Protocol of the Session on June 10, 2011

gehen, die deutsche Sprache in das Grundgesetz aufzunehmen.

Möglicherweise ergeben sich in diesem Zusammenhang neue Ideen dazu, inwieweit man Kultur und deutsche Sprache in Verbindung bringen kann. Ich brauche im Lande Luthers und Nietzsches nicht besonders darauf hinzuweisen, wie wichtig uns die Pflege der deutschen Sprache ist. Herr Scheurell unterstützt das selbstverständlich auch gern. Ich freue mich darüber.

(Zuruf von Herrn Scheurell, CDU)

Von daher sollten wir überlegen, inwieweit wir mit diesem Antrag erfolgreich sein können. Das setzt voraus, dass wir entsprechende Spielräume haben, was die Formulierung angeht. Das setzt voraus, dass wir entsprechende Vorläufe haben, damit es ein erfolgreicher Antrag werden kann. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an einen Beitrag eines meiner Vorgänger, Professor Olbertz, der im Jahr 2008 in der Zeitung „Politik und Kultur“ gesagt hat - ich zitiere -:

„Allerdings lassen sich gerade Kunst und Kultur nicht immer nach wirtschaftlich-ökonomischen Kriterien bewerten. Doch können sich Kunst und Kultur ganz ohne Förderung nicht tragen. Kunst braucht Vorlauf und Investitionen in die Kultur wirken sich oft erst langfristig aus. Wenn das alles so ist und in der Nation darüber Konsens herrscht, dann gibt es keinen Grund, sich nicht dementsprechend zu bekennen und zu binden. Hierfür wäre das Grundgesetz der angemessene Ort.“

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Landesregierung von Sachsen-Anhalt wird sich nach entsprechender Vorbereitung und Abstimmung dafür einsetzen, im Rahmen einer Bundesratsinitiative die Kultur im Grundgesetz zu verankern. Ich habe es schon erwähnt: Das ist keine einfache Aufgabe, aber eine lohnenswerte. Ich bitte Sie um Zustimmung zum Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen, um der Landesregierung den notwendigen Verhandlungsspielraum, aber auch die nötige Zeit - das sage ich mit dem Hinweis auf den Appendix bzw. den Vorschlag, den Sie am Ende Ihrer Rede gemacht haben -, um eine erfolgreiche Umsetzung zu ermöglichen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der CDU und bei der SPD)

Danke sehr, Herr Minister. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht die Abgeordnete Frau Wicke-Scheil.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Herren und Damen! Auf der Bundesebene gab es, wie Herr

Gebhardt bereits ausgeführt hat, eine Enquetekommission „Kultur in Deutschland“ und dazu liegen ein Zwischenbericht von 2005 sowie der Abschlussbericht von 2007 vor. Das Bekenntnis zum Staatsziel Kultur hält diese Enquetekommission für nötig. Dadurch besteht die Möglichkeit, die Bedeutung der Kultur für Staat und Gesellschaft zu würdigen, besonders - das wurde auch schon erwähnt - im Hinblick auf die Wertebildung.

Bisher sind Förderung und Schutz von Kultur im Grundgesetz nicht positiv verankert. Das ist eine verfassungsrechtliche Lücke, die es zu schließen gilt. Wir geraten als GRÜNE nicht in den Verdacht, die natürlichen Lebensgrundlagen aus dem Grundgesetz streichen zu wollen. Wir wollen mehr: Wir möchten den Schutz der geistigen Lebensgrundlagen durch die Aufnahme der Kultur in Artikel 20b des Grundgesetzes festschreiben.

Eine Aufnahme der Kultur in das Grundgesetz bedeutet: Der Staat übernimmt Verantwortung für das kulturelle Erbe. Es gilt dieses zu schützen, zu pflegen und weiterzuentwickeln, und es gilt in der Gegenwart Kulturarbeit zu ermöglichen.

Kultur im Grundgesetz heißt auch Stärkung der Kulturförderung. Es führt zur Verbesserung bei juristischen und haushaltspolitischen Entscheidungen. Es gilt Unverbindlichkeiten zu verhindern, aber auch unerfüllbare Hoffnungen nicht weiter zu nähren. Es ist also ein Handlungsauftrag für den Staat.

