Protocol of the Session on January 30, 2014

Guten Morgen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich begrüße herzlich die Mitglieder des Hohen Hauses, die Gäste und die Vertreter der Medien in der Johanniskirche zur 59. Sitzung des Landtages von Sachsen-Anhalt der sechsten Wahlperiode.

Ich stelle die Beschlussfähigkeit des Hohen Hauses fest.

Ich möchte einige Worte voranstellen. Der heutige Tag ist für uns alle sicherlich ein besonderer Tag. Manche werden sich in die Zeit um 1989 und 1990 zurückversetzt fühlen. Damals fanden vor allem in den Kirchen dieses Landes viele Veranstaltungen statt. Einige werden sich daran erinnern, dass in den großen Gebäuden, die zur Ehre Gottes erbaut worden sind, die Akustik immer etwas Besonderes war.

An dieser Stelle steht und stand seit mehr als 1 000 Jahren ein Gotteshaus. Es wurde zerstört, abgerissen und wieder neu aufgebaut. Die Johanniskirche ist nun seit einigen Jahrzehnten ein Veranstaltungsgebäude in der Stadt Magdeburg. Es ist für uns ein Ausweichquartier.

Ich möchte zunächst all denen danken, die mitgeholfen haben, die Funktionsfähigkeit der Johanniskirche für die Sitzungen der Volksvertretung, des Landtages von Sachsen-Anhalt herzustellen, und die die langen Kataloge abgearbeitet haben, um all das, was für eine Landtagssitzung benötigt wird, im Saal zur Verfügung zu stellen.

(Beifall im ganzen Hause)

Ich danke den Mitarbeitern unseres Hauses, der städtischen Gesellschaft, den Mitarbeitern der Fraktionen und den Fraktionsgeschäftsführern dafür, dass sie sich im Vorfeld sehr engagiert eingebracht haben.

Ich darf an dieser Stelle für etwas Gleichmut, für etwas Großzügigkeit und für den guten Willen in einem besonderen Ausmaß danken und uns dies auch für die nächsten Monate wünschen. Ich möchte Sie bitten, eventuelle Verbesserungswünsche nach der Sitzung der Verwaltung mitzuteilen, sodass wir zu jeder Sitzung noch ein kleines Stückchen besser werden.

Aber wir wissen, es ist ein Provisorium, ein Ausweichquartier. Wir wissen auch, dass viele Menschen im Lande unter sehr unterschiedlichen und zum Teil unter sehr schwierigen Bedingungen jeden Tag ihren Job machen. Deswegen bin ich ganz sicher, dass wir das ganz gut hinbekommen.

Ich darf noch einige technische Hinweise zu Beginn mitteilen. Wie Sie gesehen haben, sind im Saal Mikrofone aufgestellt, die nummeriert sind.

Wenn wir eine Verhandlung mit der Disziplin wie von heute Morgen erreichen, werden viele feststellen, dass die Akustik oder zumindest die Verständlichkeit sogar besser ist als im alten Plenarsaal am Domplatz. Bei einem etwas höheren Geräuschpegel kann das umschlagen und schlechter werden.

Bei Wortmeldungen, Zwischenfragen und Interventionen bitte ich Sie herzlich, die aufgestellten Mikrofone zu benutzen. Es würden dann der Name und die Nummer des Mikrofons genannt werden, sodass die Tontechnik das Mikrofon hochfährt. Diese sind jetzt aus. Wenn jemand am Mikrofon steht, dann sagen Sie beispielsweise: Herr XY, Mikrofon 2. Dann wird das hochgefahren und funktioniert.

Für die Rednerinnen und Redner heute darf ich noch anmerken: Das Pult ist höhenverstellbar, aber Sie werden nicht den gewohnten Hydraulikknopf finden, sondern rechts unterhalb der Tischplatte befindet sich ein energiesparender, nicht elektrisch betriebener Mechanismus, der durch Betätigen eines Hebels die Höhenverstellung möglich macht. Das Pult bleibt dann auf der gewünschten Höhe, auf die man es einstellt. Die Zeitanzeige ist ebenfalls installiert und funktioniert auch.

