Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Ich habe heute die große Freude, einen Antrag mehrerer Abgeordneter einzubringen. Ich finde es toll, dass sich fast alle Mitglieder des Landtages aus dem Burgenlandkreis - wenn Sie es so wollen - mit geballter Kraft positionieren.
Die Abgeordneten dieses Hohen Hauses aus dem tiefsten Süden unseres Landes haben sich zusammengeschlossen, weil es einfach nicht mehr zu verstehen ist, was sich im Zusammenhang mit der Ortsumfahrung im Zuge der B 87 Bad Kösen - Naumburg - Wethau in den letzten 20 Jahren zugetragen hat.
Vertrauen in politische Entscheidungen, ja in die Demokratie an sich. Sie haben die Erwartung, dass sich ihre Abgeordneten in Magdeburg für sie einsetzen.
Seit 20 Jahren wird die Umsetzung einer Verkehrsentlastung für die Kreisstadt Naumburg, für Bad Kösen und für Wethau von unserer Bevölkerung zur Verbesserung ihrer Lebensqualität gefordert. Das Thema ist deshalb in permanenter Diskussion.
Ziel ist die Entlastung der Ortskerne Naumburg, Almrich, Schulpforta, Bad Kösen, Hassenhausen von den Auswirkungen des stark gestiegenen Durchgangs- und Schwerlastverkehrs. Der Kurortstatus des Heilbades Bad Kösen und damit auch die Arbeitsplätze von mehreren hundert Menschen, die in den Kurkliniken die Patienten wieder fit machen, sind durch die hohe Feinstaubbelastung in großer Gefahr.
Durch die Ortsumfahrung sind nachhaltige Entwicklungsperspektiven für den Wirtschafts-, Tourismus- und Kurstandort Naumburg/Bad Kösen zu erwarten. Natürlich ist auch die direkte Anbindung der westlichen Region des Burgenlandkreises an die Bundesautobahn A 9 von großer Bedeutung. Die B 87 als Fernverbindungsstraße führt, von Apolda/Weimar kommend, direkt durch die Kurstadt Bad Kösen mit ihren Reha-Kliniken und weiter durch die Innenstadt von Naumburg in den kleinen Ort Wethau, bevor sie dann den Anschluss an die A 9 findet.
Jeglicher Fernverkehr in Richtung Norden, ob Pkw, kleiner oder großer Lkw und im Herbst besonders die Rübenlaster, muss diese Straße befahren. Verkehrszählungen im Jahr 2008 an der B 87 in Schulpforta, zwischen Bad Kösen und Naumburg gelegen, erfassten 9 700 Kfz an einem Tag, also in 24 Stunden. Davon lag der Schwerlastanteil bei 11 %.
Im Oktober 2009 hat die Statistik an der B 87 in Naumburg 16 872 Kfz erfasst, davon 1 739 Fahrzeuge des Schwerlastverkehrs. Das sind immer noch 10,5 %. Daraus war zu folgern, dass die Verkehrsbelastung sowohl in der Ortslage Bad Kösen als auch in der Ortslage Naumburg unverändert hoch ist.
Die letzten Aufzeichnungen der Verkehrsmengen über die Verkehrsüberwachungsanlage allein in der Ortsdurchfahrt Bad Kösen beschäftigten den Kreistag des Burgenlandkreises in seiner Sitzung am 19. Dezember 2011.
Im zweiten Halbjahr 2011 - es ist also wirklich noch nicht einmal ein Jahr her - wurden je nach Wochentag bis zu 6 500 Kfz pro Tag, also in 24 Stunden, gezählt.
Auffallend ist der starke Anstieg des Schwerlastanteils durch die Rübenkampagne im Herbst. Im September und Oktober lagen die Verkehrsstärken an Werktagen bei bis zu 850 Lkws in 24 Stunden.
Das entspricht einem Schwerlastanteil von 10 bis 15 %. Besonders die hohen Anteile des Schwerlastverkehrs liegen deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 5 bis 6 %. Hier ist er also doppelt so hoch. Dieser enorme Verkehr belastet die Einwohner sehr.
Der Kreistag hat am 6. April 2010 ein deutliches Votum für den Bau der Ortsumfahrung abgegeben. Fast zeitgleich haben dies auch der Gemeinderat Naumburg und der Ortschaftsrat Bad Kösen getan.
An der Stelle nur einige Zahlen und ein kurzer Rückblick: Bereits im Juni und im November 1991 erfolgten erste umfangreiche Verkehrserhebungen. In den Jahren 1992 bis 1995 wurden im Rahmen der Vorplanung für den Neubau der Ortsumfahrung Bad Kösen - Naumburg - Wethau im Zuge des Baus der B 87 acht Varianten untersucht. Das Raumordnungsverfahren mit der planerischen Beurteilung der Ortsumfahrung fand am 15. April 1996 seinen Abschluss.