Der Kulturrat in Deutschland schließt sich dieser Einschätzung an und auch wir, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, schließen uns dieser Einschätzung an. Die Definitionsempfehlung der Enquetekommission ist für uns ein Zeichen dafür, dass der Staat die Kultur schützt und fördert.

Deutschland - Land der Dichter und Denker. Diese Einschätzung geht auf den Lyriker Wolfgang Menzel zurück, der die Deutschen im Jahr 1828 so einschätzt:

„Die Deutschen tun nicht viel, aber sie schreiben umso mehr. Das sinnige deutsche Volk liebt es, zu denken und zu dichten, und zum Schreiben hat es immer Zeit. Es hat sich die Buchdruckkunst selbst erfunden und nun arbeitet es an großen Maschinen. Was wir“

- die Deutschen -

„auch in einer Hand haben mögen, in der anderen Hand haben wir gewiss ein Buch.“

Meine Damen und Herren! Nehmen wir das Grundgesetz in diese Hand und verhelfen wir der Kultur zu ihrem Recht.

Es gibt vom Kultusministerium des Landes Sachsen-Anhalt ein Informationsmaterial, das „Kulturland Sachsen-Anhalt“ heißt. Darin heißt es:

„Das Kulturland Sachsen-Anhalt verfügt über ein bemerkenswertes kulturelles Potenzial und ein außerordentlich reiches kulturhistorisches Erbe.“

Geburtsstätten, Lebensorte und Wirkungsstätten von historisch bedeutenden Persönlichkeiten liegen in unserem Bundesland. Lassen Sie uns ein Zeichen setzen und aus dem Land Luthers ein Signal aussenden, diese Bundesratsinitiative zu ergreifen.

Herr Gebhardt hat auf den Koalitionsvertrag hingewiesen; ich möchte das nicht wiederholen. Ich möchte an dieser Stelle nur den Altmeister Goethe zu Wort kommen lassen, der in „Wilhelm Meisters Wanderjahre“ sagt - daran mag sich die eine oder der andere noch erinnern -:

„Es ist nicht genug zu wissen, man muss auch anwenden. Es ist nicht genug zu wollen, man muss auch tun.“

Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung von Herrn Gallert, DIE LINKE, von Herrn Geb- hardt, DIE LINKE, und von Herrn Dr. Thiel, DIE LINKE)

Recht herzlichen Dank. - Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Weigelt.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es war absehbar, dass wir uns in diesem Hohen Haus noch vor der Sommerpause mit dem Anliegen beschäftigen würden, landesseitig eine Initiative auf den Weg zu bringen mit der Absicht, die Kultur als Staatsziel im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland zu verankern.

Es war vor ziemlich genau fünf Jahren, nur einen Monat später - Herr Gebhardt hat es gesagt -, als wir uns mit dem gleichen Thema zum ersten Mal befasst haben. Damals war die Hürde noch etwas zu hoch; der Antrag wurde abgelehnt. Zwischenzeitlich stehen die Chancen aber besser bis gut. Ich bin mir sicher, dass wir das gemeinsame Anliegen in das erste Etappenziel bringen werden.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Das ist wie beim Architektengesetz, Herr Weigelt!)

- Wie, bitte? Das habe ich rein akustisch nicht verstanden.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Das ist wie beim Restauratorengesetz!)

- Sie sagen es. - Immerhin hat der Wunsch, auf diese Weise im Interesse der Kultur initiativ zu werden, Eingang in unseren aktuellen Koalitionsvertrag gefunden - das wurde schon mehrfach be

tont. Das gilt allerdings nur für den Koalitionsvertrag in Sachsen-Anhalt. Auf Bundesebene ist in der Koalitionsvereinbarung von CDU und FDP nichts dergleichen zu finden. Das überrascht; denn Sie hatten auf die Initiative der FDP hingewiesen. Man darf gespannt sein, wie kräftig unser Impuls auf der Bundesebene weitergetragen wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie wissen, dass sowohl die Befürworter der Aufnahme eines Staatsziels Kultur in das Grundgesetz als auch die Skeptiker jeweils gute Gründe für ihre Position ins Feld führen können. Ich habe vor fünf Jahren hier schon vorgetragen, dass ich persönlich eher zu den Skeptikern zähle.

