt aber auch Kommunen, die das nicht tun.

(Zuruf von Herrn Borgwardt, CDU)

- Ja, Herr Kollege Borgwardt, deswegen bin ich vorsichtig, das als ein Paradebeispiel anzuführen, eben weil einige Bürgermeister nicht konstruktiv daran mitwirken. - Sie sagen, sie hätten keine Möglichkeiten. Man hat dann einmal einen Brief an die Wohnungsgenossenschaften geschrieben, in dem gefragt wurde: Habt ihr Wohnungen? Darauf kam die Antwort: Nein. - Und das war es.

Das meine ich mit der Weigerung, konstruktiv mitzuarbeiten und Menschen aufzunehmen. Ich meine es nicht in dem wörtlichen Sinne, in dem Sie es hinterfragt haben. Das meine ich mit der Problembeschreibung. Das zeigt, dass hier tatsächlich noch viel Arbeit vor uns liegt.

Danke schön. - Herr Kollege Wanzek.

Liebe Frau Kollegin Quade, wir sind bei diesem Thema oft einer Meinung. Herr Kollege Hövelmann

hat schon in die Richtung gefragt, in die ich auch fragen möchte. Sie haben es in Ihrer Antwort gerade etwas relativiert. In Ihrer Rede haben Sie von Ortsbürgermeistern gesprochen, die die Aufnahme verweigern. Ich bin Ortsbürgermeister und ich habe gar nicht die Befugnis, so etwas zu entscheiden.

(Zuruf von Herrn Güssau, CDU)

- Ja, sonst würde ich das tun, genau. - Meine Frage ist: Würden Sie das dahingehend relativieren, dass es um die Bürgermeister geht? Oder bleiben Sie bei Ihrer Behauptung, dass sich Ortsbürgermeister querstellten? - Diese können eine solche Entscheidung gar nicht treffen.

Herr Kollege Wanzek, ich habe es soeben konkret benannt.

Danke schön. - Herr Kollege Bommersbach, bitte.

Sehr geehrte Frau Kollegin Quade, Sie haben die Situation gerade recht eindrucksvoll beschrieben. Unter anderem haben Sie auch den Kreis Wittenberg benannt. Vielleicht können Sie dem Hohen Haus einmal eines erklären. Sie haben von dezentraler Unterbringung gesprochen. Ist es nicht gerade bei Ihnen so gewesen, dass man ein Haus gekauft hat, um dezentrale Lösungen umzusetzen, und dass dann genau die gleichen Asylbewerber alle zusammen in diesem Haus einquartiert wurden? Man hat also nur den Ort des Geschehens verändert, aber die Zusammensetzung ist die gleiche geblieben.

Wenn Sie das unter dem Begriff der dezentralen Unterbringung verstehen, dann geht das wohl etwas am Thema vorbei. Das ist bei Ihnen in Wittenberg unter Beteiligung des Landrates, der Mitglied Ihrer Partei ist, passiert. Wenn man die Menschen aus einer Gemeinschaftsunterkunft in eine andere Unterkunft bringt, dafür ein Haus kauft und dort genau die gleichen Personen wieder alle zusammen unterbringt, dann ist das doch ein bisschen am Thema vorbei, oder?

Herr Kollege Bommersbach, ich freue mich, dass sich die CDU-Fraktion endlich für eine dezentrale Unterbringung von Asylbewerbern einsetzt.

(Beifall bei der LINKEN)

Das ist wirklich schön. Das freut mich sehr. Ich habe eben - das ist vielleicht die Antwort auf die Frage, ob es am Thema vorbeigeht - in meiner Rede gesagt, dass im Landkreis Wittenberg die Ent

scheidung für die Unterbringung in Wohnungen getroffen worden ist. Über die Frage der Dezentralität ist zu reden.

Ich habe auch die Probleme beleuchtet, die der dezentralen Unterbringung im Wege stehen. Es ist eben nicht der Landrat, der das in der Hand hat. Er hat keinen Einfluss auf die kommunalen Wohnungsunternehmen. Er hat die politische Entscheidung getroffen; sie durchzusetzen ist eine Aufgabe aller Kommunen des Landkreises. Und daran hapert es.

Dann sind wir jetzt wieder bei den Ortsbürgermeistern?

(Herr Gallert, DIE LINKE: Egal! Es sind die Bürgermeister, nicht die Ortsbürgermeister, Herr Bommersbach!)

Nein, Herr Kollege Bommersbach. Wissen Sie, Herr Kollege Bommersbach, wenn man sonst nichts hat, versteigt man sich eben zu so etwas.

Wir hören gleich noch die Redebeiträge der anderen Fraktionen. Dann besteht auch die Möglichkeit der Diskussion. Ich würde jetzt noch eine Frage zulassen, wenn Abgeordnete Frau Quade sie beantworten möchte.

Herr Borgwardt.

Frau Kollegin, ich hatte vorhin einen Zwischenruf gemacht, weil es mir angeraten schien, Sie darauf hinzuweisen, dass es nicht besonders glücklich ist, den Fall Wittenberg in diesem Zusammenhang überhaupt zu erwähnen. Ich könnte Ihnen die gesamte Genese dieses Falls erzählen.

