Meine Damen und Herren! Hiermit eröffne ich die 49. Sitzung der sechsten Wahlperiode. Ich begrüße Sie alle recht herzlich und stelle die Beschlussfähigkeit des Hohen Hauses fest.
Meine Damen und Herren! Es ist schon ersichtlich geworden, dass wir heute einen Abgeordneten haben, der Geburtstag hat. Der Kollege Hövelmann hat die Freude, seinen Geburtstag, zumindest einen Teil davon, in unseren Reihen zu verbringen. Wir wünschen ihm alles Gute, Erfolg in der Arbeit und Gesundheit.
Meinen Damen und Herren! Wir setzen nunmehr die 25. Sitzungsperiode fort. Wie es vereinbart war, werden wir zunächst die Tagesordnungspunkte 10 und 11 behandeln. Danach folgen die Tagesordnungspunkte 12 und 13.
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! „Aus Katastrophen lernen: Sachsen im Kampf gegen die Fluten der Elbe 1784 bis 1845“ lautet der Titel eines hoch interessanten Buches, in dem aus Historikersicht die Reaktionen auf wiederkehrende Hochwasserkatastrophen im vor- und frühindustriellen Sachsen studiert wurden. Im Vordergrund standen dabei die gesellschaftlichen Reaktionsmuster auf Naturkatastrophen und die Fragen nach den Lernprozessen, die sich auf den verschiedenen gesellschaftlichen Ebenen abspielten.
wasser 2002. Die sächsische Gesellschaft erwies sich damals als fähig, unter hohem Problemdruck stehend, diese Extremereignisse nicht nur abzuwehren und sich anzupassen, sondern vorsorgend dagegen vorzugehen.
Hierzu entwickelten die Akteure gemeinsame Ansichten und Strategien, um die durch die wiederkehrenden Fluten verursachten Probleme zu lösen. Es kam zu dauerhaften Adaptions- und Lernleistungen. Die Akteure dachten künftige Entwicklungen voraus und handelten dementsprechend.
Wir, Landtag und Landesregierung, alle nachgeordneten staatlichen Behörden, Kommunen, Wirtschaftsunternehmen, Flächennutzer und Bürger stehen aktuell in der Pflicht, wiederum zeitgemäße Lösungen für unsere heutigen Probleme zu finden. Diese bestehen darin, von einem technisch nachsorgenden, letztlich jedoch sehr starren und passiven hin zu einem vorsorgenden und steuernden Hochwasserschutz zu gelangen.
Theoretisch ist der Paradigmenwechsel bereits vollzogen worden, wie erst unlängst die Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Gesetzes zur Errichtung eines Sondervermögens „Aufbauhilfe“ belegt. Doch Papier ist geduldig. Noch fehlt die breite praktische Umsetzung. Private Interessen gehen immer noch vor Katastrophe, auch wenn man von dieser später selbst mit verschlungen wird.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gelingt es uns nicht, das Tempo bei der Rückgewinnung von Retentionsräumen entscheidend zu erhöhen und die Nettoneuversiegelung im Einzugsgebiet der Elbe entscheidend zu senken, brauchen wir einige Jahrhunderte, bis eine spürbare Minderung der Hochwassergefahr auf dem Wege der Vorsorge erreicht worden ist.
Die Ergebnisse der bisherigen Bemühungen zur Schaffung von Retentionsraum sind einfach nicht ausreichend. Lassen Sie mich deshalb dazu einige Gedanken äußern, die mir im Krisengebiet bei Breitenhagen in den Kopf gekommen sind.
Die technischen Hochwasserschutzsysteme sind auf das Niveau des Jahrhunderthochwassers 2002 ausgelegt. Man kann sich deshalb darauf konzentrieren, Möglichkeiten zu schaffen, um die Hochwasserscheitel zu kappen und das Zusammentreffen mit denen der großen Nebenflüsse zu vermeiden. Deichrückverlegungen stellen zwar die ökologisch beste Lösung dar, sind aber hinsichtlich einer aktiven Steuerung ohne Bedeutung. Der geschaffene Raum läuft bereits mit dem auflaufenden Hochwasser voll.
In den großen und relativ flach überfluteten Niederungsgebieten kann ich mir ein in der Tiefe gestaffeltes, gekammertes, steuerbares Poldersystem vorstellen, mit dem gezielt kritische Hochwasserscheitel gekappt werden können.
Das vorhandene häufig bereits in leichter Dammlage verlaufende Straßennetz könnte sukzessive mit Halterungen für die Befestigung mobiler Hochwasserschutzwände ausgerüstet werden. Vorhandene Sommerdeiche und die Orte schützende Ringdeiche müssen ertüchtigt werden. Voraussetzung wäre jedoch, dass vertraglich Ersatzzahlungen für die in Anspruch zu nehmenden Flächen vereinbart werden und nicht nach Kassenlage gehandelt wird.
Im Gegensatz zum technischen Hochwasserschutz, der weitere Millionen Euro verschlingen würde, ohne zu absoluter Sicherheit zu führen, wären allein durch Verhaltensänderungen, die Beachtung von Nutzungseinschränkungen und ein situationsangepasstes Bauen kostengünstig spürbare Effekte zu erzielen.
