Protocol of the Session on January 28, 2016

Meine Damen und Herren! Meine Fraktion legt Ihnen mit dem vorliegenden Antrag einen Lösungs

ansatz vor. Wir legen Ihnen hiermit einen konkreten Vorschlag vor, der aus unserer Sicht juristisch korrekt ist und unverzüglich für Entlastung sorgen könnte, indem einerseits kurzfristig die Personalstärke bei der Polizei für den aktiven Einsatz erhöht und andererseits auf Dauer eine angemessene personelle polizeiliche Ausstattung gewährleisten werden kann.

Damit soll zugleich sichergestellt werden, dass die entsprechenden Zielzahlen von mehr als 6 000 Vollzugsbeamtinnen mittelfristig garantiert werden können.

Um das zu realisieren, ist sicherzustellen, kurzfristig bis zu 300 verbeamtete Polizistinnen als Polizeiwachtmeister in der Besoldungsgruppe A 5 einzustellen. Hierzu sind die entsprechenden beamtenrechtlichen Voraussetzungen zu schaffen.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der SPD, dass Sie dem jetzt vorliegenden Alternativantrag zugestimmt haben, lässt mich fast verstummen. Sie haben lediglich unseren Punkt 2 herausgenommen, der für sich allein genommen keine Abhilfe schaffen wird. Wo ist hier die Alternative? Die prekäre Personalsituation bei der Polizei soll somit weiter auf den Knochen der Polizistinnen ausgetragen werden.

Im November 2015 gab es eine dpa-Meldung Ihres innenpolitischen Sprechers, wonach die SPD durchsetzen will, dass die Einstellung neuer Polizistinnen ausschließlich im Beamtenverhältnis erfolgen soll. In der „Volksstimme“ vom 23. Januar 2016 erklärte Herr Erben ebenfalls:

„Die erhöhte Arbeitsbelastung der Polizei im Zusammenhang mit der Ankunft von Flüchtlingen und Asylbewerbern in Sachsen-Anhalt selbst ist kein Vorkommnis im oben genannten Sinne.“

Oder blicken wir in die „MZ“ vom 20. Januar 2016. Darin heißt es:

„Erben legte Stahlknecht erneut nahe, seine Pläne zu beerdigen: ‚Er sollte sie in die Schublade packen, in der bereits die Pläne für eine Reiterstaffel liegen.’“

Am 11. November 2015 gab es eine gleichlautende Pressemitteilung Ihrer Fraktionsvorsitzenden mit der Forderung, 300 Wachtmeisterinnen und Wachtmeister einzustellen mit dem Ziel der Verbeamtung. Vielleicht lag es ja am Datum des 11. November; so kann man dann in aller Ruhe erklären, dass am Aschermittwoch alles vorbei ist.

Ich frage Sie: Wie weit wollen Sie sich noch vor Ihrem Koalitionspartner verbiegen? Bitte bedenken Sie: Der Beugungsgrad des Rückgrats ist endlich.

(Herr Gallert, DIE LINKE, lacht - Herr Kurze, CDU: Sagen Sie mal! - Herr Kolze, CDU: Oh!)

Meine Damen und Herren! Aber nicht nur die Personalsituation macht der Polizei zu schaffen, sondern auch schlechte Arbeitsbedingungen - Sie alle kennen die Zustände in vielen Polizeirevieren und auch Polizeidirektionen -, eine Arbeitsbelastung, die an die Grenzen des Zumutbaren geht bei immer steigenden Anforderungen, dem daraus resultierenden hohen Krankenstand und eine Beförderungssituation, die dem allen nicht gerecht wird.

