Protocol of the Session on November 14, 2013

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:

Beratung

Umsetzung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) in der neuen Förderperiode in Sachsen-Anhalt

Antrag Fraktionen CDU und SPD - Drs. 6/2564

Für die Einbringerin hat das Wort der Abgeordnete Herr Daldrup. - Er könnte, wenn er wollte, jetzt sprechen. Möchte jemand anderes den Antrag der Koalitionsfraktion einbringen?

(Herr Czeke, DIE LINKE: So wichtig ist die gemeinsame Agrarpolitik! - Zustimmung bei der LINKEN - Zuruf: Oh, oh, oh!)

Spricht etwas dagegen, zuerst den Tagesordnungspunkt 3 und danach den Tagesordnungspunkt 2 aufzurufen?

(Unruhe - Herr Daldrup, CDU, betritt den Sitzungssaal - Zustimmung bei der CDU)

- Wir begrüßen Herrn Abgeordneten Daldrup im Haus, der sofort mit seiner Rede beginnen kann.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Es tut mir leid, ich hatte mich etwas verschätzt, aber jetzt bin ich da.

(Herr Striegel, GRÜNE: Erreicht den Hof mit Mühe und Not!)

- Genau. - Das Thema, das wir heute aufgerufen haben, die gemeinsame Agrarpolitik und das Ergebnis der am 4. November 2013 durchgeführten Agrarministerkonferenz, ist ein wichtiges Thema für unser Land. Ich werde versuchen, die Frage aus der Historie heraus zu erklären.

(Unruhe)

Agrarpolitik war in Europa immer ein wichtiger Punkt. Schon die Römischen Verträge haben festgelegt, dass eine gemeinsame Agrarpolitik in Europa stattfindet. Das heißt, damals standen im Vordergrund der Politik: Versorgungssicherheit, Märkte stabilisieren, Einkommen stützen. Die Sicherung der Ernährung war der wichtigste Bestandteil der damaligen Agrarpolitik.

Das hat dann zu dem erfolgreichen Ergebnis geführt, dass Anfang der 70er-Jahre die Märkte überfüllt waren, dass wir eine deutliche Überproduktion an landwirtschaftlichen Produkten hatten, mit all den Folgen, die damit verbunden waren, bis hin zu Handelskonflikten mit anderen Ländern und anderen Regionen Europas.

Wir haben im Jahr 1992 die Förderung und die Begleitung der landwirtschaftlichen Produktion durch die damalige Agrarreform, die GAP-Reform, umgestellt. Damals kam es zur Umstellung auf ein Beihilfesystem und zur Abschaffung der Interventionspreise. Damit haben sich die Ziele leicht verändert. Damals ging es schon um Umweltfragen und um Fragen der Minderung von Überschüssen und der Einkommensstabilität, nicht der Einkommensverbesserung, sondern der Einkommenssicherung und -stabilität.

Diese Phase war natürlich auch durch die politischen Umbrüche in Europa geprägt und hat im Jahr 2000 zur Agenda 2000 geführt, womit wiederum andere Interessen und Zielsetzungen hinzugefügt wurden, nämlich Fragen der Wettbewerbsfähigkeit und der Landentwicklung.

Wenn ich dann die gemeinsame Agrarpolitik nach der Reform des Jahres 2003 betrachte, dann stelle ich fest, dass wiederum eine neue Ausrichtung stattfand und zum Beispiel Fragen der Vereinfachung zusätzlich zu den Beschlüssen aus dem Jahr 2002 thematisiert wurden. Der wichtigste Aspekt an dieser Stelle war aber die Marktorientierung.

Sie sehen, die Zielsetzungen der gemeinsamen Agrarpolitik haben sich bis heute deutlich geändert. Heute sind deutlich mehr Fragen des gesellschaftlichen Zusammenlebens im ländlichen Raum, die Förderung des ländlichen Raums, Umweltfragen, aber damit letztlich auch die Existenzsicherung der landwirtschaftlichen Betriebe in den Vordergrund gerückt.

Insofern kann man bei allem, was wir in den vergangenen 50 Jahren in der gemeinsamen Agrarpolitik gemacht haben, feststellen, dass die Europäische Gemeinschaft an dieser Stelle ein äußerst erfolgreiches System zur Stärkung des ländlichen Raums und zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und der Existenzsicherung von Landwirtschaftsbetrieben etabliert hat.

Ich glaube, man kann mit Fug und Recht behaupten, dass dies das einzige gemeinsame Politikfeld

Europas ist, auf dem die Entscheidungen in Brüssel fallen, sodass man sagen kann, wir sind auf diesem Feld sehr erfolgreich gewesen.

Es hat sich aber auch gezeigt, dass der Anteil am Gesamthaushalt der EU, der in der Europäischen Gemeinschaft für Landwirtschaft ausgegeben wird, kontinuierlich zurückgegangen ist. Dieser Trend ist noch nicht zu Ende - der Anteil hat sich mehr als halbiert -, sondern zeigt sich auch in den jetzigen Beschlüssen.

