Für unser Bundesland ist es wichtig, dass wir aus dem Versagen Nordrhein-Westfalens die richtigen Schlüsse ziehen und unser sicheres Bundesland noch sicherer machen. Meine Damen und Herren! Ich sage es ganz deutlich: Die Landes- und die Bundespolitik sind nach den Vorkommnissen in der Silvesternacht gefordert, nicht nur
ihrer Empörung und Entrüstung Ausdruck zu verleihen, sondern alles dafür zu tun, dass keine Räume entstehen, in denen das sexuelle Selbstbestimmungsrecht der Frau keine Gültigkeit besitzt. Die Ministerin hat es ebenfalls in ihrer Rede betont.
Auf der Bundesebene lässt man den Ankündigungen auch Taten folgen. Es kommt endlich zu umfangreichen notwendigen Änderungen im Ausländer- und Asylrechtsverfahren, die bereits seit vielen Jahren Kernforderungen der Union sind. Das ist ein klares Signal an die zu uns kommenden Menschen, dass sie sich rechtstreu zu verhalten und die Grundlagen unseres Zusammenlebens zu achten haben.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass Opfer sexueller Gewalt besser geschützt werden. Der Opferschutzbericht unseres Landes, über den wir im Dezember 2015 eingehend debattiert haben, hat uns gezeigt, dass wir im Land ein engmaschiges und gutes Netz an Beratungs- und Hilfsangeboten, wie Opferberatung, Gewaltschutzambulanzen, Zeugenbetreuung bei Gerichtsprozessen, vorhalten. Auch in diesem Bereich sind wir in SachsenAnhalt gut aufgestellt.
Handlungsbedarf besteht aber im repressiven Bereich, sowohl bei häuslicher Gewalt als auch bei Übergriffen im öffentlichen Raum. Es ist eine deutliche Verschärfung des Sexualstrafrechts geboten; Frau Ministerin sagte es und wir unterstützen dies als Fraktion ganz deutlich.
Ich bin Frau Dr. Kolb-Janssen ganz besonders dankbar dafür, dass sie sich zu den Vorschlägen der Bundesregierung für unser Bundesland positioniert hat. Schutzlücken bei strafwürdigen Handlungen gegen die sexuelle Selbstbestimmung müssen zügig geschlossen werden. Ich bin auch froh, dass die Politik, insbesondere auf der Bundesebene, über alle Parteigrenzen hinweg klare und deutliche Worte in der Debatte dazu gefunden hat, ob Frauen etwas an ihrem Verhalten ändern müssen, um das Risiko, Opfer eines Sexualdelikts zu werden, verringern zu können. Ich finde die Bemerkung des Kölner Imams unerträglich, dass die Frauen durch aufreizende Kleidung und Parfüm eine Mitschuld an diesen Übergriffen in Köln getragen haben.
Keine Frage: Sexualisierte Gewalt ist ein gesamtgesellschaftliches Problem. Die aktuelle gesellschaftliche Debatte darf nicht dazu führen, sexualisierte Gewalt verkürzt und ausschließlich nur im Zusammenhang mit Asylsuchenden und Flüchtlingen zu thematisieren. Denken wir nur an die häusliche Gewalt, der der Landtag in vielfältiger Form wirkungsvoll begegnet.
Aber eines sage ich auch ganz deutlich: Das, was in der Silvesternacht in Köln und anderen Städten geschehen ist, ist kein gesamtgesellschaftliches Problem, sondern ein importiertes. Ich kann mich nicht entsinnen, dass es in Deutschland jemals zuvor - Sie sind einmal auf einen Fall beim Fußball eingegangen, das war aber keinesfalls vergleichbar - in einem solchen Ausmaß zu Gewalt und sexuellen Übergriffen auf Frauen im öffentlichen Raum gekommen ist.
Die Bilder erinnern mich sehr an die systematischen sexuellen Übergriffe auf dem Tahrir-Platz in Kairo in der Vergangenheit. Zur Ehrlichkeit gehört auch, meine Damen und Herren, die Herkunft der bisher ermittelten und in Rede stehenden Straftäter zu nennen. Sie kommen fast ausschließlich aus dem nordafrikanischen Raum.
