Protocol of the Session on November 12, 2010

(Zuruf von Herrn Gallert, DIE LINKE)

- Herr Gallert, wir haben bei uns keine Leute, die Geld verdienen und behaupten, dass sie Wohltäter der Menschheit seien. Das machen Sie. Sie behaupten auf der einen Seite immer, Sie seien die Guten. Das ist ein bisschen wie Wasser predigen und Wein trinken, Herr Gallert. Ich glaube, das ist unehrlich und das sollten wir nicht tun.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Wie sieht die Zukunft für Sachsen-Anhalt aus? - Ja, wir werden dafür Sorge tragen müssen, dass wir keine neuen Schulden aufnehmen. Schaffen wir das mit dieser Regel? - Diesbezüglich - das muss ich ganz offen gestehen - teile ich ein bisschen die Auffassung von Herrn Gallert.

Wir werden zukünftig sehen, wie Volkswirte das interpretieren. Wie bei der alten Verschuldungsregel, die interpretiert worden ist, werden wir an dieser Stelle auch neue Interpretationen hören. Die werden wahrscheinlich noch feiner ziseliert sein, aber nicht weniger eloquent.

Aber auf ein Instrument müssen wir hinweisen. Herr Bullerjahn hat das heute vorgetragen und er hat sehr schön am Schluss gesagt: Jetzt haben es alle gehört. Ihr wisst alle, was ihr heute beschließt. Kommt mir im nächsten Jahr und im übernächsten Jahr bitte nicht damit, dass ihr es nicht gewusst hättet, liebe Bildungspolitiker, liebe Sozialpolitiker, liebe Wirtschaftspolitiker. Ihr alle habt es gewusst.

Es geht nämlich nicht nur um den Umstand, dass wir heute in der Landeshaushaltsordnung eine Verschuldungsregel beschließen; vielmehr sind wir auch dabei, mit dem Bund eine Verwaltungsvereinbarung zu schließen. Der Bund wird damit ganz anders umgehen, wenn wir gegen diese Regelung verstoßen sollten. Das heißt schlicht und ergreifend: Wir werden zukünftig weniger Geld haben.

Wenn ich es aus dem Finanzausschuss richtig in Erinnerung habe, ist es so: Wenn wir diese Regelung heute schon hätten, wenn sie schon für den Haushalt 2010 gelten würde, hätten wir 500 Millionen € weniger aus

geben können, als wir es getan haben. Das, meine ich, könnte eine Vorstellung für alle Fachpolitiker hier im Raum sein, dass bei diesem Thema wirklich ernst gemacht werden soll.

Ich sage Ihnen ganz klar: Ja, wir stehen dazu, und ja, wir werden Sie auf diesem Weg unterstützen, weil wir das mit Blick auf die kommenden Generationen für fair und für gerecht halten.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Wir werden dem Änderungsantrag der Regierungsfraktionen zustimmen, weil wir da im Finanzausschuss inzwischen einige Erfahrungen haben. Ich erinnere an die Diskussion über die Veräußerung der BVVG-Flächen. Da wird ein wunderschöner Schattenhaushalt entstehen. Ich erinnere auch an die zähen Diskussionen zum Thema Stiftungen und Kreditaufnahme in diesem Bereich, die wir noch nicht zu Ende geführt haben.

Wir werden uns bei der Abstimmung über die Gesetzesänderung selbst der Stimme enthalten, weil wir zwar den Grundsatz unterstützen, nicht aber den Weg, der jetzt auf Bundesebene eingeschlagen worden ist, Zwang auf die Länder auszuüben. Wir hätten das Ganze gern in der Verfassung gehabt. Die Diskussion haben wir schon bei der Einbringung geführt. Wir hätten außerdem gern eine klare Regelung gehabt.

Ich weiß, dass Sie jetzt die genommen haben, die die Bundesebene auch gefunden hat. Aber es wäre schön gewesen, wenn wir für unsere Landeshaushaltsordnung oder unsere Verfassung eine Verschuldungsregelung gefunden hätten, die man auch irgendjemandem erklären kann.

Ich glaube, diese Aufgabe haben Sie nicht erfolgreich zu Ende gebracht. Da müssen wir bei den künftigen Haushalten auf Bundes- und auf Landesebene noch einmal ran.

Es geht um Transparenz, damit nicht nur Abgeordnete, nicht nur Finanzpolitiker, sondern auch die Bürger auf der Straße verstehen können, dass es für die Verschuldung eine Grenze gibt, die nicht zu überschreiten ist, es sei denn, es gibt Krisenzeiten; ich glaube, diesbezüglich brauchen wir uns alle nichts vorzumachen: In diesen Krisenzeiten wird man entsprechend handeln.

