Guten Morgen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie auf das Herzlichste und stelle die Beschlussfähigkeit des Hohen Hauses fest.
Wir setzen nunmehr die 3. Sitzungsperiode fort. Wir beginnen die heutige Beratung mit dem Tagesordnungspunkt 9.
Ich möchte zu Beginn daran erinnern, dass sich für heute Ministerin Frau Professor Dr. Wolff bis 14 Uhr, Minister Herr Bischoff ab 13.30 Uhr und Ministerin Frau Professor Dr. Kolb von 10 Uhr bis 12 Uhr entschuldigt haben.
- Wunderbar, die Ministerin Frau Professor Dr. Kolb ist anwesend. Wir begrüßen sie heute besonders herzlich in unseren Reihen.
Bevor wir in die Tagesordnung einsteigen, möchte ich eine Information loswerden. Es haben noch nicht alle Abgeordneten die Möglichkeit genutzt, ein Portraitfoto für das neue Handbuch anfertigen zu lassen.
Es gab diesbezüglich eine Abfrage. Von einigen Abgeordneten haben wir schon Fotos bekommen, die im Rahmen des Wahlkampfes gemacht worden sind oder die in den Fraktionen vorlagen und für die die entsprechenden Rechte vorhanden sind. Allerdings ist das nicht bei allen Abgeordneten der Fall.
Wer möchte, kann heute bis 13 Uhr im Raum B1 09 die Gelegenheit nutzen, den dortigen professionellen Fotografen aufzusuchen und ein Foto anfertigen zu lassen. Ich bitte, diese Nachricht an die wenigen Kollegen, die es aus wichtigem Grund noch nicht in das Haus geschafft haben, weiterzutragen. - Nunmehr können wir in die Tagesordnung für den heutigen Tag einsteigen.
Die Einbringerin des Antrages wird Frau Edler sein. Wir haben uns im Ältestenrat auf eine Fünfminutendebatte verständigt. Die Fraktionen sprechen in der Reihenfolge CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und DIE LINKE. Für die Landesregierung wird Frau Professor Dr. Kolb das Wort nehmen.
Es beginnt Frau Abgeordnete Edler. Sie hält ihre erste Rede hier im Landtag. Dafür wünschen wir eine glückliche Hand, ein gutes Wort und viel Erfolg.
Sehr geehrter Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! „Der Weg beginnt an einer Wegkreuzung. Dort kannst du stehen bleiben und überlegen, in welche Richtung du weitergehen willst. Aber warte nicht zu lange, sonst wirst du nicht vorwärts kommen.“ - Dieses chinesische Sprichwort passt nur zu gut auf die momentane Situation Sachsen-Anhalts im Hinblick auf das Thema Gleichstellung von Frauen und Männern in der Arbeitswelt.
Die Fraktion DIE LINKE möchte mit dem vorliegenden Antrag ein Zeichen setzen. Wir wollen durch eine gesetzlich festgeschriebene Quotierung endlich eine effektive Förderung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern in deutschen Unternehmen anschieben.
Geht es hingegen nach dem Willen der Bundesregierung, so soll über die Frauenquote in Führungspositionen der deutschen Wirtschaft erst einmal weiterdebattiert, aber nichts Entscheidendes getan werden.
Die wesentlichen Fakten sind uns allen hinreichend bekannt. Die Anzahl weiblicher Führungskräfte in den deutschen Wirtschaftsunternehmen ist noch immer verschwindend gering. Dabei fehlt es nicht an hochqualifiziertem weiblichen Nachwuchs. Frauen stellen die Hälfte der Hochschulabsolventen. Die gesellschaftliche Entwicklung hin zu angemessener Teilhabe von Frauen am Arbeitsleben ist dennoch nicht auf allen Ebenen so weit fortgeschritten, wie sie es sein sollte.
