Herr Kolze, geben Sie mir darin Recht, dass eine Neuwahl der PKK auf der Grundlage des momentan gültigen Verfassungsschutzgesetzes möglich gewesen wäre?
Ich glaube aber, auch durch das, was ich ausgeführt habe, ist dem Hohen Hause deutlich gemacht worden, warum dies so nicht erfolgt ist. - Danke schön.
Wir steigen in die Debatte ein. Es ist eine Fünfminutendebatte vereinbart worden. Es spricht für die Fraktion DIE LINKE Frau Abgeordnete von Angern.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Liest man Ihren Gesetzentwurf, Herr Kollege Schröder, Frau Kollegin Budde, Frau Kollegin Professor Dalbert, kommt mir in den Sinn, dass die Verbesserung der parlamentarischen Kontrolle des Verfassungsschutzes viel einfacher umzusetzen ist, als ich bisher angenommen habe.
Wie Sie in Ihrer Gesetzesbegründung schreiben, trägt bereits die Erhöhung der Mitgliederzahl von vier auf fünf Mitglieder dazu bei, frei nach dem Motto: Fünf Augenpaare sehen mehr als vier.
Fast wäre ich geneigt, Sie zu fragen, warum es nicht sechs oder - wie in Bayern - gar sieben Mitglieder sein sollen, wenn man die parlamentarische
Kontrolle so ressourcensparend verbessern kann. Ihre Botschaft ist letztendlich: Mehr Abgeordnete kontrollieren auch mehr.
Die Medien haben diese Aussage sehr unkritisch übernommen. So titelte die „Volksstimme“: „Verfassungsschutz soll besser kontrolliert werden“. Sie führte als Beleg die Erhöhung der Zahl der Sitze und unter Bezug auf eine Aussage von Ihnen, Herr Schröder, die Verlagerung der Geschäftsstelle der PKK vom Verfassungsschutz zur Landtagsverwaltung an.
Dabei geht es hierbei nicht um ein Mehr an Kontrolle, sondern vor allem um eines: um unser Selbstbewusstsein als Abgeordnete in diesem Hohen Hause; denn das „P“ in der Abkürzung „PKK“ steht für „parlamentarisch“.
Wir haben uns hier seit der Verabschiedung des Verfassungsschutzgesetzes den Missstand geleistet, als einziges Parlament in Deutschland hinzunehmen, dass ein parlamentarisches Gremium nicht durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der eigenen, also der Parlamentsverwaltung, sondern durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der zu kontrollierenden Behörde geschäftsstellenseitig betreut wurde. Dafür haben wir, die Kontrolleure, es billigend in Kauf genommen, dass uns die zu Kontrollierenden bei der Kontrolle zuarbeiten. Nirgendwo in Deutschland dulden das freie und vor allem unabhängige Parlamentarierinnen und Parlamentarier.
Das Land Sachsen-Anhalt befindet sich diesbezüglich seit zwei Jahrzehnten in einem Ausnahmezustand. Ich denke, das war ein fatales Signal und es ist gut und richtig, dass wir das gemeinsam ändern.
Doch worum geht es nun tatsächlich in dem vorliegenden Gesetzentwurf? Sie wollen die Zahl der Sitze von vier auf fünf erhöhen. In der Besetzung der PKK ist die Mehrheit des Landtages auch künftig frei, sieht man von der größten Oppositionsfraktion ab, der ein Sitz garantiert ist. Darüber hinaus entscheidet die Mehrheit der Mitglieder, also die Mehrheit der Koalition, wie die verbleibenden vier Sitze besetzt werden.
Nun haben Sie, Frau Professor Dalbert, den Gesetzentwurf sicher in der Hoffnung mit unterschrieben, dass Ihrer Fraktion einer der fünf Sitze zugestanden wird - Herr Kolze führte das soeben auch aus -, aber es ist eben auch nicht sicher, weil Sie an den guten Willen der Koalition gebunden sind.
Das war verbunden mit der Hoffnung, dass an Sie entgegen der sich aufgrund der Landtagswahl am 20. März 2011 ergebenden realen Sitzverteilung im Landtag ein Sitz abgetreten wird. Denn würde man diese fünf Sitze nach dem Höchstzahl- oder nach dem Rangmaßzahlverfahren verteilen, erhielten die CDU und die LINKE jeweils zwei Sitze und die SPD einen Sitz; die GRÜNEN gingen leer aus. So etwas kann man durchaus einen „guten Deal“ nennen, auf den sich drei Parteien, allerdings zulasten einer vierten Partei, geeinigt haben.
Meine Damen und Herren! Die Arbeit des Verfassungsschutzes in Deutschland ist gegenwärtig wegen des eher zufälligen Aufdeckens der rechtsextremistischen Terrorzelle in aller Munde. Dass diese Terrorzelle so lange unerkannt in Deutschland operieren konnte, ist nicht nur ein Versagen der Sicherheitsbehörden, sondern indirekt auch ein Versagen der parlamentarischen Kontrolle des Verfassungsschutzes. Der gesamte Kontrollmechanismus des Verfassungsschutzes gehört daher dringend auf den Prüfstand gestellt, wenn man das Verfassungsschutzgesetz in einer politisch so sensiblen Situation ohnehin schon anfasst.
