Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Warum wir heute diesen Antrag zur Hebammenproblematik vorlegen, dürfte allen im Hohen Hause bekannt sein. Es ist insbesondere in den letzten zwei Wochen regional und überregional sehr viel darüber berichtet worden. Es geht um nicht mehr und nicht weniger als um das Wegbrechen eines ganzen Berufsstandes in Deutschland.
Aktueller Anlass, diese Dramatik hier zu thematisieren, ist der Ausstieg der Nürnberger Versicherung aus dem einzigen existierenden Versicherungskonsortium, das überhaupt eine Berufshaftpflichtversicherung für Hebammen anbietet. Ich glaube, man kann auch guten Gewissens sagen: Es wird kein Ersatz zu finden sein; denn es war schon immens schwierig, zu dieser Konstruktion zu kommen.
Der Bundeshebammenverband hat mit über 150 Versicherungsgesellschaften aus ganz Europa Kontakt gehabt. Von diesen haben nur vier überhaupt Interesse daran gezeigt, das Produkt „Berufshaftpflichtversicherung für Hebammen“ in ihren Katalog aufzunehmen. Eine davon kam nicht infrage, weil sie nur Einzelversicherungen und keine Kollektivversicherungen angeboten hat, also blieben noch drei.
Nachdem die Nürnberger in der letzten Woche ihren Ausstieg zur Mitte 2015 verkündet hat, ist auch dieses Konstrukt nicht mehr haltbar. Ich glaube, hier kann man ganz deutlich sagen, dass der Markt nicht nur unattraktiv, sondern überhaupt nicht vorhanden ist. Aus meiner Sicht ist ganz klar: Wenn für ein Produkt, das gesellschaftlich gewollt und gesellschaftlich sinnvoll ist, kein Markt vorhanden ist, dann muss die Politik einsteigen.
Genau das ist es, was wir heute mit unserem Antrag forcieren wollen. Das Marktversagen muss anerkannt werden. In Reaktion darauf sieht meine Fraktion zwei prinzipielle Lösungsmöglichkeiten.
Erstens. Man könnte sagen, dass der Markt nicht funktioniert, man also die Marktattraktivität des in Rede stehenden Produkts erhöhen muss. Dazu könnte man einen staatlichen Haftungsfonds auflegen. Das heißt, dass die Haftungshöhe für die Versicherung bei einer bestimmten Höhe gedeckelt und der Rest über einen Fonds, der sich aus Bundes- und Landesmitteln speisen könnte, abgedeckt wird. Zum anderen wäre es möglich, die Verjährungsfrist für Regresse zu verkürzen, was aus meiner Sicht keine gute Möglichkeit ist, wenn man an die betroffenen Eltern und Kinder denkt.
Zweitens. Man könnte offiziell anerkennen, dass hier der Markt versagt hat und hier die Politik eingreifen muss, um eine öffentlich-rechtliche Berufshaftpflicht auf den Weg zu bringen. Das ist aus meiner Sicht der am besten zu gehende, am besten zu denkende Weg. Hier würde man auch einen neuen Weg beschreiten. Ich glaube, dieser könnte auf Dauer tragfähig sein.
Denn, liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist nicht so, dass der Markt erst jetzt nicht mehr funktioniert. Betrachtet man die letzten 15 Jahre, stellt man fest, dass es seit 1998 in jedem Jahr Protestbriefe gab, in jedem Jahr der Bundeshebammenverband auf der Matte stand, es in jedem Jahr eine exorbitante Steigerung der Haftpflichtprämien gab. So hat eine Hebamme im Jahr 1998 pro Jahr 400 € bezahlen müssen; aktuell sind es 5 100 € pro Jahr. Das ist eine Steigerung, bei der man sagen kann und muss: Hier hat der Markt versagt.
