Protocol of the Session on March 22, 2013

(Beifall bei der LINKEN)

Wir kommen nunmehr zur Abstimmung. Es liegt ein Antrag der LINKEN auf Überweisung vor. Darüber können Sie abstimmen. Wenn dieser abgelehnt wird, stimmen wir über den Antrag und den Alternativantrag ab.

Die Fraktion DIE LINKE hat beantragt, sowohl ihren Antrag als auch den Alternativantrag der Koalitionsfraktionen in den Ausschuss zu überweisen. Wer stimmt dem zu? - Das sind die Oppositionsfraktionen. Wer ist dagegen? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Damit ist der Antrag auf Überweisung abgelehnt worden.

Wir stimmen jetzt über den Antrag der Fraktion DIE LINKE in der Drs. 6/1892 ab. Wer dem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das ist die Fraktion DIE LINKE. Wer ist dagegen? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer enthält sich der Stimme? - Das ist die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Damit ist der Antrag abgelehnt worden.

Wir stimmen über den Alternativantrag der Fraktionen der CDU und der SPD in der Drs. 6/1923 ab. Wer stimmt dem zu? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer ist dagegen? - Das ist die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer enthält sich der Stimme? - Das ist die Fraktion DIE LINKE. Damit ist der Alternativantrag angenommen worden. Wir verlassen den Tagesordnungspunkt 19.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 20 auf:

Beratung

Privilegierung von Biogasanlagen

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 6/1894

Alternativantrag Fraktionen CDU und SPD - Drs. 6/1924

Einbringer ist der Abgeordnete Herr Krause von der Fraktion DIE LINKE. Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! In den zurückliegenden Jahren hat sich in Sachsen-Anhalt ein nahezu unübersehbares Netz

von Biogasanlagen entwickelt. Entsprechend ist auch der Anbau von Energiepflanzen zu einem wirtschaftlichen Standbein vieler Landwirtschaftsbetriebe geworden.

Das ist einerseits gut so, weil es in einem solchen Rahmen ohne Zweifel ein zu begrüßender Beitrag für die Energiewende ist. Andererseits ist diese Entwicklung bei einer unbedachten Ausdehnung des Energiepflanzenanbaus aber auch besorgniserregend. Der Druck auf die Landwirtschaft ist diesbezüglich enorm. Biogasanlagen sind inzwischen nicht nur ein zweites Standbein für Landwirte, sondern ein lukratives Anlagegeschäft für finanzkräftige Investoren außerhalb der Landwirtschaft.

Der ursprüngliche Ansatz, dass die Planung und Errichtung von Biogasanlagen in landwirtschaftliche Wirtschaftskreisläufe eingebunden sein soll, gerät heute mehr und mehr ins Hintertreffen. Diese Entwicklung wird jetzt auch zunehmend von der Politik erkannt und beklagt.

Mit dem Europarechtsanpassungsgesetz Bau vom 24. Juni 2004 wurden die Privilegierungstatbestände für die Errichtung von Biogasanlagen im Außenbereich erstmals in das Baugesetzbuch aufgenommen. Daher beinhaltet der § 35 Abs. 1 Nr. 6 des Baugesetzbuches eine abschließende Regelung für die Genehmigung von Biogasanlagen im Außenbereich.

Die Fachkommission Städtebau der Bauministerkonferenz hat bereits am 22. März 2006 Hinweise für den einheitlichen Vollzug des § 35 erarbeitet, die letztmalig am 23. März 2012 aktualisiert wurden, um so den unbebauten Außenbereich stärker zu schützen.

Im Ergebnis der Arbeit dieser Kommission wurde ein gemeinsames Protokoll zur Umsetzung bzw. zur abgestimmten länderübergreifenden Anwendung des § 35 des Baugesetzbuches in Bezug auf die Privilegierung von Biogasanlagen verfasst.

Diese Hinweise bzw. dieses Protokoll wurden nach der Auffassung der Bauministerkonferenz notwendig, weil sich mit der Änderung des Artikels 1 des Baugesetzbuches vom 22. Juli 2011 zum einen Bezugs- und Leistungsparameter geändert haben und sich zum anderen bei der praktischen Anwendung des § 35 Abs. 1 Nr. 6 des Baugesetzbuches - Privilegierung von Biogasanlagen - in den zuständigen Genehmigungsbehörden und durch die Rechtsprechung unterschiedliche Auslegungen ergeben.

Die Hinweise der Fachkommission Städtebau scheinen aber bei den Verwaltungs- und Vollzugsorganen in Sachsen-Anhalt bis heute nicht angekommen zu sein. Im Vollzug des § 35 des Baugesetzbuches sind Eigenwilligkeit und unterschiedliche Auslegung nach wie vor Praxis.

Insbesondere geht es dabei um die Definierung der energetischen Nutzung der Biomasse im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebes und um die Definition bzw. Abgrenzung eines landwirtschaftlichen Betriebes.

