Protocol of the Session on November 15, 2013

Danke sehr, Herr Kollege Herbst, für die Einbringung. - Für die Landesregierung spricht Minister Stahlknecht.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Uns liegt der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Unterstützung der Bundesratsinitiative der Freien Hansestadt Bremen vor, deren Kernforderung es ist, durch Änderung des Aufenthaltsgesetzes und des Asylverfahrensgesetzes auch Asylsuchenden sowie geduldeten Ausländerinnen und Ausländern den Zugang zu den Basis- und Aufbausprachkursen der Integrationskurse des Bundes zu eröffnen.

Das Angebot und das Recht auf Teilnahme an den Integrationskursen, die vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge durchgeführt werden, sind in den §§ 43, 44 und 44a des Aufenthaltsgesetzes geregelt. Danach sind bislang nur Ausländerinnen und Ausländer zur Teilnahme berechtigt, deren Aufenthaltstitel von vornherein auf einen dauerhaften Aufenthalt im Bundesgebiet ausgelegt ist. Geduldete Ausländerinnen und Ausländer sowie Asylbewerber haben danach keinen gesetzlich geregelten Zugang zu den Sprachkursen.

Zugang zu deutschem Sprachunterricht besteht für diese Gruppe momentan nur punktuell und in unterschiedlichem Umfang im Rahmen einzelner Initiativen und Projekte. Dabei ist es auch nach meiner Auffassung wichtig, nach der Ankunft in einem fremden Land zumindest einfache Kenntnisse der Landessprache zu erwerben, um sich verständigen zu können. Dies gilt grundsätzlich auch für Asylbewerber und geduldete Ausländerinnen und Ausländer, da fehlende Sprachkenntnisse Verständigungsschwierigkeiten unterschiedlicher Art zur Folge haben - Herr Herbst wies darauf hin.

Auch die für Integration zuständigen Ministerinnen und Minister sowie Senatorinnen und Senatoren der Länder haben sich auf ihrer Konferenz im März dieses Jahres dafür ausgesprochen, die rechtlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass auch den Flüchtlingen im Asylverfahren und den Geduldeten der Zugang zu den Sprachkursmodulen der Integrationskurse eröffnet wird.

Deutsche Sprachkenntnisse können nicht nur die Beschäftigungschancen von Ausländerinnen und Ausländern entscheidend verbessern, sondern auch die Kommunikation mit Behörden und die Orientierung im Alltag erheblich erleichtern. Von daher stimme ich mit Ihnen überein, dass absoluter Handlungsbedarf besteht.

Aus meiner Sicht könnte Asylbewerbern und geduldeten Ausländerinnen und Ausländern zunächst der Zugang zu den Sprachmodulen der Integrationskurse nach § 43 des Aufenthaltsgesetzes zumindest im Rahmen verfügbarer Plätze eröffnet werden. Diese Öffnung würde zu einer besseren Nutzung der vorhandenen Kapazität an Integrationskursen beitragen; denn wegen der zurzeit geringen Zahl der nach geltendem Recht integrationskursberechtigten Neuzuwanderer nach Sachsen-Anhalt sind die Integrationskurse insbesondere im ländlichen Raum oftmals nicht vollständig belegt.

Von der Gewährung eines allgemeinen Anspruchs von Asylbewerbern und Geduldeten auf die Teilnahme an einem Integrationskurs sollte zunächst jedoch abgesehen werden.

Ausreichende Sprachkenntnisse gehören zu den wichtigsten Hintergründen für eine soziale und ökonomische Teilhabe von Ausländerinnen und Ausländern an unserer Gesellschaft. Daher ist es in besonderem Interesse des Landes, dass möglichst alle Zuwanderinnen und Zuwanderer mit Sprachförderbedarf, die voraussichtlich eine längere Bleibeperspektive haben, einen ihrem Bedarf entsprechenden Sprachkurs besuchen können.

Ich möchte an dieser Stelle darauf hinweisen, dass wir, um dieses Ziel zu erreichen, Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds für die Förderperiode von 2014 bis 2020 für Integrationsmaßnahmen beantragt haben, die sich als Verbundprojekte zum Integrationskurs verstehen und das Ziel verfolgen, den Zugang zu Integrationskursen zu erleichtern und die Grundlagen für einen einfachen Kursabschluss zu legen. Diese sogenannten niederschwelligen Sprachkursangebote sollen sich auch an alle Ausländerinnen und Ausländer mit voraussichtlich dauerhafter Bleibeperspektive richten, die keinen Zugang zu Integrationskursen haben.

Die für die Kofinanzierung dieses Vorhabens notwendigen Landesmitteln haben wir in den Entwurf des Haushaltsplans für das Jahr 2014 eingestellt. Sie sind durch die beratenden Ausschüsse nicht infrage gestellt worden.