Durch das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Wohnungswesen wurde am 16. März 1999 die Linienbestimmung mit der Vorzugsvariante einer tunnelfreien Südumgehung mit einer Streckenlänge von 19,1 km und Gesamtkosten in Höhe von 121,7 Millionen DM vorgestellt.
Dann kam das, was ganz normal ist. Das Land Sachsen-Anhalt meldete die Ortsumfahrung Naumburg - Bad Kösen - Wethau als besonders dringliche Maßnahme im Rahmen der Bedarfsplanfortschreibung vom März 2000 an.
Es war ein wunderschöner Tag, als ich im Bundesverkehrswegeplan 2003 lesen konnte: BVWP Nr. ST - für Sachsen-Anhalt - 6062, neue Vorhaben im vordringlichen Bedarf B 87: Ortsumfahrung Bad Kösen mit einer Länge von 11,5 km, Ortsumfahrung Naumburg mit einer Länge von 13,5 km. - Es war geschafft. Nun konnte es weitergehen.
Vermessungsarbeiten für die Südumfahrung in den Gemarkungen Bad Kösen und Naumburg fanden in der Zeit von Februar bis April 2004 entlang der linienbestimmten Trasse statt.
Die Vorentwurfsplanung der Ortsumfahrung Bad Kösen erfolgte im Februar 2006, für Naumburg im März 2008. Im Jahr 2009 wurde für die Ortsumfahrung Bad Kösen das Planfeststellungsverfahren eingeleitet. Das Anhörungsverfahren im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens für das Bauvorhaben B 87 - Ortsumgehung Bad Kösen im Burgenlandkreis - wurde mit dem Termin 26. Januar 2010 festgesetzt und selbstverständlich veröffentlicht. Der Feststellungsbeschluss erfolgte am 30. November 2010. Für die Ortsumgehung Naumburg läuft das Verfahren noch. Hierzu wird der Beschluss spätestens im nächsten Jahr erwartet.
Bis dahin ist alles in Ordnung. Mit dem Bau bzw. mit den Voruntersuchungen konnte nun endlich begonnen werden.
Nachdem nun die wichtigsten Hürden genommen worden waren und nachdem in der Region mehr als 20 Jahre lang diskutiert, gezählt und auch gebangt worden war, nachdem der Planfeststellungsbeschluss vom 30. November 2010 vorlag, haben die Retter des Saaletals mit Dr. Schache an der Spitze gegen den Bau der Ortsumfahrung Bad Kösen, gegen den Bau der Saaletalbrücke protestiert und die Verkehrszählungen angezweifelt.
Noch im Dezember 2010 wurden zwei Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss eingereicht. Das Ergebnis einer solchen Sache ist natürlich Stillstand der Maßnahme. Das Baurecht zur Umgehungsstraße ist behindert.
Besonders bitter ist, dass das bis dahin zur Verfügung gestandene Geld aus EU-Mitteln anderen Projekten zugeführt wurde.
Anfang dieses Jahres sind beide Klagen zurückgenommen worden. Dem Baurecht steht nunmehr prinzipiell nichts mehr im Wege. Aber, verehrte Kolleginnen und Kollegen, das Geld ist weg. Die EU-Mittel wurden anderen Projekten zugeführt.
Vor lauter Enttäuschung, dass die langersehnte Umgehungsstraße wohl doch noch auf sich warten lassen muss, weil eben die Mittel von der EU in andere Projekte geflossen sind, hat sich nach der Bekanntmachung dieser Tatsache eine Bürgerinitiative gegründet, die einmal für etwas ist. Normalerweise sind Bürgerinitiativen gegen etwas: gegen ein Projekt, gegen ein Vorhaben, gegen eine Maßnahme. In diesem Fall ist es einmal umgekehrt. Ich sage Ihnen: Auch das tut gut.
In nur sechs Wochen ist es dieser Bürgerinitiative „Pro Umgehungsstraße“ gelungen, mehr als 6 300 Unterschriften in Naumburg und in Bad Kösen zu sammeln. Vertreter dieser Bürgerinitiative mit ihrem Sprecher Herrn Neumann und dem Oberbürgermeister der Stadt Naumburg, Herrn Küper, übergaben im Beisein mehrerer Abgeordneter und des Ministers Herrn Webel am 22. März 2012 hier im Landtag unserem Landtagspräsidenten Detlef Gürth eine Petition mit den Unterschriftenlisten.