Es muss klargestellt werden, ob Unternehmen, zum Beispiel Investoren, die Biogasanlagen errichten wollen, mit einer Beteiligung eines Landwirtschaftsbetriebes mit 10 % oder 15 % auch dem Privilegierungstatbestand nach § 35 des Baugesetzbuches gerecht werden. Ich denke - damit befinde ich mich in Übereinstimmung mit vielen Gemeindeverwaltungen bzw. Landkreisbehörden und letztlich der Fachkommission -, dass dies nicht sein kann.

Erfahrungen bzw. Planungsverfahren belegen aber, dass es immer wieder dazu kommt, dass das Landesverwaltungsamt in die Selbstverwaltung von Kommunen eingreift und einmal getroffene Entscheidungen zurücknimmt. Demnach ist für das Landesverwaltungsamt der Privilegierungstatbestand gegeben, wenn sich zum Beispiel ein Landwirt mit 15 % beteiligt, um nicht zu sagen: eingekauft wird.

Ein weiterer Gesichtspunkt ist das Erfordernis der räumlichen und funktionalen Nähe der zu errichtenden Anlagen zu betrieblichen Abläufen. Damit wird die Frage aufgeworfen, ob die Biomasseverwertung in betriebliche Abläufe des landwirtschaftlichen Betriebes integriert bzw. mit ihnen verknüpft ist.

Festgestellt wird unter anderem auch, dass die Privilegierung nicht gegeben ist, wenn der Betrieb, der eine geplante Anlage betreiben will, selbst keine Biomasse erwirtschaftet. Auf den Tatbestand der Begünstigung im Falle einer kooperativen Zusammenarbeit von landwirtschaftlichen Betrieben möchte ich an dieser Stelle nicht weiter eingehen.

Obwohl es offenkundig ist, dass zum Beispiel ein Investor nicht nachweisen kann, dass die notwendige Biomasse zum überwiegenden Teil und nachhaltig aus seiner eigenen wirtschaftlichen Tätigkeit stammt, wird dieser Sachverhalt durch Verwaltungs- und Vollzugsorgane in unserem Land oft genug ignoriert. Es werden Entscheidungen getroffen, die eindeutig im Widerspruch zu den beschlossenen Hinweisen der Fachkommission der Bauministerkonferenz stehen, zu denen sich auch unsere Landesregierung bekannt hat, wie das Protokoll belegt.

Ganz offenkundig gibt es hier, wie Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, es mit Ihrem Alternativantrag richtig erkannt haben, handfeste - so lautet wörtlich Ihre Überschrift - „Auslegungsstreitigkeiten bezüglich des § 35 BauGB“.

Meine Damen und Herren! Mit unserem Antrag geht es nicht darum, die Planung bzw. den Bau

von außerlandwirtschaftlichen Biogasanlagen generell zu verhindern. Nein, es geht uns darum, dass seitens der Vollzugsbehörden mit den Privilegierungstatbeständen nicht leichtfertig, sondern gewissenhaft umgegangen wird und Anträge unter Beachtung der Hinweise der Fachkommission ebenfalls gewissenhaft geprüft werden.

Ein wirklich privilegiertes Vorhaben, das seinen Namen verdient, hat bei der Bevölkerung und Gemeinde kaum Widerstand zu befürchten; denn der Investor bzw. Betreiber ist in der Regel selbst Mitglied der Gemeinde.

Die Probleme bzw. der Gegenwind, den wir in vielen Fällen bei der Errichtung neuer Biogasanlagen zur Kenntnis nehmen müssen, entstehen, weil Vorhaben immer wieder ungerechtfertigt privilegiert werden.

Das bringt die Menschen auf die Palme, weil sie sich zu Recht ausgeschlossen fühlen und kaum Möglichkeiten haben, die Ansiedlung durch eine ordnungsgemäße Öffentlichkeitsbeteiligung zu steuern. Dabei bleibt ihnen nicht verborgen, dass oft genug über sogenannte Strohmänner die Frage der Privilegierung geklärt wird und die Verwaltungs- und Vollzugsorgane bzw. das Landesverwaltungsamt immer wieder - ich möchte mich einmal so ausdrücken - auf diesen Trick hereinfallen, weil die Auslegung des § 35 des Baugesetzbuches nicht eindeutig und verbindlich in unserem Land geklärt ist.

(Zuruf von der CDU: Ach Quatsch!)