Wenn der Paradigmenwechsel gelingen soll, dann müssen alle nachgeordneten Behörden, gesellschaftlichen Gruppen und letztlich der letzte Bürger auf diesem Weg mitgenommen werden, und sei es mit sanfter Gewalt. Aus dem Topdown im Hochwasserschutz muss ein gesamtgesellschaftliches Anliegen werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die entscheidende Voraussetzung dafür, dass nicht Sisyphus zum Paten des Hochwasserschutzes wird, sind Erfolge im Klimaschutz. Obwohl das Thema zunehmender Naturkatastrophen aufgrund des sich wandelnden Klimas in aller Munde ist und breit erforscht wird, ist eine verbindliche Klimapolitik noch immer nicht in Sicht.
Wer die Stellungnahme des Bundesrats, auf den ich schon hingewiesen habe, aufmerksam liest, dem fällt auf, dass der Begriff „Naturkatastrophe“ fehlt.
Unter den Katastrophenforschern ist es inzwischen unstrittig, dass der Begriff „Naturkatastrophe“ ins Zentrum gesellschaftlicher und nicht naturwissenschaftlicher Perspektiven gehört.
Was eine Naturkatastrophe ist, entscheidet sich erst anhand der Anpassungsstärke einer Gesellschaft oder eines Staates. Insofern gibt es keine Naturkatastrophen, sondern nur Kulturkatastrophen.
„Tatsächlich entstehen sie, haben eine Genese, zumeist Schritt für Schritt, addiert aus lauter kleinen Abweichungen, Fehlern und Fehlentscheidungen, vielfach aus Wurstig
Dieses Zitat eines Katastrophenforschers kann ich durch Beispiele aus der eigenen kommunalen Praxis in Halle untermauern. Sie betreffen alle den Bereich Gimritzer Damm, an dem sich vor vier Wochen das Schicksal von Halle entschieden hat.
Da sei zuerst an die Entscheidung erinnert, den Grundwasserstand dauerhaft abzusenken, um Halle-Neustadt errichten zu können. Die im Jahr 2011 noch gehaltene Eissporthalle, errichtet auf einer Aufschüttung im aktiven Hochwassergebiet, ging diesmal unter. Der Kunstrasenplatz des HFC auf dem Sandanger erlitt genau das ihm prophezeite Schicksal.
Wenn es Mitte der 90er-Jahre nach dem Willen der Tennisvereine gegangen wäre, dann würde heute neben der Eissporthalle eine Tennishalle stehen. Ich habe noch den Satz in den Ohren: Aber das Hochwasser steigt doch im Anstrombereich nur um 2 cm.
Weitere kritische Vorhaben sind das MMZ, ein Seniorenwohnprojekt im Gut Gimritz, die geplante Errichtung einer Altenwohneinrichtung in der Hafenstraße und der Ausbau der alten Speicher im Sophienhafen zu exklusiven Wohnräumen.
Ein renommiertes Wissenschaftsjournal fragte einmal sarkastisch: „Nach uns die Sintflut? Vielleicht erleben wir sie noch selbst.“
Auch der aus Magdeburg stammende und jahrelang für das Deutsche Komitee für Katastrophenvorsorge tätige Psychologe Volker Leineweber klang in seinem „MZ“-Interview vom 8. Juli nicht gerade optimistisch bezüglich der Frage, ob nach den flächendeckenden Schäden diesmal ein Umdenken beginnt und Bürger wie Politiker bereit sind, nicht nur über Konsequenzen zu reden.
Die Bereitschaft, notwendige Veränderungen zu akzeptieren, sinkt in dem Maße, in dem die Schadensbilder verblassen, so seine Antwort.
Man sollte die nach einem Hochwasser gewonnenen Erkenntnisse in Bauordnungen und in Flächennutzungsplänen rigoros und zugleich transparent umsetzen. Dieser Forderung haben wir in der Novelle zur Landesbauordnung bereits entsprochen. Das stimmt mich hoffnungsvoll, dass wir uns als genauso lernfähig erweisen werden wie einst unsere sächsischen Vorfahren.
Das Deutsche Komitee für Katastrophenvorsorge konstatierte als wesentlichste Schwäche des Katastrophenmanagements im Jahr 2002 den Mangel an Kooperation sowohl auf Länder- als auch auf Bundesebene.
Obwohl sich diesbezüglich beträchtliche Verbesserungen ergeben haben, gibt es in diesem Bereich noch beträchtlichere Reserven.
Das Sommerhochwasser im Jahr 2002 avancierte als Jahrhunderthochwasser zum Standard für die Bemessung technischer Hochwasserschutzmaßnahmen. Das Jahr 2013 bringt nun diese auf Jährlichkeiten basierenden Hochwasserrisikokarten und Hochwasserschutzplanungen ins Wanken. Egal welche Wiederholungswahrscheinlichkeit am Ende auch errechnet wird, viele Bürgerinnen und Bürger können mit diesen ganzen Begriffen nichts anfangen.
Eine kurz nach der Jahrhundertflut im Jahr 2002 durchgeführte Haushaltsbefragung ergab, dass fast die Hälfte der Befragten mit den amtlichen Hochwasservorschriften nichts anzufangen wusste. Auch hierbei waren die Sachsen vor 200 Jahren bereits weiter.
Packen wir also die Aufgaben an, um diesen Wettlauf gegen das Vergessen zu gewinnen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Danke sehr, Herr Kollege Köck, für die Einbringung. - Für die Einbringung zu Tagesordnungspunkt 11 wird Herr Bergmann für die Koalition sprechen.
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! In der heutigen Landtagssitzung rufen wir das Thema Hochwasser innerhalb von kurzer Zeit zum zweiten Mal auf. Ich glaube, es ist notwendig, dass weiterhin darüber gesprochen wird. Die Betroffenheit im Land ist nach wie vor groß.