Protocol of the Session on April 26, 2012

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 24. Sitzung des Landtages von SachsenAnhalt der sechsten Wahlperiode. Ich möchte zu Beginn der Sitzung zwei Nachrichten bekanntgeben, eine sehr freudige und leider eine traurige Nachricht.

Die freudige Nachricht am heutigen Morgen ist, dass wir in unseren Reihen ein Geburtstagskind haben. Es feiert einen runden Geburtstag. Da es sich um eine Dame handelt, muss sie in einem jugendlichen Alter sein.

(Zuruf: Was?! - Herr Borgwardt, CDU: 43!)

Augenscheinlich ist das so. Es ist unsere geschätzte Kollegin Silke Schindler, die heute einen runden Geburtstag begeht. Ich gratuliere Ihnen im Namen des Hohen Hauses und wünsche Ihnen alles erdenklich Gute.

(Beifall im ganzen Hause)

Es hat leider auch eine traurige Nachricht das Hohe Haus ereilt. Das ehemalige Mitglied des Landtages Herr Dr. Martin Schwalba ist im Alter von 77 Jahren verstorben. Herr Dr. Schwalba war Mitglied des Landtages der ersten Wahlperiode und somit einer der Abgeordneten, die in den ersten Jahren nach der friedlichen Revolution sozusagen als Pionier in der Aufbauzeit hier Verantwortung übernommen haben. Er hat sich in diesen Jahren insbesondere für seine fraktionsübergreifende sachliche Arbeit und seinen Arbeitsstil großen Respekt erarbeitet.

Martin Schwalba gehörte der Fraktion der FDP an. Er war in mehreren Ausschüssen tätig, und zwar in den damaligen Ausschüssen für Wirtschaft, für Umweltschutz und für Recht, und übernahm als stellvertretender Vorsitzender Verantwortung für den damaligen Ausschuss für Umwelt und Naturschutz.

Ich bitte Sie, sich im Gedenken an unseren verstorbenen Kollegen von den Plätzen zu erheben. - Ich danke Ihnen.

Ich stelle nunmehr die Beschlussfähigkeit des Hohen Hauses fest.

Zur Anwesenheit der Mitglieder der Landesregierung gibt es zu Beginn der Sitzung Folgendes mitzuteilen: Mit Schreiben des Staatsministers vom 18. April 2012 bat die Landesregierung darum, für die 14. Sitzungsperiode die folgenden Mitglieder zu entschuldigen:

Herr Minister Dr. Aeikens bittet, seine Abwesenheit am zweiten Sitzungstag wegen der Teilnahme an der Agrarministerkonferenz zu entschuldigen.

Herr Staatsminister Robra bat mit Schreiben vom 19. April 2012, seine Abwesenheit am zweiten Sitzungstag bis 11 Uhr wegen eines kurzfristig festgesetzten Termins für ein Berichterstattergespräch zur Besteuerung von Sportwetten im Deutschen Bundestag zu entschuldigen.

Gestatten Sie mir vor Eintritt in die Tagesordnung eine Anmerkung. Wir sind immer wieder überrascht, welche Themen wie viel Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit erlangen. Wenn bestimmte Themen den Landtag berühren, sollten wir uns, wenn das erforderlich zu sein scheint, dazu äußern. Ich möchte zur Festlegung der Tagesordnung zum Verständnis, vielleicht auch zur allgemeinen Aufklärung einige wenige Anmerkungen machen.

Die erste Bemerkung. Ich habe einigen wenigen Medien die Nachricht entnehmen können, dass es angeblich außergewöhnlich sein soll, dass die Einordnung eines einzelnen Tagesordnungspunktes in die Tagesordnung einmütig erfolgte. Dazu möchte ich aufklärend mitteilen: Der Ältestenrat regelt die Angelegenheiten des Hohen Hauses, sowohl Angelegenheiten der Geschäftsordnung, Abläufe, innerbetriebliche Angelegenheiten als auch die Tagesordnung der Plenarsitzung immer im Einvernehmen. Insofern ist das nicht außergewöhnlich.

Ich empfehle Ihnen dazu die einschlägigen Publikationen, die meine Amtsvorgänger mit einer entsprechenden Beschreibung des Arbeitscharakters des Ältestenrates herausgegeben haben. Darin wird diese Arbeitsweise seit Jahren so beschrieben.