Meine Erwartung an uns alle ist, dass wir insbesondere mit Blick auf eine erfolgreiche Bekämpfung des Naziterrors vor allem unsere Kontrollinstrumente evaluieren, um zu prüfen und somit festzustellen, ob und inwieweit die Verfassungsschutzbehörde auch unseres Landes in der Vergangenheit möglicherweise Fehler gemacht hat. Deshalb fordere ich eine Evaluierung der Kontrollinstrumente und eine Auswertung der Erfahrungen auf der Grundlage einer modernen demokratischparlamentarischen Kontrolle des Verfassungsschutzes.
Meine Damen und Herren! Wir müssen hier in Sachsen-Anhalt darangehen, die Kontrollinstrumente zu überprüfen und die anderen parlamentarischen Kontrollgremien in Deutschland mit ihren gesetzlichen Regelungen und den darauf basierenden Erfahrungen anzuhören, um in diesem Hohen Hause ein gutes Gesetz zu verabschieden, das tatsächlich ein Mehr an parlamentarischer Kontrolle des Verfassungsschutzes bringt; denn, meine Damen und Herren, parlamentarische Kontrolle bedeutet eben auch Mitverantwortung der Kontrollierenden. Ich bitte alle Fraktionen, das auch bei den Personalvorschlägen zu berücksichtigen. Es geht hier eben nicht um Quantität, sondern um Qualität, meine Herren.
Dass eine solche Evaluation dieses Gesetzes aber nicht gewollt ist, zeigt Ihr Zeitplan: Einbringung heute, Innenausschussberatung heute, unverzüg
Um eine neue PKK wählen zu können - deswegen stellte ich die Frage soeben auch Herrn Kolze -, hätten wir dieses Verfahren hier nicht gebraucht.
Ich kann Ihnen heute schon versichern, dass meine Fraktion im nächsten Jahr gern auch gemeinsam mit der anderen Oppositionsfraktion eine Änderung des Verfassungsschutzgesetzes auf den parlamentarischen Weg bringen wird mit dem Ziel, neue Kontrollinstrumente zu schaffen. Die Änderungsanträge meiner Fraktion berücksichtigen das heute noch nicht. Sie stellen lediglich sicher, dass die Opposition tatsächlich in beiden Gremien vertreten ist.
Meine Damen und Herren! Das Verbot der NPD wird - wenn es denn überhaupt gelingen wird - nicht der große Schlag gegen den Rechtsterrorismus sein.
Viel wesentlicher ist es, dass Politik, Behörden, Justiz und vor allem jeder und jede höchstpersönlich rechte Menschenfeindlichkeit eben nicht bagatellisieren, wie es in der Vergangenheit geschehen ist, sondern ernst nehmen und sich damit in jedem Fall auseinandersetzen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Danke, Herr Präsident. - Sehr geehrte Frau Kollegin von Angern, Sie haben jetzt das zweite Mal auf das geltende Gesetz und nicht auf den Gesetzentwurf, der hier in Rede steht, reflektiert. Mir stellt sich noch die Frage: Geben Sie mir Recht, wenn ich sage, dass Abgeordnete immer gut daran tun, ein Gesetz zu verbessern, und dass genau das mit der Vorlage dieses Gesetzentwurfes jetzt geschehen ist?
Herr Borgwardt, grundsätzlich gebe ich Ihnen darin Recht, dass es dem Parlament frei steht, eine Änderung eines Gesetzes vorzunehmen, wenn es ei
nen Missstand erkennt, und dass sich daraus eine Verbesserung der Situation ergeben kann. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf ist das aber nicht geschehen.
Weitere Anfragen gibt es nicht. - Wir fahren in der Debatte fort. Für die Fraktion der SPD spricht der Abgeordnete Herr Erben.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hätte es nach dem Banküberfall am 4. November 2011 in Eisenach nicht die Entdeckung einer rechtsterroristischen Mordserie in von in Deutschland unvorstellbarem Ausmaß gegeben, die heutige Gesetzesänderung hätte sicherlich kaum öffentliche Beachtung gefunden und hätte wahrscheinlich schon gar nicht zu einer Sondersitzung dieses Hohen Hauses geführt. Auch die Randerscheinung, dass wir zu zwei Kontrollgremien und deren Zusammensetzung noch etwas zu regeln haben, ist dadurch schlagartig in den Fokus der Öffentlichkeit geraten.
Um es vorwegzunehmen: Die parlamentarische Kontrolle hat auch in der Übergangszeit seit April 2011 in unserem Lande funktioniert. Diesbezüglich bin ich in Anbetracht der Person des Vorsitzenden der PKK Manfred Püchel und seiner Mitstreiter völlig außer Zweifel.
Ich möchte an dieser Stelle nicht versäumen, den derzeitigen PKK-Mitgliedern für ihre gewissenhafte Arbeit in dieser Zeit herzlich zu danken.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir alle waren dramatischen Fehleinschätzungen erlegen. Alle Verfassungsschutzberichte von Bund und Ländern in den letzten 15 Jahren waren falsch. Es gibt Rechtsterrorismus in Deutschland. Rechtsterroristen haben unschuldige Menschen ermordet. Das hat zu einer Vertrauenskrise des Verfassungsschutzes in der deutschen Öffentlichkeit geführt. Ich finde es gut, dass der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz Heinz Fromm das auch öffentlich so deutlich eingeräumt hat.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch die parlamentarische Kontrolle hat nicht überall wirklich funktioniert. Das schätzten unsere Kollegen in den sicherlich hauptsächlich betroffenen Ländern Thüringen, Sachsen und Hessen quer über die politischen Lager auch so ein.