Würde in unserem Land eine Regierung nur ihre Gesinnung zur alleinigen Leitlinie des Handelns machen und dabei die Grundrechte des Bürgers missachten, verkäme sie zur Räuberbande und verlöre ihre politische Legitimation. Freiheitsrechte gehen jeden an. Sie bedeuten Schutz des Bürgers vor willkürlichen Eingriffen der Staatsgewalt in besonders grundlegende Rechtsgüter - bis hin zu Leib und Leben.
Wie bitter notwendig dieser Grundrechtsschutz ist, zeigt ein Blick in unsere Geschichte. Zu häufig schon trat hierzulande die Staatsgewalt im deut
schen Namen auf und verwehrte aufgrund einer politischen Gesinnung anders Denkenden unveräußerbare Menschenrechte - mit schrecklichen Folgen.
Wer meint, dass diese Zeiten überwunden sind und sie nur noch Geschichte seien, der unterstützt die Lehren nicht, die aus der Vergangenheit zu ziehen sind. Wir sollten die Lehren ernst nehmen und wehrhaft sein.
Wenn Parteien verfassungsmäßig verankerte Grundrechte eklatant leugnen, missachten oder deren Missachtung in Kauf nehmen, dann gehören sie meiner Meinung nach verboten;
denn es ist unsere Pflicht, Grundrechte zu schützen und nicht eine Partei. Aus diesem Grunde gehört die NPD verboten. Daher bin ich meinen Kollegen Innenministern für den Beschluss der Innenministerkonferenz dankbar, dass ein erfolgreiches NPD-Verbotsverfahren angestrengt wird.
Sehr geehrte Damen und Herren! Ich will nicht verkennen, dass ein Verbotsverfahren gegen die NPD nicht ganz einfach ist. Gerade wir Demokraten, die Grundrechte zur Basis unseres staatlichen Handelns gemacht haben, können politische Gegner nicht einfach rechtlos stellen. Darum ist es auch gut, dass der Verfassungsgeber hohe Hürden für ein Parteiverbot aufgestellt hat. Aber ich bin zuversichtlich, dass wir diese Hürde im Fall der NPD überwinden können.
Aus meiner Sicht verfolgt die NPD Ziele, die mit den in der Verfassung niedergelegten Grundrechten nicht vereinbar sind. Die NPD ist aus meiner Sicht rassistisch, fremdenfeindlich und antidemokratisch. Sie versucht, dies nur dürftig zu kaschieren, um sich Parteiprivilegien, insbesondere die staatliche finanzielle Förderung, zu erhalten.
So wie die NPD ihre Ziele nur notdürftig verschleiert, so wenig entschlossen reagiert bislang der Staat auf die aus meiner Sicht deutliche Verfassungswidrigkeit der NPD. Oft wurde argumentiert, dass die Verfassungsschutzdienste gute Informationsquellen hätten und man daher schon aus taktischen Gründen kein Verbotsverfahren anstrengen solle.
Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin hierbei für eine klare Linie. Lassen Sie uns der NPD den Schleier der Verfassungstreue nehmen und ein Verbotsverfahren vorbereiten und betreiben. Wir haben aufgrund der aktuellen Ereignisse umso mehr Grund, ein solches Verfahren entschlossen zu betreiben.
Der Umgang mit unserer Geschichte muss zu der Maxime führen, dass wir es nicht zulassen können, dass es Kräfte gibt, die unter Berufung auf unsere grundrechtlich geschützte Freiheit die kulturelle Ordnung zerstören, die unsere Freiheit erst möglich macht.
Sehr geehrte Damen und Herren! Zum damaligen Urteil in dem Verbotsverfahren ist anzumerken, dass die sogenannte V-Mann-Problematik von der Mehrheit der Verfassungsrichter nicht so eng gesehen wurde, wie es danach häufig dargestellt wurde.
Ob es einem Parteiverbot bereits entgegensteht, dass ein V-Mann Mitglied im Bundes- oder in einem Landesvorstand ist, ist letztlich noch nicht endgültig entschieden. Schon gar nicht ergibt sich aus dem Urteil, dass der Staat gar keine V-Leute einsetzen darf, wenn er ein Parteiverbot begründen will.