Diese exorbitante Steigerung der Beiträge betrifft im Übrigen nicht nur die Hebammen. Auch die Gynäkologen sind davon betroffen. Die Gynäkologen haben natürlich ganz andere Vergütungen und können sich das leisten. So werden für eine Geburt im Geburtshaus von den Krankenkassen 467 € erstattet, für eine Hausgeburt 548 €, für eine Vaginalgeburt in der Klinik 1 594 bis 2 146 € und für eine Kaiserschnittgeburt 2 500 bis 5 366 €. Ich glaube, angesichts dessen braucht man zur Wertschätzung des Hebammenberufs in diesem Land nicht mehr viel zu sagen.
Die Entwicklung hat dazu geführt, dass schon viele Hebammen aus der Geburtshilfe ausgestiegen sind und nur noch Vor- und Nachbereitung anbieten. Allein das wäre schon Grund genug, dass sich die Politik hier einmischt. Denn eine Hebamme, die nicht mehr in den Geburtsverlauf eingebunden ist, ist aus meiner Sicht keine wirkliche Hebamme
Was auch sehr wichtig ist: Das Wahlrecht für zukünftige Eltern, das im Übrigen gesetzlich verbrieft ist - in § 24d SGB V ist es festgeschrieben, auch europarechtlich beklagt und bestätigt worden -, besteht dann nicht mehr. Frauen haben das Recht zu wählen, ob sie im Krankenhaus, im Geburtshaus oder zu Hause gebären. Wenn es aber keine Hebammen gibt, die einen wesentlichen Teil davon abdecken können, ist dieses Wahlrecht nicht mehr gegeben.
Deswegen ist es wichtig, dass wir uns heute mit dieser Thematik nicht nur befassen, sondern auch eine klare Beschlusslage herstellen. Denn es geht - das ist in den Medien manchmal etwas verkürzt dargestellt worden - nicht nur - in Anführungsstrichen - um die freiberuflichen Hebammen, sondern um den Hebammenberuf in Gänze. Die meisten Hebammen, die in Kliniken tätig sind, müssen sich zusätzlich zur klinischen Versicherung auch noch selbst versichern, weil die Beiträge so hoch sind, dass die Kliniken nur ein bestimmtes Grundrisiko abdecken.
Auch was in der letzten Zeit immer wieder gemacht wurde, nämlich dass durch politisches Eingreifen die Krankenkassen dazu bewogen wurden, einen Teil dieser immer weiter steigenden Beiträge zu übernehmen, wird uns nicht mehr helfen, da es keine Beiträge mehr gibt, die man in irgendeiner Weise kompensieren kann.
Was die große Koalition auf Bundesebene dazu festgeschrieben hat, ist leider Gottes zwar eine Zurkenntnisnahme dieses Problems, aber keine wirkliche Handlungsoption. Dort steht zu lesen - ich zitiere -: Wir werden die Situation der Geburtshilfe beobachten und für eine angemessene Vergütung sorgen. - Beobachten, liebe Kolleginnen und Kollegen, reicht nicht mehr, wenn es keine Versicherung mehr gibt.
Eine angemessene Vergütung ist sicherlich gut, richtig und sinnvoll - da sind wir auch dabei -, aber dann setzen wir eine Spirale in Gang, die wir, glaube ich, so als Politik nicht unterstützen sollten. Es geht um eine grundsätzliche Regelung, eine Regelung auf Dauer. Denn ohne Berufshaftpflichtversicherung - das hat die Vorsitzende des Hebammenverbandes sehr klar und deutlich gesagt - kommt es einem Berufsverbot für Hebammen gleich.
Die Rettung des Berufsstandes wird nun von vielen in die Hände von Gesundheitsminister Gröhe gelegt. Er hat am 18. Februar 2014 mit den Vertreterinnen und Vertretern der Hebammenverbände zusammengesessen und eine politische Lösung
versprochen. In diesem Zusammenhang fand ich es schon sehr putzig - mich hat es schon amüsiert -, als die Vorsitzende der LINKEN sagte: Wir unternehmen jetzt in der Frage der Hebammen mal nichts, das wird schon der Herr Minister Gröhe richten. - Dass ich es erleben darf, dass sich DIE LINKE auf einen CDU-Minister verlässt, finde ich schon spannend.
