Protocol of the Session on December 10, 2010

Bei der Auswertung der Anhörung waren die Ausschussmitglieder fraktionsübergreifend der Meinung, dass die Anhörung sehr wichtig gewesen sei und dass man eine Reihe von Informationen und Erkenntnisse gewonnen habe, die in der öffentlichen Diskussion bislang noch keine Beachtung gefunden hätten.

Die Fraktion DIE LINKE kündigte an, dass das Thema für sie noch nicht erledigt sei, und beantragte in der 72. Sitzung des Landtages am 19. Februar 2010, dass der Landtag über den Antrag in der Drs. 5/2422 beschließen möge. Der betreffende Antrag wurde an den Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit überwiesen.

Eine erste Beratung im Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit fand bereits am 3. März 2010 statt. Dabei erklärte die Antragstellerin, dass Anlass für die Antragstellung auch die Praxis bei der Firma Schlecker gewesen sei.

Die SPD-Fraktion richtete die Bitte an das Wirtschaftsministerium, Wege aufzuzeigen, wie der missbräuchlichen Nutzung von Arbeitszeitregelungen, beispielsweise durch die Ersetzung der Stammbelegschaft durch Zeitarbeitnehmer oder durch Lohndumping, ein Riegel vorgeschoben werden könne.

Des Weiteren bat der Ausschuss das Ministerium um eine Information dazu, was zur Kompatibilität des nationalen Rechts mit der EU-Richtlinie bewirkt werden könne. Diese Information wurde dem Wirtschaftsausschuss zugeleitet. Zu der Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit am 24. November 2010 legten die Koalitionsfraktionen den Entwurf einer Beschlussempfehlung an den Landtag vor.

Die Fraktion DIE LINKE kritisierte diesen Entwurf als nichtssagend und als zu allgemein gehalten, auch vermisse sie eine inhaltliche Diskussion im Ausschuss.

Die CDU-Fraktion hält den Entwurf der Beschlussempfehlung für gut. Zur Frage der inhaltlichen Diskussion gehen wir davon aus, dass die unterschiedlichen Auffassungen zu bestimmten Themen des Antrags in der Debatte im Parlament ausgetauscht werden.

Die SPD-Fraktion ließ wissen, dass der Entwurf einer Beschlussempfehlung, der zwischen den Koalitionsfraktionen ausgehandelt worden war, der kleinste gemeinsame Nenner gewesen sei.

Da eine vom Bundesarbeitsministerium eingesetzte Arbeitsgruppe gegenwärtig prüft, wie Leiharbeitsmissbrauch vermieden werden kann und ob Schlupflöcher per Gesetzesänderung geschlossen werden müssen, ist es der SPD-Fraktion sehr wichtig, dass das Parlament der Landesregierung den Auftrag erteilt, gegen den Missbrauch vorzugehen, damit die positiven Aspekte, die die weißen Schafe der Branche bei der Anhörung vorgetragen haben, weiterhin zum Tragen kommen.

Die FDP erklärte, sie könne mit dem Entwurf einer Beschlussempfehlung leben, habe aber ein Problem damit,

dass Lohnuntergrenzen für allgemeinverbindlich erklärt würden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit, bitte Sie um Zustimmung zu der vorliegenden Beschlussempfehlung und gehe davon aus, dass die nachfolgenden Rederinnen und Redner sich zu der Beschlussempfehlung natürlich auch noch äußern werden. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank für die Berichterstattung, Herr Tögel. - Zunächst erteile ich Herrn Minister Haseloff das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben uns bei verschiedenen Gelegenheiten und auch im Ausschuss sehr umfänglich mit diesem Thema beschäftigt. Wir wissen auf der einen Seite, welche Rolle die Leiharbeit als Instrument für die Arbeitsmarktpolitik spielt, und auf der anderen Seite, welche Risiken und Grenzwertigkeiten damit verbunden sein können, wenn das Instrument außerhalb der ursprünglichen politischen Intention überproportional zum Einsatz kommt.