Wir haben einen äußerst langwierigen und schwierigen Prozess der Meinungs- und Entscheidungsfindung für die neue Förderperiode hinter uns. Ich kann mich gut an die Diskussionen über die ersten Vorschläge zu Systemen erinnern, die für uns absolut inakzeptabel waren. Es hat lange gedauert, an dieser Stelle eine gemeinsame Linie zu finden.

Wir haben auch einen neuen Mitspieler bei dieser Frage bekommen, nämlich das Europäische Parlament, das mit seinem Agrarausschuss und seinen Unterausschüssen nicht ganz unwesentlich zu dem beigetragen hat, was heute vorliegt.

Das kann man einerseits als Demokratiegewinn betrachten, andererseits, wie es ein Ministerpräsident hier einmal gesagt hat, als einen Anteil der Demokratiekosten. Insofern will ich das nicht kritisieren, aber wohl feststellen, dass es dadurch nicht leichter geworden ist, Positionen zu finden und Ergebnisse zu erzielen.

Die Ergebnisse, die auf der nationalen Ebene am 4. November 2013 beschlossen worden sind, sind für die Bauern in Deutschland und in SachsenAnhalt natürlich etwas, womit sie fertig werden müssen; denn sie bedeuten in der Regel weniger direkte Förderung aus Brüssel. Das ist Fakt und unabhängig davon, wer und wie gehandelt hat. Es ist Tatsache, dass insgesamt weniger Geld zur Verfügung steht.

Die Ergebnisse lauten, dass man sich in Deutschland darauf geeinigt hat, kleinere Betriebe durch eine höhere Förderung des ersten Hektars stärker zu fördern, dass man vereinbart hat, 4,5 % der Mittel von der ersten in die zweite Säule umzuschichten, dass man Junglandwirte fördern möchte - oder fördern wird; es ist ja beschlossen worden -, dass man eine Kleinerzeugerregelung beschlossen hat und dass man bis zum Jahr 2019 eine bundeseinheitliche Prämie organisieren will.

Das sind Dinge, die die Landwirte in SachsenAnhalt zum größten Teil Geld kosten werden. Das ist so. Das muss man hinnehmen, weil - das sage ich auch - Sachsen-Anhalt, als die Betriebsprämien im Jahr 1992 festgelegt worden sind, als Hochertragsregion eingestuft worden ist und bei der damaligen Bemessung der Grundprämie gut abgeschnitten hat. Davon hat Sachsen-Anhalt 20 Jahre lang profitiert. Unweigerlich werden wir

von dieser hohen Prämie bis zum Jahr 2019 aber etwas abgeben müssen.

Die Einbuße wird sich insgesamt, je nachdem, wie die einzelnen Komponenten berücksichtigt werden, auf einen Betrag von immerhin 15 bis 20 Millionen € belaufen. Das ist eine ganze Menge, auch vor dem Hintergrund, dass die Betriebe in Sachsen-Anhalt schon an verschiedenen anderen Stellen hohe und im Ländervergleich sehr hohe Kosten und auch vergleichbar hohe Abgaben zu tragen haben.

Das ist bedauerlich. Deswegen müssen wir sehen, wie wir mit dem Ergebnis in Zukunft, in der neuen Förderperiode umgehen und die Förderung des ländlichen Raums und die Möglichkeiten zu gestalten, die wir noch haben, organisieren werden.

Ich will in diesem Zusammenhang natürlich die Umschichtung von 4,5 % der Mittel von der ersten in die zweite Säule nennen. Wir erwarten, dass diese 4,5% der Mittel am Ende, ökologisch aufgewertet, wieder bei der Landwirtschaft ankommen, um an dieser Stelle einen gewissen Puffer zu haben.

Nicht ganz unwesentlich in dem Beschluss der Agrarminister sind auch die Greening-Maßnahmen. 30 % der Direktzahlungsansprüche sollen dafür verwendet werden. Das bedeutet, dass jeder Landwirt die Mindestvoraussetzungen 5% ökologische Vorrangfläche, Grünlanderhalt und Fruchtfolgediversifizierung zu erfüllen hat. Wenn er das nicht tut, dann wird er den entsprechenden Anteil der Direktzahlungen nicht bekommen. Das wäre eine erhebliche Einbuße. Ich hoffe, dass die Gesamtheit der Landwirtschaft in Sachsen-Anhalt das Greening wahrnimmt und auch wahrnehmen kann.

Mit dem Greening sind sowieso Einkommenseinbußen verbunden; denn jede Extensivierung hat natürlich eine gewisse Deckungsbeitragsschwäche zur Folge. Insofern entsteht an dieser Stelle noch ein zusätzlicher Wertschöpfungsverlust in der Landwirtschaft. Wir haben das Greening, glaube ich, in dieser Form nicht gewollt. Es ist nun aber beschlossen worden und wir müssen damit so umgehen, dass wir vernünftige Lösungen finden.

