Meine Damen und Herren! Gerade weil die Tarifautonomie ein heiliges Gut ist, gilt dies auch für tariflich ausgehandelte Löhne und Mindestlöhne. Aber die Lebenswirklichkeit der Tarifpartner in Deutschland und insbesondere auch im Lande Sachsen-Anhalt zwingt uns in der Begründung zu dem Antrag zu dem Satz - Herr Kollege Franke, hören Sie bitte zu -: Nur wenn keine Einigung zwischen den Tarifparteien herzustellen ist, kann die Politik den gesetzlichen Rahmen für die Lohnfindung setzen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, ob sich das alles von ganz allein entwickeln wird, werden wir gemeinsam beobachten. Wir werden dann auch aus dieser Beobachtung heraus zu den notwendigen Beschlüssen kommen. Herr Franke, wenn es vielleicht zwei Jahre nach der deutschen Einheit vernünftig war, tarifliche Unterschiede in erheblichen Größenordnungen zu haben - 20 Jahre danach ist es ganz sicher nicht vernünftig.
Ich darf an dieser Stelle der CDU-Fraktion für die Antragsinitiative danken und dem Minister für das geschlossene Bündnis. Ich danke der CDU insbesondere dafür, dass sie uns dann etwas hat mitwirken lassen. Das galt insbesondere an dem Punkt, als es um die Stärke von Gewerkschaften ging. Das galt aber auch an dem Punkt, als es um die gesetzliche Rahmenfindung für die Löhne gegangen ist.
Ich gehe nun davon aus, dass der Minister eilig zu einer Bundesratsinitiative schreiten wird, die diese Gedanken weiter vertieft und gegebenenfalls in Gesetze führt.
Letzter Satz: Der Antrag der Fraktion DIE LINKE ist nachdenkenswert, aber in diesem Hause nicht mehrheitsfähig. - Vielen Dank.
Herr Miesterfeldt, es gibt noch eine Nachfrage von Herrn Gallert. Möchten Sie diese beantworten? - Herr Gallert, bitte.
Herr Miesterfeldt, man kann die Interpretation von Herrn Franke, dass dieser Antrag eine ganz klare Absage an den gesetzlichen Mindestlohn sei, durchaus hinterfragen. Sie ist allerdings auch nicht völlig ausgeschlossen.
Deshalb stelle ich Ihnen jetzt folgende Frage. Sie haben betont, es gebe die Möglichkeit des gesetzlichen Eingriffs, wenn sich Tarifparteien nicht einigen. Herr Miesterfeldt, wie sehen Sie es denn, wenn sich Tarifparteien auf einen Stundenlohn von 4,20 € - das gibt es, das wissen wir - einigen? Sind Sie dann dafür, dass wir gesetzlich eingreifen? Oder gilt dann immer noch Ihre Ansage: Nein, dann lassen wir es, dann soll es so sein?
Das hielte ich für eine sehr schlechte Einigung. In einem solchen Fall wäre die politische Einflussnahme durchaus zu prüfen.
Ich danke Ihnen, Herr Miesterfeldt. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht die Abgeordnete Frau Rogée.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich finde es gut, dass Sie den Antrag gestellt haben. Allerdings war ich sehr gespannt auf die Begründung. Das haben Sie aber recht ordentlich gemacht, Herr Gürth.
Viel stärker bewegt mich aber, wie Sie das umsetzen wollen. Ich möchte nur einige Zahlen nennen. Mir läuft wieder die Zeit davon, deshalb werde ich mich beeilen.
Politische Streiks sind nicht nur bei den Linken gewachsen. Nicht nur die Linken fordern diese, sondern auch die Gewerkschaften fordern politische Streiks.
- Die IG BAU hat das in ihrer Satzung stehen. Sie können sich eine kommen lassen und das nachlesen. Auch beim DGB-Kongress lag ein entsprechender Antrag vor. Mehr möchte ich dazu gar nicht sagen.
Sie haben den Organisationsgrad benannt. Genau das ist das große Problem in Sachsen-Anhalt - nicht nur in Sachsen-Anhalt, sondern auch in anderen Bundesländern, aber eben gerade bei uns.
Ich habe mir einmal Zahlen besorgt, um herauszubekommen, wie viele Beschäftigte eigentlich unter die Tarifverträge fallen. Das sind im Osten etwa 36 % der Beschäftigten und im Westen etwa 57 %. Diesbezüglich ist unbedingt etwas zu tun. Ich denke, das hängt durchaus damit zusammen, dass die Durchschnittseinkommen sehr gering sind. Das wissen Sie ganz genau.