Klar ist aber, dass die Partei, die verboten werden soll, nicht von einem V-Mann gesteuert bzw. das öffentliche Erscheinungsbild der Partei von einem V-Mann geprägt werden darf. Wirkt eine verfassungswidrige Partei auch bewusst über Dritte, zum Beispiel sogenannte freie Kameradschaften, so muss es dem Staat auch möglich sein, diese verfassungswidrigen Verbindungen aufzuklären und in ein Verbotsverfahren mit einzubringen.
Wie soll das in diesen Bereichen anders als durch V-Leute erfolgen? - Ich glaube, der Einsatz von V-Leuten - ungeachtet dessen, wie man das zukünftig kontrolliert - ist im Rahmen einer wehrhaften Demokratie weiter erforderlich.
Aber - diesbezüglich bin ich Ihnen dankbar, Herr Präsident; Sie haben es anklingen lassen - selbst bei einem erfolgreichen Verbotsverfahren ist die Gefahr nicht gebannt. Ein erfolgreiches Verbotsverfahren wäre ein gutes Signal in die Gesellschaft und bedeutete zudem den Entzug finanzieller Mittel. Damit allein ist es aber nicht getan.
Verbote ändern nicht das Denken, beseitigen eben nicht extremistisches Gedankengut. Verbote verhindern nicht, dass halbpolitisch Radikale weiter Hakenkreuze und Hetzparolen auf Wände schmieren, sie verhindern nicht, dass einige in ihrem dumpfen Rechtsradikalismus immer noch nicht verstanden haben, dass die Nazis Träume bedienten, während sie in Wirklichkeit den Albtraum vorbereiteten.
Es verhindert auch nicht per se, dass in SachsenAnhalt bei einem Verbot der NPD mit 250 Mitgliedern die 800 rechtsextrem subkulturell Geprägten, die eben nicht dieser Partei angehören, weiter ihr Unwesen treiben können.
Wichtig ist es daher, den in unserem Bundesland begonnenen ganzheitlichen Bekämpfungsansatz weiter fortzuschreiben und vorhandene Bekämp
Wir benötigen hierzu repressive und präventive Instrumentarien und auch Gesetzänderungen. Dazu gehören polizeiliche Präsenz, Durchführung von Gefährdungsansprachen und Videoüberwachung an Kriminalitätsbrennpunkten.
Zu den Gesetzänderungen gehörten auch die Bestrebungen aus diesem Land, gegen extremistische Straftaten entschiedener vorzugehen. Der Landtag von Sachsen-Anhalt - auch ich habe mich damals im Rechtsausschuss dafür stark gemacht - hat die Landesregierung im Juni 2007 gebeten, gegebenenfalls mit anderen Bundesländern eine Bundesratsinitiative mit dem Ziel in die Wege zu leiten, eine gesetzliche Strafverschärfung für Straftaten einzuführen, die aufgrund einer anderen politischen Einstellung als der des Täters, der Zugehörigkeit zu einem anderen Volk oder einer anderen Nation, einer anderen Glaubensrichtung oder Weltanschauung, aufgrund des Erscheinungsbildes, der Hautfarbe oder der sexuellen Orientierung des Opfers begangen worden sind.
Sachsen-Anhalt brachte gemeinsam mit den Ländern Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern im Jahr 2007 den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches in den Bundesrat ein. Der Bundesrat hat in seiner Sitzung im Juli 2008 beschlossen, den Gesetzentwurf in den Deutschen Bundestag einzubringen. Die Bundesregierung hat die Gesetzesvorlage dem Bundestag zugeleitet. Sie ist jedoch in der 16. Wahlperiode des Bundestages nicht mehr beraten worden und der Diskontinuität anheimgefallen. Ein erneuter Versuch im Februar 2010 führte letztlich zu einem Vertagungsbeschluss im Innen- und im Rechtsausschuss. Aus meiner Sicht sollte hierzu ein neuer Versuch unternommen werden.
