Protocol of the Session on December 9, 2010

Auf die unterschiedlichen Herausforderungen müssen unterschiedliche Antworten gefunden werden. Die Altmark zum Beispiel ist besonders dünn besiedelt. Der ländliche Raum in der Umgebung unserer Ballungszentren hat andere Probleme; hier müssen wir andere Fragen beantworten.

Aber wenn wir insgesamt Bilanz ziehen, dann können wir stolz darauf sein, dass sich der ländliche Raum in Sachsen-Anhalt heute so präsentiert, wie wir ihn vorfinden: Er ist bunter geworden, er hat wirtschaftlich Anschluss gefunden und er ist inzwischen fast überall ein attraktiver Lebensraum.

(Zustimmung bei der CDU)

Natürlich haben wir auch noch Probleme. Ich möchte das demografische Problem nennen. Es wird eine Herausforderung der Zukunft sein, den Menschen im länd

lichen Raum eine adäquate Infrastruktur zu bieten. Das für Raumordnung zuständige Ministerium hat sich engagiert um diese Probleme gekümmert. Es kann nicht die Lösung sein - wie es vor einiger Zeit in Brandenburg diskutiert wurde -, Teile des ländlichen Raumes vom Fördergeschehen abzukoppeln, meine Damen und Herren.

Wir müssen versuchen, für jeden im ländlichen Raum, ob in Einzelhoflagen oder in zentralen Orten lebend, ein infrastrukturelles Grundniveau zu erhalten. Dazu gehört der Anschluss an das Straßennetz, eine vertretbare Entfernung zum nächsten Arzt oder auch der Anschluss an die neuen Medien, wo wir mit unserer Breitbandinitiative mit 35 Millionen € viel bewegen. Dazu gehört auch, dass wir durch die Erschließung von Reserven in den Verbandsstrukturen unser gutes Kostenniveau im Bereich Wasser und Abwasser erhalten.

Meine Damen und Herren! All dies werden wir nur bewältigen können, wenn wir die Menschen im ländlichen Raum mitnehmen, wenn wir ihnen Gelegenheit geben, nicht nur über Gemeinde- und Stadträte, sondern auch darüber hinaus engagiert mitzuarbeiten.

Meine Vorgängerin Frau Wernicke hat im Jahr 2005 die „Allianz Ländlicher Raum“ ins Leben gerufen. Es wurde eine Leitlinie für den ländlichen Raum entwickelt, an der wir uns orientieren. Wir sind in der Allianz zurzeit damit beschäftigt, mit den gesellschaftlichen Gruppen, die dort mitwirken, von den berufsständischen Organisationen über die Kirchen, die Umweltverbände bis zum Heimatbund und den kommunalen Interessenvertretungen, dieses Papier zu überarbeiten. Es sollen Leitlinien entwickelt werden, die aktuelle Fragestellungen stärker berücksichtigen und auf Herausforderungen der Zukunft wie Demografie und Klimawandel Antworten geben. Ich danke all den Organisationen, die sich hierbei in den Dienst der Sache stellen und daran mitwirken.

(Zustimmung bei der CDU)

Wir haben im ganzen Land in mühevoller Arbeit integrierte ländliche Entwicklungskonzepte erarbeitet. Es ist wichtig, dass die Akteure in den Regionen selbst entscheiden, welchen Weg sie nehmen, ob sie sich stärker touristisch entwickeln möchten, ob sie primär eine industrielle Entwicklung im Fokus haben oder ob vornehmlich der Bereich Land- und Forstwirtschaft die Zukunft der Region sein soll. Hier ist von allen Beteiligten in den neuen ILE-Regionen eine wertvolle, eine zukunftsgerichtete Arbeit geleistet worden.

Ich danke auch jenen, die sich im Bereich der Dorferneuerung und der Dorfentwicklung in vielen Bürgerversammlungen Gedanken machen und aktiv daran mitwirken, ihre Heimat weiterzuentwickeln und positiv zu gestalten. Dank auch den vielen Akteuren, die in den 23 Leader-Gruppen mitarbeiten. Auch das hilft unserem ländlichen Raum und trägt wesentlich dazu bei, dass wir gemeinsam mit den Bürgern Prioritäten entwickeln und die richtigen Förderentscheidungen treffen.