Aus einer Antwort auf eine Kleine Anfrage von mir vom Dezember 2015 ergibt sich, dass 1 601 Polizei- bzw. Verwaltungsbeamte und -beamtinnen zwar die Voraussetzungen einer Beförderung erfüllen, aber bisher nicht befördert wurden. Wir finden, das ist ein Skandal.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren! Sie haben heute die Möglichkeit, durch Zustimmung zu unserem Antrag dafür zu sorgen, dass zeitnah die nicht mehr hinzunehmende äußerst prekäre Situation bei der Polizei in Sachsen-Anhalt durch eine rechtlich saubere Lösung ein wenig entschärft werden kann. Das sind Sie, das sind wir den Polizistinnen und Polizisten in diesem Land schuldig, die jeden Tag trotz widriger Bedingungen für unser aller Sicherheit sorgen. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung von Herrn Striegel, GRÜNE)

Für die Landesregierung spricht Minister Stahlknecht.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe von Anfang an und auch während der Umstrukturierung bzw. der Polizeistrukturreform immer darauf hingewiesen, dass wir zur Aufrechterhaltung der Sicherheit in unserem Land 6 000 Polizeibeamtinnen und -beamte benötigen.

Jeder kann nachlesen, dass es dazu eine sehr lebhafte Diskussion gab, eine Diskussion, in der mit mir sehr kritisch umgegangen wurde. Herr Erben, ich sage das jetzt einmal in Ihre Richtung: Wir haben diese Politik zwar mitgetragen; diese Diskussion wurde jedoch von der Politik des Finanzministers getragen, den Ihre Fraktion gestellt hat. Auch das gehört zur Wahrheit. Daher ärgert es mich manchmal - ich erlaube mir das einmal zu sagen, ohne menschliche Verletzung -, dass Sie sich hinstellen und so tun, als wären Sie in den letzten Jahren nicht persönlich dabei gewesen. Nehmen Sie das bitte einfach mal zur Kenntnis.

Mir ist es in schwierigen Debatten, Frau Tiedge, gelungen, den Einstellungskorridor von 150 auf 250 Stellen zu erhöhen. Gemeinsam mit dem Fi

nanzminister haben wir sogar überlegt, weil die Notwendigkeit weit vor der Flüchtlingskrise erkennbar war, den Einstellungskorridor vielleicht sogar auf 300 Stellen zu erhöhen, möglicherweise auch auf 350 Stellen. Das hätte aber vorausgesetzt, dass wir erst einmal weitere räumliche Möglichkeiten in Aschersleben schaffen, was nicht von heute auf morgen geht. Zudem hätten wir einen zusätzlichen Personalbedarf an Hochschullehrern gehabt.

Daher habe ich mir gesagt - Sie kennen mich lange genug -: Der Alltag besteht aus Kompromissen; Grundsätze gelten an Feiertagen. Ich empfand die 250 Stellen erst einmal als Erfolg, weil zumindest während meiner Amtszeit der Einstellungskorridor nahezu verdoppelt worden ist.

Wir sind uns darin einig, dass wir - ich komme gleich darauf zu sprechen - aufgrund der zusätzlichen Aufgaben und aufgrund der Altersstruktur in unserer Polizei, bei der ab einem gewissen Alter eine gewisse Belastbarkeit für die Bediensteten schwierig ist, eine weitere Erhöhung dieses Einstellungskorridors auf 300 oder möglicherweise 350 Stellen brauchen.

Es gibt verlässliche Berechnungen aus meinem Haus, die besagen, dass man für die Wahrnehmung der gesamten Aufgaben bei der Polizei 7 046 Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte

braucht. Man wird mit diesem Ergebnis sicherlich in Verhandlungen gehen. Dann wird man sehen, ob es 6 600 oder 6 700 sein werden. Das Ergebnis mag ich nicht vorwegnehmen.

