Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wiederholt haben wir in Deutschland die Diskussion über die Möglichkeiten junger Menschen, mit ihrer Ausbildung zukünftig auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Wir haben hier in jüngster Zeit insbesondere in SachsenAnhalt die Debatte, inwieweit es sinnvoll ist, dass zunehmend mehr junge Menschen sich frühzeitig für einen Weg über das Gymnasium entscheiden, in der berechtigen Hoffnung, durch eine Hochschulzugangsberechtigung bessere Chancen zu haben. Andererseits hat dieser große Anteil langfristige Folgen für die Gesamtstruktur des Bildungssystems in der Sekundarstufe.
Die Frage ist für viele junge Menschen: Müssen sie sich so frühzeitig schon entscheiden? Muss man so frühzeitig, schon in Klasse 5, unbedingt den Gymnasialweg einschlagen?
Oder bietet gerade das Bildungssystem SachsenAnhalts mit seiner hohen Durchlässigkeit viele Chancen für die jungen Menschen, sich auch über die Sekundarschule später weiter fortzuentwickeln?
Gerade die Sekundarschule, die den Kern unseres Schulsystems bildet, die nämlich die jungen Menschen bereitstellt, die später Facharbeiter werden, die über den
Meister und den Ingenieur den Kern der deutschen Wirtschaft bilden, bietet eben in ihrer Fortführung sehr viele Chancen hier in unserem Land. Wer sich den Bildungsbericht anschaut, der in sehr guter Art und Weise auch die Übergangspunkte noch einmal markiert, der stellt fest, dass es, glaube ich, aus unserer Sicht im Moment ein großes Vermittlungsproblem für die jungen Menschen gibt. Sie haben ein Problem damit, sich darüber klar zu werden, welche Chancen darin eigentlich noch stecken.
Wenn Sie sich einmal die Schulstruktur gerade in den Ballungsgebieten ansehen, dann stellen Sie fest, dass es mittlerweile komischerweise mehr Gymnasien gibt als Sekundarschulen, was geradezu irrwitzig ist, weil hier durch Fehlentscheidungen frühzeitig eigentlich Lebenszeit verschwendet wird. Wer einmal darüber nachdenkt, dass junge Menschen erst das Abitur erlangen, um später in eine Lehre zu gehen, der fragt sich, wo diese zwei Lebensjahre hin sind.
Wir diskutieren über die Verkürzung von Studiengängen, weil man sagt, die Leute kommen zu spät in den Beruf. Wir diskutieren über die Frage der Zeiten bis zur Erlangung der Rente. Aber an dieser Stelle sind wir bereit, Umwege in Kauf zu nehmen.
Aber gerade das Handwerk und auch die Industrie machen darauf aufmerksam, dass zukünftig ein Mangel an hochqualifizierten Lehrlingen bestehen wird, die nur die Sekundarschule mit ihren Abschlüssen bereitstellen kann.
Deswegen möchten wir hier auch den Fokus darauf richten, dass es viele Möglichkeiten in unserem Lande gibt für diejenigen, die diese Schulform sehr erfolgreich absolvieren, sowohl später durch andere Möglichkeiten des beruflichen Ganges als auch dadurch, im Bereich der Schule eventuell eine Hochschulzugangsberechtigung zu erhalten.
An dieser Stelle, meine Damen und Herren, fällt uns natürlich zuallererst die Fachoberschule ein. Das ist eine Schulform, über die viel zu wenig diskutiert wird, die aber mit Ausnahme des Altmarkkreises Salzwedel in jedem Landkreis vorhanden ist. Das heißt, junge Menschen können hier in relativ kurzer Zeit, nämlich, wenn sie einen Berufsabschluss haben, in einem Jahr, ansonsten binnen zwei Jahren, die Fachhochschulzugangsberechtigung erlangen.
Das heißt, es besteht die Chance, einen sehr guten Realschulabschluss zu erreichen und sich dann weiter über die Fachoberschule zu qualifizieren. Das heißt, hier können junge Leute einen Gang einschlagen, der - das zeigt sich in den Diskussionen immer wieder - bei uns kaum bekannt ist, der aber gerade für die berufliche Bildung sehr positiv ist. Auch viele Unternehmen verweisen darauf, dass die Ausbildung als Facharbeiter auch weitere Wege öffnet, dass gerade die Industrie und das Handwerk hier Bildungschancen bereitstellen.