Ich möchte mich jetzt auf Punkt 3 konzentrieren, den wir ergänzt haben. Erstens sind die Vergaberichtlinien und die Vergaben von Fördermitteln so anzupassen, dass bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen eine Bindung an Tarifverträge bzw. an Mindestlöhne, an den Erhalt von Arbeitsplätzen und an die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen erfolgt. Wir wollen nicht, dass Arbeitnehmer, die Aufträge mit öffentlichen Mitteln abarbeiten, am Monatsende zum Amt müssen, um sich zusätzliche Hartz-IV-Leistungen zu holen.
Im Verlauf von fünf Jahren - das haben Sie sicherlich auch verfolgt - sind zusätzlich zu den Löhnen etwa 50 Milliarden € Steuermittel geflossen. DIE LINKE möchte, dass das aufhört. Ich glaube, dass auch Sie das wollen.
Bei existenzsichernden Löhnen könnten diese Steuermittel im Umfang von etwa 10 Milliarden € pro Jahr besser in die Kommunen fließen. Dann wäre für die Kommunen mehr zu machen.
Zweitens unterstützen wir die Forderung von Frau Budde, dass die Landesregierung eine Initiative im Bundesrat dahin gehend startet,
- ich bin doch gar nicht auf Krawall gebürstet, Frau Budde - zur weiteren Einschränkung von Lohndumping in der Sozialgesetzgebung die Kategorie „ortsübliche Arbeitsentgelte“ zu streichen und Tariflöhne über 8,50 € zum Maßstab für die Vergütung bei Vermittlungsangeboten der Bundesagentur für Arbeit zu machen. Vergütungen unter 8,50 € müssen der Vergangenheit angehören.
Drittens sollte die Landesregierung im Bundesrat eine Initiative starten, um den gesetzlichen Mindestlohn in den Bereichen vorzusehen, die keiner Tarifbindung unterliegen. Herr Miesterfeldt hat darauf vorhin schon Bezug genommen. Es geht um die Löhne unter 8,50 €. In diesem Bereich ist offensichtlich keine Einigung der Parteien herzustellen,
weil eben noch ein Anteil von mehr als 50 % der Beschäftigten in nicht tarifgebundenen Unternehmen oder Verbänden tätig sind.
Damit beziehe ich mich auf den Satz in der Begründung zu Ihrem Antrag, den Herr Gallert und Sie selbst auch zitiert haben. Dazu kann ich nur sagen: Dann machen Sie mal! Ja, es ist richtig, fehlende Fachkräfte, die Abwanderung gut ausgebildeter junger Fachleute und ein breiter Niedriglohnsektor passen nicht zusammen.
Wenn Sie die Tarifparteien stärken wollen, müssen Sie auch für eine Stärkung der Arbeitnehmervertreter sorgen. Dazu müssen Sie sich auch gegen die Zerschlagung und Nichtzulassung von Betriebs- und Personalräten aussprechen. Darüber haben wir hier im Parlament schon diskutiert. Ich erinnere an Doppstadt und Enercon und einige mehr.
Das Untersagen einer Gewerkschaftsmitgliedschaft bei Einstellungsgesprächen muss unbedingt der Vergangenheit angehören!
Starke Gewerkschaften im Betrieb - Sie haben von starken Gewerkschaften gesprochen, also muss man diesbezüglich auch etwas Konkretes tun -, das heißt viele Mitglieder, bilden am Ende nämlich die Tarifpartei. Ein Unternehmen ohne Gewerkschaftsmitglied kann überhaupt nicht in Tarifauseinandersetzungen gehen.
Herr Minister, Sie müssen sich dann auch gegen Tarifverträge von nicht tariffähigen Gewerkschaften, so genannten christlichen Gewerkschaften oder sonstigen,
zum Beispiel bei der Beantragung der Allgemeinverbindlichkeit wenden. Das ist in den letzten Jahren zu einem Riesenproblem geworden. Die Frage ist: Sind Sie dazu bereit? Wenn ja, dann können Sie unserem Änderungsantrag auch zustimmen.
Frau Rogée, einmal davon abgesehen, dass mich die Festlegung der Mindestlohnhöhe durch die Partei DIE LINKE ein bisschen an die Preisfindung auf dem orientalischen Basar erinnert,