Sie sehen, ich stehe dem Grundanliegen, die Integrationskurse für weitere Teilnehmerkreise zu öffnen, durchaus aufgeschlossen gegenüber. Allerdings halte ich es zum gegenwärtigen Zeitpunkt für ungünstig, einen entsprechenden Gesetzesvorschlag in den Bundestag einzubringen. Wie Sie sicher wissen, steht das Thema auch bei den derzeit

laufenden Koalitionsverhandlungen auf der Agenda. Es ist noch viel im Fluss. Daher sollten wir das Ergebnis dieser Verhandlungen im Bund abwarten. Ich bin aber gern bereit, diese Thematik mit Ihnen weiter intensiv zu verfolgen und im Innenausschuss zu erörtern. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der CDU)

Danke, Herr Minister. - Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Wanzek.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die SPD und, ich denke, auch die Mehrheit in diesem Hause vertritt das Ziel, niemanden zurückzulassen und Integration von Anfang an zu betreiben. Das ist ein Ansatz - der Minister hat es angesprochen -, den auch die Integrationsministerkonferenz am 20. und 21. März diese Jahres in Dresden vertrat. Somit ist es folgerichtig, dass die Konferenz unter Tagesordnungspunkt 7.2 einstimmig, also auch mit den Stimmen der CDU-Ministerinnen und -Minister, beschlossen hat, dass vom Bund alle rechtlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen sind, dass auch Flüchtlingen im laufenden Asylverfahren und Geduldeten der Zugang zu den Sprachkursmodulen der Integrationskurse eröffnet werden soll.

Für mich ist es nicht wirklich überraschend, dass seitens der Bundesregierung noch nichts passiert ist. Man kann Bremen nur dankbar sein, dass es über seine Bundesratsinitiative, die es am 11. Oktober eingebracht hat, versucht, das Anliegen der Integrationsministerkonferenz auf diese Weise zu realisieren.

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD)

Von Schleswig-Holstein ist übrigens noch ein weitergehender Gesetzesvorschlag in die Beratung eingebracht worden. Es will eine generelle Teilnahme an Integrationskursen ermöglichen. Das finde ich sehr positiv. Ich fände es gut, wenn man mit dem zustimmen könnte.

(Unruhe)

In den zuständigen Ausschüssen des Bundesrats wird nun darüber verhandelt und, soweit ich weiß, auch in den Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene. Mal sehen, was dabei herauskommt. Ich bin vorsichtig optimistisch, aber warten wir es ab.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Integration hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab, welche diesen Prozess positiv, aber auch negativ beeinflussen können. Dazu zählt zum Beispiel der Kontakt zu Mitgliedern der Aufnahmegesellschaft, aber eben auch der Erwerb der Sprache. Integration ist ein Prozess der Kulturen, der sich durch

Kontakte und Beziehungen zur fremden und zur eigenen Kultur entwickelt. Für den Erfolg des Integrationsprozesses ist es immer ausschlaggebend, ob diese Kontakte positiv oder negativ verlaufen. Für die SPD ist es Aufgabe der Politik, dazu beizutragen, dass diese Kontakte positiv verlaufen können.

Wir kennen die Realität. Das wurde schon mehrfach erwähnt. Eine abschließende Entscheidung über eine Bleiberecht fällt oft erst nach einem mehrjährigen Aufenthalt. Es ist doch paradox, dass geduldeten Ausländerinnen und Ausländern genauso wie Asylbewerberinnen und Asylbewerbern unter bestimmten Voraussetzungen der Zugang zum Arbeitsmarkt erlaubt wird, die Teilnahme an den Integrationskursen aber verwehrt wird. Somit fehlen ihnen auch die ausreichenden Sprachkenntnisse, welche eine Arbeitsmarktintegration erleichtern würden.

Es wurde schon festgestellt, dass diese Menschen ihren Lebensunterhalt selbst verdienen und nicht auf Kosten des Staates leben wollen. Daher ist es unlogisch, Ihnen die Möglichkeit zu verwehren, Sprachkenntnisse zu erwerben und sich besser in den Arbeitsmarkt zu integrieren.

Mangelnde Sprachkenntnisse bzw. fehlende Sprachkenntnisse wirken sich auch negativ auf das tägliche Leben aus. Die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben wird behindert und es kann zu sozialer Isolation kommen. Im Alltag werden Kontakte zu Behörden, Ärzten etc. sowie die Beschaffung von Dingen des täglichen Bedarfs erschwert.

Es ist wirklich nicht erklärbar - damit haben Sie Recht, Herr Kollege Herbst -, dass die Kinder von Asylsuchenden in Kita und Schule Deutsch lernen, ihre Eltern unsere Sprache aber nicht erlernen dürfen. Das führt auch dazu, dass sie ihren Kindern bei der Schulausbildung nicht helfen und sie nicht unterstützen können. Es entsteht also schon innerhalb der Familie eine Differenz bei der Integration.

(Unruhe)

Bremen möchte diesem Personenkreis den Zugang zu den Sprachkursmodulen der Integrationskurse ermöglichen. Weil diese Kurse besonders auf den Bedarf von Zugewanderten ausgelegt sind, sind sie das geeignete Mittel für den Spracherwerb. Man kann dieses Anliegen von Bremen nur unterstützen. Natürlich tut dies auch die SPD.

