Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hiermit eröffne ich die 54. Sitzung des Landtages von Sachsen-Anhalt der sechsten Wahlperiode. Ich begrüße Sie alle herzlich im Plenarsaal des Landtages.
Zu Beginn darf ich auf ein besonders freudiges Ereignis hinweisen. Eine Kollegin, nämlich Frau Abgeordnete Dorothea Frederking, hat heute Geburtstag. Hierzu gratuliere ich ihr im Namen des Hohen Hauses herzlich.
Wir kommen zu Entschuldigungen von Mitgliedern der Landesregierung. Mit Schreiben vom 6. November 2013 bat die Landesregierung, für die 28. Sitzungsperiode folgende Mitglieder zu entschuldigen:
Herr Staatsminister Robra entschuldigt sich heute ganztägig wegen der Konferenz der Chefinnen und Chefs der Staats- und Senatskanzleien der Länder und einer Besprechung mit dem Chef des Bundeskanzleramtes in Berlin.
Frau Ministerin Professor Dr. Kolb entschuldigt sich heute ganztägig wegen der Herbstkonferenz der Justizministerinnen und -minister in Berlin.
Herr Minister Bullerjahn entschuldigt sich heute bis 15 Uhr wegen der Sitzung des Finanzausschusses des Bundesrates mit anschließender Fachministerkonferenz in Berlin.
Herr Minister Dr. Aeikens entschuldigt sich am Freitag ganztägig wegen der Umweltministerkonferenz in Erfurt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der vergangenen Woche war ein ganz besonderes Datum, aber auch ambivalentes Datum für die Deutschen in ihrer Geschichte, nämlich der 9. November. Das Land und die Landesregierung haben auf eine große zentrale Gedenkveranstaltung oder ähnliche Veranstaltungsformate verzichtet. Dennoch ist dieses Datum wie kein anderes geeignet, um über die eigene Geschichte nachzudenken und sich auch der Verantwortung zu stellen.
Am 9. November vor 24 Jahren war vermutlich für sehr, sehr viele die glücklichste Nacht der Deutschen. In dieser Nacht verloren Stacheldraht und Minenfelder, Selbstschussanlagen, ein tödliches Grenzregime, welches immerhin 17 Millionen DDRBürger einsperrte, eine Grenze, welche Eltern von
Eine innerdeutsche Grenze fiel und wurde nun zivilisiert überwindbar. An dieser Grenze sind Menschen bei dem Versuch, vom Ostharz in den Westharz, vom altmärkischen Salzwedel nach Uelzen oder von Grevesmühlen nach Lübeck zu kommen, ertrunken, erschossen oder von Minen zerfetzt worden. Diese Grenze fiel und verlor ihren Schrecken.
Für die Ostdeutschen war das ein Rückgewinn von Freiheit. Der Fall der Mauer am Abend des 9. November 1989 ohne einen Schuss, ohne einen Tropfen Blut ist ein Geschichtsdatum der Freude und des Glücks. Dieser 9. November 1989 steht auch symbolisch für die friedliche Überwindung der Teilung Europas.
Gleichwohl steht der 9. November auch für ein ganz anderes Bild der deutschen Geschichte. Es steht für ein Ereignis, das so schwer wiegt, dass es selbst die eher unfreiwillige Abdankung des letzten deutschen Kaisers, die Niederschlagung des Hitler-Ludendorff-Putsches im Jahr 1923 und das erfolgte Verbot der NSDAP und sogar die Ausrufung der ersten deutschen Republik am 9. November 1918 um 14 Uhr vom Reichstag aus durch den Sozialdemokraten Philipp Scheidemann in den Hintergrund drängt.
Vor 75 Jahren, in der Nacht vom 9. November zum 10. November 1938, fiel in der Reichspogromnacht die Maske - es war bereits ein durchsichtiger Schleier - vom Gesicht der Nationalsozialisten. Was in dieser Nacht an Tausenden Orten in Deutschland geschah, entlarvte nicht nur für den letzten Naiven das wahre Gesicht des Nationalsozialismus, sondern es zeigte auch auf, wohin es führen kann, wenn die Zivilgesellschaft versagt und wenn das Recht des Einzelnen, einer Idee, einem Ideal, einem System oder einer Heilslehre untergeordnet wird.