Aber offensichtlich hat sie doch noch umgedacht; denn es liegt ein Änderungsantrag vor - auch wenn er nicht in allen Punkten unsere Zustimmung findet.
Ich glaube, dass es, wenn es um die Bundesratsinitiative geht, gerade Sachsen-Anhalt sehr gut anstehen würde, hier initiativ zu werden. Wir sind sozusagen das Land der Erfinder der Familienhebammen, die ein wichtiger Teil in der Kette der frühen Hilfen sind, wo wir ganz deutlich gemacht haben, dass Hebammen diejenigen sind, die am dichtesten, am ehesten, am frühsten an den Familien dran sind und Vernachlässigung, Misshandlung, elterliche Überforderung als Erste erkennen können. Ich glaube, in diesem Zusammenhang wäre es gut und richtig, wenn gerade wir als Bundesland uns auch für die Hebammen an sich einsetzten.
Ich habe es bereits ausgeführt: Der Versicherungsmarkt hat versagt, ist nicht mehr existent. Wir müssen die Frage beantworten: Ist es angemessen, ist es richtig, dass wir die Hebammen einem Markt überlassen, den es eigentlich gar nicht gibt?
Wir schlagen in unserem Antrag als Lösung vor, zumindest zu prüfen, die öffentlich-rechtliche Berufshaftpflichtversicherung einzuführen. Sie soll analog zur Unfallversicherung funktionieren. Das heißt, die Prinzipien der Unfallversicherung sollen auf eine verpflichtende umlagenfinanzierte Haftpflichtversicherung übertragen werden. Das heißt, dass solidarische Elemente in der Versicherung enthalten sein müssen, dass eine nicht gewinnorientierte Kalkulation der Beiträge erfolgt, dass Versicherungspflicht besteht und die Einbeziehung von Arbeitgebern und Selbstständigen vorhanden ist.
Dieses System der Haftpflichtversicherung wäre ein wirklich neuer Weg. Aus meiner Sicht wäre es wirklich gut, diesen Weg zu beschreiten, weil er die Chance bietet, nicht nur für die Hebammen als einen Teil der Gesundheitsberufe eine dauerhafte Lösung zu schaffen, sondern eben für alle Berufe im Gesundheitswesen.
In dem Sinne finde ich auch Punkt 2 des Änderungsantrages der LINKEN zu kurz gegriffen; denn ich glaube, wenn man tatsächlich dieses große Rad dreht und einen runden Tisch auf der Bundesebene einführt, dann sollte er nicht nur über die Vergütungsgruppen reden, sondern dann sollte tatsächlich die Haftpflichtproblematik für alle Ge
sundheitsberufe thematisiert werden. Meine Fraktion glaubt, dass es hierbei neben dieser kurzfristigen Lösung, die für die Hebammen nötig ist, eine dauerhafte Gesamtlösung geben muss.
Wir sind bei dieser Frage auch dafür, keine Schnellschüsse zu machen, damit es wirklich eine tragfähige und dauerhafte Lösung wird. Vielmehr sollten wir die Zeit, die uns bleibt, da die Nürnberger Versicherung erst zum Sommer des nächsten Jahres aussteigt, sinnvoll nutzen. Wir sehen einen Prüfauftrag vor, um wirklich rechtlich sauber und sachlich geprüft eine Bundesratsinitiative starten zu können.
Es hat sich in den letzten Tagen angedeutet, dass wir hierfür sehr gute Partner haben werden. Baden-Württemberg startet gerade eine Landeskampagne zur Stärkung der natürlichen Geburt. Das wäre im Übrigen auch etwas, was unserem Land gut anstehen würde; denn wir sind neben Rheinland-Pfalz das Land mit dem höchsten Anstieg der Zahl an Kaiserschnittgeburten. Ich glaube, es wäre lohnenswert, darüber nachzudenken, warum das so ist und worin die Vorteile einer natürlichen Geburt mit Hebammen bestehen.
Auch Schleswig-Holstein hat angekündigt, eine Bundesratsinitiative auf den Weg zu bringen, sodass es also genügend Partner auf dieser Ebene gibt.