Auch im Jahr 2011 zeigt sich ein seit langer Zeit unverändertes Bild: Vorstände und Aufsichtsräte börsennotierter Aktiengesellschaften sind fest in Männerhand. Der Frauenanteil der von Anteilseignerseite gewählten Aufsichtsräte in börsennotierten Unternehmen beträgt gerade einmal 2 % bis 4 %. Das ist ein höchst unbefriedigender Zustand.
Von dem Aspekt einer faktischen Diskriminierung einmal abgesehen, liegt ein höherer Frauenanteil auf der Führungsebene auch im Interesse unserer Unternehmen. So stellte die breit angelegte Studie des amerikanischen Wirtschaftsforschungsinstituts Catalyst im Jahr 2004 einen Zusammenhang zwischen einem gehobenen Frauenanteil im TopManagement und dem durchschnittlichen finanziellen Erfolg eines Unternehmens fest. Dieses Ergebnis bestätigt auch eine im Jahr 2007 veröffentlichte McKinsey-Studie.
Mögen die Ergebnisse lediglich statistische Belege liefern und keine Kausalitätsanalysen vornehmen, stimmen sie doch alle in einem Punkt überein, nämlich darin, dass ein erhöhter Anteil von Frauen in Führungspositionen auf breiter Front mit besseren wirtschaftlichen Ergebnissen einhergeht, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN - Zustimmung von Frau Rotzsch, CDU, und von Frau Feußner, CDU)
Von positiven Effekten für die Unternehmen im Wettbewerb geht auch die im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im März 2010 erstellte Studie mit dem Titel „Barrieren und Brücken“ aus.
Heterogen zusammengesetzte Entscheidungsgremien gewährleisten bessere Entscheidungsprozesse und damit in der Tendenz auch bessere Entscheidungsergebnisse. Dies dient sowohl dem Unternehmen als auch seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie Eigentümerinnen und Eigentümern. Die Einführung einer gesetzlichen Mindestquote ist damit auch gesamtwirtschaftlich, also volkswirtschaftlich sinnvoll.
Meine Damen und Herren! Auch angesichts des demografischen Wandels können wir es uns schlichtweg nicht leisten, auf die Hälfte unseres Führungskräftepotenzials zu verzichten.
Meine Damen und Herren! Darin, dass etwas geschehen muss, sind wir uns alle einig. Darüber herrscht, denke ich, politischer Konsens. Die spannende Frage ist nur, wie und wann.
Bemühungen auf der Grundlage von freiwilligen Vereinbarungen oder Soft Law sind im Sande verlaufen. An Versuchen, den Frauenanteil ohne eine gesetzliche Quote durch freiwillige Maßnahmen der Wirtschaft nennenswert zu heben, hat es nicht gefehlt.
Die Bundesregierung hat im Juli 2001 eine Vereinbarung mit den Spitzenverbänden der Wirtschaft zur Förderung der Chancengleichheit von Frauen und Männern in der Privatwirtschaft geschlossen. Eine Erhöhung des Frauenanteils auch in Führungspositionen war ausdrücklicher Bestandteil der Zielsetzungen.
Diese vielzitierten Selbstverpflichtungen der Wirtschaft waren die Geschäftsgrundlage dafür, dass der Gesetzgeber auf gesetzliche Maßnahmen verzichtet hat. Was aber hat sich in den letzten zehn Jahren getan? - Die Bezeichnung „wenig“ wäre, glaube ich, noch übertrieben.
Es herrscht vielmehr ein faktischer Stillstand. Es reicht eben bei Weitem nicht aus, weiterhin - wie
die Bundesfrauenministerin - die Fahne der transparenten Selbstverpflichtungen der Wirtschaft hochzuhalten.
Noch weniger kann man sich damit begnügen - wie die Bundeskanzlerin -, die mangelnde Frauenrepräsentanz in Führungsetagen als ziemlichen Skandal anzuprangern und gleichzeitig eine gesetzliche Frauenquote per Machtwort auszuschließen.
