„In der Koalition wird bislang viel geredet, aber nichts getan. Die SPD setzt sich für eine umfassende Regelung bei der Zeitarbeit ein. Dazu gehört insbesondere die Durchsetzung des EqualPay-Prinzips ab dem ersten Tag, die Einbeziehung der Leiharbeit in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz, die Wiedereinführung des Synchronisationsverbotes und mehr Mitbestimmungsrechte für Betriebsräte in den Entleihbetrieben bezüglich Umfang und Dauer des Einsatzes von Leiharbeit.“
Obwohl diese Forderung und unsere sehr nah bei einander sind, lehnen Sie unsere Anträge prinzipiell ab. Das, Frau Budde, ist Populismus.
DIE LINKE ist ihren Forderungen über Jahre hinweg in gleicher Weise treu geblieben, und ich verspreche, wir werden auch dabei bleiben, wenn wir in diesem Land mehr Verantwortung bekommen.
(Beifall bei der LINKEN - Lachen bei der CDU - Zuruf von der CDU: Möge der liebe Gott uns davor bewahren! - Herr Tullner, CDU: Und der Wähler auch!)
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Thema Zeitarbeit beschäftigen wir uns in diesem Hohen Hause nun schon seit drei Jahren.
- Ja, das bestreite ich ja nicht. - Ich möchte gleich zu Beginn meiner Rede etwas zu den Worten von Frau Rogée sagen. Frau Rogée, Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass die IG Metall die Tarife mit den Zeitarbeitgebern ausgehandelt hat. Das finde ich richtig. Denn Lohnfindung ist eine Sache von Arbeitgebern und Gewerkschaften, und dabei hat die Politik nichts zu suchen.
Wir können nur dort eingreifen, wo Gewerkschaften und Arbeitgeber sich nicht einig werden und wo es eklatante Verstöße gibt. Insofern bin ich ganz bei Ihnen, wenn gesagt wird: gleicher Lohn für gleiche Arbeit.
Der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit hat seine Beschlussempfehlung vorgelegt. Ich möchte Sie schon am Anfang meiner Rede bitten, dieser Beschlussempfehlung zu folgen. Wir haben das Thema Zeitarbeit im Ausschuss mit großer Ernsthaftigkeit begleitet. Wir haben auch gegensätzliche Standpunkte ausgetauscht. Wir konnten verfolgen, wie sich im Laufe dieser Debatte die Wahrnehmung zu der Zeitarbeit ein ganzes Stück verändert hat. Und wir sind dabei teilweise zu der Erkenntnis gekommen, dass manche von Ihnen und auch von uns die Gegebenheiten der Zeitarbeitsbranche so nicht erwartet haben.
Von der positiven Wirkung der Anhörung hat Frau Rogée schon gesprochen. Zunächst hatten wir Ressentiments auszuräumen, die der Leiharbeit häufig entgegengebracht werden. Wir haben uns auch über Verwerfungen bei Schlecker und Lidl unterhalten. Dazu muss ich noch einmal ganz deutlich sagen: Durch diese beiden Ketten entstand die Gefahr, dass die ganze Branche in Verruf gerät. Wer Mitarbeiter reihenweise entlässt und ohne Not zu Niedriglöhnen wieder einstellt, der handelt in der Tat unanständig.
Lange haben diese Ketten das allerdings nicht durchgehalten; das wissen Sie auch. Sie sind ganz schnell umgekippt, weil die Öffentlichkeit sich darüber empört hat und das Ganze dann gestoppt werden musste.
Auch BMW - der Minister hat es schon gesagt - hat zu einem erheblichen Teil Leiharbeitnehmer beschäftigt, und das nicht nur, um Auftragsspitzen abzudecken. Umso erfreulicher ist, was ich in einem Beitrag in der „Mitteldeutschen Zeitung“ vom Freitag, dem 3. Dezember 2010, gelesen habe: BMW übernimmt 100 Leiharbeitnehmer.