Die Mitglieder der Landesregierung sitzen links und rechts, leicht erhöht, hier im Saale. An dieser Stelle hat es schon viele, viele gute Veranstaltungen gegeben. - So viel als Vorbemerkung.

Nunmehr, meine sehr geehrten Damen und Herren, dürfen wir in die Tagesordnung einsteigen. Ich habe die Beschlussfähigkeit des Hohen Hauses festgestellt.

Mit Schreiben vom 22. Januar 2014 bat die Landesregierung, für die 30. Sitzungsperiode folgende Mitglieder zu entschuldigen:

Herr Ministerpräsident Dr. Haseloff ist für Donnerstag bis 13 Uhr wegen der Teilnahme am Festakt anlässlich der Konstituierung des Wissenschaftlichen Beirats des Generalsekretärs der Vereinten Nationen entschuldigt. Dort wird Herr Professor Hacker von der Leopoldina als einziger deutscher Vertreter berufen - auch eine Ehre für unser Land.

Herr Minister Bullerjahn entschuldigt sich für Donnerstag bis 16 Uhr wegen der Teilnahme an der Sitzung des Finanzausschusses des Bundesrates mit anschließender Finanzministerkonferenz in Berlin.

Die Tagesordnung für die 30. Sitzungsperiode des Landtages liegt Ihnen vor. Die Fraktion DIE LINKE hat mitgeteilt, dass die Aussprache zur Großen Anfrage zur Situation der Callcenter-Branche in Sachsen-Anhalt - Drs. 6/2163 und 6/2465; das war Tagesordnungspunkt 7 im Entwurf - für die Sitzungsperiode im Februar 2014 zurückgestellt werden soll.

Mir ist zudem signalisiert worden, dass Tagesordnungspunkt 12 - Lehramtsausbildung zukunftsfähig gestalten, Drs. 6/2714 - bereits am heutigen Tag als letzter Tagesordnungspunkt beraten werden soll.

Des Weiteren liegt uns in der Drs. 6/2731 ein fristgerecht eingereichter Antrag der Fraktionen DIE LINKE auf eine Aktuelle Debatte über das Thema „Öffentliche Auseinandersetzung zum Umgang mit Homophobie“ vor, der unter Tagesordnungspunkt 16 aufgenommen wurde und gemäß einer Übereinkunft der parlamentarischen Geschäftsführer am Freitag als erster Tagesordnungspunkt behandelt wird. Hierzu schlagen wir folgende Rednerreihenfolge vor: DIE LINKE, CDU, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und SPD.

Ich frage nunmehr: Erhebt sich dagegen Widerspruch? Gibt es weitere Anmerkungen zur Tagesordnung? - Kein Widerspruch, keine weiteren Anmerkungen. Dann können wir so wie vorgestellt verfahren.

Zum zeitlichen Ablauf: Am heutigen Abend findet eine parlamentarische Begegnung mit der Sparkassen-Finanzgruppe/Ostdeutscher Sparkassenverband statt. Die Einladungen liegen Ihnen vor. Morgen wird die Landtagssitzung wie üblich um 9 Uhr beginnen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Erste Beratung

Entwurf eines Gesetzes über das Verbandsklagerecht und die Mitwirkungsrechte von Tierschutzvereinen in Sachsen-Anhalt

Gesetzentwurf Fraktion DIE LINKE - Drs. 6/2713

Für die Einbringerin erteile ich Herrn Abgeordneten Krause das Wort:

Sehr verehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Der von uns vorgelegte Gesetzentwurf soll die Mitwirkung und das Klagerecht von anerkannten Tierschutzvereinen - Sie wissen, im Umweltbereich gibt es dieses Gesetz der Verbandsklage längst - zur Wahrung und Durchsetzung von bewährten Standards und Zielen des Tierschutzes regeln.

Das heißt, anerkannten Tierschutzvereinen oder -verbänden wird ein Verbandsklagerecht einräumt, um die Rechte und Interessen der Tiere und die Einhaltung des Tierschutzgesetzes auch vor Gericht einklagen zu können. Außerdem soll anerkannten Tierschutzvereinen die Mitwirkung an tierschutzrelevanten Verwaltungsverfahren des Landes ermöglicht werden, um gegen einen unzurei

chenden Tierschutz bei Haltern von Nutz-, Heim- und Versuchstieren sowie sonstigen dem Tierschutzgesetz unterliegenden Tieren klagen zu können.

