Protocol of the Session on September 21, 2012

Die Staatsministerin für Migration, Integration und Flüchtlinge Maria Böhmer erklärte ebenfalls, dass die Bundesrepublik Flüchtlinge aus Syrien aufnehmen könne. Der Bundesaußenminister erklärte Anfang September, er könne sich ein Aufnahmeprogramm der Bundesregierung vorstellen, sehe es aber nicht als prioritär an.

Da eine Regelung zur Aufnahme von Flüchtlingen nur im Benehmen des Bundesinnenministers mit den Innenministern der Länder realisierbar ist, scheint es unserer Fraktion dringend geboten, aus den Ländern den politischen Willen und die Bereitschaft zu einem solchen Programm zu bekunden.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren! Wir wollen die Landesregierung auffordern, ihrerseits aktiv zu werden, um zum einen alle notwendigen Maßnahmen zur Aufnahme von Flüchtlingen aus Syrien im Land zu

treffen und dabei insbesondere die Zahl der zur Verfügung stehenden Aufnahmeplätze zu benennen und diese bereitzustellen.

Zum anderen soll sie sich auf der Ebene des Bundes für ein Aufnahmeprogramm der Bundesregierung für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge einsetzen.

Sachsen-Anhalt könnte damit einen Beitrag dazu leisten, der Verantwortung der Bundesrepublik in Europa gerecht zu werden. Es wäre zugleich ein Beitrag dazu, die Bemühungen der Landesregierung um die so oft beschworene sogenannte Willkommenskultur authentisch und glaubhaft zu machen.

Denn wenn Zuwanderungspolitik allein an wirtschaftlichen Kriterien ausgerichtet und von wirksamer Asyl- und Flüchtlingspolitik im Interesse der Betroffenen und als Gebot der Humanität entkoppelt wird, bleibt die Rede von Weltoffenheit und Willkommenskultur ein Lippenbekenntnis.

(Beifall bei der LINKEN)

Eine Initiative Sachsen-Anhalts und insbesondere des Innenministers, ähnlich dem Appell des schleswig-holsteinischen Innenministers, in Richtung Bundesregierung, zügig eine Regelung zu schaffen, die allen Beteiligten Handlungssicherheit gewährt, wäre in unseren Augen die richtige Entscheidung.

Wir begehen nächste Woche die alljährliche interkulturelle Woche, in der wir alle, sofern wir uns beteiligen, uns auch den Fragen der Syrierinnen und Syrier in Sachsen-Anhalt stellen werden müssen.

Auch in diesem Kontext wäre eine solche Entscheidung ein richtiges und auch ein notwendiges Signal; denn trotz des derzeitigen Abschiebestopps und der Bewilligung der im Übrigen nur leicht gestiegenen Zahl der Asylanträge - die Menschen kommen nur in Ausnahmefällen bis nach Deutschland - sollten wir nicht übersehen, dass Flüchtlinge aus Syrien über lange Jahre hinweg auch in der Bundesrepublik eben keinen angemessenen Schutz erhalten haben.

Mehr als 3 400 Syrer leben deshalb in dem unsicheren Status der Duldung in Deutschland - mehr als 2 000 bereits seit mehr als sechs Jahren.

Neben dem Aufnahmeprogramm müsste also auch die aufenthaltsrechtliche Situation dieser Gruppe geregelt werden.

Ebenso ist es ein Gebot der Stunde, Verwandte von hier lebenden syrischen Staatsangehörigen nach einem vereinfachten Visumverfahren aufzunehmen und die Zusammenführung von Familien zu ermöglichen.

Der von den Kollegen der GRÜNEN beantragte Abschiebestopp ist prinzipiell richtig, allerdings gibt es ihn bereits. Es geht allerdings vollkommen an der

Realität vorbei, dass er angesichts der aktuellen Lage in Syrien lediglich um ein halbes Jahr verlängert wurde. Auch nach einem möglichen Sturz des Regimes Assads würden die Lebensbedingungen in Syrien Abschiebungen oder Rückführungen, wie es bezeichnet wird, nicht rechtfertigen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Die Forderung nach Erteilung von humanitären Aufenthaltserlaubnissen statt Duldungen, wie es die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in ihrem Antrag unter Punkt 3 benennt, unterstützen wir daher ausdrücklich. Auch dem vierten Punkt Ihres Antrags stimmen wir zu.