Das ist auch gut so, weil sowohl die Reihenfolge der Tagesordnungspunkte im Plenum als auch die Geschäftsordnungsfragen und andere wichtige Fragen immer so geregelt werden sollten, dass nicht Mehrheiten die Arbeitsbedingungen für Minderheiten bestimmen. Das sollte vielmehr einvernehmlich geschehen.

Die zweite Mitteilung. Ich kann Sie alle beruhigen, die Sorge, dass bei bestimmten Tagesordnungspunkten ab einem späteren Zeitpunkt die Aufmerksamkeit oder gar die Zugänglichkeit für Zuschauer nicht mehr gegeben ist, kann ich nehmen. Gerade Berufstätigen ist es am späten Nachmittag und am frühen Abend eher möglich, einer Plenardebatte live zu folgen. Sie müssen dann nicht bis zum nächsten Morgen auf die Printmedien oder am Abend auf die elektronischen Medien warten. Insofern ist das eher ein Vorteil als ein Nachteil.

Eine dritte Anmerkung. Ich kann Ihnen eine weitere Sorge nehmen, sofern sie tatsächlich vorhanden sein sollte, nämlich dass irgendjemand die Hoffnung hat, durch frühe oder späte Einordnung eines Tagesordnungspunktes in die Tagesordnung besondere oder wenig Aufmerksamkeit zu erreichen.

Es gibt Themen, die immer genügend Aufmerksamkeit bekommen werden. Das ist nicht ungewöhnlich und insofern auch kein Entscheidungskriterium für die Einordnung eines Themas in die Tagesordnung.

(Zustimmung bei der CDU)

Außerdem möchte ich Sie darauf hinweisen, dass heute nach dem Abgeordnetengesetz, das, wie nachrichtlich schon erwähnt, gegen 18 Uhr behandelt wird, ein weiterer Tagesordnungspunkt auf der Tagesordnung steht, den ich dringend der Aufmerksamkeit aller anempfehle.

Es handelt sich um den Tagesordnungspunkt 15, den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Thema „Krise der Solarindustrie“. In diesem Zusammenhang werden ein Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der SPD, ein Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE sowie eine Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wissenschaft und Wirtschaft behandelt. Des Weiteren liegt ein Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vor. Berichterstatter wird Herr Tögel sein.

Das Thema „Krise der Solarindustrie“ steht leider erst für 18.50 Uhr auf der Tagesordnung, ist deswegen aber nicht minder bedeutend. Ich erwähne das deswegen, weil diese Thematik nicht nur für Investoren von Interesse ist, sondern insbesondere für die vielen Familien, die in der Hoffnung auf einen sicheren Arbeitsplatz im Raum Bitterfeld ihr Häuschen gebaut oder gekauft haben und es nun finanzieren müssen. - Ich denke, das war einmal anzumerken.

Allen Kolleginnen und Kollegen, die deswegen heute spät arbeiten müssen und im Hause akkreditiert sind, gebe ich heute Abend einen Kaffee oder einen Espresso aus. Das Thema „Krise der Solarindustrie“ ist, auch wenn es unter dem letzten Tagesordnungspunkt, nach der Behandlung des Abgeordnetengesetzes, beraten wird, ein wichtiges Thema. Es genügt, in der Kantine den Presseausweis vorzuzeigen.

(Zustimmung bei allen Fraktionen - Frau Brakebusch, CDU: Oh! - Herr Weigelt, CDU: Aber! - Heiterkeit)

Ich frage nunmehr: Gibt es noch Anmerkungen zur Tagesordnung? - Das ist nicht der Fall. Dann können wir so verfahren, wie es im Ältestenrat einvernehmlich beschlossen worden ist.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:

Beratung

Biodiversität sichern - Arten schützen

Antrag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 6/1015

Alternativantrag Fraktionen CDU und SPD - Drs. 6/1052

Änderungsantrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 6/1060

Für die Einbringer hat der Abgeordnete Herr Weihrich das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestern wurde wieder ein Jahrestag gefeiert. Zum 60. Mal jährte sich der „Tag des Baumes“. Schon am ersten „Tag des Baumes“ im Jahr 1952 sollte auf die Übernutzung der Wälder, die große Bedeutung des Waldes für die Wirtschaft und auf das Prinzip der Nachhaltigkeit aufmerksam gemacht werden.