Neben repressiven Maßnahmen und Gesetzesänderungen ist es wichtig, dass wir in unserem Land weiter ernsthaft Prävention betreiben. Hier müssen wir zunächst alle in uns gehen. Werte einer Gesellschaft, meine Damen und Herren, Moralvorstellungen und respektvoller Umfang mit gegenseitiger Achtung voreinander wollen zunächst von uns selbst gelebt, vermittelt und an Dritte weitergegeben werden. Die Weitergabe an unsere Kinder, Kindeskinder, in Schulen, an Jugendliche ist unentbehrlich, um Wertmaßstäbe und einen toleranten Umgang miteinander ohne Vorurteile zu erzielen und zu vermitteln.
Dort, wo es uns auffällt, dass von uns hochgehaltene Werte von außen angegriffen werden, ist es unsere Pflicht, Zivilcourage an den Tag zu legen und bei antisemitischen oder fremdenfeindlichen Vorfällen einzugreifen.
legt. Im Bereich meines Ministeriums sind es Broschüren wie „Symbole und Kennzeichen des Rechtsextremismus“ oder „Rechte Spur im Netz“. Die Polizei Sachsen-Anhalt hat das Medienpaket „Auf leisen Sohlen“ oder das Projekt „Buntes Licht auf braunen Schatten“ sowie „Schritte gegen Tritte“ und verschiedene Maßnahmen mehr ins Leben gerufen. Sie müssen angenommen und weiter forciert werden.
Die Landesregierung von Sachsen-Anhalt stellt sich dem Problem des Rechtsextremismus durch umfangreiche Maßnahmen zur Stärkung einer handlungsfähigen Bürgergesellschaft, die vor Ort eine Vielzahl und Vielfalt von Institutionen und Initiativen mobilisieren kann, sich zum gemeinsamen Handeln vernetzt und rechtsextremistischen Interventionen aktiv begegnet.
Mit der Gründung des Netzwerkes für Demokratie und Toleranz im Jahr 2005 hat sich das Land Sachsen-Anhalt dazu bekannt, dass eine gemeinsame Anstrengung von Politik, Verwaltung und Gesellschaft nötig ist, um dem Problem des Rechtsextremismus entgegenzuwirken und eine lebendige Demokratie zu gestalten.
Im Netzwerk sind ca. 280 Vereine und Initiativen vertreten. Hauptaufgabe ist die Vernetzung von zivilgesellschaftlichen und staatlichen Akteuren in Bezug auf Maßnahmen zur Stärkung der Demokratie. Dazu gehörten von Anfang an auch umfangreiche Bildungs- und Informationsangebote.
Seitdem nimmt die Geschäftsstelle des Netzwerkes neben der Koordination der eigenen Mitglieder in unterschiedlichen Bereichen, wie zum Beispiel der Initiative „Hingucken und Einmischen!“ oder dem Bundesprogramm „Zusammenhalt durch Teilhabe“, koordinierende Aufgaben wahr.
Mit dem Aktionsprogramm gegen Rechtsextremismus der Landesregierung vom 17. Oktober 2006 wurde unter anderem die Kampagne „Hingucken und Einmischen! Für ein demokratisches und weltoffenes Sachsen-Anhalt“ ins Leben gerufen, die aufgrund der hohen Resonanz aus der Zivilgesellschaft nach einem Jahr verstetigt wurde und bis heute viele Bürger, Vereine und Verbände motiviert, sich aktiv vor Ort für Demokratie einzusetzen.
Das dritte Standbein im Aufgabenbereich des Netzwerkes für Demokratie und Toleranz ist das Schulnetzwerk „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“. Mit landesweit 65 Schulen ist dies das größte Schulnetzwerk Sachsen-Anhalts, mit 1 000 Schulen bundesweit das größte Deutschlands.
„Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“ ist ein Projekt von und für Schüler und Schülerinnen, die gegen alle Formen von Diskriminierung, zum Beispiel Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz, aktiv vorgehen und die demokratische Kultur in Schule und Alltag stärken wollen.
Mit dem neuen Landesprogramm für Demokratie, Vielfalt und Weltoffenheit will die Landesregierung bestehende Programme und Maßnahmen bündeln, koordinieren und durch neue Maßnahmen ergänzen. Mit der Unterstützung des Bundesprogramms „Toleranz fördern - Kompetenz stärken“ sind in Sachsen-Anhalt Beratungsstrukturen aufgebaut und lokale Aktionspläne umgesetzt worden.