Auch in einem weiteren Punkt stimme ich nicht mit der antragstellenden Fraktion überein. Diejenigen Ausländer - egal woher sie kommen -, die mit solchen kriminellen Handlungen, insbesondere gegen die sexuelle Selbstbestimmung und körperliche Unversehrtheit, auffallen und die Grundlagen unseres Zusammenlebens mit Füßen treten, verwirken ihr Gastrecht und sind abzuschieben.
Das unterscheidet uns eben. Und ich finde, das ist gut so. Das ist auch eine klare Wähleransprache. Sie bezeichnen die Abschiebung krimineller Ausländer als unrechtmäßige Doppelbestrafung. Ich möchte nicht näher darauf eingehen; die Frau Ministerin hat erläutert, dass es nicht so ist. Wir hingegen sorgen für notwendige Gesetzesänderungen im Ausländer-, im Aufenthalts- und im Sexualstrafrecht.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bitte Sie abschließend um Zustimmung zu unserem Alternativantrag. Diesmal ist die Problematik überhaupt nicht thematisiert worden; denn jeder erkennt, dass das tatsächlich ein Alternativantrag ist. Wenn man sich zum Beispiel Punkt 2 ansieht, Herr Gallert, so unterscheiden wir uns darin elementar. - Ich danke Ihnen herzlich für die Aufmerksamkeit.
Danke, Kollege Borgwardt. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht die Abgeordnete Frau Lüddemann. Bitte sehr.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Der Antrag der LINKEN beschreibt - zumindest aus grüner Sicht - Selbstverständliches. Aber in zugespitzten Zeiten ist es nötig, zugespitzt zu formulieren und klar zu fordern. Natürlich lehnen wir - ich denke, das eint alle Fraktionen in diesem Hohen Hause - sexuelle Gewalt und Belästigung ausnahmslos ab, egal von wem ausgeübt, egal von wem erlitten.
Eingangs erlaube ich mir, auf eine kleine Ungenauigkeit im ersten Satz hinzuweisen. Darin steht, dass der Landtag sexuelle Gewalt gegen Mädchen und Frauen auf das Schärfste verurteilt, aber selbstverständlich gilt das natürlich auch für sexuelle Gewalt gegen Jungen und Männer und, wie man jetzt so schön zusammengefasst sagt, LSBTI. Ich glaube, das ist nur eine Einengung.
Grundsätzlich kann ich sagen, dass wir allen Punkten in dem Antrag der LINKEN uneingeschränkt zustimmen können. Diesem können wir sehr viel mehr zustimmen als dem Antrag der Koalition. Denn politisch geht es doch um eines - hierbei kann ich mich dezidiert den Worten des Kollegen Gallert anschließen -: Wir müssen die Aufmerksamkeit, die das Thema sexualisierte Gewalt jetzt genießt - so traurig der Anlass auch ist -, dazu nutzen, Ergebnisse zu erzielen, wofür Engagierte auf diesem Feld, Frauengruppen etc., seit mehr als fünf Jahren, seit mehr als zehn Jahren, seit 30 Jahren kämpfen. Bisher haben diese Engagierten sehr oft Häme geerntet und keine breite Aufmerksamkeit, wie es aktuell der Fall ist.
Was wir brauchen, ist, gerade im Bereich des Strafrechts längst überfällige Reformen endlich auf den Weg zu bringen und Lücken zu schließen, Reformen, die wir Bündnisgrünen - das ist in den Protokollen des Bundestages nachzulesen - seit Langem fordern.