Das deutsch-syrische Rücknahmeabkommen hat nachvollziehbar zu Abschiebungen von Menschen, die aus Syrien nach Deutschland geflohen sind, geführt, die - zurück in Syrien - in Haft genommen und gefoltert wurden. Ein Fortbestand des zwar ausgesetzten, aber formal noch immer bestehenden Abkommens ist einfach nicht erklärbar und hinnehmbar. Seine Rücknahme ist in der Tat überfällig.

(Beifall bei der LINKEN)

Zur Situation syrischer Studierender in SachsenAnhalt hat meine Fraktion einen eigenen Antrag eingebracht, zu dem mein Kollege Herr Lange, sprechen wird.

Meine Damen und Herren! Sachsen-Anhalt ist in der Lage zu helfen. Die möglichen und die nötigen Ansatzpunkte sind meines Erachtens aufgezeigt worden.

Ich werbe daher ausdrücklich um Ihre Zustimmung zu unserem Antrag und will abschließend den Fachverband Pro Asyl zitieren, der in einer aktuellen Erklärung feststellte - ich zitiere -:

„Dass syrische Flüchtlinge vor verschlossenen Grenzen stehen, während sich die Staatengemeinschaft über die syrische Tragödie empört, ist nicht hinnehmbar.“

(Zustimmung bei der LINKEN)

Danke sehr für die Einbringung. - Für die Landesregierung spricht Minister Herr Stahlknecht.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Herbst, soweit von Ihnen unter Punkt 2 des Antrags ein Stopp der Abschiebung nach Syrien gemäß § 60a Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes gefordert ist, so muss dieser nicht mehr erlassen werden; ihn gibt es bereits.

(Herr Herbst, GRÜNE: Ganz kurz!)

- Ja. Aber es gibt ihn. - Bereits vor dieser förmlichen Anordnung des Abschiebungsstopps haben die Ausländerbehörden mit Runderlass vom Mai 2011 bereits darum gebeten, keine Abschiebung nach Syrien durchzuführen. Deshalb muss sich auch in Sachsen-Anhalt, was ich sehr begrüße, kein Syrier Sorgen machen, nach Syrien abgeschoben zu werden.

Die Frage der Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach § 23 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes stellt sich auch vor diesem Hintergrund zurzeit nicht. Die meist hier lebenden syrischen Staatsangehörigen sind ohnehin bereits im Besitz eines Aufenthaltstitels.

Dies gilt auch für Syrier, die - so haben wir gesehen - hier um Asyl gebeten haben. Diese erhalten selbst bei Ablehnung des Antrags - soweit keine Flüchtlingseigenschaften festgestellt werden - aufgrund des Abschiebungsstopps eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 des Aufenthaltsgesetzes.

Bezüglich Ihrer Aufforderung an uns als Landesregierung, sich für die Kündigung des Rückübernahmeabkommens mit Syrien einzusetzen, verweise ich zunächst an diesem Abend auf die Antwort der Landesregierung auf Frage Nr. 7 der Kleinen Anfrage vom 12. März 2012. Darin wurde deutlich gemacht, dass aus der Sicht der Landesregierung keine Veranlassung besteht, dieses Rückübernahmeabkommen mit Syrien zu kündigen.

Denn allein aus der Existenz von Rückübernahmeabkommen kann eben nicht der Schluss gezogen werden, dass hierin die Ursache für Abschiebungen liegt. Deutschland steht es frei, Rückführungen nach Rückübernahmeabkommen einzuleiten oder - wie gegenwärtig - aufgrund einer aktuellen Situation darauf zu verzichten und das auch auf Dauer.