Ich bin immer wieder begeistert, wie viel bürgerschaftliches Engagement und Potenzial in unseren Dörfern steckt. Wenn Orte mit 1 000 Einwohnern über 30 oder gar 40 funktionierende Vereine verfügen, in denen Gemeinschaftsleben praktiziert wird, in denen sich die Menschen hinter Ideen, hinter einem gemeinsamen Hobby versammeln, wenn es ehrenamtliches Engagement insbesondere zugunsten von Behinderten und Alten gibt, wenn es ein aktives Vereinsleben gibt und Geselligkeit auf den Dörfern gepflegt wird, dann, meine Damen und

Herren, ist mir um die Zukunft des ländliches Raumes nicht bange.

(Zustimmung bei der CDU und von der Regie- rungsbank)

Wenn ich an Beispiele wie Kläden oder Wust mit seiner einzigartigen Sommerschule denke, wenn ich an Ummendorf in der Börde denke oder an Weddersleben, unser Siegerdorf beim Wettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“, das ich jüngst besucht habe, dann treffe ich auf viele, viele Menschen, denen es ein echtes Anliegen ist, ihre Heimat lebenswert zu gestalten. Dies, meine Damen und Herren, verdient unsere volle Unterstützung.

Ein wesentliches Rückgrat des ländlichen Raumes ist unsere Land- und Forstwirtschaft. Der Wald als Wirtschaftsfaktor hat in den letzten Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen. Sachsen-Anhalt ist das Land mit den größten Investitionen in Deutschland in den Aufbau einer hochleistungsfähigen holzverarbeitenden Industrie. Holznutzung und Holzverarbeitung sind für stabile Arbeitsplätze und für die Wertschöpfung im ländlichen Raum außerordentlich bedeutsam. Wir messen daher einer effektiven nachhaltigen Waldbewirtschaftung eine große Bedeutung zu.

Zur Nutzung der noch vorhandenen Potenziale im Privatwald sehe ich die weitere Stärkung der forstwirtschaftlichen Zusammenschlüsse als einen erfolgversprechenden Weg. Mit dem Landeszentrum Wald steht den Waldbesitzern ein kompetenter Ansprechpartner zur Seite. Allerdings führen die zahlreichen verschiedenen Funktionen des Waldes zu unterschiedlichen Ansprüchen und differenzierten Standpunkten bezüglich der Waldbewirtschaftung. Ich nenne hier nur die Themen Wald und Wild oder Waldbewirtschaftung und Naturschutz.

Mit dem ersten Waldgipfel am 3. Dezember 2010 haben wir zum Thema Wald einen breiten Diskussionsprozess begonnen. Ziel ist es, im Ergebnis dieses Diskussionsprozesses die aus den 90er-Jahren stammende Leitlinie Wald zu überarbeiten. Im Jahr 2011, dem Jahr der Wälder, sollten wir diese Diskussion mit allen am Wald Interessierten und Beteiligten führen; der Waldgipfel war dazu ein guter Auftakt.

Die Ernährungswirtschaft ist eine der stärksten Branchen der Verarbeitungsindustrie in Sachsen-Anhalt. Sie hat sich in Bezug auf die Arbeitsplätze und die Umsatzzahlen in der Vergangenheit kontinuierlich positiv entwickelt und hat sich auch in der Finanzkrise als stabil erwiesen.

Die Verbindung von Nahrungsmittelproduktion und Tourismus als Werbeträger auf der Internationalen Grünen Woche in Berlin hat das Image unseres Landes gestärkt. Im Export sind unsere Nahrungsmittelfirmen zunehmend erfolgreich. Ich glaube, wir können stolz auf die Delikatessen sein, die unsere Verarbeitungsfirmen aus unseren agrarischen Rohstoffen produzieren.

Unsere Landwirtschaft ist ein wirtschaftsprägender Sektor in Sachsen-Anhalt. Der Anteil der Landwirtschaft bezüglich der Wertschöpfung und der Arbeitskräfte macht deutlich, dass Landwirtschaft in Sachsen-Anhalt bedeutender ist als in anderen Bundesländern. Nur in Mecklenburg-Vorpommern hat die Landwirtschaft eine größere gesamtwirtschaftliche Bedeutung als bei uns.

Bei einem Vergleich der Einkommen der Betriebe zwischen den Bundesländern liegen unsere Landwirte im

mer auf den vorderen Plätzen. Wir haben die besten Böden und wettbewerbsfähige Strukturen. Wir bemühen uns seitens der Landesregierung, unserem Agrarsektor gute Rahmenbedingungen zu schaffen, und wir haben tüchtige Landwirte in Sachsen-Anhalt.