Das Beratungsnetzwerk gegen Rechtsextremismus hält an vier Standorten des Landes, und zwar in Salzwedel, Magdeburg, Halle und Dessau, für das Land Sachsen-Anhalt vielfältige Beratungsangebote vor.
Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir, zu dem Antrag der Fraktion der GRÜNEN kurz Stellung zu nehmen.
Die Gewaltverbrechen haben uns gezeigt, dass mit einer bisher noch nicht für möglich gehaltenen Qualität bei der Planung, Vorbereitung und Begehung von Verbrechen gearbeitet wird. 13 Jahre lang haben terroristische Gruppierungen unter uns gewaltet, ohne dass Sicherheitsbehörden den Ernst der Lage erkannt haben.
Die Taten der NSU lassen keinen Zweifel daran, dass auf dem Nährboden des Rechtsextremismus Radikalisierungsprozesse in unserer Gesellschaft stattgefunden haben, aus denen die Bereitschaft zur Verübung von Morden, Anschlägen und anderen schwersten Straftaten erwachsen ist.
Aus den jüngsten Geschehnissen der Terroranschläge haben sich intensive Ermittlungen und Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und Extremismus ergeben. Die Ermittlungen werden durch den Generalbundesanwalt mit aller Kraft vorangetrieben. Fast täglich werden der Öffentlichkeit neue Ermittlungsergebnisse präsentiert.
Ich möchte im Wesentlichen auf das eingehen, was wir in Sachsen-Anhalt konkret nach dem Bekanntwerden der Taten unternommen haben.
Das Landeskriminalamt hat von mir zeitnah den Auftrag bekommen, eine Koordinierungsstelle einzurichten, um Informationen und mögliche Maßnahmen im Land bündeln zu können.
Zudem ist in meinem Ministerium zur Aufarbeitung eine gemeinsame Arbeitsgruppe aus Polizei und Verfassungsschutz eingesetzt worden, die die Lage in unserem Land analysiert, die laufenden Maßnahmen im Zusammenhang mit den Erkenntnisse der BAO Trio koordiniert, die Formen der Zusammenarbeit unter Berücksichtigung der aktuellen Lage auf den Prüfstand stellt und die bundesweite Vorschläge, wie zum Beispiel zum gemeinsamen Abwehrzentrum Rechts oder zur Verbunddatei Rechts, bewertet und aktiv auch personell begleitet.
Ferner werden Vorschläge zur Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Polizei und Verfassungsschutz auch unter Berücksichtigung bundesweiter Vorschläge und Umsetzungen erarbeitet.
Des Weiteren unterstützt Sachsen-Anhalt andere Bundesländer mit Spezialeinheiten bei operativen Maßnahmen und ist auch an der personellen Unterstützung interessiert, um die BAO Trio im Bundeskriminalamt zu stärken. Für Sachsen-Anhalt gilt, dass wir derzeit keine Hinweise darauf haben, dass der „Nationalsozialistische Untergrund“ Straftaten hier im Land begangen hat.
Die in Zwickau aufgefundene Liste aus dem Jahr 2005, auf der sich 148 Personen und Institutionen aus Sachsen-Anhalt befanden, ist im Zusammenwirken des LKA und des Verfassungsschutzes ausgewertet worden. Die darin benannten Personen des öffentlichen Lebens und Institutionen sind persönlich, per Boten und diejenigen, die nach mehrfachen Versuchen nicht angetroffen worden sind, per Anschreiben darauf hingewiesen worden, dass sie auf der Liste aufgeführt sind.
Bei den Gesprächen, meine Damen und Herren, ist die Sprachregelung des Generalbundesanwaltes angewendet worden. Es wurde eine Liste mit zahlreichen Namen gefunden. Nach den bisherigen Ermittlungen gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Liste im Zusammenhang mit konkreten Anschlagsplanungen der NSU stehen könnte. Eine erhöhte Gefährdungslage lässt sich für Sachsen-Anhalt oder einzelne Personen derzeit nicht festmachen.