Insbesondere der bereits erwähnte § 177 des Strafgesetzbuches, in dem es um Vergewaltigung geht, ist mehr als lückenhaft. Die gängige und einleuchtende Formel „Nein heißt Nein!“ gilt gesetzlich nicht. Ein klar geäußerter Wille zählt nicht. Das ist schlicht und einfach eine Entmündigung des Opfers. Fälle, bei denen sich die vergewaltigte Person nicht wehrt, nicht um Hilfe ruft, weil sie etwa starr vor Angst ist oder weil sie ihre Kinder, die im Nebenzimmer schlafen, nicht wecken will, zählen juristisch betrachtet nicht als Vergewalti
Damit sind wir schon bei dem aktuellen Kern der Debatte, der mich ebenfalls fassungslos macht. Es geht nämlich nicht um Migrationsfragen, es geht nicht um Ausländerfragen. Wer seine stetigen Forderungen nach einer härteren Gangart in der Flüchtlingspolitik jetzt an dieses Thema hängt, wer die verabscheuungswürdigen Ereignisse von Köln zum Anlass nimmt, eine ganze Bevölkerungsgruppe zu verdammen, der macht die Frauen, die in der Silvesternacht zu Opfern geworden sind, erneut zu Opfern,
(Herr Borgwardt, CDU: Darauf habe ich ge- wartet, dass das unsere Schuld ist! Darauf habe ich gewartet!)
- Ich habe Ihren Namen nicht genannt. Ich würde jetzt, im Gegenteil, darauf zu sprechen kommen, was Sie, den Imam von Köln betreffend, gesagt haben. Darin stimme ich nämlich mit Ihnen überein. Volker Beck, ein GRÜNER, wie Sie wissen, hat nicht umsonst Strafanzeige gegen diesen Imam gestellt. Das ist genauso verabscheuungswürdig.
Aber ich stelle hier auch ganz klar die Frage: Hat es denn vor Köln keine sexuelle Belästigung gegeben?
Ich arbeite seit mehr als 25 Jahren im Bereich sexueller Belästigung, im Bereich sexueller Gewalt mit Opfern, an unterschiedlichen Stellen. Wenn einige Ereignisse, die in diesen Jahren stattgefunden haben, nur annähernd die öffentliche Aufmerksamkeit gefunden hätten wie jetzt die Ereignisse von Köln, dann wären wir, glaube ich, schon sehr viel weiter.
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN - Herr Weigelt, CDU: Frau Lüddemann, was haben Sie für schöne Geschichten!)
Es drängt sich durchaus die Einschätzung auf, dass sich die deutsche Öffentlichkeit nur aufregt, wenn ein dunkelhäutiger Mann eine weiße Frau belästigt. Wenn aber ein weißer Mann eine weiße Frau belästigt, dann ist das eher Normalität und Privatsache.
(Herr Borgwardt, CDU: Das ist keine Relati- vierung? - Herr Kolze, CDU: Das ist eine Verallgemeinerung!)
Insofern ist als erster Schritt der Gesetzentwurf aus dem Hause Maas zu begrüßen. Jetzt komme ich doch auf die CDU zu sprechen, Kollege Borgwardt. Dieser Gesetzentwurf, mit allen Mängeln, die er hat, hat so lange gebraucht, weil er im Bundeskanzleramt nicht freigegeben wurde. Das ist jedenfalls meine Kenntnislage.
Insofern frage ich mich: Wo steht die CDU an dieser Stelle? - Das gehört zur Wahrheit nämlich auch dazu.
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Herr Borgwardt, CDU: Ja, klar! Wir sind an Köln schuld! Wir sind daran schuld! Das wissen wir!)
Dass wir neben der Aussage „Nein bleibt Nein!“ im Vergewaltigungsparagrafen - hierin stimme ich mit der Frau Ministerin ausdrücklich überein - auch einen Tatbestand der sexuellen Belästigung im Strafrecht brauchen, ist auch eine jahrzehntelang erhobene Forderung von Frauenverbänden. Vielleicht kommen wir in der nächsten Legislaturperiode hinsichtlich der Gemeinsamkeit ein Stückchen weiter.
Wo die Prioritäten in der bundesdeutschen Politik insgesamt liegen, die das nämlich letztlich alles regeln muss, ist, glaube ich, spätestens seit gestern klar. Es hat nur 27 Tage gedauert, um das Ausländerrecht zu verschärfen. Wir können die Jahre nicht mehr zählen, die Frauengruppen investiert haben, um das Sexualstrafrecht zu verschärfen. Ich glaube, die Prioritäten sind ziemlich klar.