Wir haben es in der Hand, meine Damen und Herren, diesen Missstand zu beseitigen. In diesem Sinne bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag. Nun liegt auch dazu wieder ein Alternativantrag vor. Dennoch: Ich freue mich auf eine rege Diskussion in den Ausschüssen für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie für Landesentwicklung und Verkehr.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke für die Einbringung. - Für die Landesregierung spricht Minister Dr. Aeikens.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Richtig ist, dass auch in SachsenAnhalt festzustellen ist, dass sich die Baurechtsbehörden und die Kommunen als Träger der Bauleitplanung vermehrt Vorhaben zur Erstellung von Anlagen zur energetischen Nutzung von Biomasse gegenübersehen. Richtig ist auch, dass dabei Biogasanlagen im Vordergrund stehen. Hierzu haben die Regelungen des Baugesetzbuches zu den Privilegierungen in § 35 beigetragen.

Ein wesentlicher Grund für den Zubau an Biogasanlagen ist sicherlich auch das EEG. Insbesondere größere Biogasanlagen auf der Basis von Biomais können dabei natürlich auch negative Auswirkungen auf Natur- und Umweltschutz wie auf Pacht- und Bodenmärkte haben.

Ich habe den Eindruck, dass Konsens besteht, dass nach der kommenden Bundestagswahl die weitere Ausrichtung des EEG in Bezug auf Biogas intensiv auf den Prüfstand gestellt werden soll, auch um standort- und strukturangepasste Biogasanlagen in landwirtschaftlicher Hand stärker zu präferieren.

Bevor ich auf die zur Rede stehende Privilegierung von Biogasanlagen zu sprechen komme, lassen Sie mich kurz die Zuständigkeiten im Genehmigungsverfahren für Biogasanlagen darstellen.

Biogasanlagen unterliegen in erster Linie dem Immissionsschutzrecht. In diesem Genehmigungsverfahren ist als Teilaspekt auch die bauplanungsrechtliche Zuständigkeit zu prüfen. Die Erteilung der Genehmigung größerer Anlagen obliegt als oberer Immissionsschutzbehörde ausschließlich dem Landesverwaltungsamt. Für kleinere Anlagen sind die Landkreise zuständig.

Lassen Sie mich nun auf die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit eingehen. Nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 des Baugesetzbuches sind Biogasanlagen im Außenbereich dann privilegiert, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und das Vorhaben der energetischen Nutzung von Biomasse im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebes, eines gärtnerischen Betriebes oder eines Betriebes mit Tierhaltung dient.

Das Vorhaben muss außerdem in einem räumlichfunktionalen Zusammenhang mit dem Betrieb stehen. Auch muss die Biomasse überwiegend aus dem jeweiligen Betrieb oder aus nahegelegenen Betrieben stammen. Zudem darf die Feuerungswärmeleistung bei der Verstromung des Biogases den Wert von 2,0 MW nicht überschreiten.

Diese Privilegierungsvoraussetzungen müssen nicht nur zum Zeitpunkt der Genehmigung, sondern dauerhaft vorliegen. Das gilt insbesondere bei etwaigen Eigentümerwechseln nach der Inbetriebnahme der Anlage.

Um die Auslegung der soeben aufgezählten Privilegierungsvoraussetzungen näher zu erläutern, hat das Landesverwaltungsamt als obere Bauaufsichtsbehörde bereits im April 2005 eine Rundverfügung an die unteren Bauaufsichtsbehörden herausgegeben.

Im Jahr 2006 machte die Fachkommission Städtebau der Arge Bau Hinweise zur Privilegierung von Biomasseanlagen bekannt. Diese Anwendungs

hinweise gaben zunächst keinen Anlass zur Änderung der Rundverfügung des Landesverwaltungsamtes.

Nach der Änderung des Baugesetzbuches vom 22. Juli 2011 aktualisierte die Fachkommission Städtebau im Jahr 2012 ihre Hinweise. Es erfolgten diverse Änderungen und Klarstellungen.

Dieser Beschluss der Fachkommission Städtebau vom 23. März 2012 war Anlass, die bisherige Rundverfügung des Landesverwaltungsamtes anzupassen. Ein entsprechender Arbeitsentwurf wurde im Oktober 2012 den unteren Bauaufsichtsbehörden zur Stellungnahme zugeleitet. Die Resonanz war durchweg positiv. Der Entwurf lässt aber auch die Notwendigkeit nicht außer Acht, dass Außenbereiche zur Schonung der freien Landschaft im Grundsatz von einer Bebauung freizuhalten sind.

Derzeit wartet die Landesregierung noch auf die schriftlichen Urteilsgründe für den Ausgang eines am 14. März 2013 vor dem Oberverwaltungsgericht Lüneburg entschiedenen Berufungsverfahrens, das einige grundlegende Fragen zur baurechtlichen Zulässigkeit von Biomasseanlagen zum Gegenstand hat.

Bekannt ist bereits, dass gemäß OVG Lüneburg die privilegierte Zulassung einer Biogasanlage im Außenbereich eine auch rechtlich wirksame Zuordnung der als Gesellschaft geführten Biomasseanlage zum landwirtschaftlichen Basisbetrieb erfordert.