Protocol of the Session on July 11, 2013

Erste Beratung

Entwurf eines Kulturfördergesetzes des Landes Sachsen-Anhalt

Gesetzentwurf Fraktion DIE LINKE - Drs. 6/2237

Für die Einbringerin erteile ich Herrn Abgeordneten Gebhardt das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man in der heutigen Zeit über ein Kulturfördergesetz spricht, kommt man wohl nicht daran vorbei, sich mit der gegenwärtigen Situation unserer Kulturlandschaft auseinanderzusetzen und diese zu bewerten. Ich glaube, dass die Situation von Sachsen-Anhalts Kulturlandschaft noch nie oder zumindest sehr selten so schwierig war, wie sie jetzt ist. Sie ist momentan geprägt von einem Höchstmaß an Verunsicherung, und sie ist auch geprägt von Angst, Angst vor einem kulturellen Kahlschlag im Kulturland Sachsen-Anhalt.

Das, meine Damen und Herren, hat konkrete Ursachen, hauptsächlich eine einzige Ursache, nämlich die, dass sich viele Kulturschaffende und Kulturinteressierte getäuscht fühlen vom Verhalten der Landesregierung. Wagen wir doch mal einen Rückblick!

Es war einmal eine Landesregierung, die hatte zugegebenermaßen eine ganz gute Idee. Die Idee bestand darin, einen Kulturkonvent einzurichten, der Empfehlungen für eine künftige Kulturpolitik abgeben sollte. So hatten es die Koalitionsfraktionen in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, und der Kultusminister Herr Dorgerloh hat dieses Vorhaben massiv mit befördert.

Die Einsetzung eines solchen Kulturkonvents - daran will ich erinnern - wurde vom Landtag einstimmig beschlossen. Der Konvent hat über ein Jahr lang intensiv gearbeitet. Er hat das kulturelle Gesicht Sachsen-Anhalts ausführlich beschrieben, er hat die Herausforderungen der Kulturpolitik klar benannt und insgesamt 163 Empfehlungen für die künftige Kulturpolitik verabschiedet.

Nun könnte man meinen, dass jetzt eigentlich die Politik am Zug wäre und sich daran macht, diese Empfehlungen des Konvents aufzugreifen und schließlich umzusetzen. Doch weit gefehlt: Die Empfehlungen des Kulturkonvents werden nicht nur nicht umgesetzt; es ist sogar so, dass die aktuellen Haushaltsentscheidungen der Landesregierung die Empfehlungen des Konvents konterkarieren, sie quasi auf den Kopf stellen und unter dem Strich genau das Gegenteil von dem gemacht wird, was der Konvent empfohlen hat. Anders kann man die Kabinettsbeschlüsse nicht werten, die eine massive Kürzung bei den Theatern und Orchestern im Land vorsehen, sodass ganze Einrichtungen infrage gestellt werden.

Meine Damen und Herren! Ich möchte Sie daran erinnern, dass ausnahmslos alle Konventsmitglieder ehrenamtlich tätig waren, sich viel Zeit ans Bein gebunden haben, mehrere Sitzungen, Klausurtagungen und Arbeitsgruppentagungen erlebt und schließlich einen umfangreichen Bericht erstellt haben. Wie bitte schön will man künftig Leute für ehrenamtliches Engagement gewinnen, wie will man künftig erreichen, dass sich Leute aus Sachsen-Anhalt für ihr Kulturland engagieren, wenn man so mit ihrer Arbeit umgeht?

(Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Nun ist allerdings der vom Kabinett gebilligte Haushaltsplanentwurf auch nur eine Folge bzw. eine logische Konsequenz aus dem bisherigen Agieren. Denn bereits während der Konvent tagte und noch mitten in seiner Arbeit war, begann die Landesregierung, im Kulturbereich deutliche Kürzungen vorzunehmen. Der ursprünglich zugesagte Status quo beim Kulturhaushalt war schnell wieder vergessen, und der Etat wurde abgesenkt, obwohl der Kulturkonvent dagegen heftig protestierte.