Sie alle wissen, dass das Prinzip der Nachhaltigkeit aus der Forstwirtschaft abgeleitet wurde. Der Baum steht noch heute sinnbildlich für Nachhaltigkeit und für Ökosystemdienstleistungen. Der „Tag des Baumes“ hat nichts von seiner Aktualität eingebüßt.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und von Herrn Scheurell, CDU)

Weniger als eine Woche ist es her, dass die UNStaatengemeinschaft entschieden hat, das Sekretariat des Weltbiodiversitätsrates, des IPBES, des Intergovernmental Sience-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services, das Pendant zum Weltklimarat, in Deutschland anzusiedeln. Das sind zwei aktuelle Ereignisse, die die Verantwortung für das Thema Biodiversität unterstreichen und verdeutlichen sollen.

Meine Damen und Herren! Wir stehen vor einer der zentralen globalen Herausforderungen unserer Zeit, und es ist unsere Aufgabe, sich dieser Verantwortung zu stellen - sich dieser Verantwortung zu stellen, indem wir konsequent handeln, global und auch in Sachsen-Anhalt.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Die Ziele des Biodiversitätsschutzes auf internationaler Ebene sind in der Konvention über die biologische Vielfalt, der CBD, niedergelegt, die vor 20 Jahren im Rahmen der Rio-Konferenz ausgehandelt worden ist. In Artikel 6 hatten sich die Vertragsstaaten verpflichtet, nationale Umsetzungsstrategien zur Erreichung der Ziele der CBD zu entwickeln, und bereits am 7. November 2007 wurde die Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt vom Bundeskabinett verabschiedet.

Das bildet den Handlungsrahmen für ein vielfach unterschätztes Umweltproblem, ein Umweltproblem, bei dem konsequentes Handeln dringend erforderlich ist, um den fortschreitenden Verlust der Artenvielfalt zu stoppen. Denn das Ausmaß, welches dieser Prozess angenommen hat, und ganz

besonders die Geschwindigkeit, mit der Arten von unserem Planeten verschwinden, sind beängstigend.

Die aktuelle Rate des globalen Artensterbens übersteigt die angenommene natürliche Aussterberate um das Hundert- bis Tausendfache. Europa ist besonders betroffen, weil dort die durchschnittliche Verteilung der Arten deutlich zurückgehen wird - so jedenfalls die Ergebnisse der TEEB-Studie, auf die ich später noch einmal zurückkommen werde.

Meine Damen und Herren! Jede Art ist wie ein Niet in den Tragflächen eines Flugzeuges und wir alle sind die Besitzer der Fluggesellschaft, die einen Niet nach dem anderen herausnehmen, weil man ihn mit Gewinn verkaufen kann. Obwohl abzusehen ist, dass das Flugzeug irgendwann einmal abstürzen muss, machen wir weiter. Dieses Bild zeigt: Wir müssen alarmiert sein und den Zwang zum Handeln, den Zwang zum Umsteuern erkennen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Aber warum ist es eigentlich so wichtig, die Artenvielfalt zu erhalten? - Tatsächlich gibt es dafür unzählige Gründe:

Zunächst einmal zu nennen sind ethisch-religiöse Gründe, wie die Bewahrung der Schöpfung und der Eigenwert der Lebewesen, der intrinsische Wert. Darauf werden sicherlich die Kolleginnen und Kollegen der CDU noch eingehen, sodass ich das nicht näher ausführen muss.

Ein weiterer Grund: Arten und Lebensräume und die Landschaften, die durch sie geprägt werden, sind Teil unserer kulturellen Identität.

Schließlich - das möchte ich ganz besonders betonen - gibt es ökonomische und soziale Gründe, die Artenvielfalt zu erhalten. Der Wert der Leistungen, die die Ökosysteme bereitstellen, kann gar nicht im Einzelnen bewertet werden. Daten finden sich nur vereinzelt. So hat zum Beispiel die Universität Hohenheim den Wert der Bestäubungsleistung der Bienen errechnet und ist auf einen Betrag von immerhin 3 Milliarden € pro Jahr allein in Deutschland gekommen.

Im Rahmen der bereits erwähnten TEEB-Studie „The Economics of Ecosystems and Biodiversity“ haben Forscher die ökonomischen Konsequenzen des Biodiversitätsverlustes berechnet und dabei vor allem den Qualitätsverlust der Lebensräume berücksichtigt. Das alarmierende Ergebnis lautet: Wenn wir nicht handeln, würde die jährliche Wirtschaftsleistung im Jahr 2050 um 7 % zurückgehen. Addiert bis zum Jahr 2050 wären das Kosten von bis zu 99 Trillionen €.

In dieser Studie noch nicht einmal enthalten sind die Auswirkungen in der Medizin. Natürlich vor