Wir stimmen zuerst ab über den Antrag der Fraktion DIE LINKE in der Drs. 6/4622 mit dem Titel „Bundesfernstraßengesellschaft stoppen“. Wer diesem Antrag seine Zustimmung erteilt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Zustimmung bei der Fraktion DIE LINKE. Wer stimmt dagegen? - Die Koalitionsfraktionen. Wer enthält sich der Stimme? - Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordnete Herr Scheurell. Damit ist der Antrag abgelehnt worden.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der Koalitionsfraktionen in der Drs. 6/4623 mit dem Titel „Bewährte Strukturen der Bundesauftragsverwaltung beibehalten“. Wer diesem Antrag seine Zustimmung erteilt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Die Koalitionsfraktionen und die Fraktion DIE LINKE. Wer stimmt dagegen? - Niemand. Wer enthält sich der Stimme? - Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Damit wurde dem Antrag zugestimmt. Meine Damen und Herren, wir können den Tagesordnungspunkt 22 verlassen.
Wir kommen zu dem letzten Beratungsgegenstand für heute. Dieser war ursprünglich für die morgige Sitzung vorgesehen, wurde dann jedoch vorgezogen.
Bundesverkehrswegeplan 2015 - Prioritäten setzen, kostengünstige Alternativen prüfen, unrealistische Projekte streichen
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bevor ich auf unseren Antrag eingehe, möchte ich kurz einige allgemeine Ausführungen zum Bundesverkehrswegeplan machen. Das Thema dürfte nicht allen in diesem Hohen Hause geläufig sein.
Der Bundesverkehrswegeplan ist nach der allgemeinen Definition ein Planungs- bzw. Steuerungsinstrument. Mit diesem soll der Rahmen für Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur des Bundes abgesteckt werden, einerseits zur Erhaltung der Verkehrsinfrastruktur und andererseits auch für den Aus- und den Neubau.
Frau Berthold, darf ich Sie kurz unterbrechen? - Meine Damen und Herren! Wir verstehen die Rednerin hier vorn sehr schlecht. Bitte hören Sie Frau Berthold noch einige Minuten zu.
(Herr Borgwardt, CDU: Fahren Sie doch das Rednerpult nach unten, dann brauchen Sie den Zettel nicht so hoch zu halten!)
Der Bundesverkehrswegeplan wird vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur erarbeitet und soll im Jahr 2016 von der Bundesregierung beschlossen werden. Er soll für sage und schreibe 15 Jahre gültig sein. Bei der Aufstellung des Bundesverkehrswegeplans soll angeblich abgeschätzt werden, ob ein erwogenes Projekt unter Berücksichtigung der Vor- und Nachteile gesamtwirtschaftlich sinnvoll und notwendig ist.
Derzeit warten wir noch immer auf den ersten Referentenentwurf zum Bundesverkehrswegeplan. Ursprünglich war dieser für September 2015 angekündigt. Nun kommt er erst im nächsten Jahr. Wann genau, weiß wohl kein Mensch, nicht Herr Webel in Magdeburg und schon gar nicht sein Kollege Herr Dobrindt in der Berliner Invalidenstraße. In Berlin ist man offensichtlich völlig überfordert mit den langen Anmeldelisten der Bundesländer im Bereich Straßenverkehr. Diese Listen zu begutachten kostet viel Zeit und viel Geld.
Aber lassen Sie mich wegkommen von der Bundesebene und auf Sachsen-Anhalt schauen. Unsere Landesregierung hat beim Thema Bundesverkehrswegeplan nämlich Schuld auf sich geladen.
Sie hat für unser Bundesland mit etwa 2,2 Millionen Einwohnern tatsächlich 80 Straßenbauprojekte nach Berlin geschickt,
Man weiß natürlich im Landesverkehrsministerium, dass sich die Umsetzung dieser 80 Straßenbauprojekte aufgrund der Wahnsinnskosten bis weit über das Jahr 2025 hinaus erstrecken würde. Auch Straßenprojekte, die im Bundesverkehrswegeplan 2003 in die höchste Prioritätsstufe - „vordringlicher Bedarf“ - kamen, brauchen noch viele, viele Jahre, um finanziert zu werden, und sind dazuzurechnen.
Uns fehlen an dieser Stelle jedenfalls ganz klar Priorisierungen. Diese sind aufgrund der Überzeichnung unbedingt notwendig.
Vielleicht hat das Land Sachsen-Anhalt Glück und die Experten in Berlin übernehmen die Arbeit unserer Landesregierung und bewerten die 80 Straßenbauprojekte. Wenn sie sie konsequent und sachlich bewerten, müssten sie von der Mehrzahl der Projekte in dem ersten Referentenentwurf abraten.