Die Diskussion über das Fachgymnasium ist, glaube ich, bekannt. Und wer sich einmal die Zahlen in Deutschland anschaut, der stellt fest, dass in Baden-Württemberg, in einem Land, das im Bereich der Industrie sehr erfolgreich ist, etwa 23 % der jungen Menschen eine Hochschulzugangsberechtigung über den beruflichen Weg erreichen, also hauptsächlich auch über das Fachgymnasium, während es bei uns nur 7 % sind.
Das heißt, der Weg ist bei uns völlig unterentwickelt und viel zu wenig bekannt. Wer sich einmal die Fachgymnasien anschaut, der sieht, dass sie in ihrer Struktur ge
genwärtig vielfach gefährdet sind und dass die Gefahr besteht, dass zukünftig nur noch wenige Orte in unserem Lande derartige Strukturen vorhalten werden. Das hat natürlich zur Folge, dass es zu längeren Schulwegen kommt und dass es für die Kinder zunehmend schwieriger wird, diesen sehr attraktiven Bildungsweg aufzunehmen.
Berufsakademien und Ähnliches gibt es bei uns im Land nicht. Diese kann man aber auch in anderen Ländern nutzen. Und auch die allgemeine Ausbildung im beruflichen Weg zeigt, dass zukünftig noch Möglichkeiten bestehen.
Wer den Brief des Handwerkskammerpräsidenten Keindorf gelesen hat, der sieht, dass auch die Industrie und das Handwerk erkannt haben, wie wichtig es ist, sich um die jungen Menschen zu kümmern, ihnen eine Perspektive zu geben, um sie zum einen natürlich einzubinden in unsere regionale Struktur und sie zum anderen damit auch davon abzuhalten, das Land zu verlassen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir diskutieren immer wieder über die Problematik der Demografie, die auch in der Abwanderung besteht. Auf der anderen Seite wird propagiert, dass das allein Seligmachende das Gymnasium mit dem Abitur sei, das häufig dazu führt, dass die jungen Menschen zum Studium das Land verlassen. Nein, die berufliche Ausbildung ist es, die eine starke Bindung ausprägt und die dann zukünftig natürlich auch über die von uns genannten Wege dafür sorgen kann, dass die Durchlässigkeit jederzeit gegeben ist.
Und wenn wir über die Durchlässigkeit so progressiv diskutieren, dann brauchen wir auch nicht länger darüber zu reden, ob wir die Schulform umschmeißen, ob wir etwas Neues machen oder ob die Sekundarschule sozusagen die Möglichkeit eröffnen soll, das Abitur abzulegen. Das brauchen wir gar nicht.
Wir haben längst die Möglichkeiten, um diesen Bildungsgang den jungen Menschen weiterführend zu öffnen. Natürlich ist es günstig, wenn das Ganze mit beruflicher Praxis verknüpft wird. Wir haben immer wieder erlebt, dass diejenigen, die einmal eine Kelle in der Hand gehabt haben, die einmal an einem Arbeitsort tätig waren und später ein Studium aufnehmen, häufig bessere Ergebnisse haben, dass bei ihnen mehr Konstanz und ein besseres Verständnis für das einzelne Studienfach vorhanden sind. Deswegen, glauben wir, ist es notwendig, stärker für diesen Gang werben.
Wenn Sie unseren Antrag lesen, stellen Sie fest, dass es nicht darum geht, diesen Bildungsgang auszubauen, sondern dass es um das Bekanntheitsproblem geht, das wir hierbei offenkundig haben. Wer die allgemeinen Bildungsbörsen besucht, der stellt immer wieder fest, dass sich dort zwar die verschiedenen Schulen vorstellen, dass aber die Frage der Weiterführung allzu gering diskutiert und die Frage der Durchlässigkeit abschätzig heruntergeredet wird.
Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, möchte ich Sie bitten, unserem Antrag zuzustimmen, der ein klares Signal, ein Bekenntnis zu dieser Schulform gibt und der auch - darüber müssen wir uns klar sein - eine Implikation auf die zukünftige Struktur der Lehrerausbildung hat.