Insofern wird mit diesem Gesetz dem Artikel 20a des Grundgesetzes Rechnung getragen. Mit der Erweiterung des Artikels 20a des Grundgesetzes ist seit 2002 der Tierschutz zum Staatsziel bzw. zum Rechtsgut mit Verfassungsrang erhoben worden. Daraus ergibt sich für den Gesetzgeber, die Landesregierung und schließlich auch für die rechtsprechende Gewalt im Staat die Verpflichtung, im Sinne des Tierschutzes handeln zu müssen.

Eigentlich ist diese Verpflichtung zum Schutz der Tiere, insbesondere vor nicht artgerechter Haltung, schon in dem Tierschutzgesetz pauschal geregelt. Mit diesem Gesetz wird aber die gerichtliche Durchsetzbarkeit von Schutzzielen garantiert. Bisher steht nur den Haltern von Nutz-, Heim-, Versuchs- und von sonstigen dem Tierschutzgesetz unterfallenden Tieren der Rechtsweg offen.

Wenn beispielsweise die nach § 15 des Tierschutzgesetzes zuständige Behörde zum Nachteil eines Tierhalters eine Anordnung nach § 16a des Tierschutzgesetzes erlässt, so kann der Tierhalter mit Rechtsbehelfen und Rechtsmitteln nach der Verwaltungsgerichtsordnung dagegen vorgehen und gegebenenfalls sogar noch eine Entschädigung einklagen. Wird ein umstrittenes Vorhaben jedoch genehmigt, ist seine gerichtliche Überprüfung auf eine Vereinbarkeit mit den Vorschriften des Tierschutzrechts kaum realisierbar, da es keinen rechtmäßig anerkannten Treuhänder der Interessen der Tiere gibt.

Diese Situation kann nicht befriedigen. Mit dem Verbandsklagerecht wird dieses Defizit bzw. diese Ungleichheit beseitigt. Es wird anerkannten Tierschutzverbänden in Sachsen-Anhalt die Möglichkeit geben, als Treuhänder der Tiere Belange des Tierschutzes ihrerseits einklagen zu können. Es eröffnet die Anwendung von Rechtsbehelfen gegenüber Verwaltungsakten der Behörden des Landes, die den Tierschutz betreffen. Das schließt unter anderem die Möglichkeit ein, rechtlich vorgehen zu können, wenn Tieren zum Beispiel zum Vergnügen, zum Spaß oder zur Unterhaltung von Menschen Qualen zugefügt oder die Tiere nicht artgerecht gehalten werden.

Das Verbandsklagerecht eröffnet auch anerkannten Tierschutzvereinen die Möglichkeit, erforderlichenfalls gegen eine behördliche Genehmigung oder gegen ein Untätigbleiben bei der Wahrung und Durchsetzung des Tierschutzes bzw. auch bei Verstößen gegen das Tierschutzgesetz klagen zu können.

DIE LINKE in Sachsen-Anhalt hat sich, wie übrigens auch die GRÜNEN und die SPD, zu diesem

Verbandesklagerecht im Tierschutzbereich öffentlich bekannt, zum Beispiel in ihren programmatischen Aussagen, was von den Tierschutzvereinen sehr wohl zur Kenntnis genommen worden ist.

DIE LINKE will nun mit diesem Gesetzentwurf ihr Wahlversprechen einlösen und geht davon aus, dass das Anliegen eigentlich bei allen Fraktionen auf positive Resonanz stoßen müsste, hat doch gerade auch jetzt die CDU sich ganz ausdrücklich für mehr Tierschutz ausgesprochen. Daher dürfte also unser Antrag unter einem guten Stern stehen.