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD)

Wie es bei der Integrationspolitik in diesem Land aber leider so oft der Fall ist, liegen die Meinungen der regierungstragenden Fraktionen etwas auseinander. Daher beantrage ich die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Inneres und Sport.

(Zustimmung bei der SPD)

Danke sehr, Herr Kollege Wanzek. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht die Abgeordnete Frau Quade.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine Damen und Herren! Herr Minister, ich bin ein bisschen irritiert und überrascht. Es gibt die Bundesratsinitiative, welche die Hansestadt Bremen auf den Weg gebracht hat, und den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Dazu kann man sagen, ohne den Antragstellern zu nahe treten zu wollen: Niederschwelliger ist es wirklich kaum zu formulieren.

(Herr Herbst, GRÜNE: Ja!)

Mit Verweis auf laufende Koalitionsverhandlungen und darauf, dass noch Einiges im Flusse sei, zu sagen, wir könnten uns dazu im Bundesrat nicht positionieren, das halte ich, ehrlich gesagt, in der Sache und auch mit Blick darauf für absurd, um welches Konstrukt es sich beim Bundestag und beim Bundesrat handelt. Im Bundesrat laufen keine Koalitionsverhandlungen. Das ist ein anderes Gremium. Sachsen-Anhalt ist darin vertreten.

(Zustimmung bei der LINKEN und von Herrn Herbst, GRÜNE)

Es wäre richtig, wenn sich das Land dieser Initiative anschließen würde, zumal wir uns, wie Sie es ausgeführt haben, in dieser Frage eigentlich wie immer einig sind.

Meine Fraktion wird diesem Antrag selbstverständlich zustimmen. Wir halten es für eine überaus wichtige Initiative.

(Unruhe)

Einerseits erlebten wir bei der Einführung der Integrationskurse, von denen die Sprachmodule, um die es geht, ein Teil sind, dass die Integrationskurse für diejenigen, für die sie konzipiert wurden, möglichst verpflichtend sein sollten und möglichst auch der Aufenthaltstitel an der Teilnahme hängen sollte. Der damalige Kontext war im Übrigen die Debatte über eine sogenannte deutsche Leitkultur, nach der sich gefälligst zu richten habe, wer hier leben wolle. Andererseits wurden in der Logik des sogenannten Asylkompromisses sehr viele Menschen - Herr Kollege Herbst bezifferte es; es sind aktuell um die 80 000 Menschen in Deutschland - von der Möglichkeit des Spracherwerbs und der Möglichkeit, Integrationsangebote wahrzunehmen, gezielt ausgeschlossen.

Ich sagte es, es ist die Logik des sogenannten Asylkompromisses, dass das Recht auf Asyl maßgeblich eingeschränkt wurde und die Lebensbedingungen derjenigen, die es trotz der enormen Hürden schaffen, hier ein Asylverfahren zu führen,

möglichst wenig Anreize schaffen sollten, hier Asyl zu beantragen.

Die Zielrichtung damals war, die Zahl der Asylsuchenden zu reduzieren und den Aufenthalt derjenigen, denen aufgrund der seit dem Jahr 1993 beschlossenen Gesetze Asyl verweigert werden kann, möglichst schnell und kostensparend zu beenden. Die Investition in Sprachangebote wäre in dieser Logik eine unnütze Investition, weil diese Menschen nicht im Land bleiben sollen.

(Anhaltende Unruhe)

Wir haben hier schon oft über die Situation von Geduldeten gesprochen, die oftmals seit vielen Jahren hier leben und aufgrund dieser Logik keinen Zugang zu Integrationsangeboten haben und deren Leben dadurch zusätzlich erschwert wird. Sprache ist für jeden Einzelnen enorm wichtig. Angesichts der interkulturellen und sprachlichen Kompetenzen, auf die Migrantinnen und Migranten leider auch in den zuständigen Behörden stoßen, ist sie mit Blick auf die formalen und rechtlichen Bedingungen ihres Aufenthalts hier zwingend notwendig, vom Zugang zum Arbeitsmarkt und der Chance, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, ganz zu schweigen.

Deswegen ist es ein richtiger und überfälliger Schritt, über diese Bundesratsinitiative eine Verbesserung der Situation dieser Menschen anzugehen. Ich bin sehr froh, dass die Hansestadt Bremen den Versuch unternimmt. Mit Blick auf den Antrag finde ich es außerordentlich gut, dass hierin auch die Änderung des Asylverfahrensgesetzes und des Aufenthaltsgesetzes mit angestrebt wird. Das ist richtig und wichtig, und meine Fraktion wird diesen Antrag unterstützen.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei den GRÜNEN)

Danke sehr, Frau Quade.

Ich würde darum bitten, wer längere Zeit Fachgespräche führen muss, der müsste nach draußen vor die Tür gehen.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)