Die Reichspogromnacht erschüttert nicht so sehr ob des in braunen Uniformen randalierenden, prügelnden, brandstiftenden und mordenden Nazigesindels, der 9. November 1938 wird vor allem zur Hypothek deutscher Geschichte, weil Millionen Deutsche tatenlos zugesehen haben, wie ihre Nachbarn aus den Wohnungen gezerrt, misshandelt und verschleppt wurden, wie Geschäfte und Synagogen in Flammen aufgingen.
Menschen haben ihre Nachbarn in dieser Nacht alleingelassen, die Klavierlehrerin der Tochter, den Kaufmann an der Ecke, den Friseur, den Schneider, den netten Kollegen, die Spielkameraden der Kinder oder den Arzt, dem man sich seit Jahren anvertraut hatte. Und schlimmer noch: Gaffer und Gejohle, Gleichgültigkeit und eine schweigende Mehrheit erhöhen den Zins dieser unkündbaren Hypothek deutscher Geschichte.
Zuerst wurde geduldet, dass im September 1935 mit dem Reichsbürgergesetz willkürlich und unzivilisiert staatbürgerliche Rechte entzogen wurden; nur weil man Jude war. Es war egal, ob man für das Vaterland treu gedient und gearbeitet hat, die Familie seit Generationen in Deutschland lebte oder für Deutschland sogar in einen dieser vielen schrecklichen und unsinnigen Kriege gezogen ist.
Vier Jahre später, im November 1939, wurde zugeschaut, wie die Menschenwürde in den Trümmern und Flammen unterging. Mit den Scherben und Trümmern, mit dem Blut und der zu Boden getretenen Menschenwürde wurde in dieser sogenannten Reichskristallnacht der Weg nach Auschwitz gepflastert.
Um Freiheit und Menschenrechte zu erkämpfen, bedarf es oft viel Mut. Und nicht wenige riskierten ihr Leben für diese Menschenrechte, viele verloren es. Um in einem demokratischen Rechtsstaat wie dem unserigen jedermanns Menschenwürde zu sichern, bedarf es nur der Überwindung der Gleichgültigkeit.
Wir stehen in der Verantwortung, die Erinnerung an den 9. November als ein besonderes Datum deutscher Geschichte wach zu halten. Der 9. November 1989 sollte uns aus Freude über die gewonnene Freiheit die Kraft geben, um der Verantwortung des 9. November 1938 gerecht zu werden.
Ich danke im Namen des Hohen Hauses all den aktiven Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes, welche am 9. November des Jahres 2013 in Sachsen-Anhalt dafür sorgten, dass die Erinnerung an die Reichspogromnacht nicht verblasst. Mehr als jeder Staatsakt kann in den Städten und in den Gemeinden verdeutlicht werden, was vor 75 Jahren geschah und wie wichtig es ist, niemals zuzulassen, dass die Würde auch nur eines einzigen Menschen auch nur einen Augenblick infrage gestellt wird.
Das bürgerschaftliche Engagement vor Ort, aus der Mitte unserer Gesellschaft besitzt die Kraft der Authentizität. Es ist kein von oben verordnetes aufgesetzt wirkendes Gedenken. Wenn Eltern ihren Kindern und Großeltern ihren Enkeln erzählen, was damals in ihrer Straße geschah. Dadurch wächst vielleicht die Chance auf Immunisierung gegen alles Totalitäre und auf Einsicht in die Notwendigkeit des eigenen Engagements.
Der Landtag von Sachsen-Anhalt dankt den Bürgerinnen und Bürgern für ihr Engagement gegen das Vergessen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir kommen zur Tagesordnung für die 28. Sitzungsperiode des Landtages. Sie liegt Ihnen vor. Die Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE haben
fristgemäß jeweils ein Thema zur Aktuellen Debatte eingereicht. Der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN liegt Ihnen in der Drs. 6/2572 und der Antrag der Fraktion DIE LINKE in der Drs. 6/2574 vor.