Dieser erste Entwurf kann für Herrn Webel und das Ministerium für Verkehr noch einmal eine große Chance darstellen. Deshalb, Herr Minister Webel, setzen Sie sich mit den in Berlin vorgenommenen Bewertungen auseinander, schauen Sie sich die Verkehrsprognosen noch einmal genau an. Achten Sie auf Projektrisiken, etwa den notwendigen Artenschutz oder Aspekte des Hochwasserschutzes.
Das Land Sachsen-Anhalt hat noch immer die Möglichkeit, sich von unnötigen und überdimensionierten Straßenbauprojekten zu verabschieden. Es wäre auch eine wichtige Möglichkeit, die eigene Verwaltung von unnötigen Planungskosten zu entlasten. Sie ist damit bereits jetzt überfordert. Außerdem ist es nicht motivierend für die Mitarbeiter, sich mit Straßenplanungen zu befassen, die nie oder erst in 30 Jahren realisiert werden.
Schließlich würde auch der Landeshaushalt um etliche Millionen Euro entlastet. Die Planungskosten bleiben zum größten Teil beim Land hängen; nur ein kleiner Teil wird vom Bund übernommen, nämlich 3 % der gesamten Projektkosten - aber nur wenn überhaupt gebaut wird.
Warum also den eigenen Haushalt mit nicht finanzierbaren Wunschlisten belasten? - Das Land ist hoch verschuldet und sollte das Geld lieber in Bildung oder Kinderbetreuung fließen lassen.
(Herr Borgwardt, CDU: Und in Schuhe, da- mit alle laufen können! - Herr Miesterfeldt, SPD: Und wie kommen die Kinder zum Kin- dergarten? - Frau Niestädt, SPD: Und die Muttis zur Arbeit?)
Aber nicht nur das Land hat jetzt noch Möglichkeiten. Auch die Öffentlichkeit ist nach dem ersten Referentenentwurf gefordert, sich aktiv einzubringen.
(Herr Miesterfeldt, SPD: Vor allem die grü- nen Muttis fahren alle mit dem Auto! - Hei- terkeit bei der SPD und bei der CDU)
Zumindest wurde dies vom Dobrindt-Ministerium als die große Novelle gerühmt. Die versprochene Öffentlichkeitsbeteiligung verkommt aber wohl zur Bürgerbeteiligungsshow. Bedingung für eine erfolgreiche Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger wäre ein ergebnisoffener Dialog.
Doch bis hierher lässt die Bundesregierung die Öffentlichkeit im Unklaren über Zeitraum und Ablauf des Verfahrens. Es ist nicht klar, wie mit möglichen Alternativvorschlägen umgegangen wird und inwiefern sich die Bürgerinnen und Bürger zu den Verkehrsprojekten äußern dürfen. Darf sich die Öffentlichkeit direkt nach der Veröffentlichung des Referentenentwurfes beteiligen? Oder setzt das Verfahren erst zwei oder vier Wochen später ein? Ist die sechswöchige Beteiligungsphase in Stein gemeißelt, oder sind längere Beteiligungsfristen, wie von Experten bereits angemahnt, möglich?
In welcher Form auch immer, die Landesregierung sollte konkret über Beginn und Ende der Bürgerbeteiligung informieren. Sie sollte darüber informieren, wo die Projektbewertungen im Internet abgerufen werden können bzw. in welchen Landes-, Kreis- und kommunalen Verwaltungen die Unterlagen ausliegen. Auch entsprechende Telefonnummern und Mail-Adressen von zuständigen Mitarbeitern sollten der Öffentlichkeit und Bürgerinitiativen mitgeteilt werden.
Das Thema bietet viel Raum für offene Fragen, die der Öffentlichkeit beantwortet werden sollten. Letztlich geht es um das Leben demokratischer Prinzipien. Das zeigt sich auch darin, was mit den Stellungnahmen der Bürgerinnen und Bürger in Berlin passiert.
Wenn es das BMVI ernst meint, werden diese Stellungnahmen in die weitere Bewertung einfließen. Man kann nur hoffen, dass dies passiert und den Bundesverkehrswegeplan verbessert.
So bewerten die Bürgerinnen und Bürger den Sinn oder Unsinn gerade von Straßenverkehrsprojekten erstaunlich nüchtern. Dabei verfallen sie, anders als manch Regionalfürst beim Straßenbau, nicht dem Größenwahn.
Die Position unserer Landtagsfraktion zur A-14Nordverlängerung ist hinlänglich bekannt. Wir wollen dieses überdimensionierte Großprojekt nicht.
In unserem Antrag halten wir uns allerdings mit dieser Forderung sogar zurück. Hierin fordern wir nämlich, dass die vom BUND und den Bürgerinitiativen entwickelte Alternativvariante zur A-14-Nordverlängerung bei der Erstellung des Bundesverkehrswegeplanes 2015 geprüft wird. Bisher ist
dem nicht so. Die Landesregierung hat den BUNDVorschlag, obwohl darum gebeten wurde, gar nicht erst nach Berlin geschickt.