Wir wissen, dass wir damit eine breite öffentliche Diskussion auslösen werden, die ihren Ausgangspunkt vor allem in folgenden Bereichen haben kann: bei Landwirten, bei den Interessenvertretungen der Landwirtschaft, bei Speditionen, wenn es um Lebendviehtransporte geht, bei Schlachtbetrieben, im Pferdesport, im Jagdwesen, bei zoologischen Gärten, bei Zirkussen, bei Vergnügungsparks mit tiernaher Ausrichtung und im Bereich der Forschung bezüglich des Geschehens bei Tierversuchen.

Dabei gehen wir davon aus, dass zwischen den unterschiedlichen Interessen eine sachliche und dem aktuellen Stand des Tierschutzes entsprechende Diskussion und Auseinandersetzung geführt wird, die sich immer auch an den historisch gewachsenen sowie kulturellen und religiös begründeten Traditionen - denken wir nur an das Schächten - messen lassen muss.

Es ist wichtig - dieses Gesetz wird dazu beitragen -, dass die Fragen des Tierschutzes ernst genommen werden und künftig alle Beteiligten angehalten sind, eine ergebnisorientierte Auseinandersetzung um die Einhaltung des Tierschutzes zu führen.

Das Verbandsklagerecht verhindert nach unserem Verständnis, dass Missstände oder auch Unterlassungen im tierschutzrelevanten Bereich zerredet oder einfach ausgesessen werden können.

Außerdem wollen wir ausdrücklich darauf hinweisen, dass es bei diesem Gesetz nicht ausschließlich um das Klagerecht eines anerkannten Tierschutzvereines geht, sondern auch darum, den Vereinen bzw. Verbänden bereits im Vorfeld von Entscheidungen und im Verlauf tierschutzrelevanter Verwaltungsverfahren ein Mitwirkungsrecht zu garantieren, und dass ihnen gegenüber behördlicherseits die Pflicht zur Information besteht.

Mit dem Damoklesschwert Mitwirkungs- und Verbandsklagerecht könnte daher erreicht werden, dass Verwaltungsentscheidungen auf dem Gebiet des Tierschutzes bereits von vornherein sorgfältiger vorbereitet werden. An dieser Stelle möchte ich nur an das von uns initiierte Informationszugangsgesetz erinnern.

Die Fraktion DIE LINKE geht davon aus, dass das Verbandsklage- und -mitwirkungsrecht zur Klärung vieler Fragen beitragen kann, die es bei der Ansiedlung öffentlich umstrittener hoher Tierkonzentrationen durch gewerbliche, nicht bodengebundene Tierhalter in Sachsen-Anhalt immer wieder gibt. Es wird sicherlich auch dazu beitragen, dass wir künftig in diesem Bereich mehr Transparenz haben werden. Zudem meinen wir, dass dabei gleichzeitig auch die Position jener Landwirte bzw. Nutztierhalter gestärkt wird, die nach den Grundsätzen des Tierschutzes auch und gerade in modernen Tierhaltungsanlagen eine artgerechte Tierhaltung sichern und in eine solche stetig investieren.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Dieses Gesetz ist also nicht das Werkzeug, mit dem moderne Agrarstrukturen oder auch industriemäßig produzierende Agrarunternehmen an den Pranger gestellt und ihre Art und Weise der Tierhaltung als Tierquälerei diffamiert werden sollen.

Eine Diskussion über große und kleine Betriebe bringt uns in diesem Zusammenhang nicht weiter. Das Problem des Tierschutzes, die Frage der artgerechten Haltung ist immer konkret zu betrachten und zu beurteilen.

Viele Menschen, die im Land der lila Kuh ihren Urlaub verbracht haben, waren nicht selten darüber verwundert, dass dort selbst kleine Tierbestände noch immer in ganzjähriger Anbindestallhaltung gehalten werden. Wir können in unserem Land jedenfalls ausreichend belegen, dass sich moderne Haltungsbedingungen und argerechte Tierhaltung nicht nur nicht ausschließen, sondern dass sie sich sogar gut ergänzen.

Dennoch wissen wir alle: Es gibt überall schwarze Schafe und nicht selten besteht in solchen Fällen Handlungsbedarf seitens der Behörden bezüglich einer schnellen Durchsetzung von zuverlässigen Maßnahmen zum Schutz der Tiere.