Obwohl Sachsen-Anhalt als ackerbaulich wertvolle Region insbesondere für Qualitätsgetreide und Zuckerrüben bekannt ist, hat auch der Gartenbau mit seinen verschiedenen Sparten in unserem Land seine Bedeutung. Dazu gehören die Produktion von Obst, Gemüse, Zierpflanzen und Baumschulwaren sowie der Handel und die Dienstleistungen im gärtnerischen Bereich. Diese Sonderkulturen bereichern das Produktionsspektrum im Lande und binden Arbeitskräfte. Insbesondere die Entwicklung des Spargel- und des Zwiebelanbaus seit Anfang der 90er-Jahre ist eine Erfolgsgeschichte in unserem Land.

Regional, insbesondere im Harz, kommt auch der Binnenfischerei in Sachsen-Anhalt Bedeutung zu. Die Betriebe der Fluss- und Seenfischerei verfügen über eine Wirtschaftsfläche von insgesamt 6 400 ha. Neben Speisefischen erzeugen fast alle Fischereibetriebe Besatzfische für Angelgewässer und unterstützen damit die wertvolle Arbeit unserer Angler.

Unsere landwirtschaftlichen Betriebe verfügen über eine durchschnittliche Betriebsgröße von etwa 250 ha. Sie sind damit etwa fünfmal so groß wie die Betriebe im Bundesdurchschnitt. Wir haben ca. 4 800 Betriebe, die ein sehr breites Spektrum abbilden. Das geht vom kleinen Nebenerwerbsbetrieb bis hin zur börsennotierten Aktiengesellschaft.

Unsere Betriebe haben ein schwieriges Wirtschaftsjahr 2009/2010 und eine komplizierte Erntesituation hinter sich. Die derzeitige Preisentwicklung gibt aber guten Grund zur Hoffnung: Es geht wieder aufwärts. Diesbezüglich teile ich den Optimismus des Präsidenten des Deutschen Bauernverbandes.

Unsere Landwirtschaft in Sachsen-Anhalt ist effizient und sie ist umweltorientiert. Unsere Landwirte wissen, dass nachhaltiges Wirtschaften auch im Sinne der Landwirtschaft ist und dass an unsere nachkommenden Generationen eine intakte Umwelt zu übergeben ist.

Über 2 500 Betriebe, das heißt mehr als die Hälfte unserer Betriebe, nehmen an Agrarumweltmaßnahmen auf fast 200 000 ha teil. Nicht immer müssen für solche Maßnahmen Finanzmittel in die Hand genommen werden. Es gibt erfreulicherweise auch Aktionen, die Landwirte und Naturschützer gemeinsam ganz unbürokratisch organisieren. Als Beispiel nenne ich die Bemühungen, durch so genannte Lerchenfenster den Lebensraum für die Lerche zu erweitern.

Meine Damen und Herren! Es freut mich, dass wir in der Lage sind, mit unseren Einrichtungen den in der Landwirtschaft Tätigen eine gute Ausbildung zukommen zu lassen und ihnen Weiterbildungsmöglichkeiten zu eröffnen. Unsere Landesanstalt für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau, die Hochschule in Bernburg und die agrarische Fakultät in Halle tragen ihren Teil dazu bei.

Ich danke an dieser Stelle den Verantwortlichen der Universität in Halle, die dazu beigetragen haben, dass man jetzt wieder von einer agrarischen Fakultät sprechen kann.

(Zustimmung bei der CDU)

Die Umbenennung war überfällig. Sie wird mit den drei zusätzlichen Professorenstellen dazu beitragen, dass Halle wieder Anschluss an andere universitäre Ausbildungsgänge in Deutschland findet.

Für den Agrarstandort Sachsen-Anhalt ist es ein großer Gewinn, dass es uns gelungen ist, die Deutsche Landwirtschaftsgesellschaft in Bernburg anzusiedeln, die hier ihr Ackerbauzentrum etabliert und ihre Feldtage abhalten wird.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Minister Herrn Dr. Daehre)

Das stärkt den Standort Bernburg, das ist gut für Sachsen-Anhalt und wird den Ruf unseres Bundeslandes als modernem Agrarstandort auch über Deutschlands Grenzen hinaus festigen.

(Beifall bei der CDU)

Neben den Menschen ist der Boden der wichtigste Produktionsfaktor der Bauern. Der Bodenmarkt ist ein Thema, das immer wieder zu heftigen Diskussionen führt. Der Landwirt braucht den Boden, um zu wirtschaften. Die Verteilung des Bodens regelt der Markt; aber auch der Staat greift ein, wenn er Boden verkauft. Wir haben ein Privatisierungskonzept für die Flächen des Landes, das mit den Berufsständen abgestimmt ist und das vergleichsweise reibungslos umsetzt wird.