Wer sich einmal bei dem gegenwärtigen Besatz mit Lehrern die allgemeine Schüler-Lehrer-Relation ansieht, der
stellt fest, dass Sachsen-Anhalt im allgemeinbildenden Schulbereich eine sehr gute Lehrer-Schüler-Relation aufweist, dass es allerdings im berufsbildenden Bereich noch Nachholbedarf gibt.
Die jüngsten Diskussionen zeigen, dass es notwendig ist, diesen Ausbildungszweig auch an der Universität Magdeburg zu erweitern und hier eventuell über neue Fächerkombinationen nachzudenken, um den jungen Menschen stärkere Perspektiven zu eröffnen und somit auch dem Lehrermangel langfristig vorzubeugen, der insbesondere in diesem Bereich schon jetzt in einigen Teilen existiert, etwa im Bereich der direkten Metallbearbeitung und ähnlichen Bereichen, aber uns auch insgesamt deutlich bedroht.
In diesem Sinne bitte ich Sie um Zustimmung zu unserem Antrag, um für die jungen Menschen ein klares Zeichen zu setzen, dass unser Bildungssystem sehr wohl in der Lage ist, ihnen Chancen zu bieten, und dass sie bei uns im Land bleiben sollen. - Danke schön.
Vielen Dank, Herr Kley. - Die Reihenfolge der Redner kommt uns schon etwas bekannt vor. Ich erteile Ministerin Frau Wolff das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Tatsächlich wurde im Jahr 2008 ein Anteil von 23,8 % aller Hochschulzugangsberechtigungen in Sachsen-Anhalt an berufsbildenden Schulen erworben. Deutschlandweit waren es 36,5 %, in Baden-Württemberg sogar 48,2 %. Der genannte Wert von 23,8 % in Sachsen-Anhalt stieg übrigens im Jahr 2009 auf 29,2 %. Die Vergleichswerte aus den anderen Ländern habe ich leider noch nicht.
Zu beachten sind dabei aber die unterschiedlichen Zugangsberechtigungen, die hinter dem Prädikat Hochschulzugang an berufsbildenden Schulen stehen. Im Jahr 2008 erwarben 979 Schülerinnen und Schüler die den Fachgymnasien vorbehaltene allgemeine Hochschulreife. Deutlich häufiger, nämlich 1 934-mal, wurde die Fachhochschulreife bescheinigt. Diese wiederum wurde in den meisten Fällen, nämlich 1 544-mal, an den Fachoberschulen erworben.
Auch diese Verteilung ist in den Bundesländern höchst unterschiedlich. Herrscht in Baden-Württemberg ein fast ausgeglichenes Verhältnis zwischen allgemeiner und Fachhochschulreife, so liegt dieses Verhältnis etwa in Nordrhein-Westfalen bei 6 600 zu 35 000 zugunsten der Fachhochschulreife. Möglicherweise sprechen also die berufsbildenden Schulen in den Ländern unterschiedliche Zielgruppen an.
Wie auch immer, jedenfalls dürfen wir, wenn wir über den Hochschulzugang über berufsbildende Schulen sprechen, nicht nur an das Fachgymnasium denken. Das spricht der Antrag ja auch an. Die Vielfalt der Angebote relativiert sicherlich auch etwas die Annahme einer strengen Kausalbeziehung zwischen den Übertrittsquoten nach der Grundschule zum Gymnasium und dem Pool an jungen Menschen, die nach einem guten Sekundarschulabschluss die Hochschulreife anstreben können.
Natürlich steht derjenige, der am Gymnasium das Abitur ablegt, für ein Fachgymnasium oder eine Fachoberschu
le nicht mehr zur Verfügung, aber das Umgekehrte gilt nicht so streng. Von denen, die nicht das Gymnasium besuchen, können vielleicht mehr als bisher die Hochschulreife erwerben, die, wie gesagt, keineswegs nur auf dem Fachgymnasium erworben wird. Außerdem gibt es nicht wenige Schüler, bei denen, wie man so schön sagt, der Knoten einfach später platzt. Ihnen muss natürlich, um der Durchlässigkeit willen und vor allem um ihrer selbst willen, die Möglichkeit offen stehen, ihren individuellen Bildungsweg zu gehen.