Ich bin mir sicher, dass die intensive Diskussion in den letzten Jahren und auch die Sicherheitslage im Land zu einem Umdenken und zu der Erkenntnis führen - auch das habe ich immer gesagt -, dass Sicherheit eine der Basisvoraussetzungen für das Zusammenleben in einer friedlichen Gesellschaft ist. Es ist im Übrigen auch ein Wettbewerbsfaktor für Unternehmensansiedlungen, ob ein Land sicher ist oder nicht. Wir sprechen gelegentlich - auch das sage ich - wesentlich intensiver und emotionaler über soziale Projekte, die durchaus wichtig sind. Nur muss ich - damit bin ich wieder beim Finanzminister - in der Gesamtschau eines Landeshaushaltes wissen, wo ich Prioritäten setze.

Ich denke, wir haben jetzt die Verantwortung, auch weil es schwieriger geworden ist, wesentlich mehr Prioritäten im Bereich der inneren Sicherheit zu setzen.

Ich will jetzt nicht darauf eingehen, dass wir uns zusätzlich anstrengen, 50 Stellen mit ehemaligen Feldjägern der Bundeswehr zu besetzen. Dazu könnten Sie, Frau Tiedge, jetzt sagen: Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein. Ich würde Ihnen vielleicht noch nicht einmal widersprechen.

Weiterhin haben wir die Situation, dass wir - das hat sich schon verändert, Frau Tiedge - eine Vielzahl von Asylbewerberunterkünften haben, die wir sowohl von innen als auch von außen sichern müssen. Dabei gilt mein Dank unserer Polizei. Wir sind eines der Bundesländer, in dem es die wenigsten Übergriffe gegeben hat. Das haben wir auch unserer Polizei durch eine gute Kommunikation in den Einrichtungen zu verdanken.

(Beifall bei der CDU)

Wir müssen eine Vielzahl von Demonstrationen absichern, die wir, wenn wir fair sind Frau Tiedge, vor drei Jahren nicht vorhergesehen haben. Wenn ich Sie vor drei Jahren gefragt hätte, ob Sie „Magida“ oder „Legida“ kennen, hätten Sie und ich wahrscheinlich an ein Gewürz gedacht. Wir wären bei diesen Begriffen einfach nicht darauf gekommen.

Daher habe ich vorgeschlagen - jetzt komme ich zu dem, was Sie an mir kritisieren -, analog zu Sachsen - ich dachte, es sei eine gute Idee, weil das in Sachsen die SPD mitgetragen hat - eine Hilfspolizei im Angestelltenverhältnis befristet auf drei Jahre mit einer fundierten Ausbildung auf den Weg zu bringen und nach drei Jahren zu sagen: Diejenigen, die sich als Angestellte besonders bewährt haben, bekommen die Chance, in das Beamtenverhältnis übernommen zu werden mit einer Anrechnung der bisherigen Stehzeit in den drei Jahren und einer verkürzten Ausbildung an der Fachhochschule.

Dann kam Kollege Erben mit Herrn Petermann und hat gesagt: Grundsätzlich nicht schlecht, aber wir wollen das gern als Verbeamtung. Dazu sage ich zwei Dinge: Wir wären das einzige Bundesland gewesen, die das mit einer Verbeamtung gemacht hätte. Nun ist das ein schwaches Argument nach dem Motto: Das haben wir noch nie so gemacht. Aber der andere Punkt wäre gewesen, dass wir die Leute mit Besoldungsgruppe A 5 oder A 6 als Beamte auf Lebenszeit eingestellt und damit eine völlig neue Laufbahn geschaffen hätten.

Ich bin lange genug in dem Geschäft, auch in unterschiedlichen Verantwortungspositionen. Ich kann Ihnen sagen, was passiert wäre: In sechs oder sieben Jahren wären genau die gleichen Gewerkschaften gekommen und hätten gesagt, dass es nicht angehen könne, dass wir eine Gruppe von 300 oder 200 Personen haben, die so niedrig besoldet ist und in der eigenen Polizei nicht mehr ernst genommen wird. Wir wollen, dass diese Personen jetzt auch alle nach A 8, A 9 oder A 10 bezahlt werden.