Wir haben, wie schon ausgeführt wurde, die EU-Leiharbeitsrichtlinie in nationales Recht umzusetzen und haben dafür auch eine Frist gesetzt bekommen. Diese Frist verrinnt, sodass jetzt Handlungsbedarf für die Bundesregierung besteht.

Die Leiharbeit bietet den Arbeitnehmern nach wie vor - so unsere Meinung - eine reale Möglichkeit, durch ihre Arbeitsleistung zu überzeugen, und damit auch die Chance, dauerhaft vom Entleiher übernommen zu werden. Dieser Klebeeffekt lässt sich auch in SachsenAnhalt statistisch nachweisen. Die Leiharbeit selbst hat in der Krisenzeit eine wichtige Pufferfunktion erfüllt und hat vieles zu überbrücken geholfen, was ansonsten in die Arbeitslosigkeit gemündet hätte. Auch jetzt, bei der Schaffung neuer Arbeitsplätze nach der Krise, springt diese Branche als erste an.

Dennoch, die EU-Richtlinie besagt ganz klar, dass bei der Leiharbeit entweder nach dem Prinzip des EqualPay der gleiche Lohn zu entrichten ist wie für die festen Arbeitskräfte oder dass klare tarifliche Regelungen zugrunde gelegt werden müssen, dass Dauerarbeitsverträge vorliegen müssen, wenn von dem Prinzip der gleichen Bezahlung abgewichen werden soll.

Das muss im nationalen Recht, im deutschen Recht ganz klar niedergelegt sein. Darum werden wir uns bemühen in all unseren Befassungen in den Ausschüssen und auch wenn es darum geht, das Gesetzgebungsverfahren generell zu begleiten.

Ich sage an dieser Stelle, dass wir viele gute Erfahrungen gemacht haben, aber inzwischen sind auch bestimmte Fälle bekannt geworden, von denen wir wissen, dass die Proportionen zwischen den entliehenen Arbeitskräften und den Festarbeitskräften nicht dem Verhältnis entsprechen, wie es politisch ursprünglich intendiert war.

Darüber hinaus kann man Überlegungen in Bezug auf eine Limitierung der Dauer von Zeitarbeitsverhältnissen anstellen. Ich persönlich halte es zum Beispiel nicht für opportun, auch im Hinblick auf die Planungsfähigkeit von

Unternehmen, dass Leiharbeit bei dem gleichen Arbeitsinhalt und bei der gleichen Arbeitsplatzbeschreibung über ein Kalenderjahr hinaus parallel zu fest eingestellten Arbeitskräften ausgeübt wird.

Solche Beispiele gab es unter anderem auch bei BMW in Leipzig; das hat die IG Metall immer wieder einmal kritisiert. BMW hat jetzt aus verschiedenen Gründen, unter anderem auch, weil die Konjunktur wieder angesprungen ist, reagiert und einen Teil dieser entliehenen Arbeitskräfte fest eingestellt. Das ist zu begrüßen; das ist gut so. Das betrifft auch eine Reihe von aus SachsenAnhalt stammenden Arbeitskräften.

Wir wollen, dass daraus eine dauerhafte Tendenz wird, ohne dass das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird. Das heißt, dass das Instrument nach wie vor offensiv vorgehalten wird, und zwar für die entsprechenden fluktuierenden Möglichkeiten am Markt, die immer wieder eintreten, bei denen keine feste Auftragslage zugrunde liegt bzw. wo auch in entsprechenden Überbrückungszeiträumen Spielräume für Arbeitgeber gewährt werden müssen, damit letztlich ein Optimum für die Gesamtbeschäftigung erreicht werden kann.

Insgesamt hat die Befassung klar gezeigt, wohin wir wollen. Wir werden versuchen, das politisch durchzusetzen.

(Zustimmung bei der CDU)

Herr Minister, möchten Sie eine Frage von Frau Rente beantworten?

Ja.