Kurz nachdem der Abschlussbericht mit seinen Empfehlungen bekanntgegeben wurde, äußerte sich der Finanzminister Herr Bullerjahn dahin gehend, dass es sich der Konvent zu einfach gemacht habe, aber er die Empfehlungen erst einmal lesen müsse. Spätestens jetzt war klar, wohin die Reise gehen würde. Spätestens hiermit, also wenn ein Finanzminister sich schon ablehnend äußert, obwohl er selbst sagt, er kenne die Empfehlungen noch gar nicht, wurde klar, dass sich das Kabinett nicht für die Empfehlungen des Konvents interessiert und diese schließlich torpedieren wird.

Meine Fraktion findet dieses Agieren schlichtweg unglaublich und ein ganzes Stück unverschämt.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Zum einen weil ehrenamtliche Arbeit mit Füßen getreten wird und zum anderen weil die Reise, die die Landesregierung antreten will, in das kulturpolitische Nirwana führen wird.

Meine Damen und Herren! Sachsen-Anhalt ist ohne Zweifel ein Kulturland. Ich behaupte: Kein anderes Bundesland hat einen so vielfältigen kulturellen Reichtum zu bieten wie unser Land. In der Präambel des Berichts des Kulturkonvents wird das Erbe Sachsen-Anhalts als bemerkenswert bezeichnet. Weiter heißt es in der Präambel - ich zitiere -:

„Das kulturelle Erbe gilt es zu bewahren und für die kommenden Generationen in die Zukunft zu führen. Kunst und Kultur sind ein Grundbedürfnis nach Bildung, Identifikation, Kreativität und ästhetischer Teilhabe. Die Förderung von Kunst und Kultur sehen wir als Investition für die Zukunft an.“

Ich denke, das sind Sätze, die so gut wie jeder versteht und nachvollziehen kann. Dass SachsenAnhalt ein sehr reiches kulturelles Erbe besitzt, dass wir die meisten Weltkulturerbestätten haben, dass wir über die größte Dichte an Domen, Schlössern, Parks und Gärten verfügen, dass wir allein mit den Namen Händel, Telemann und Weill ein herausragendes Musikland darstellen und dass wir das Land der Reformation sind, all das sind längst bekannte Fakten, die unser Land schließlich ausmachen.

Wir haben in Sachsen-Anhalt aber nicht nur ein Erbe, das es zu bewahren gilt; wir haben auch eine kulturelle Gegenwart und hoffentlich auch eine lebendige kulturelle Zukunft als Kulturland vor uns. Hierzu tragen unzählige Kulturschaffende, Künstlerinnen und Künstler bei, ob in Museen, Musikschulen, Bibliotheken, Galerien, Kunst- und Kulturvereinen, in Stiftungen, in der Literaturlandschaft, in der Heimat- und Traditionspflege, in den Kirchen, im Chor oder in einer Rockband und in den Theatern und Orchestern.

Ja, Sachsen-Anhalt hat ein dichtes Netz an Theatern und Orchestern, und, meine Damen und Herren, sehr geehrter Herr Kultusminister, wir sollten unsere Kraft und unseren Einfallsreichtum darauf konzentrieren, wie wir dieses Netz, wie wir unsere vielfältige Kulturlandschaft erhalten, ausbauen und gestalten können, und nicht darauf, wo man möglicherweise noch die Axt ansetzen kann. Ihr Sparen an dieser Stelle ist blindes Kürzen, und das ist keine Kunst und verlangt auch keine Kreativität.

Die Antwort auf die Frage, wie man auch künftig unsere Kulturlandschaft mitfinanzieren kann, ver

langt da schon deutlich mehr Einfallsreichtum, und genau damit hat sich der Kulturkonvent intensiv auseinandergesetzt. Der vorliegende Entwurf für ein Kulturfördergesetz hat wesentliche Punkte und Empfehlungen des Kulturkonvents aufgegriffen und will diese in die Realität umsetzen. Denn der Konvent hat deutlich mehr beschlossen, als den Kulturetat aufzustocken. Er hat sich nämlich vor allem dazu geäußert, wie mehr Geld für Kulturförderung in das System gelangen kann.

Dem will die Fraktion DIE LINKE mit ihrem Gesetzentwurf gerecht werden. Wir nehmen also zentrale Forderungen des Kulturkonvents auf und wollen, dass diese einfach umgesetzt werden.