Gut so; das finde ich prima, zeigt es doch, dass es dem BMW-Werk jetzt wieder deutlich besser geht und dass BMW auf seine gut ausgebildeten und eingearbeiteten Leute nicht verzichten kann. Deshalb finde ich es schön,
dass 100 Leiharbeitnehmer in die Stammbelegschaft übernommen werden konnten. Es hat sich für diese 100 Leute also gelohnt, jeden Morgen aufzustehen, pünktlich am Werktor zu sein und ihre Arbeit zu machen, sich zu qualifizieren usw. Sie erhalten jetzt einen guten Lohn ausgezahlt; BMW zahlt nach Tarif, das wissen Sie.
In diesem Fall hat die Zeitarbeit auch einen Beitrag zur Personalauswahl geleistet; denn das BMW-Werk konnte sich seine Mitarbeiter aussuchen. Die, die als Zeitarbeitnehmer gut gearbeitet haben, hatten jetzt eine echte Chance und sind eingestellt worden. Ich denke, mit diesem Ergebnis kam man rundum zufrieden sein.
Nun kann man sich fragen, was uns diese Zahlen sagen, und man kann trefflich darüber diskutieren, was der so genannte Klebeeffekt bewirkt. Wie man die Zahlen auch hin- und herschiebt: Wir sollten über jeden froh sein, der die Chance hat, aus der Arbeitslosigkeit herauszukommen, um wieder mit seiner Hände Arbeit Geld zu verdienen.
Auch ein Arbeitgeber der Zeitarbeitsbranche ist der öffentlichen Beurteilung ausgesetzt und ist bestrebt, sein Image nicht ramponieren zu lassen. Davon müssen wir erst einmal ausgehen. Ich unterstelle keinem Zeitarbeitgeber, dass er immer nur auf schnöden Mammon aus ist. Ich gehe davon aus, dass er ein verantwortungsvoller Unternehmer ist, der natürlich Gewinnerzielungsabsichten hat; denn sonst brauchte er die ganze Sache nicht anzupacken.
Zum Schluss meiner Rede möchte ich gern auf die Erkenntnisse der Fraktionen der SPD und DIE LINKE setzen, sodass wir gemeinsam dafür sorgen können, dass Zeitarbeit in Sachsen-Anhalt eine Zukunft hat. Ich bitte um Abstimmung. Zu dem Verhalten bei der Abstimmung hatte ich mich schon erklärt. - Herzlichen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Gleicher Lohn für gleiche Arbeit - das ist eine Forderung, die gut klingt, und der kann sich kaum jemand verschließen. Es ist eine Forderung, die unser Gerechtigkeitsempfinden anspricht, und es ist eine Forderung, die in § 9 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes steht.
Dort heißt es aber auch, dass Tarifverträgen Vorrang einzuräumen ist. Das Wort „Mindestlohn“ taucht dort allerdings nicht auf. Ich halte das auch für richtig; denn hier muss man klar trennen. Die Frage der Gleichbehandlung der Leiharbeiter hat nichts mit einem Mindestlohn in dieser Branche zu tun.
Sehr geehrte Damen und Herren! Diese Regelung und einige Liberalisierungen wurden mit dem Hartz-I-Gesetz
unter Rot-Grün eingeführt. Ich bin mir sicher, dass wir im nachfolgenden Beitrag der SPD-Fraktion wieder das Phänomen erleben werden: Wie distanziere ich mich von den Beschlüssen aus elf Jahren Regierungsbeteiligung?
Deshalb frage ich Sie: Warum haben Sie damals, als Sie in der Regierungsverantwortung waren, nicht den Mindestlohn beschlossen, wenn es doch ein richtiges Instrument ist? - Es muss doch damals wichtige sachliche Gründe gegeben haben, warum kein Mindestlohn eingeführt wurde.
Für uns als FDP steht fest, dass wir keinen staatlichen Mindestlohn in der Zeitarbeitsbranche brauchen. Wir befürworten die Tarifautonomie.
Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte an dieser Stelle auch einmal verdeutlichen, dass im September 2010 in Deutschland 769 000 Leiharbeitern 28 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte gegenüberstanden. Der Anteil der Leiharbeit am Arbeitsmarkt beträgt damit gerade einmal 2,7 %. Die meisten dieser Leiharbeiter werden im ursprünglichen Sinne eingesetzt, nämlich zur Abdeckung von Auftragsspitzen.
Ich will damit das Problem des Missbrauchs, von dem wir auch gerade gehört haben, nicht kleinreden. Aber wir dürfen es auch nicht überdramatisieren.
Es ist bei Weitem nicht so, dass die Zeitarbeit zu einer Erosion auf dem Arbeitsmarkt führt. Es ist bei Weitem nicht so, dass es nur noch Zeitarbeiter anstelle von fest angestellten Mitarbeitern gibt.
Die Zeitarbeit bildet nach wie vor die Ausnahme. Und das ist gut so. Sie ist inzwischen eine fest etablierte und anerkannte Branche in Deutschland. Aber sie ist eben nur eine Branche von vielen. Natürlich hat sie Besonderheiten und ist mit Besonderheiten verbunden. Aber gerade für diese Besonderheiten gibt es gesetzliche Regelungen.
Schwarze Schafe finden wir dagegen in jeder Branche. Die schwarzen Schafe werden auch immer ein Schlupfloch finden. Man kann nicht alles bis ins kleinste Detail regeln. Wir müssen auch darauf vertrauen, dass die Branche selbst einen Reinigungsprozess durchführt. Daran haben schließlich alle seriösen Unternehmen ein ureigenes Interesse.
Sehr geehrte Damen und Herren! Abschließend möchte ich darauf eingehen, dass unsere heutige Debatte auch im Zusammenhang mit der im Mai 2011 bevorstehenden Öffnung des deutschen Arbeitsmarktes für Arbeitnehmer aus den neuen EU-Mitgliedstaaten geführt werden muss. Deutschland und einige andere Länder haben bislang von einer Sonderregelung Gebrauch gemacht, die es ihnen gestattet hat, die Arbeitnehmerfreizügigkeit für die neuen EU-Bürger bis zum Jahr 2011 einzuschränken. Begründet wurde das mit angeblich zu befürchtenden Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt und Lohndumping.
Diese Arbeitsmarktabschottung hat bei vielen, insbesondere bei unseren polnischen Nachbarn dazu geführt, dass sie sich als EU-Bürger zweiter Klasse begreifen.
Außerdem zeigt die Entwicklung in Großbritannien und in Schweden, wo der Arbeitsmarkt im Jahr 2007 sofort geöffnet wurde, dass die befürchteten negativen Entwicklungen überhaupt nicht eingetreten sind. Im Gegenteil, die fleißigen Menschen, die dorthin ausgewandert sind, haben in den Ländern sogar neue Arbeitsplätze geschaffen.
Realistisch betrachtet, also ohne unnötig Ängste zu schüren, glaube ich nicht, dass Menschenmassen in Osteuropa nur darauf warten, den deutschen Arbeitsmarkt am 1. Mai 2011 zu überschwemmen. Natürlich werden Menschen zu uns kommen. Angesichts des Fachkräftemangels sollten wir sie auch willkommen heißen. Der befürchtete Ansturm, der hierzulande alles ins Verderben stürzt, wird allerdings ausbleiben.
Sehr geehrte Damen und Herren! Angesichts des Auslaufens dieser Sonderregelung brauchen wir uns über die Forderung nach einem Mindestlohn nicht zu wundern. Er bedeutet nämlich nichts anderes als dass die eigentlich endende Arbeitsmarktabschottung durch die Hintertür wieder eingeführt bzw. beibehalten wird. Die schlechten Erfahrungen mit dem Mindestlohn im Postbereich sollten uns hier eine Lehre sein.
Die FDP-Fraktion lehnt deshalb die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit ab.
Vielen Dank, Herr Franke. - Die Debatte wird durch den Beitrag der SPD-Fraktion beendet. Ich erteile Frau Hampel das Wort. Bitte schön.