Ich bin den Initiatoren für die Aktion äußerst dankbar. In diesem Fall haben sich mehr als nur eine Handvoll Bürgerinnen und Bürger in die Listen eingetragen, die deutlich zeigen wollen, dass es nicht nur wenige Gegner der Umgehungsstraße gibt, sondern dass die überwiegende Mehrzahl der Einwohner von Bad Kösen und von Naumburg sehr froh wäre, wenn diese beiden Städte endlich umfahren und von dem Fernverkehr entlastet werden können.
Wir, die Unterzeichner des Antrags, möchten, dass die Landesregierung alles dafür tut, dass der Baubeginn der Ortsumfahrung Bad Kösen als erster Schritt für die gesamte Umgehungsstrecke erfolgen kann, und sich beim Bund dafür einsetzt.
Wir bitten Sie um Unterstützung unseres Antrags und um Überweisung in den Ausschuss für Landesentwicklung und Verkehr zur Beratung unseres Anliegens. - Vielen Dank.
Frau Kollegin Niestädt, ich habe drei Nachfragen. Meine erste Frage bezieht sich auf die verkehrlichen Wirkungen der B 87n. Sie haben von der Verkehrsbelegung in den Ortsdurchfahrten gesprochen. Sie haben aber nicht dargestellt, von welcher Entlastungswirkung Sie tatsächlich ausgehen.
Meine erste Frage lautet: Von welcher Entlastungswirkung der Ortsdurchfahrten - vor allem Bad Kösen, Eckartsberga und Wethau - gehen Sie aus? Von welcher Gesamtbelegung der B 87 gehen Sie aus? Das haben Sie in Ihrer Rede nicht erwähnt.
Meine zweite Frage bezieht sich auf den Landschaftsschutz. In einer Diskussion der BI hat eine Touristin besonders auf den Aspekt der Erhaltung des Landschaftsbildes im Saaletal hingewiesen. Auch in dem Planfeststellungsbeschluss wird von einer erheblichen Störung der Kulturlandschaft durch die Saalebrücke gesprochen. Meine Frage lautet: Wie bewerten Sie diesen Sachverhalt?
Drittens. Sie haben postuliert, die Demokratie sei wegen der Vorkommnisse um die B 87n gefährdet. Meine dritte Frage lautet: Habe ich Sie richtig darin verstanden, dass Sie die BI „Rettet das Saaletal“ dafür kritisieren, dass sie ihr Klagerecht in Anspruch nimmt? Denn das würde aus meiner Sicht ein erhebliches Demokratiedefizit bedeuten. - Danke schön.
Ich beginne mit Ihrer letzten Bemerkung bezüglich der Demokratie. Nein, diesbezüglich haben Sie mich völlig falsch verstanden. Ich als Demokratin bin für Bürgerinitiativen, für jede Art von Zusammenschlüssen von Bürgerinnen und Bürgern, die sich positionieren, um ihre Bewertung einzelner Dinge darzustellen. Das ist überhaupt keine Frage.
Ich bin auch nicht gegen die Bürgerinitiative „Rettet das Saaletal“. Hierbei geht es darum, dass Bürgerinnen und Bürger sauer sind, weil das Geld weg ist und nun eigentlich hätte angefangen werden können. Es ist auch keine Kritik am Nabu oder an denjenigen, die die Klagen eingereicht haben - das
Die Leute haben kein Verständnis mehr dafür, mehr als 20 Jahre auf eine Umgehungsstraße zu warten. Das ist ein großes Projekt. Das bedarf vieler Jahre Planung und Vorarbeiten - gar keine Frage. Aber nun haben sie kein Verständnis mehr dafür und sagen: Jetzt kommt die Straße doch nicht.
Zu der Entlastung vom Verkehr. Ich glaube, bei der Nennung der Zahlen - gerade bezüglich des Schwerlastverkehrs, die durchfließen muss, um zur A 9 zu gelangen - ist deutlich geworden, dass dann eine erhebliche Entlastung vorliegt. Wir können das auch gern noch einmal im Ausschuss durch den Minister darstellen lassen. Daher sehe ich in der Tat erhebliche Entlastungen.
Zu den Verkehrszählungen. Ich denke, die aktuellen Zahlen, auch die aus dem Jahr 2011, haben deutlich gemacht, dass es hier keine Entlastung gab, also die Orte nicht schon anderweitig umfahren werden, sondern der ganze Verkehr nach wie vor von Thüringen aus in Richtung Norden durch Bad Kösen, Naumburg und auch Wethau fließt.
Ich bedauere, dass Wethau nicht mehr in der Planung enthalten ist; das sage ich deutlich. Ich denke, sehr viele haben sich bei den letzten Kommunalwahlen - auch ich bei der letzten Landtagswahl - zu der Ortsumfahrung Wethau bekannt. - Vielen Dank.