Ich möchte das nicht wiederholen, aber ich möchte auf einige bisher nicht genannte Aspekte doch wenigstens hinweisen, und zwar vor allem, damit deutlich wird: Nicht jeder, der das Ansinnen, die Kultur zum Staatsziel zu erklären, etwas kritischer begleitet, ist automatisch ein Kulturbanause. Ich hoffe von Herzen, dass mir das ohnehin niemand im Haus unterstellen würde.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Nein!)

Im Gegenzug weiß ich natürlich auch, dass die Kultur für die Kolleginnen und Kollegen, die zu diesem Debattengegenstand reden, und für diejenigen, die aufmerksam zuhören, eine Herzensangelegenheit ist.

Meine Damen und Herren! Wir alle kennen die guten Vorsätze, mit denen wir - jedenfalls viele von uns - in jeder Neujahrsnacht in das neue Jahr starten, weil uns die Erfahrung lehrt, dass uns ein längerfristiges Versagen keinerlei ernsthafte Konsequenzen beschert - abgesehen davon, dass es am Jahresende vielleicht ein paar Kilogramm zu viel sind. Sie wissen, worauf ich hinaus will.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Nein!)

Als Kulturpolitiker weiß ich natürlich, wo der Schuh im Kulturbereich drückt. Und das wissen andere auch. Wir alle gemeinsam wissen natürlich genauso gut, dass es der bequemste und im Zweifelsfall auch kostengünstigste Weg sein könnte - Sie beachten bitte den Konjunktiv: sein könnte -, für Kunst und Kultur in Deutschland eine ganze Menge zu tun, wenn man sie, hoch geadelt, im Grundgesetz als Staatsziel ablegt.

Im Übrigen gibt es für die Kultur in diesem Zusammenhang zunehmende Konkurrenz. Die eine ist schon genannt worden: die deutsche Sprache. Auch andere wichtige Bereiche unseres gesellschaftlichen Lebens drängen aber darauf, als Staatsziel im Grundgesetz ausdrücklich benannt zu werden.

Meine Damen und Herren! Ich habe einiges von dem beschrieben, was wir künftig möglicherweise gut im Auge behalten sollten. Ich würde nicht so weit gehen, wie es der Regensburger Staatsrecht

ler und Richter am Bundesverfassungsgericht - wie hieß er denn nur? Der Name fällt mir jetzt nicht ein - im Zusammenhang mit der Frage, ob die Kultur ins Grundgesetz gehört, einmal formulierte - ich zitiere -:

„Wer Verfassungsrecht sät, wird Verfassungsrechtsprechung ernten.“

(Herr Miesterfeldt, SPD: Steiner war das!)

Das könnte bedeuten, dass über wichtige Kulturfragen in Sachsen-Anhalt künftig die Gerichte mehr zu entscheiden hätten als wir hier im Parlament.

Ich komme zum Schluss, meine Damen und Herren. Wir sind uns darin einig, dass wir der Kultur in Deutschland den von ihr über viele Generationen erworbenen guten Ruf nicht nur erhalten, sondern diesen möglichst noch mehren möchten. Der noch zu beschreitende Weg kann dazu einen Beitrag leisten, auch wenn ich ganz persönlich den kürzeren Weg - das habe ich an dieser Stelle schon mehrfach betont - über eine eigenverantwortliche Landesgesetzgebung als zielführender betrachtet hätte. Dennoch möchte ich Sie mit Überzeugung bitten: Stimmen Sie unserem Änderungsantrag zu, meine Damen und Herren. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der CDU)

Danke, Herr Weigelt. - Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Miesterfeldt.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn es uns gelänge, jetzt ganz leise zu werden, dann könnten wir vielleicht die Künstler hören, die auf dem Domplatz für „Die Schöne und das Biest“ proben.