Im Mittelpunkt des Gesetzentwurfs steht die Bildung von Kulturregionen. Hiermit verfolgen wir das Ziel, eine solidarische Beteiligung aller Landkreise und kreisfreien Städte an der Finanzierung von herausragenden Kultureinrichtungen und Kulturprojekten zu erreichen.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, das ist längst überfällig. Denn von überörtlich bedeutenden Einrichtungen profitiert nicht nur die jeweilige Sitzkommune, in der sich die Einrichtung zufällig befindet, sondern es profitiert nachweislich eine gesamte Region davon.

Nehmen wir das Beispiel Theater und Orchester: Die Zuschauerinnen und Zuschauer, die ein Theater oder Orchester besuchen, kommen eben nicht nur aus der Stadt, in der sich das Theater befindet, sie kommen nachweislich aus dem gesamten Umland. Aber die Sitzkommune finanziert in den allermeisten Fällen ganz allein die jeweilige Einrichtung, und damit ist sie in zunehmendem Maße überfordert.

Dass es bislang keine solidarische Umlandfinanzierung gab, ist übrigens auch ein Grund dafür, dass es in der Vergangenheit zu Schließungen von Theatern und Theatersparten gekommen ist und dass fast überall Haustarife verabschiedet worden sind, die aus unserer Sicht endlich der Vergangenheit angehören sollten.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Ich will aber auch betonen, dass es uns nicht ausschließlich um die Theater und Orchester geht. Es geht uns um alle überörtlich bedeutenden Kultureinrichtungen und Kulturprojekte. Welche das genau sind, muss in der jeweiligen Kulturregion ausgehandelt und erstritten werden.

Aber unser Gesetz sieht vor, dass zumindest allen Einrichtungen, für die ein verstetigter Landeszuschuss fließt, auch automatisch eine überörtliche Bedeutung zugemessen wird. Sonst würde es ja keine Landesförderung geben. Da fällt mir als Beispiel außerhalb der Theater- und Orchester

landschaft sofort das Winckelmann-Museum in Stendal ein.

Bei unseren Vorschlag bezüglich des Zuschnitts der Kulturregionen haben wir uns konsequent an den bereits existierenden Planungsregionen orientiert. Das macht schon deshalb Sinn, weil die Planungsregionen bereits touristisch bzw. kulturtouristisch zusammenarbeiten.

Wir haben ein Einstimmigkeitsprinzip im Gesetzentwurf vorgeschlagen, weil wir nicht wollen, dass irgendein Landkreis oder irgendeine kreisfreie Stadt über den Tisch gezogen werden könnte. Wir wollen, dass sich die Beteiligten einigen und nicht der eine über den anderen siegt. Unser Ziel ist es eben auch, demokratische Aushandlungsprozesse vor Ort zu befördern.

In Artikel 1 sind noch zwei weitere Details vorschlagen: Zum einen soll sich die Umlagenhöhe, mit der sich die gesamte Region an der Finanzierung der jeweiligen Einrichtung beteiligt, an der Höhe der Landesförderung orientieren. Damit wollen wir unter anderem verhindern, dass ein Landkreis als Umlage lediglich 1 € einspeisen will und somit den Grundgedanken dieses Gesetzes aushebelt.

Aber wir wollen auch, dass die jeweiligen Träger der Einrichtung sich nicht völlig aus der Verantwortung stehlen. Deshalb haben wir formuliert, dass sich neben dem Land und neben der Umlage die Träger - das ist in den allermeisten Fällen die Sitzkommune - auch künftig in angemessener Höhe beteiligen sollen.

Es geht uns um eine solidarische gemeinsame Finanzierung und somit um die Sicherung von unverzichtbaren Einrichtungen im kulturellen Bereich mit überregionaler Wirkung und Ausstrahlung. Es geht um nicht mehr und nicht weniger als um die Sicherung unserer reichhaltigen und vielfältigen Kulturlandschaft.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, mit dem Artikel 1 unseres Gesetzentwurfs geben wir den neuen kommunalen Zweckverbänden neue Pflichtaufgaben. Gleichzeitig eröffnen wir aber den Landkreisen neue finanzielle Einnahmequellen.

Auch hiermit orientiert sich DIE LINKE konsequent am Bericht des Kulturkonvents. Zum einen schlagen wir vor, eine Abgabe von 25 Cent auf Eintrittskarten für Kulturveranstaltungen ab einem Kartenpreis von 5 € zu erheben. Kinderveranstaltungen sollen laut unserem Gesetzentwurf von diesem Vorschlag ausgenommen werden.