Ich muss sagen, dass man noch einmal darüber diskutieren kann, was Online-Petitionen so bewirken. Aber ich finde sie als einen Indikator für das gesamtgesellschaftliche Interesse wichtig. Wenn eine Online-Petition zur Unterstützung der Hebammen innerhalb einer Woche knapp 300 000 Unterstützer und Unterstützerinnen findet, dann glaube ich, dass an dieser Stelle wirklich ein gesamtgesellschaftliches Interesse vorliegt.
Aufgrund der Dringlichkeit des Themas bitten wir um eine Direktabstimmung, damit das Gesundheitsministerium sofort in den Prüfauftrag einsteigen und die Bundesratsinitiative sachlich und rechtlich korrekt vorbereiten kann.
Abschließend noch einige Worte zum Änderungsantrag der LINKEN. Ich habe eben schon kurz auf den Punkt 1 abgestellt. Nachdem erst gesagt wurde, wir müssen hier nichts machen, das macht alles der CDU-Minister, was mich sehr amüsiert hat, wird jetzt umgehend eine Bundesratsinitiative ohne eine vorherige inhaltliche Prüfung gefordert. Das ist erst hier und dann da. Ich finde das alles ein bisschen schwierig.
Zum zweiten Punkt habe ich auch schon etwas ausgeführt. Hierbei würde ich einen runden Tisch zur Haftungsproblematik in Gesundheitsberufen eher befürworten. Ich glaube, über diesen Punkt müsste man noch einmal reden.
Der Punkt 3 hat eher einen Selbstbefassungsantrag zum Gegenstand. Hierin werden Fragen aufgeworfen, deren Beantwortung sicherlich für alle Kolleginnen und Kollegen im Hause von Interesse ist. Den im Antrag der LINKEN enthaltenen Punkt 3 würden wir als Punkt 4 in unseren Antrag übernehmen.
Aber ich finde, dass die Punkte 1 und 2 wirklich Show im Nachklapp sind. Diese Punkte können wir nicht unterstützen. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Thema ist nicht neu. Es gab in den letzten Jahren verschiedene Kleine Anfragen im Bundestag zu dieser Thematik. Ich glaube, auch im Landtag und im Ausschuss haben wir uns damit beschäftigt, dass die Beiträge für die Berufshaftpflichtversicherung der Hebammen steigen. Jetzt ist ein Punkt erreicht - da hat Frau Lüddemann absolut Recht -, ab dem die Gefahr besteht, dass Hebammen gar nicht mehr versichert werden. Wenn die Nürnberger Versicherung aussteigt - das ist ein Konsortium -, dann ist damit zu rechnen, dass die anderen auch nicht mehr weitermachen.
Man muss sehen, dass die Versicherungsbeiträge in den letzten zehn Jahren von 450 € auf rund 5 000 € gestiegen sind. Jetzt kann man die Frage stellen: Warum ist das so? Die einfache Erklärung, die Sie vorgebracht haben, dass sich die Versicherungen hierbei nur bereichern oder Geld verdienen wollen, gibt nicht die Wahrheit wieder. Man muss wenigstens darauf eingehen, warum das so ist. Natürlich braucht man dann Lösungen.
Die Anzahl der Schäden im Bereich der Geburtshilfe hat sich in letzter Zeit zwar nicht merklich verändert. Beim Hebammenverband gehen jährlich etwa 50 Schadenersatzforderungen ein. Aber jetzt kommt es: Die Gerichte legen für Behandlungsfehler in der Geburtshilfe immer höhere Entschädigungssummen fest.
Die deutliche Steigerung des Schadensaufwandes hat vor allem zwei Gründe. Das liegt fast auf der Hand. Der erste Grund ist die die stark verbesserte Lebenserwartung bei schwerstgeschädigten Kindern infolge der verbesserten medizinischen Behandlungsmethoden. Es geht um die ganze Frage der perinatalen Behandlungsmethoden von Level 1 und Level 2.