Protocol of the Session on November 12, 2010

(Frau Dr. Hüskens, FDP: Zahnmedizin!)

- Nein, ein irakischer Urologe war es. Dem fehlte ein Schein über Zahnmedizin und deswegen durfte er nicht praktizieren. In Nordrhein-Westfalen durfte er übrigens praktizieren und ist auch dorthin gegangen. Das ist etwas, was wir uns in Sachsen-Anhalt ersparen können.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der LIN- KEN und von Herrn Kurze, CDU)

Dazu gehört auch die Evaluierung von Sprach- und Integrationskursen. Wir sollten schon wissen, welchen Nutzen sie hatten. War das Lehrpersonal gut genug? Sind die Menschen, die dorthin gegangen sind, bereit gewesen, sich einzubringen? Hat es Abbrecherquoten gegeben? Welche Ursachen haben die?

Ich möchte das wissen, auch deshalb, um denjenigen, die sich dort nicht integrationswillig zeigen, dies bei der Überprüfung des Aufenthaltsstatus unter Umständen negativ auslegen zu können. Wer nicht Deutsch lernen will, liefert eigentlich keinen Grund, hier weiter bleiben zu dürfen.

(Beifall bei der FDP)

Anders herum sollten wir aber den öffentlichen Dienst für Migrantinnen und Migranten öffnen. Warum sollte ein Türke nicht auch Polizeidienst in Köln machen? Welche Vorteile hätte das? Große, nehme ich an. Eine Möglichkeit wäre, Partnerregionen zu suchen, wo man gezielt im Wege der Außenwirtschaft auch für Zuwanderung wirbt.

Meine Damen und Herren! Es gibt eine Vielzahl von Möglichkeiten, die wir aufgreifen können. Nichts von dem haben wir bisher angefasst. Sachsen-Anhalt braucht Wohlstand, um sich weiterhin positiv zu entwickeln. Wohlstand kann nur erreicht werden, wenn Wachstum in der Wirtschaft generiert wird. Wirtschaftliches Wachstum kann in den Unternehmen in Sachsen-Anhalt nur geschaffen werden, wenn die Unternehmen über ausreichendes, gut qualifiziertes und fachkundiges Personal verfügen.

Den Bedarf an Fachkräften in den Betrieben SachsenAnhalts können wir unter anderem auch durch eine qualifizierte Zuwanderung decken. Eine aktive und effizient ausgestaltete Integration von Zugewanderten ist essenziell, damit die Gesellschaft in Sachsen-Anhalt von den Talenten der Zugewanderten profitieren kann und sich die Zugewanderten in die Gesellschaft einbringen können.

(Beifall bei der FDP)

Die bisherige Umsetzung des nationalen Integrationsplanes auf Landes- und kommunaler Ebene ist ein erster wichtiger Schritt. Wir Liberale begrüßen, dass auf dem Integrationsgipfel in der vergangenen Woche Anstrengungen dahin gehend gemacht worden sind, die künftigen Maßnahmen noch konkreter im Rahmen eines Aktionsplanes nachvollziehbar zu machen.

Meine Damen und Herren! Deutschland braucht Zuwanderung, Sachsen-Anhalt braucht Zuwanderung. Der Wettbewerb um die besten Köpfe ist unvermeidlich, wenn wir auch weiterhin als wichtiger Wirtschaftsstandort gegen aufstrebende Länder wie Indien, China oder Brasilien bestehen wollen.

Ich hoffe, wir ziehen alle an einem Strang. - Danke schön.

(Beifall bei der FDP)

Danke sehr, Herr Wolpert. - Für die Landesregierung hat Herr Minister Dr. Haseloff um das Wort gebeten. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die FDP-Fraktion weist mit ihrem Antrag auf den engen Zusammenhang zwischen der aktuellen Zuwanderungs- und Integrationsdebatte mit der Diskussion zur Sicherung des zukünftigen Fachkräftebedarfs hin und fordert dazu auf, die Vorteile qualifizierter Zuwanderung nach Sachsen-Anhalt zu nutzen und die Integration der Zuwanderer aktiv sicherzustellen.

Als Wirtschaftsminister des Landes Sachsen-Anhalt teile ich diese Sichtweise grundsätzlich, rate aber zu einer differenzierten Betrachtung. Die Sicherung des zukünftigen Fachkräftebedarfs der Wirtschaft des Landes Sachsen-Anhalt ist eine der zentralen wirtschaftspolitischen Herausforderungen der nächsten Jahre. Daher hat das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit schon im letzten Jahr eine Fachkräftestudie für das Land Sachsen-Anhalt erstellt, die eine wichtige analytische Grundlage für die Entwicklung unserer Fachkräftestrategie darstellt - Herr Wolpert, Sie haben darauf hingewiesen.

Aus dieser Studie ist bekannt, dass aufgrund der zukünftigen Abnahme und Alterung der Bevölkerung die Zahl

der Erwerbspersonen in Sachsen-Anhalt in den nächsten Jahren deutlich sinken wird. Zentrale Entwicklungen sind dabei insbesondere ein deutlicher Rückgang der Zahl der Personen im erwerbsfähigen Alter, ein deutlicher Rückgang der Zahl junger Menschen und eine zunehmende Alterung von Personen im erwerbsfähigen Alter.

In der Prognose ist daher bis zum Jahr 2016 gegenüber dem Jahr 2009 auf der Angebotsseite von einem Rückgang um rund 155 000 Erwerbspersonen auszugehen. Auf der anderen Seite sind die Potenziale der im Land ansässigen Erwerbspersonen derzeit noch keineswegs ausgeschöpft.

Die Erwerbsbeteiligung von älteren Personen ist vergleichsweise gering. Lediglich 60 % aller 55- bis 65-Jährigen stehen dem Arbeitsmarkt tatsächlich zur Verfügung. Bei den 60- bis 65-Jährigen liegt die Erwerbspersonenquote bei ca. 30 %.

Die Zahl der Auspendler ist immer noch relativ hoch. Fast 140 000 Sachsen-Anhalter arbeiten derzeit noch in anderen Bundesländern. Demgegenüber sind in Sachsen-Anhalt nur 55 000 Personen aus anderen Ländern sozialversicherungspflichtig angestellt. Nur Thüringen und Brandenburg haben größere bzw. vergleichbare Pendlerquoten aufzuweisen.

Die Abwanderung hält weiterhin an. Auch in den letzten Jahren wanderten im Schnitt jährlich rund 16 000 Personen im Alter von 15 bis 65 Jahren aus Sachsen-Anhalt aus. Diese Zahl ist zwar rückläufig, aber immer noch hoch.

Trotz sinkender Arbeitslosenquote gibt es immer noch eine erhebliche Zahl von Arbeitslosen. Trotz des prognostizierten Rückgangs des Arbeitskräfteangebots ist daher nach meiner Einschätzung bis zum Jahr 2016 noch kein flächendeckender Fachkräftemangel in Sachsen-Anhalt zu befürchten - in bestimmten Branchen bzw. Berufsgruppen natürlich schon.

Allerdings wird es für Unternehmen schon in den nächsten Jahren schwerer werden, generell geeignete Fachkräfte - sei es als Ersatz für in die Rente ausscheidende Beschäftigte oder die Einstellung zusätzlicher Fachkräfte - zu finden. Auch wird sich die Situation aufgrund der weiter anhaltenden Reduktion des Erwerbspersonenpotenzials bis zum Jahr 2025 in den Folgejahren trotz schrittweiser Anhebung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre deutlich verschärfen.

Diesen Problemen wollen wir rechtzeitig begegnen und haben dazu in diesem Jahr mit allen Verantwortlichen den Fachkräftesicherungspakt beschlossen. Er umfasst 16 Seiten mit vielen Einzelmaßnahmen, weil es das Patentrezept natürlich nicht gibt, aber viele Einzelaktivitäten dazu beitragen können, die Situation abzumildern.

Vor diesem Hintergrund ist es eine wichtige Zukunftsaufgabe, die Arbeitsmarktpotenziale von Zugewanderten zur Sicherung des zukünftigen Fachkräftebedarfs besser zu nutzen. Dabei kann in Sachsen-Anhalt von folgenden relativ günstigen Bedingungen ausgegangen werden: Die ausländische Bevölkerung in Sachsen-Anhalt ist im Durchschnitt deutlich jünger als die einheimische Bevölkerung. 75 % der Ausländerinnen und Ausländer sind jünger als 45 Jahre. Bei der einheimischen Bevölkerung sind dies nur 50 %.

Das Qualifikationsniveau der Migrantinnen und Migranten in Ostdeutschland ist relativ hoch. Jeder Fünfte hat

einen Hochschulabschluss. Bei den Deutschen ist es nur jeder Zehnte. Der Anteil der Ausländer ohne Berufsabschluss ist zwar auch in Ostdeutschland mit knapp 40 % sehr hoch, aber niedriger als in Westdeutschland. Der hohe Anteil unqualifizierter Personen wird vermutlich sinken, wenn es zukünftig bessere Verfahren zur Anerkennung von ausländischen Abschlüssen gibt. Das ist die Zielplanung. Der Ausländeranteil bei den Studierenden ist mit 8,5 % deutlich höher als im Bevölkerungsdurchschnitt.

Auf der anderen Seite ist das quantitative Potenzial der Zugewanderten in Sachsen-Anhalt relativ gering und wird zudem bisher nicht optimal zur Fachkräftesicherung genutzt. Dies verdeutlichen folgende Zahlen:

In Sachsen-Anhalt leben rund 44 000 Ausländerinnen und Ausländer, also 1,9 % der Gesamtbevölkerung. Drei Viertel davon, also rund 33 000 Personen, sind im erwerbsfähigen Alter, haben einen gesicherten Aufenthaltstatus und sind damit als Arbeitskräfte für die Wirtschaft in Sachsen-Anhalt potenziell verfügbar. Der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund, also auch Deutsche mit ausländischen Wurzeln, wird auf 4 bis 4,5 % geschätzt. Das sind in Sachsen-Anhalt rund 100 000 Menschen.

Migrantinnen und Migranten sind bisher nur in unterdurchschnittlichem Umfang sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Es gibt in Sachsen-Anhalt nur etwa 7 000 ausländische sozialversicherungspflichtige Beschäftigte. Das entspricht einem Anteil von 19 % der Ausländer im erwerbsfähigen Alter. In der Gesamtbevölkerung liegt dieser Anteil bei 48 %.

Die Arbeitslosenquote der Zugewanderten ist mit 26 % fast doppelt so hoch wie im gesamten Durchschnitt. Zirka 7 700 Ausländerinnen und Ausländer sind arbeitslos gemeldet.

Es ist bisher noch nicht ausreichend gelungen, junge Migrantinnen und Migranten in Berufsausbildung zu bringen. Es gibt derzeit nur etwa 400 ausländische Schülerinnen und Schüler an berufsbildenden Schulen - das entspricht 0,6 % aller Schülerinnen und Schüler an berufsbildenden Schulen - und nur etwa 150 ausländische Auszubildende im dualen Berufsbildungssystem. Das entspricht 0,3 % aller Auszubildenden. Diese Zahl könnte höher sein.

Die Zahl der ausländischen Studierenden ist dagegen mit 4 500 Studierenden relativ hoch. Herr Wolpert, Sie haben es zu Recht gesagt: Es sind 8,5 % aller Studierenden. Diese Quote war noch nie so hoch. Dabei handelt es sich allerdings überwiegend um Studierende ausländischer Herkunft, die nur zum Zweck des Studiums nach Sachsen-Anhalt gekommen sind. Unter dem Aspekt der Fachkräftesicherung sollte aber angestrebt werden, diese Studierenden durch attraktive Angebote nach Abschluss des Studiums im Land zu halten. Wir wissen, dass in diesem Zusammenhang auch rechtliche Bedingungen geklärt werden müssen. Auch das ist die Zielstellung der jetzigen Bundesregierung.

Unter dem Aspekt der Fachkräftesicherung ergibt sich damit aus meiner Sicht folgender Handlungsbedarf: Die Maßnahmen zur Verbesserung der Integration von Migrantinnen und Migranten in die duale Ausbildung müssen weiter verbessert werden. Dafür ist insbesondere die Verbesserung der Informationen über die deutschen Berufsausbildungssysteme erforderlich. Ferner ist wichtig die Verbesserung der Ausbildungsreife, vor allen Din

gen die Verhinderung des Schulabbruchs und die Verbesserung der Berufsorientierung gerade für diese Zielgruppe.

Die Berufseinstiegsbegleitung ist ebenfalls zu verstärken. Hier haben wir mit den Kammern entsprechende Vereinbarungen abgeschlossen wie den Ausbildungssicherungs- bzw. Fachkräftesicherungspakt.

Die Integration von Arbeitslosen in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung muss erhöht werden. Dafür ist insbesondere die arbeitsmarktpolitische Unterstützung notwendig, das heißt, das offensive Einsetzen der zur Verfügung stehenden Integrationsinstrumente für diese Personen.

Weiterhin ist die bessere Anerkennung von im Ausland erworbenen Qualifikationen wichtig. Ein Anerkennungsgesetz, das speziell die Qualifizierungsangebote mit berücksichtigt, die in Deutschland erworben wurden, ist gerade in der Diskussion bzw. in der Modifizierung.

Und es muss vor allen Dingen auch eine größere Bereitschaft von Unternehmen geben, Zugewanderte zu beschäftigen. Wenn die Wirtschaft auf der einen Seite immer darüber klagt, dass es schon einen Fachkräftemangel gibt, dann muss man genauer hinschauen, worin dieser besteht. Das kann man durchdeklinieren von den Ingenieuren in bestimmten Fachrichtungen, die auch jetzt noch nach dem Studium zu 80 % abwandern, die also ein attraktives Angebot benötigen, damit sie hierbleiben, bis hin zu anderen Tätigkeitsbereichen, wo einfach das Potenzial der arbeitslos gemeldeten ausländischen Fachkräfte bzw. der Arbeitslosen besser genutzt werden muss.

Unternehmensgründungen von Migrantinnen und Migranten sollten weiter unterstützt werden, insbesondere spezielle Angebote zur Motivation, Qualifizierung und Beratung. Hier haben wir die ego-Piloten ganz speziell auf diese Zielgruppe aufgesetzt. Wir konnten gerade in dieser Woche dazu positive Beispiele in Magdeburg präsentieren, in denen das erfolgreich gelungen ist.

Es sollte versucht werden, ausländische Studierende frühzeitig an Unternehmen in Sachsen-Anhalt zu binden und dadurch als Fachkräfte in Sachsen-Anhalt zu halten. Hierbei können unter anderem die Transferzentren und die Career Center an den Hochschulen unterstützend wirken. Das ist ja ein Routineprogramm. Hier haben wir klare Signale gegeben, dass diese 8,5 % ausländische Studenten eine für uns besonders wichtige und interessante Zielgruppe darstellen.

In einigen Bereichen könnte es sinnvoll sein, die Zuwanderung gezielt zu erhöhen und Fachkräfte gezielt anzuwerben. Das Thema Ärztemangel ist gerade in der aktuellen Diskussion. Ich denke, da läuft schon einiges. Wir haben auch gerade in den letzten Wochen dazu Aufenthalts- und Arbeitserlaubnisse erteilt, sodass in einigen Kliniken entsprechende Arbeitsverhältnisse begründet werden konnten. Aber hier ist ebenfalls noch ein deutliches Potenzial zu heben.

Fazit: Ich bin der Meinung, dass wir die Potenziale von Zugewanderten in Zukunft noch besser für die Sicherung des Fachkräftebedarfs in Sachsen-Anhalt nutzen können. Von zentraler Bedeutung ist dabei aus meiner Sicht die bessere Regelung der Anerkennung von Qualifikationen, die im Ausland erworben wurden. Das ist aber generell ein Bundesthema, das in den Bundesländern sicherlich modifiziert anzuwenden ist.

Daher begrüße ich es außerordentlich, dass auf der Bundesebene derzeit ein Anerkennungsgesetz vorbereitet wird, das Zuwanderern einen Rechtsanspruch auf ein Anerkennungsverfahren geben soll. Mit dem geplanten Anerkennungsgesetz soll für die Betroffenen ein Rechtsanspruch auf ein Verfahren zur Bewertung und gegebenenfalls zur Anerkennung von im Ausland erworbenen Qualifikationen eingeführt werden. - Herr Wolpert, Sie haben unter anderem darauf hingewiesen.

Aufgrund der vielfältigen Zuständigkeiten in diesem Bereich geht es dabei aber auch darum, die Transparenz der Verfahren für die Betroffenen zu erhöhen und diese möglichst schnell an die für den jeweiligen Einzelfall zuständige Stelle zu lotsen. Hier ist auch eine Entbürokratisierung, eine Vereinfachung der Verfahren möglich.

(Zustimmung von Herr Wolpert, FDP)

Ich weiß, wovon ich spreche. Ich habe schon die verschiedensten Dinge erlebt, dass man von Pontius zu Pilatus rennt. An dieser Stelle hat man auch rechtliche Inkompatibilitäten zutage gefördert.

In die Gestaltung dieser Prozesse werden wir uns als Landesregierung deswegen auch ganz offensiv einbringen sowohl auf der Bundesebene als auch bei der Verbesserung der Verfahren innerhalb des Landes, auch in Bezug auf das Sicher-Machen von Verwaltungsentscheidungen. Da sind viele Mitarbeiter in den einzelnen zuständigen Behörden auch noch zu schulen.

Eine wichtige inhaltliche Leitlinie ist dabei für uns auch der kürzlich gefasste Beschluss des Landesintegrationsbeirates mit dem Titel „Potenziale der Zuwanderung nutzen - Anerkennung ausländischer beruflicher Qualifikationen verbessern“.