Bitte, Frau Rente.

Herr Minister, meine Frage geht in eine Richtung, die wir schon einmal hatten. Wie will man gegen Unternehmen vorgehen, die beispielsweise ehemalige Mitarbeiter, die sie entlassen haben, anrufen und fragen, ob diese nicht für 100 € im Monat wieder 20 Stunden pro Woche arbeiten möchten? Welche Möglichkeiten gibt es, gegen solche Zeitarbeitsunternehmen vorzugehen? - Dabei handelt es sich wieder um eben jenes Unternehmen, das ich schon damals angesprochen habe.

Sie wissen, dass der Rechtsrahmen an dieser Stelle relativ eindeutig formuliert ist. Ich kann das, was Sie als Beispiel gebracht haben, jetzt nur grob abgreifen. Inwieweit hier eine illegale Aktivität der Entleiherfirma vorliegt oder inwieweit wir uns im Rechtsrahmen befinden, müsste man sich noch einmal gezielt ansehen. Ich würde mir das nachher einmal aufschreiben, um dem nachzugehen.

Auf der anderen Seite sind gerade diese Dinge auch bei der Umsetzung in nationales Recht mit zu erfassen: Obergrenzen, entsprechende Vorgaben zum Tarifvertrag, zur Tarifvertragsverpflichtung oder zu Equal-Pay. Das geht bis hin zu der Frage: Was geschieht mit Zeitarbeitskräften, die zuvor bei der Entleiherfirma angestellt

waren? Inwieweit ist in Bezug auf die Problematik Kettenarbeitsverträge etwas zu beachten?

In dem angesprochenen Fall - das kann ich aus der genannten Stundenzahl ableiten - versucht man sicherlich, genau das alles zu umschiffen und in eine Grauzone hineinzugehen, die wir politisch auch nicht wollen. Das kann es nicht sein. Das muss, wie gesagt, sauber gefasst werden.

(Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister Haseloff. - Jetzt hören wir die Fraktionen. Für die Fraktion DIE LINKE spricht Frau Rogée. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das OnlinePortal der „Wirtschaftswoche“ hat geschrieben, dass die Zahl der Zeitarbeitnehmer in Deutschland noch in diesem Jahr auf über eine Million steigen wird. Die Bedingungen sind nicht neu geregelt worden. Deswegen werden sich die Zustände, die wir ständig kritisiert haben, auch fortsetzen.

Wir als Fraktion haben in der letzten Legislaturperiode eine Reihe von Anträgen eingebracht. Leider hat keiner dieser Anträge die Mehrheit in diesem Parlament gefunden. Sie wurden an den Ausschuss überwiesen, kamen zurück und waren erledigt.

Die Inhalte möchte ich gar nicht wiederholen; die kann jeder nachlesen. Ich möchte auf die vorliegende Beschlussempfehlung eingehen. Herr Tögel hat schon einiges gesagt. Wir halten die Beschlussempfehlung für sehr allgemein; nach unserer Auffassung hat sie einen proklamatischen Charakter. Es ist eben nichts Konkretes. Ich würde sagen: Es ist nur weiße Salbe.

(Herr Gürth, CDU: Selbst Revolutionen haben mit Proklamation begonnen!)

- Sehr schön. - Eine konsequente Ablehnung unseres Antrages würde die Versuche der Landesregierung, sich arbeitnehmerfreundlich zu geben, wieder infrage stellen.

Ich möchte zu zwei Punkten etwas sagen. Erstens. Der Ruf nach den Tarifparteien ist nicht ungehört verhallt. Die Gewerkschaft IG Metall und der für die westdeutschen Stahlarbeiter zuständige Arbeitgeberverband haben für die Leiharbeitnehmer vereinbart, dass sie ab dem Jahr 2011 den gleichen Lohn wie die Stammbeschäftigten erhalten. Mit der Fairnessgarantie für Leiharbeiter will man mit den Arbeitsverhältnissen zweiter Klasse Schluss machen.