Mit dem Vorschlag einer solchen Abgabe, die hier und da auch als „Kulturgroschen“ bezeichnet wird, orientieren wir uns am Modell der Stadt Weimar. Dort wird seit einigen Jahren eine solche Abgabe erhoben, und die eingenommenen Mittel, die von

nicht unbeachtlicher Höhe sind, kommen in vollem Umfang den dortigen Kultureinrichtungen zugute.

Der Kulturkonvent hatte hierzu eine Anhörung mit Vertretern der Stadt Weimar veranstaltet, und uns hat diese Art der Kulturfinanzierung überzeugt - eben auch deshalb, weil mit relativ wenig Cent pro Person ein recht hoher Gesamtbetrag erwirtschaftet werden kann. Für den Einzelnen durchaus machbar und bezahlbar, denn niemand ist mit 25 Cent überfordert, und insgesamt ein Betrag, der hilft, die Kulturlandschaft mit auszufinanzieren.

Die weitere Einnahmequelle, die wir im Gesetzentwurf vorschlagen, wurde auch als Empfehlung vom Kulturkonvent beschlossen, nämlich die Kulturförderabgabe bei Übernachtungen. Konkret schlagen wir hierfür 2 % pro Übernachtung vor. Mit dieser prozentualen Regelung lässt sich auch eine gerechte Regelung schaffen, da ein niedriger Übernachtungspreis, zum Beispiel bei Jugendherbergen, logischerweise auch weniger an Abgabe bedeutet. Der durchschnittliche Übernachtungspreis in Sachsen-Anhalt liegt bei ca. 70 €. Das würde eine durchschnittliche Abgabe von 1,40 € bedeuten, und die halten wir für Hotelgäste in dieser Größenordnung für zumutbar.

Dass derzeit die Übernachtungszahlen steigen, freut uns, und dass mit einer solchen Regelung tatsächlich einige Millionen in das System gespült werden können, freut uns noch mehr. Laut aktuellen Übernachtungszahlen würden wir bei der 2%-Regelung zwischen 7,5 Millionen € und 8 Millionen € einnehmen können.

Ich finde, das ist eine lohnenswerte Geschichte. In vielen Kommunen der Bundesrepublik gibt es bereits eine solche Bettensteuer bzw. Kulturförderabgabe. Wo bitte schön wäre sie angebrachter und sinnvoller als in dem bedeutenden Kulturland Sachsen-Anhalt?

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will auch gar nicht verheimlichen, dass das alles rechtlich nicht so einfach ist und dass uns so manche Beratung und mancher Hinweis des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes beim Landtag schon fast verzweifeln ließen. Natürlich - das will ich auch nicht verhehlen - hätten wir gern bei der Kulturförderabgabe und beim Kulturgroschen eine unmittelbare Zweckbindung zugunsten der Kulturfinanzierung gehabt.

Aus der Sicht der Landtagsjuristen, also aus der Sicht des GBD ist dies aber nicht möglich, da die Auffassung besteht, dass Steuern grundsätzlich nicht zweckgebunden werden. Es gibt Ausnahmen. Es gibt die Feuerschutzsteuer. Wir können gern eine Debatte im Ausschuss darüber führen.

Wir glauben, dass sich die Debatte hier lohnt und dass wir uns im Ausschuss auch noch einmal dar

über verständigen sollten. Aber wir geben den Kommunen mit der jetzigen Vorlage eine neue Pflichtaufgabe und eröffnen zeitgleich für diese Pflichtaufgabe neue Einnahmemöglichkeiten. Insofern ist uns zumindest eine indirekte Zweckbindung gelungen.

Meine Damen und Herren! Mit diesem Gesetzentwurf betreten wir Neuland. Das gibt es bisher in keinem anderen Bundesland. Aber mit unseren Forderungen und Vorschlägen stehen wir ganz und gar nicht allein, sondern erfahren eine vielfache Unterstützung. Zum einen erfahren wir natürlich Unterstützung durch den Kulturkonvent, an dessen Empfehlungen wir uns konsequent orientiert haben.

Dankbar bin ich übrigens auch dem Tourismusverband des Landes, der mir in einem an mich gerichteten Schreiben mitgeteilt hat, dass er das Vorhaben einer Kulturförderabgabe sehr löblich findet und hier mit uns an einem Strang zieht.