Anders gestaltet es sich bei den BVVG-Flächen. Ich habe der BVVG gegenüber immer wieder kommuniziert: Die Lose müssen kleiner ausgeschrieben werden, damit die hiesigen Betriebe besser in der Lage sind, den Boden zu erwerben. 5 ha lassen sich nun einmal leichter finanzieren als 50 ha.

Die Situation eskalierte mancherorts. Wir haben uns deshalb entschlossen, die in Sachsen-Anhalt gelegenen BVVG-Flächen zu kaufen. Ich danke der Landesregierung, insbesondere dem Ministerpräsidenten und dem Finanzminister, für ihre Unterstützung in dieser Frage.

(Herr Tullner, CDU: Dem Parlament aber auch!)

Die Verhandlungen mit der Bundesregierung sind hart. Wir haben jetzt zur Klärung einiger Fragen einvernehmlich Gutachter eingeschaltet. Ich habe mich sehr gefreut, dass der mecklenburgische Kollege Dr. Backhaus ebenfalls die in seinem Bundesland gelegenen BVVGFlächen kaufen will. Das zeigt uns, dass diese Initiative auch von anderen Ländern für sinnvoll gehalten wird und ihr Erfolgschancen eingeräumt werden. Wir haben in dieser Frage engen Kontakt mit Mecklenburg-Vorpommern zu diesem Thema. Für den Bund wird es ohne Frage attraktiver, wenn zwei Bundesländer, die über erhebliche BVVG-Flächen verfügen - bei uns sind es ca. 70 000 ha, in Mecklenburg-Vorpommern ca. 120 000 ha -, diese Flächen erwerben sollen.

Mit Sorge sehe ich, dass Flächen zunehmend in die Hände von Bodenfonds und Betriebe in die Hände von börsennotierten Aktiengesellschaften übergehen. Meine Damen und Herren! Ich appelliere an dieser Stelle ausdrücklich an all diejenigen, die in den Betrieben Verantwortung tragen - seien es Einzelbetriebe oder juristische Personen - dass, sofern Veräußerungen von Geschäftsanteilen oder Betrieben unumgänglich sind, diese verantwortungsbewusst für den ländlichen Raum erfolgen.

Ich sage an dieser Stelle ganz deutlich: Eine Landwirtschaft, die dadurch geprägt ist, dass sich der Boden in

den Händen von Bodenfonds befindet und die Bewirtschaftung von börsennotierten Aktiengesellschaften übernommen wird, kann nicht das Ziel der Agrarpolitik sein.

(Zustimmung bei der CDU und bei der SPD)

Eine derartige Landwirtschaft lehne ich ab. Die Bodenrente gehört in die Dörfer und nicht woanders hin.

(Zustimmung bei der CDU und von Minister Herrn Dr. Daehre)

Wir wollen landwirtschaftliche Betriebe, die in und mit dem Dorfe leben und wirtschaften.

Ich bedanke mich beim Bundesverband der Landgesellschaften, der sich bereit erklärt hat, ein Gutachten in Auftrag zu geben, um zu klären, ob die gesetzlichen Regelungen des Landpachtverkehrs- und des Grundstückverkehrsgesetzes ausreichen, um den Herausforderungen dieser Zeit adäquat zu begegnen. Ich bin auf das Ergebnis gespannt. Wir müssen es sorgfältig auswerten, mit dem Bund und den anderen Ländern diskutieren und daraus Schlussfolgerungen ziehen.

Ein weiteres Thema, das die Menschen sehr bewegt, ist die Veredlung, das heißt die Tierhaltung im ländlichen Raum. Ich kann verstehen, dass man sich Sorgen macht, auch dass Ängste entstehen, wenn Veränderungen im Lebensumfeld vorgesehen sind. Aber wir müssen auch sehen, wie die Fakten sind. Sachsen-Anhalt ist das Bundesland, das die wenigsten Vieheinheiten pro Fläche hat, abgesehen von den drei Stadtstaaten. Das heißt, bei uns werden weniger Tiere pro Fläche gehalten als in allen anderen Flächenländern in Deutschland und weniger als halb so viel wie in den Ländern Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein oder Bayern, Ländern, in denen wir zum Teil sehr gern unsere Freizeit und unsere Ferien verbringen.