Die Ewiggestrigen mögen weiter debattieren und auf nachweislich erfolglose Methoden setzen. Doch wer so vorgeht, ignoriert den Stillstand und zeigt, dass er die Zeichen der Zeit nicht erkannt hat.
Demgegenüber zeigt ein Blick ins Ausland, dass verbindliche Frauenquoten den gewünschten Effekt erzielen können. Vorbildcharakter nimmt dabei Norwegen ein, das im Jahr 2004 als erstes Land eine verbindliche Frauenquote von 40 % eingeführt hat.
Meine Damen und Herren! Die Phase der freiwilligen Maßnahmen ist vorbei. Ein Handeln des Gesetzgebers ist überfällig.
Lassen Sie mich Ihnen noch die wesentlichen Eckpunkte des Antrages vorstellen. Die Verringerung des Lohngefälles zwischen Männern und Frauen sowie die Auseinandersetzung mit seinen eigentlichen Ursachen sollten weiterhin Priorität besitzen.
Die Maßnahmen, die in dieser Beziehung getroffen werden müssen, sollten auf der Einbindung aller Betroffenen und auf einer Kombination des gesamten zur Verfügung stehenden Instrumentariums beruhen, das vor allem auf die wirksame Umsetzung geltender Rechtsvorschriften abzielt, eine transparente Evaluierung der Entgeltsysteme beinhaltet und Maßnahmen zur Sensibilisierung und zur Bekämpfung von Stereotypen sowie die Überprüfung von Arbeitsplatzbewertungen mit einschließt.
Die Steuer- und Sozialleitsysteme sollen für Frauen und Männer gleichermaßen finanzielle Anreize zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit und zum Verbleib bzw. zur Rückkehr in das Erwerbsleben bieten, zum Beispiel nach Schwangerschaft, Kinderbetreuung und Pflege von Angehörigen, um Männern und Frauen dieselbe wirtschaftliche Unabhängigkeit auch im Hinblick auf den Erwerb von Rentenansprüchen zu sichern.
Der Antrag verfolgt auch das Ziel, dass für alle Aufsichtsräte von börsennotierten Unternehmen eine gesetzliche Frauenquote von 40 % eingeführt wird. Wir begrüßen daher den durch das Land Nordrhein-Westfalen in den Bundesrat eingebrachten Gesetzentwurf.
Durch eine gesetzlich verankerte Quote für den Aufsichtsrat würde gleichermaßen Transparenz und fruchtbare Konkurrenz geschaffen werden. Hochqualifizierte Frauen werden dann nämlich sehr gern einen Blick in den Lagebericht und auf die Frauenförderung eines Unternehmens werfen, bevor sie sich dort bewerben.
Dieser Gesetzentwurf bietet ein ebenso klares wie ausgewogenes Konzept. Es kann somit Rücksicht auf die berechtigten Belange von Unternehmen genommen werden.
Ob es Frauen und Männern gelingt, ihr jeweiliges Berufs- und Privatleben miteinander in Einklang zu bringen, hängt wesentlich von einer modernen Arbeitsorganisierung, von erschwinglichen und guten Betreuungsangeboten sowie von einer ausgewogenen Aufteilung der Aufgaben in Familie und Haushalt ab.
Die Möglichkeit, Beruf und Familie miteinander zu vereinbaren, wirkt sich unmittelbar auf die Beschäftigung von Frauen und deren Stellung auf dem Arbeitsmarkt, ihr Einkommen und ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit in allen Lebensabschnitten aus. Es gilt, vor allem Maßnahmen zu ergreifen, mit denen die Männer ermutigt und befähigt werden, mehr Betreuungsaufgaben und familiäre Verpflichtungen zu übernehmen.
Zu berücksichtigen ist auch die steigende Anzahl der Haushalte Alleinerziehender, wobei die Alleinerziehenden meist Frauen sind und ein besonders hohes Armutsrisiko aufweisen.