Beide Anträge wurden unter Tagesordnungspunkt 21 auf die Tagesordnung genommen. Der ursprünglich als erster Beratungsgegenstand am Freitag vorgesehene Tagesordnungspunkt 12 wird somit an zweiter Stelle beraten. Erhebt sich gegen dieses Vorgehen Widerspruch? - Das sehe ich nicht. Dann können wir so verfahren.
Gibt es weitere Bemerkungen oder Änderungswünsche zur Tagesordnung? - Das ist nicht der Fall. Dann können wir in die Tagesordnung einsteigen, die somit beschlossen ist.
Zum zeitlichen Ablauf der 28. Sitzungsperiode darf ich darauf hinweisen, dass am heutigen Abend eine parlamentarische Begegnung mit der Umweltallianz des Landes Sachsen-Anhalt und dem Landesbeirat Holz stattfindet, wozu herzlich in das Gebäude der IHK Magdeburg eingeladen wird. Die morgige 55. Sitzung des Landtages beginnt wie üblich um 9 Uhr.
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Mit unserem Antrag wollen wir ein Thema in den Blick nehmen, das lange, wir finden: zu lange, vernachlässigt wurde. Sehr wohl haben sich Fachleute und auch dieses Hohe Haus mit dem Thema Sucht und mit dem Thema Alter beschäftigt, aber beide Themen zusammengedacht, ist eine neue Sichtweise. Wir finden, es ist eine nötige Sichtweise.
Denkt man an Sucht, dann denkt man an Drogen, sehr häufig an Alkohol oder den Konsum von sogenannten weichen Drogen. Das alles verbinden wir assoziativ eher - hören Sie einmal in sich hinein - mit jungen Menschen.
Wir denken an das sogenannte Flatrate-Saufen, an Runden von kiffenden Jugendlichen, die auf der Parkbank herumlungern, an junge betrunkene Autofahrer, an tanzende jungen Menschen auf Ecstasy oder leider Gottes inzwischen sehr oft auf Crystal, wie meine Kleine Anfrage dazu ergeben hat. Entsprechend gehen wir auch mit dem Thema um und entsprechend richten sich Aufklärungskampagnen auch eher an junge Menschen.
Beim Thema Alkohol ist es ein bisschen anders. Bei diesem Thema haben wir häufig zuerst alte verwahrloste Menschen, die sogenannten Penner - so werden sie umgangssprachlich bezeichnet -, in einem Park vor Augen.
Bei dem Thema Medikamentenmissbrauch denken wir eher an erwachsene Frauen und an gestresste Berufstätige, die sich wach halten müssen, aber nicht an Seniorinnen und Senioren, wir denken nicht an Großeltern und wir denken nicht an Bewohnerinnen von Altenheimen.
Gefühlt ergibt sich dort für uns keine Nähe zum Sucht- und Drogenthema. Insofern ist es auch folgerichtig, dass sich im seniorenpolitischen Programm nichts dazu findet. Es findet sich nichts zum Thema Sucht, zum Thema Drogen und nichts zum Thema Alkohol. Abhängigkeit taucht darin überhaupt nicht auf.
Wir haben es uns nicht zu einfach gemacht. Wir haben viele Gespräche mit Praktikern geführt. Oft ist an mich herangetragen worden, dass es in diesem Bereich Handlungsbedarf gibt. Damit habe ich mich aber nicht zufrieden gegeben. Ich habe mir auch die Empirie angeschaut. Diese spricht eine, wie ich finde, relativ deutliche Sprache.
Eine Studie des Bundesministeriums für Gesundheit hat ergeben, dass Pflegekräfte einschätzen, dass ungefähr 14 % der Menschen, die von ambulanten Pflegediensten betreut werden oder in stationären Einrichtungen leben, Alkohol- oder Medikamentenprobleme haben.
- Ich weiß, dass dieses Thema kein besonders reißerisches Thema ist. Ich glaube aber, alle haben in gewisser Weise mit Drogen und Sucht zu tun.
Vielleicht kann ich es erreichen, dass Sie mir mehr zuhören. - Es gibt Zahlen von der Hauptstelle für Suchtfragen aus dem Jahr 2006.