Der Vollständigkeit halber erwähne ich noch einen anderen Weg zur Hochschule. Wer das Gymnasium nach der 11. Klasse verlässt, hat den schulischen Teil der Fachhochschulreife schon erworben. Der andere Teil kann erworben werden durch eine duale Berufsausbildung oder aber durch ein einjähriges Praktikum, das sich inhaltlich analog zum Praktikum der zweijährigen Fachoberschule gestaltet.
Tatsächlich erlangen auf diesem, dem letztgenannten Wege jährlich mehr als 400 Schülerinnen und Schüler, die wir bei einem ersten Blick auf die Statistik vermutlich eher als Gymnasiumsabbrecher wahrnehmen würden, die Fachhochschulreife.
Nun geht es in Ihrem Antrag letztlich nicht so sehr um die Möglichkeit, die Hochschulreife auf einem anderen Weg als der gymnasialen Abiturprüfung zu erwerben, sondern darum, diese Wege bekannter zu machen. Gänzlich unbekannt können sie bei den genannten Zahlen nicht sein.
Es gibt seit 2009 ein, wie ich finde, sehr gut gemachtes Faltblatt mit einer sehr übersichtlichen Abbildung über das gesamte Schulsystem des Landes. Diese Abbildung finden Sie auch im aktuellen Bildungsbericht. Dieses Faltblatt wird exzessiv an Eltern von Grundschülern und Grundschülerinnen verteilt. Aber dieses Faltblatt gibt es noch nicht sehr lange. Das Faltblatt liegt, wie gesagt, in allen Schulen vor und es steht auch im Internet zur Verfügung. Bei Informationsveranstaltungen am Ende der Grundschulzeit werden insbesondere die anwesenden Vertreter der Sekundarschule immer ein großes Interesse daran haben, auf die Möglichkeiten hinzuweisen, die ein guter Sekundarschulabschluss bietet.
Für die Entscheidung der Eltern viel wichtiger scheint mir aber die konkrete Erfahrung zu sein, dass dann an den Sekundarschulen tatsächlich so etwas wie eine Vorbereitung auf die Wege stattfindet.
Ich habe mit sehr engagierten Sekundarschulleitern und -leiterinnen gesprochen, die genau so etwas vorhaben. Das werden wir auch unterstützen. Zwei Modellprojekte mit Sekundarschulen, die konkret jeweils mit Berufsschulen kooperieren wollen und mit diesen Berufsschulen gemeinsam auf Informationsveranstaltungen an Grundschulen auftreten, laufen gerade an. Andere Sekundarschulen und berufsbildende Schulen bewegen sich in die gleiche Richtung.
Der Bildungskonvent hat sich für einen Abschluss mit Hochschulbefähigung aus der Sekundarschule heraus, wie es dort heißt, aber auch im Hinblick auf die Schulform Sekundarschule ausgesprochen. Das kann man natürlich so interpretieren, dass das unter dem Dach der Sekundarschule möglich sein soll. Man kann es aber auch so interpretieren, dass es durch die eben skizzierte Möglichkeit der Kooperation passiert.
Ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass wir bei tendenziell kleiner werdenden Sekundarschulen, wo wir häufig nicht einmal mehr Hauptschulklassen zusammenbringen, in Zukunft auch nur theoretisch garantieren könnten, auch noch an allen Sekundarschulen zur Hochschulreife führende Klassen vorzuhalten. Insofern scheint mir der Weg der Kooperation zwischen Sekundarschulen und berufsbildenden Schulen der besser gangbare zu sein.
Wir werden einfach zumindest in der Fläche gezwungen sein, im Spannungsfeld zwischen kritischen Mindestschülerzahlen für ein qualitativ hochwertiges weiterführendes Bildungsangebot und für eine wohnortnahe Beschulung zu entscheiden. Ich vermute, dass hierbei der Landtag demnächst nicht nur als Empfänger der Empfehlungen des Bildungskonvents, sondern auch als Ort der politischen Willensbildung und als Gesetzgeber gefragt sein wird. Für die Bereitschaft zur Führung der entsprechenden Diskussionen danke ich schon jetzt.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich denke, dass die Sicherung des Bedarfs an qualifizierten Fachkräften eines der wichtigsten Kriterien für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes ist. Wir kennen es aus der Unternehmensberatung und von den Instituten, die uns darauf hinweisen, dass insbesondere - ich betone: insbesondere - hoch qualifizierte Fachkräfte und Akademiker gebraucht werden.