Dies wäre richtig und wichtig gewesen. Diese Aufgabe ist nicht erfüllt. Deshalb werden wir heute nicht zustimmen. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Frau Dr. Hüskens. - Möchten Sie eine Frage von Herrn Rothe beantworten?

Aber gern.

Bitte, Herr Rothe, fragen Sie.

Frau Kollegin Dr. Hüskens, es freut mich, dass wir uns so weit einig sind, dass wir künftig als Land ohne Neu

verschuldung auskommen müssen. Für mich hat das auch Vorrang.

Meine Frage ist: Wenn wir uns einig sind, dass wir als Länder weitgehend von dem abhängig sind, was wir vom Bund her organisiert an Steuereinnahmen erzielen, sind Sie dann auch bereit, den weiteren Schritt zu gehen, nämlich sich auf Bundesebene für eine Steuerpolitik einzusetzen, die uns unter Beachtung der Schuldenbremse gleichwohl eine auskömmliche Finanzierung von Landesaufgaben ermöglicht?

Herr Rothe, ich sage Ihnen ganz klar: Wir haben als Landespolitiker sicherlich alle, ähnlich wie die Kommunalpolitiker mit uns Landespolitikern, die Erfahrung gemacht, dass der Bund immer großartig darin ist, uns Aufgaben zu geben, dass es dann aber mit dem Geld schwieriger wird.

Natürlich werde ich mich dafür einsetzen. Wir haben nur ein Problem. Die Frage ist, was „auskömmlich“ bedeutet. Darüber könnten wir jetzt lange streiten. Wir als FDP setzen uns - ich glaube, das ist niemandem hier im Saal neu - für eine Strukturreform im Steuerbereich ein. Mir persönlich ist die Frage der Transparenz von Steuern wichtig: Brauchen wir tatsächlich diese zahlreichen Abschreibungstatbestände? Brauchen wir dieses unübersichtliche Steuerrecht, in dem eigentlich niemand weiß, warum er welche Steuern zahlt?

Ich glaube, wenn man zunächst diesen Schritt macht, wenn man dafür sorgt, dass die Menschen im Lande überhaupt wissen, warum sie Steuern zahlen, wenn nicht diese starke Ausdifferenzierung vorgenommen wird, dann können wir anschließend gern über die Steuerbelastung sprechen, und zwar über eine reale Steuerbelastung, nicht eine auf dem Papier.

Aber bis dahin wird meiner Meinung nach noch ein weiter Weg sein. Bis dahin werden wir als Landespolitiker dem Bund gegenüber immer wieder fordern müssen, dass unsere Finanzierung auch auskömmlich ist, wobei wir tatsächlich immer in den Streit eintreten müssen, was die eine oder andere Ebene für auskömmlich hält.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank. - Nun spricht für die CDU-Fraktion Herr Tullner. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Badmintonspieler aus Burg, die uns leider schon verlassen haben, haben mich zu der Assoziation verleitet, dass wir heute in dieser Debatte doch einen relativ großen Schläger geschwungen haben, aber einen deutlich kleineren Ball getroffen haben.

(Unruhe)

Warum sage ich das so? - Weil ich der Meinung bin, dass wir heute mit der Änderung der Landeshaushaltsordnung und dem Beschluss bezüglich der Schuldenbremse einen guten Tag für Sachsen-Anhalt - zumindest für die Finanzpolitiker - geschaffen haben. Aber als Historiker sei mir, lieber Herr Finanzminister, die Bemerkung gestattet, einen historischen eher nicht.

Ein historischer wäre es geworden, wenn wir die Verfassungsänderung heute hinbekommen hätten. Dann hätten wir sagen können, wir hätten das gemeinsam geschafft. Die CDU-Fraktion war dazu bereit, ist dazu bereit und wird auch in den kommenden Jahren dazu bereit sein. Wir laden alle politischen Kräfte in diesem Hause ein, daran mitzuwirken.

(Herr Kley, FDP: Sie haben aber anders abge- stimmt!)

- Aber, lieber Herr Kley, wir wissen auch - darauf hat Frau Hüskens schon hingewiesen -, dass wir durch die Vereinbarung mit dem Bund schon eine etwas festere Bindung haben, als Herr Gallert das beschrieben hat. Es geht natürlich nicht, das mit dem Haushaltsbegleitgesetz zu ändern. Das geht nicht, weil es eine Bundesvereinbarung ist.

Meine Damen und Herren! Mir sei diese etwas despektierliche Bemerkung gestattet: Wir wissen, wie der Finanzminister mit seinem Pressesprecher umgeht. Daher können wir erahnen, wie der Bundesfinanzminister mit Ländern umgehen würde, die diese Vereinbarung brechen. Deswegen glaube ich, dass wir an dieser Stelle schon einen Grad der Verbindlichkeit erreicht haben, den wir gemeinsam als Finanzpolitiker und als gesamtverantwortliche Politiker in diesem Hause durchtragen.

(Zurufe von der LINKEN)

Warum machen wir das eigentlich? Warum reden wir heute über diese Schuldenbegrenzung?

Meine Damen und Herren! Seit den 70er-Jahren sind in den damaligen westdeutschen Gebietskörperschaften Finanzverfassungen beschlossen und reformiert worden. Wir müssen am heutigen Tage konstatieren, dass wir eine gesamtstaatliche Verschuldung von mehr als 1,7 Billionen € haben. Man muss nur einen Blick auf die tickende Uhr des Bundes der Steuerzahler werfen. Daran sieht man, wie das so schön rasselt. Diese Dinge sind schleichend vorangegangen und haben sich über die Jahre hinweg entwickelt.

Deswegen bin ich froh, dass die Föderalismuskommission II den Versuch unternommen hat, dem einen Riegel vorzuschieben. Natürlich ist das ein Ausdruck des Misstrauens der Politik gegen sich selbst. Das ist völlig klar. Aber die Verschuldung - ich denke, ich muss das gerade in diesem Land und in diesem Hohen Hause nicht noch einmal betonen - ist in Dimensionen gestiegen, obwohl wir doch wissen müssten - wenn wir uns den Feldversuch in der DDR noch einmal vergegenwärtigen, um das Beispiel von Frau Dr. Hüskens anzuführen -, wohin es führen kann, wenn man nicht rechtzeitig Maß hält und die Dinge in dem Rahmen abarbeitet, der vorgegeben ist.

Wir steuern auf eine Zeit zu, nämlich auf die Jahre 2019 und 2020, in denen sich viele Grundfesten - auch das wissen wir alle - dramatisch verändern werden. Es geht etwa um den Soli; das wissen wir alle. Der Länderfinanzausgleich wird das kommende Thema werden, über den ab 2019 zu verhandeln ist. Es geht auch um das Wirken der Schuldenbremse in den Ländern. Auf alles das müssen wir uns vorbereiten.

Wenn wir nicht nur mit Blick auf die einzelnen Wahlperioden - diese ist bekanntlich fast zu Ende -, sondern auch mit Blick auf die kommenden Generationen eine verantwortliche Politik machen wollen, dann sind wir - dazu stand die CDU in der Vergangenheit und dazu steht sie auch in Zukunft immer wieder - dazu verpflichtet, für die

jetzige und für unsere nachkommenden Generationen sowie im Übrigen auch für unsere Wählerinnen und Wähler eine verantwortliche Finanzpolitik zu machen. Die gelingt uns mit solchen Maßnahmen sehr viel besser, als das in der Vergangenheit der Fall war.

Ein Blick in die Geschichte zeigt im Übrigen auch - um noch einmal das Bild der Historie zu bedienen -, dass es das alles schon einmal gab. Während der Stein-Hardenberg’schen Reformen hat Hardenberg Anfang des 19. Jahrhunderts genau das nach den Kriegen auch beschließen wollen. Der großen preußischen Staatsverschuldung wollte er mit einem Verschuldungsverbot begegnen. Auch damals gab es erhebliche Widerstände. Die hießen damals noch nicht LINKE, aber zumindest gab es den Geist offenbar schon zu diesen Zeiten. Das Ding ist gescheitert.

Ich glaube, wir haben heute die einmalige Chance - ich spanne einmal diesen Bogen -, das, was Hardenberg damals schon angedacht hat, zu vollenden. Das ist eine Aufgabe, der wir uns durchaus widmen sollten.

(Zurufe von der LINKEN)

Herr Präsident, ich bin etwas irritiert, weil das rote Lämpchen schon leuchtet. Ich dachte, wir hätten - -

(Unruhe)

Sie können weitere acht Minuten Redezeit beanspruchen, wenn Sie es möchten.

Nein, das möchte ich natürlich nicht; denn ich glaube, es ist heute schon sehr viel gesagt worden.