Wir müssen aufpassen, dass wir die Landwirtschaft - das finde ich schon bemerkenswert - nicht nur noch als Reservoir für Ökologisierung und Extensivierung nutzen. Wir haben auch eine Verpflichtung, Nahrungsmittel zu produzieren.

(Zustimmung von Herrn Kurze, CDU, und von Herrn Schröder, CDU)

Ich sage das vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Ansprüche an die Landwirtschaft. Das ist der Anspruch an die Landwirtschaft als Naturraum, das sind die Ansprüche aus der Energiewende, das sind Erholungsansprüche und andere Ansprüche, die eine Rolle spielen. Letztlich ist die Land

wirtschaft in Sachsen-Anhalt eine der tragenden Säulen des ländlichen Raums. Wir müssen aufpassen, dass die Wertschöpfung richtig organisiert wird.

Die Beschlüsse haben aber auch einige Zusatzeffekte, die uns helfen könnten, glaube ich, wenn sie umgesetzt werden. Dabei geht es zum Beispiel um die Frage der Aufstockung der GAK-Mittel, der Mittel der Gemeinschaftsaufgabe, um 200 Millionen €, die vom Bund allerdings noch nicht verbindlich beschlossen worden ist und wobei wir als Parlament verpflichtet sein werden, wenn wir die Mittel bekommen wollen, sie mit ungefähr 40 % Landesmitteln kozufinanzieren. Insofern steht für uns eine deutliche Aufgabe an.

Wenn wir über die Auswirkungen auf Sachsen-Anhalt reden, dann muss man auch feststellen, dass wir an dieser Stelle wahrscheinlich - nein, nicht nur wahrscheinlich, sondern ganz sicher - auch Vereinfachungen beim Ablauf, bei der Bürokratie brauchen. Ansonsten können diese Fragen nicht gelöst werden und wir könnten auch die Akzeptanz im ländlichen Raum verlieren.

Ich glaube, ein wichtiger Aspekt ist die LeaderFörderung. Die Förderung der Dorferneuerung und -entwicklung ist ein wichtiger Punkt an dieser Stelle, der auch im ELER zum Tragen kommen muss. Es ist, glaube ich, eine berechtigte Forderung, wenn wir sagen, dass ein fondsübergreifender Ansatz beim ELER auch bedeutet, dass sich auch der EFRE mit seinen Mitteln an den Maßnahmen im Bereich des ELER und der Leader-Förderung beteiligen müsste und sollte.

Die Landwirtschaft, der ländliche Raum beteiligt sich mit Mitteln aus dem ELER ja auch bei Fragen, die gesamtgesellschaftlich gelöst werden müssen, siehe das Schulbauprogramm oder andere Programme, die verabredet worden sind. Auch der Hochwasserschutz ist in diesem Bereich mit angesiedelt. Ich denke, es ist berechtigt, dass wir darüber nachdenken, wie der EFRE darin integriert werden kann.

Was die Vereinfachung angeht, ist für uns auch die Angleichung der unterschiedlichen Fördersätze wichtig, welche die kommunalen und privaten Antragsteller in Anspruch nehmen können. Wir glauben, dass die privaten Antragsteller in Zukunft eine größere Rolle spielen müssen. Die Stichworte lauten: gleiche Fördersätze für kommunale und private Antragsteller.

Auch Fragen nach einer Verwaltungsvereinfachung durch die Einführung von Bagatellgrenzen sind nicht ganz unwichtig.

Ich will noch ein paar Punkte nennen, die für die Landwirtschaft ganz wichtig sind, weil sie verdeutlichen, unter welchem Wettbewerbsdruck die Landwirtschaft steht. Wir haben in Sachsen-Anhalt

sehr hohe Grundsteuer-Hebesätze. Man kann darüber streiten, ob das gut oder schlecht ist. Wir haben in Sachsen-Anhalt hohe Kosten für die Leistungen von Unterhaltungsverbänden zu tragen. Wir bekommen im nächsten Jahr einen erheblichen Anstieg der Sozialversicherungsbeiträge. Die Ergebnisse in den Koalitionsverhandlungen könnten für die Landwirtschaft an der einen oder anderen Stelle, an der derzeit diskutiert wird, auch schwierig werden. An dieser Stelle der Appell an die Koalitionspartner, Fragen wie nach der Dieselöl- und Gasölbeihilfe nicht zum Nachteil der Landwirte zu organisieren. Wir haben letztendlich auch noch hohe Grunderwerbsteuern, die eine Rolle spielen.

Es gibt also im Agrarausschuss genug zu diskutieren, welche Folgen die Ergebnisse der Agrarministerkonferenz haben werden. Ich wünsche uns dazu Mut und dass wir auch einen Blick in die Zukunft werfen. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU)

Danke schön, Herr Kollege Daldrup. - Für die Landesregierung spricht nun Herr Minister Dr. Aeikens.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir, dass ich mit einem Zitat aus der „Agrarzeitung“ vom 8. November 2013 beginne: