Protocol of the Session on November 12, 2010

Vielen Dank, Herr Barth, für die Einbringung. - Für die Landesregierung erteile ich jetzt Herrn Minister Daehre das Wort. Bitte schön, Herr Minister.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit Ihrer Zustimmung möchte ich meinen Redebeitrag zu Protokoll geben. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich gestatte das ausnahmsweise, Herr Minister.

(Minister Herr Dr. Daehre: Vielen Dank!)

(Zu Protokoll:)

Sachsen-Anhalt nimmt beim Ausbau der erneuerbaren Energie in Deutschland einen Spitzenplatz ein.

Der Anteil der erneuerbaren Energien an der Bruttostromerzeugung und am Energieverbrauch ist bereits etwa doppelt so hoch wie der deutsche Durchschnitt. Bei der installierten Leistung übersteigen die Kapazitäten zur Stromerzeugung aus regenerativen Quellen in unserem Land bereits die Kapazitäten aus Kraftwerken, die fossile Rohstoffe einsetzen.

Fast 78 % der gesamtdeutschen Bioethanolproduktion entfielen im letzen Jahr auf unser Land.

Es ist mit Blick auf unser neues Landes-Klimaschutzprogramm auch kein Geheimnis, dass die erneuerbaren Energien eine unserer wirksamsten Stellschrauben beim Klimaschutz sind. Als ein Vorreiter bei der Nutzung erneuerbarer Energien kann unser Land seine Erfahrungen in die Ausgestaltung der einschlägigen zukünftigen Politikinstrumente im nationalen wir im europäischen Rahmen einbringen.

Auch die Biomassenutzung hat inzwischen für SachsenAnhalt eine ernstzunehmende Bedeutung sowohl unter wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischen Aspekten als auch aus klimapolitischer Sicht.

Ich denke, wir sind uns darin einig, dass Sachsen-Anhalt über gute Bedingungen und weitere Potenziale sowohl für den Anbau als auch für die energetische und stoffliche Nutzung von Biomasse verfügt. Und diese Potenziale sollten wir zweifellos nutzen. Aber, meine Damen und Herren, ich möchte an dieser Stelle deutlich sagen: wir müssen sie verantwortungsvoll nutzen.

Der ungezügelte Ausbau der energetischen Biomassenutzung kann durchaus auch unerwünschte Wirkungen haben

• auf die Wirtschaftlichkeit der traditionellen Landwirtschaft, das heißt die Nahrungs- und Futtermittelproduktion,

• auf die Biodiversität und

• auf die Bodenfruchtbarkeit.

Sachsen-Anhalt verfügt bei einer Gesamtfläche von ca. 2 Millionen ha über etwa 1,3 Millionen ha landwirtschaftlicher Nutzfläche. Auf dieser wird ein Großteil der für die energetische Verwertung produzierten Biomasse angebaut. Und ein erheblicher Anteil der Biomasse stammt aus unseren Wäldern.

Aber die Fläche der Wälder, Felder und Wiesen in unserem Land ist endlich. Ein immer weiter wachsender Flächenbedarf für den Anbau nachwachsender Rohstoffe für die energetische Verwertung bewirkt zwangsläufig Konkurrenzsituationen zur stofflichen Verwertung von Holz und zum klassischen Nahrungs- und Futtermittelanbau. Die Betriebe der Holzwerkstoffindustrie haben erst kürzlich mit einer Protestaktion auf die wachsende energetische Nutzung von Holz aufmerksam gemacht.

In der Landwirtschaft kann man in einigen Regionen, besonders in Niedersachsen, die Auswirkungen dieser Konkurrenz am Bodenmarkt beobachten. Dort sind unter anderem wegen der Bioenergienutzung für schlechte Böden mittlerweile über 1 000 €/ha Pacht zu bezahlen.

Das ist eine ungesunde Entwicklung. Das Primat der Nahrungs- und Futtermittelerzeugung darf in der Landwirtschaft nicht aufgegeben werden. Es gilt, die Potenziale zu nutzen, ohne die Konkurrenz zu einem Entweder-oder werden zu lassen.

Derzeit ist die Situation dadurch gekennzeichnet, dass einem weitgehend freien Markt bei Nahrungs- und Futtermitteln ein stark gestützter Markt für Energie gegenübersteht. Das führt zu deutlichen Konkurrenzvorteilen für die energetische Nutzung. Die Förderung sollte aber nicht dazu dienen, die Konkurrenz der Bioenergienutzung zur Nahrungs- und Futtermittelproduktion zu verstärken. Wir setzen deshalb darauf, dass bei der bevorstehenden Novellierung des Erneuerbare-EnergienGesetzes an einigen Stellen, insbesondere bei der Biogasförderung, nachreguliert wird.

Die Agrarministerkonferenz hat einen eindeutigen Prüfauftrag an die Bundesregierung in dieser Richtung formuliert. Nach meiner Auffassung sind Biogasanlagen vor allem sinnvoll

• in Verbindung mit Viehhaltung,

• in Verbindung mit Wärmenutzung und

• zur Nutzung von Reststoffen.

Die Endlichkeit der Ressource Boden im Kontext mit einem wachsenden Bedarf nach energetisch verwertbarer Biomasse kann zu intensiverer - möglicherweise auch zu intensiver - Landnutzung führen. Das kann Auswirkungen auf die Biodiversität und die Bodenfruchtbarkeit haben. Dort, wo Biomasseverwertungsanlagen entstehen, kann sich der Anbau bestimmter Pflanzen konzentrieren.

In Niederachsen gibt es bereits Regionen mit über 50 % Maisanteil an der Ackerfläche. Ein großflächiger und andauernder Maisanbau kann aber zum Beispiel zu einer potenziellen Massenvermehrung dort lebender Insektenarten führen.

Neben der Artenvielfalt ist es die Bodenfruchtbarkeit, die bei intensivierter Biomassenutzung nicht aus dem Auge verloren werden darf. Zu kurze, einseitig ausgestalte Fruchtfolgen - oder schlicht gesagt: zu oft und zu nahe aneinander Mais - können eine Verschlechterung der Bodenqualität verursachen. Humusabbau, Anreicherungen spezifischer Schädlinge und Krankheitserreger, Bodenerosion und -verdichtung können die Folgen sein.

Wenn die energetische Biomassenutzung weiter ausgebaut werden soll - und im Interesse der landwirtschaftlichen Wertschöpfung ist das durchaus interessant -, müssen allerdings angepasste, sozial- und naturverträgliche Wege beschritten werden. Eine entsprechende Begleitung der Entwicklungen in unserem Land ist daher erforderlich, um mögliche Fehlentwicklungen frühzeitig zu erkennen und um erforderlichenfalls entsprechende Gegenmaßnahmen festzulegen.

Mir kommt es bei dem vorliegenden Beschlussantrag vor allen Dingen darauf an, dass die erforderliche Begleitung der Entwicklungen im Bereich der Biomassenutzung auf der Basis sachlicher Diskussionen, auch im politischen Raum, erfolgt. Unsere Landesanstalt für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau befasst sich in vielfältiger Weise mit diesem Thema.

Ich danke den Regierungsfraktionen für ihren Antrag, mit dem diese wichtige Diskussion verstärkt ins Parlament getragen werden soll.

Sie können die Rede dann im Protokoll nachlesen, meine Damen und Herren. Wir können damit gleich in die Debatte einsteigen. Herr Krause hat für die Fraktion DIE LINKE das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herrn! Wenn Sie nichts dagegen haben, werde ich meinen Beitrag auch zu Protokoll geben.

(Zustimmung bei der CDU - Minister Herr Dr. Daeh- re: Oh! - Frau von Angern, DIE LINKE: Ein gutes Beispiel!)

Ich sehe einer Berichterstattung und Diskussion im Ausschuss mit Spannung entgegen.

Ich gestatte Ihnen das, finde das aber sehr schade; denn wir sind zum Debattieren und nicht zum Zu-ProtokollGeben hier.

(Zu Protokoll:)

Herr Minister Aeikens hat bereits gestern in seiner Regierungserklärung auf negative Entwicklungstendenzen beim Maisanbau im Zusammenhang mit der Biomasseproduktion hingewiesen. Noch liegt der Maisanbau in Sachsen-Anhalt im Durchschnitt bei knapp 10 %, in bestimmten Einzugsbereichen von Biogasanlagen aber auch schon mal bei über 30 %.

Auch wenn wir noch nicht wie vereinzelt in Niedersachsen auf 50 % kommen, muss uns das durchaus beunruhigen - erst recht, weil wir kaum noch Futterpflanzen im Anbau haben, die, wie unter anderem die Leguminosen, für die Bodengesundheit eine große phytosanitäre Rolle spielen. Darin besteht vor allem das heutige Dilemma.

Ich möchte dazu bemerken, dass Entwicklungen in Richtung Monokultur, Gefährdung der Biodiversität sowie die Gestaltung einer ungesunden Humuswirtschaft nicht ursächlich auf eventuell verantwortungsloses Handeln der Landwirte zurückzuführen sind. Nein, es sind die Rahmenbedingungen, die hinterfragt werden müssen.

Vom Grundsatz dürfen wir nicht zulassen, dass die Biomasseproduktion und -verarbeitung losgelöst von landwirtschaftlichen Reproduktionsprozessen organisiert wird. Damit wären die Weichen dafür gestellt, dass wir künftig weiterhin - oder sagen wir besser: wieder - eine wissenschaftlich begründete Fruchtfolge in den Agrarunternehmen einhalten können.

Ich finde, es macht schon einen Unterschied, ob sich die Landwirtschaft in erster Linie ihrem Kerngeschäft - also der Produktion von Nahrungsmitteln - zuwendet und dabei die Abprodukte der Produktion sinnvoll nutzt bzw. wiederverwendet oder ob überdimensionale Biogasanlagen in die Landschaft gestellt werden, die eine Überkonzentration zum Beispiel von Mais und/oder Verkehre nach sich ziehen, die das eigentliche ökologische Anliegen dieser Art der Energiewirtschaft ad absurdum führen.

Dies gilt übrigens nicht nur für das Feld der Biomasseproduktion, sondern muss auch grundsätzlich für die Planung und Errichtung von Tierproduktionsanlagen und den außerlandwirtschaftlichen Erwerb von landwirtschaftlich genutzten Flächen gelten. Herr Bergmann, ich bin gerne bei Ihnen, wenn Sie in der gestrigen Debatte gefordert haben, dass landwirtschaftlich genutzte Flächen auch in den Händen der Landwirte bleiben sollen und nicht der Begehrlichkeit von so genannten Bodenfonds oder Konzernen anheim fallen dürfen.

Der gute Vorsatz allein, hier aufzupassen, genau hinzuschauen, kritisch zu begleiten, auf der Hut zu sein - das reicht erfahrungsgemäß nicht aus. Wir brauchen klare gesetzliche Regelungen auf Bundes- wie auf Landesebene, um von vornherein ungesunde agrarstrukturelle Entwicklungen zu verhindern. Dies gilt auch für alle Großinvestitionen im ländlichen Raum, die bei ihrer Planung ökologische und agrarstrukturelle Erfordernisse für einen ausgewogenen landwirtschaftlichen Reproduktionsprozess nicht im geringsten beachten und quasi den Landwirt aus finanzieller Sicht nötigen, die gute fachliche Praxis tendenziell zu vernachlässigen.

Abschließend möchte ich auf einen Artikel in der Zeitschrift „Neue Landwirtschaft“, Ausgabe 11/2010 unter dem Titel „Reaktor oder/und Kuh“ verweisen. Fazit dieses Artikels: Produktion von Milch, Fleisch, Marktfrucht und Biogas. In Betriebskonzepten, die diese Reihenfolge berücksichtigen, liegt die Zukunft.

Wir stimmen einer Überweisung in den Ausschuss zu und sind gespannt auf die Berichterstattung und Diskussion im Ausschuss.

Meine Damen und Herren! Wir kommen zum Beitrag der CDU-Fraktion. - Herr Radke will das Gleiche tun, oder was?

(Heiterkeit bei allen Fraktionen)

Herr Radke (CDU)

Es fällt mir wirklich schwer, wenn ich schon einmal hier vorn stehe,

(Oh! bei der CDU)