Ich weiß, wie dazu die Debatte hier gelaufen wäre. Man hätte gesagt: Das müssen wir jetzt machen, Herr Minister. Dann hätte ich Ihnen die Frage gestellt: Bekomme ich mehr Geld oder geht das

zulasten der Beförderungen, obwohl wir sowieso einen Beförderungsstau haben? - Auch das gehört zur Wahrheit.

Aber, lieber Herr Erben, ich hätte das ja mitgemacht. Wir sollten auch in der Öffentlichkeit gelegentlich einmal sagen, wie es gewesen ist. Herr Kollege Kolze, der noch sprechen wird, kann das bezeugen. Wir haben Sie, Herr Erben, gebeten, mit dem Finanzminister zu sprechen und ihn zu fragen, ob er uns 200 zusätzliche Beamtenstellen abweichend vom PEK gibt. Dafür gibt es Zeugen.

Ich habe von Ihnen einen Brief bekomme, in dem steht: Sie haben die Stellen selbst; die müssen Sie nur besetzen. - Sie waren lange genug Staatssekretär, um persönlich zu wissen, dass das, was Sie mir vorgeschlagen haben, nicht geht. Wenn Sie in der Zeitung verlautbaren, wir hätten 600 freie Stellen, dann ist das, lieber Herr Kollege, ein Taschenspielertrick. Sie haben gleich mal die 250 Stellen einbezogen, die wir für die Anwärter brauchen.

Dann war es so - das finde ich äußerst ärgerlich; ich mache Ihnen das persönlich aber nicht zum Vorwurf, da ich weiß, wie schwierig es ist, Stellen beim Finanzminister zu bekommen -, dass das aufgrund der Kürze der Zeit, die uns noch verblieb, nicht mehr zustande kam. Ich habe aber gesagt, dass das Problem bestehen bleibt. Wir können - Sie werfen mir das gelegentlich vor oder lassen mir das über die Gewerkschaft vorwerfen - keine vernünftige Verkehrsüberwachung mehr machen. Damit haben Sie völlig Recht.

Im Übrigen ist, liebe Frau Tiedge, die Regelung in § 83 SOG mit „Hilfspolizeibeamte“ und nicht mit „Hilfspolizeiangestellte“ überschrieben. Ich kann es auch nicht ändern, es steht so im Gesetz.

(Zuruf von Frau Tiedge, DIE LINKE)

- Ja, es steht aber Gesetz. - Daher haben wir erstens gesagt: Okay, dann stellen wir 200 Personen ein, die wir für die Verkehrsüberwachung einsetzen. Das kann ich ohne jede Notlage. Das sehen Sie, wenn Sie das Gesetz lesen. Zweitens haben wir gesagt: Wir wollen uns zumindest die Verordnungsgrundlage dafür schaffen, von diesen 200 einzustellenden Personen auch einige dafür einzusetzen, wenn es in Objekten für Asylbewerber Gefährdungssituationen gibt.

Wir sind schon der Auffassung - ich besonders -, dass die Flüchtlingssituation ausgelöst durch Krieg diese Fälle im Gesetz beschreibt und das mittelbare Auswirkungen auf das Land Sachsen-Anhalt hat.

Ich frage Sie anders herum: Was wäre denn die Alternative, wenn irgendetwas dort passiert und wir nicht in der Lage wären, dort vernünftig zu reagieren? Wie wäre denn dann die öffentliche Diskussion?

Wir haben eine Verordnung, die uns zunächst ermächtigt, das zu tun. Diese Verordnung ist vollkommen rechtmäßig.

(Herr Knöchel, DIE LINKE: Nein!)

- Aber selbstverständlich. Glauben Sie es mir. Sie können das ja anders beurteilen.

(Herr Knöchel, DIE LINKE: Wir lassen das gerichtlich überprüfen!)

- Das können Sie gern tun. Dabei wünsche ich Ihnen viel Spaß.

(Zuruf von der LINKEN)