Im Übrigen ist das nicht auf Betreiben der betreffenden Kommune - der sehr geehrte Herr Landrat ist auch Vorsitzender des Verwaltungsrates, in dem ich seit 1990 das Glück habe, Mitglied zu sein -, sondern der Sparkasse geschehen. Dieser Block stellte seit Jahren ein Vermittlungsproblem für die Sparkasse dar. Wir haben davor gewarnt, diesen Block zu nehmen; doch er hat ihn genommen. Es ist nichts anderes als eine zentrale Unterkunft. Ich bitte Sie einfach, das zur Kenntnis zu nehmen.

(Beifall bei der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, bringen Sie Ihre Energie im Landkreis Wittenberg für die dezentrale Unterbringung ein, dann ist allen geholfen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Noch eine Bemerkung zum Schluss?

Ich würde gern noch intervenieren. Denn ich finde es nicht besonders sachdienlich, diesen letzten Hinweis von Frau Kollegin Quade im Raum stehen zu lassen.

(Frau von Angern, DIE LINKE: Doch!)

Denn wir haben uns gerade dafür eingesetzt - auch ich war das -, die Betreffenden in Gräfenhainichen mit der Wohnungsgesellschaft dezentral unterzubringen. Das ist der einzige Ort, der das gemacht hat, sehr geehrte Kollegin.

(Frau Hunger, DIE LINKE: Wer ist da Bür- germeister? - Unruhe bei der LINKEN)

Wir fahren fort in der Aussprache, in der noch einmal die Möglichkeit zum Nachfragen besteht. - Für die Fraktion der CDU spricht Herr Abgeordneter Kolze.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Asylrecht und Flüchtlingsschutz sind hohe Güter, die es zu schützen gilt. Kein Land der Europäischen Union nimmt so viele Asylbewerber und Flüchtlinge auf wie Deutschland. Im letzten Jahr waren es knapp 110 000 Flüchtlinge und Asylbewerber, die einen Erstantrag in Deutschland gestellt haben. Das bedeutet allein im Jahr 2013 eine Steigerung gegenüber 2012 um über 70 %. Für das Land Sachsen-Anhalt werden für das laufende Jahr 290 bis 350 Asylantragsteller monatlich prognostiziert.

Dabei ist es mir wichtig, Folgendes zu betonen: Das deutsche Asylsystem entspricht menschenrechtlichen Standards. Die gesetzlichen Regelungen werden von den Behörden unseres Landes mit großem Verantwortungsgefühl ausgeführt. Auch können wir mit Stolz zur Kenntnis nehmen, dass Deutschland bei der Aufnahme von schutzbedürftigen Personen aus Zufluchtstaaten weltweit einen Spitzenplatz einnimmt.

Wir konnten zu Beginn der Woche im Ergebnis der Innenministerkonferenz vernehmen, dass die Aufnahme von weiteren 10 000 Bürgerkriegsflücht

lingen aus Syrien erfolgen wird. Auch SachsenAnhalt wird hierbei mit einem nach dem Königsteiner Schlüssel festzulegenden Aufnahmekontingent seiner Verantwortung gerecht werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Unterbringung und die Lebensbedingungen für Asylsuchende und Flüchtlinge haben in den letzten Monaten immer wieder öffentliche Aufmerksamkeit erregt. Es besteht absolute Einigkeit in diesem Hohen Haus dazu, dass eine Unterbringung von Asylsuchenden und von geduldeten ehemaligen Asylbewerbern, deren Antrag rechtskräftig abgelehnt worden ist, einen Standard haben muss, der die Würde des einzelnen Menschen achtet. Die Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren,

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

wie es das Bundesverfassungsgericht jüngst festgestellt hat. Die Unterkunft muss sowohl dem Gedanken der Humanität und sozialen Fürsorge als auch den ordnungspolitischen und öffentlichen Interessen gerecht werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir dürfen aber auch nicht die Augen davor verschließen, dass Entscheidungen des Landes und der Aufnahmekommunen über die Form der Unterbringung von asylsuchenden Menschen an die bundesrechtrechtlichen Vorgaben gebunden sind.

Nach den Regelungen des Asylverfahrensgesetzes sollen Asylbewerber in der Regel in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht werden. Wir haben eine bundesgesetzliche Vorgabe, die eine generelle Wohnungsunterbringung von Asylbewerbern ausschließt. Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist es auch, flexibel auf schwankende Asylbewerberzahlen reagieren zu können.

Bei der Entscheidung über die Unterbringung sind aber zweifelsfrei das öffentliche Interesse und die Belange der Ausländer zu berücksichtigen. Damit bestehen Handlungsspielräume dahingehend, andere Unterbringungsarten im Einzelfall bzw. bei bestimmten Personengruppen zu realisieren.

Als Entscheidungshilfe für die Aufnahmekommunen bei der Nutzung dieser Handlungsspielträume gibt es Leitlinien für die Unterbringung und die soziale Betreuung von nicht dauerhaft aufenthaltsberechtigten Ausländern vom Januar 2013.

Die mit der Integrationsbeauftragten des Landes Sachsen-Anhalt abgestimmten Leitlinien des Innenministeriums verfolgen das Ziel, eine angemessene Unterbringung von Flüchtlingen zu realisieren. Entsprechend den Leitlinien sollen Familien mit mindestens einem Kind sowie Alleinerziehende mit mindestens einem minderjährigen Kind nach Beendigung der Wohnverpflichtung in der Aufnahmeeinrichtung des Landes vorrangig mit eigenem Wohnraum versorgt werden.