(Zustimmung bei der LINKEN und von Herrn Franke, FDP)

Die IG BCE hat betont, dass unterschiedliche Entgelte Gift für den Betriebsfrieden seien. Warum sind eigentlich die Metallindustrie in Sachsen-Anhalt und der Bundesverband der deutschen Zeitarbeitnehmer gegen diesen Abschluss? - Weil offensichtlich auf Kosten der Zeitarbeitnehmer gute Geschäfte zu machen sind.

Zweitens. Zur zügigen Umsetzung der EU-Leiharbeitsrichtlinie in nationales Recht spätestens bis 5. Dezember 2011. Ein Referentenentwurf dazu liegt vor; Herr Haseloff, Sie haben eben darauf Bezug genommen. Dieser beinhaltet im Kern die Erfahrungen aus dem Schlecker

Vorgang. Das finden wir sehr positiv. So soll zukünftig ausgeschlossen werden, dass ein Arbeitgeber seine Beschäftigten entlässt, um sie anschließend im neugegründeten Zeitarbeitsunternehmen als Leiharbeitskräfte zu schlechteren Bedingungen wieder einzustellen.

Das bedeutet, wenn ein Arbeitgeber künftig eine Person, die innerhalb der vorangegangenen sechs Monate in seinem Unternehmen regulär beschäftigt war, als Leiharbeitskraft wieder einsetzen will, soll er dieser Person laut Gesetzentwurf den gleichen Lohn zahlen müssen wie den Stammbeschäftigten. In diesem Fall gilt der Grundsatz des Equal-Pay, aber eben nur in diesem sehr begrenzten Fall.

Der Gesetzentwurf ist daher nicht nur völlig unzureichend und enttäuschend, er zementiert auch den Status quo. Für die Masse der Leiharbeitsbeschäftigten gilt weiterhin, dass sie Arbeitnehmer zweiter Klasse bleiben. Sie können weiterhin mit Dumpinglöhnen abgespeist und ohne konkrete zeitliche Begrenzung in einem Entleihbetrieb eingesetzt werden. Die Drehtürregelung verhindert nicht, dass Stammbeschäftigte durch Leiharbeitskräfte mit niedrigen Löhnen ersetzt werden.

DIE LINKE hat eine Reihe von Vorschlägen zur Änderung der Umsetzung der EU-Leiharbeitsrichtlinie unterbreitet. Diese möchte ich mit Blick auf die Zeit jetzt nicht nennen. Dazu werden wir später miteinander ins Gespräch kommen; darin bin ich sicher. Ich verspreche: DIE LINKE wird sich weiterhin für das Prinzip Equal-Pay stark machen. Dieses Prinzip muss ab dem ersten Einsatztag und ohne Ausnahme gelten, wenn Lohndumping und eine Degradierung von Leiharbeitsbeschäftigten zu Arbeitnehmern zweiter Klasse verhindert werden sollen.

Zum Schluss, meine Damen und Herren, möchte ich noch ein paar Worte an Frau Budde richten. Sie werfen uns in letzter Zeit zunehmend Populismus vor. Wie viel in Ihren Pressemitteilungen Populismus ist, haben Ihre Kolleginnen und Kollegen uns bei der Diskussion des Antrages im Wirtschaftsausschuss bewiesen. Ihr Kollege Steppuhn hat am 25. November 2010 in der Presse Folgendes verlauten lassen - ich zitiere, Herr Präsident -:

„In der Koalition wird bislang viel geredet, aber nichts getan. Die SPD setzt sich für eine umfassende Regelung bei der Zeitarbeit ein. Dazu gehört insbesondere die Durchsetzung des EqualPay-Prinzips ab dem ersten Tag, die Einbeziehung der Leiharbeit in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz, die Wiedereinführung des Synchronisationsverbotes und mehr Mitbestimmungsrechte für Betriebsräte in den Entleihbetrieben bezüglich Umfang und Dauer des Einsatzes von Leiharbeit.“