Daher wäre die Frage der Aufhebung von Rückübernahmeabkommen eher eine grundsätzliche und nicht eine auf die aktuelle Situation bezogene, weil davon keine Gefährdung ausgeht.

Zu dem Antrag Ihrer Fraktion, verehrte Frau Tiedge, in Bezug auf die Aufnahme von flüchtigen Asylsuchenden aus Syrien ist Folgendes zu sagen:

Mit Beschluss vom 9. Dezember 2011 hat sich die Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder im Interesse einer Fortentwicklung und Verbesserung des Flüchtlingsschutzes für eine permanente Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland an der Aufnahme und Neuansiedlung besonders schutzbedürftiger Flüchtige aus Drittstaaten in Zusammenarbeit mit dem UNHCR ausgesprochen.

Die Innenministerkonferenz, an der ich selbst teilgenommen habe, empfahl, in den Jahren 2012 bis 2014 jährlich jeweils 300 Flüchtlinge im Rah

men dieses sogenannten Resettlements aufzunehmen.

Das Bundesministerium des Innern hat daraufhin am 5. April 2012 im Benehmen mit den obersten Landesbehörden gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - alles sehr technisch - nach § 23 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes die Aufnahme von bis zu 200 Personen, die aufgrund der gewaltsamen Auseinandersetzung im Jahr 2011 in Libyen nach Tunesien geflüchtet sind und sich im Flüchtlingslager Shousha aufhalten, angeordnet.

Diese Einreise der Personen erfolgte am 3. September 2012. Sachsen-Anhalt nimmt selbstverständlich, und dies auch gern, entsprechend seiner Quote nach dem sogenannten Königsteiner Schlüssel fünf Flüchtlinge auf. Das ergibt sich aus diesem Schlüssel.

Darüber hinaus hat das Bundesministerium des Innern im Rahmen der Resettlement-Aufnahme 2012 mit Anordnung vom 29. Mai 2012 bereits die Aufnahme von weiteren 100 Flüchtlingen beschlossen. Dabei handelt es sich um in die Türkei geflüchtete Iraker.

Wir können sagen: Wir haben in der Bundesrepublik 200 Flüchtlinge aus Tunesien, 102 Flüchtlinge aus Malta und 2 501 irakische Flüchtlinge aus Syrien und Jordanien aufgenommen. Sachsen-Anhalt leistet seinen Beitrag zur Unterbringung von Flüchtlingen, die aufgrund von Aufnahmeaktionen des Bundes oder der Länder oder aufgrund von Resettlement-Aufnahmen im Rahmen einer Abstimmung auf EU-Ebene hierher gelangt sind.

Ich will zum Schluss eines sagen: Das große Engagement Deutschlands - das muss auch einmal gesagt werden - wird in der Weltflüchtlingsstatistik 2009 des UNHCR bestätigt. Beim Resettlement belegt Deutschland in Europa den ersten Rang. Neben den freiwilligen Aufnahmeaktionen sind auch die Asylverfahren zu beachten.

Meine Damen und Herren! Ich denke, der vorliegende Antrag ist diskussionswürdig. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Danke sehr, Herr Minister. - Wir treten in die verbundene Debatte zu Tagesordnungspunkt 14 a und 14 b mit einer Redezeit von fünf Minuten je Fraktion ein. Als erste Debattenrednerin spricht für die SPD-Fraktion die Abgeordnete Frau Schindler.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die beiden vorliegenden Anträge umfassen ein Thema, das derzeit täglich in den Medien erörtert wird. Die Bilder sind uns vor Augen und sind

von Ihnen, Herr Herbst und Frau Tiedge, geschildert worden.

Parteien, nicht wir im Landtag von Sachsen-Anhalt, haben über dieses Thema bereits diskutiert. Aber ich denke, in den politischen Gremien und auch im Bundestag ist sehr oft über das Thema Syrien gesprochen worden. Man hat sich auch damit befasst, wie sich Deutschland zu den Vorfällen in Syrien stellt.