Protocol of the Session on October 8, 2010

Ein Schulfrieden ohne vorherige Kompromissfindung hätte es auch in Bremen nicht gegeben, und den wird es in Sachsen-Anhalt nicht geben. Das ist doch hier nicht zur Totenruhe verurteilt und dazu, dass bis zum Ende der Ewigkeit alles so bleibt.

Zweitens. Ihr Antrag widerspricht somit nicht nur dem Bremer Modell, sondern auch dem Diskussionsstand und der Empfehlung zur Schulstruktur im Bildungskonvent. Der Bildungskonvent hat sich mit einer Mehrheit von 80 % für eine weitere Öffnung des Bildungssystems auch für das gemeinsame längere Lernen ausgesprochen.

Meine Damen und Herren! Das werden wir in der nächsten Legislaturperiode mit Leben erfüllen. Es wird nichts passieren, was Sie den Menschen unterzuschieben versuchen. Ich nehme es Ihnen übel, Herr Kley, dass Sie Ängste schüren. Natürlich haben Menschen Ängste vor Veränderungen. Man muss ihnen aber sagen, warum Veränderungen nötig sind. Ich sage nur 25 % ohne vernünftigen Schulabschluss.

(Zustimmung von Herrn Höhn, DIE LINKE)

Warum ist es notwendig, das zu ändern, wenn die großen Städte klagen, dass sie zu viele Hartz-IV-Empfänger haben. Das ist mit eine der Ursachen.

(Zuruf von der FDP: Das ist doch Unsinn!)

Wenn wir Veränderungen vornehmen - diese müssen wir machen -, dann werden wir sie möglichst gemeinsam mit einem solchen Kompromiss und seriös und vernünftig umsetzen.

Das ist die Aufgabe für morgen.

(Zuruf von Herrn Wolpert, FDP)

- Zwischen dem, was Sie unter seriös verstehen, und dem, was ich unter seriös verstehe, gibt es wahrscheinlich Unterschiede.

Summa Summarum will ich nur sagen: Der Antrag geht eigentlich als solcher nach hinten los, weil die Bezugsgrundlage eine falsche ist und weil wir es uns aus Respekt vor der Arbeit des Bildungskonvents, der nicht nur die Arbeit der Politiker beinhaltet, einfach nicht erlauben dürften, als Politikerinnen und Politiker daran zu denken, mit diesen Dingen nicht progressiv und vernünftig für die Zukunft umzugehen. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Mittendorf. - Nun spricht Herr Höhn für die Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will zunächst auf zwei Argumente eingehen, die Herr Kley in seiner Einbringungsrede vorgebracht hat.

Herr Kley, unabhängig davon, welches schulpolitische Konzept wir über die Fraktionen hinweg vertreten, will

ich erst einmal Folgendes feststellen: Sie haben davon gesprochen, dass in der nächsten Legislaturperiode aus dem Landtag heraus dem Land möglicherweise eine neue Schulreform übergestülpt wird.

Lieber Kollege Kley, genauso wie ich werden auch Sie den Wahlkampf damit bestreiten, sehr laut und sehr offen über unsere unterschiedlichen bildungspolitischen Konzepte zu reden. Ich lade Sie dazu ein, wenn wir in der nächsten Woche unseres vorstellen. Am 20. März 2011 wird der Wähler entscheiden, welches schulpolitische Konzept in diesem Haus die Mehrheit haben wird. So läuft das in der Demokratie. Das hat nichts mit Überstülpen zu tun.

(Beifall bei der LINKEN)

Zweite Bemerkung. Sie haben das Szenario an die Wand gemalt, dass eine Schulreform möglicherweise dazu führen wird, dass die Lehrerinnen und Lehrer in den kommenden Jahren herauf und herunter durchs Land geschickt werden. - Lieber Kollege Kley, wenn wir überhaupt in die Situation kommen, dass wir in den nächsten Jahren unsere Lehrerinnen und Lehrer durch die Gegend schicken müssen, dann hat das nur einen Grund, nämlich den Personalmangel, der in den nächsten Jahren eintreten wird.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Der ist im Wesentlichen darin begründet, dass gerade Sie in der Legislaturperiode nach 2002 die Ausbildungskapazitäten für die Lehrerinnen und Lehrer in SachsenAnhalt drastisch heruntergefahren haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Was den Antrag selbst betrifft - nun gut, die Ministerin hat schon auf die Begrifflichkeit des Friedens hingewiesen.

(Zuruf von Herrn Kosmehl, FDP)

Der Logik, wer gegen das gegliederte Schulsystem ist, der ist gegen den Frieden, werde ich mich nicht anschließen, meine Damen und Herren. Sie ist ein bisschen durchsichtig.

(Herr Wolpert, FDP: Warum das denn?)

Ich habe heute Morgen in der Aktuellen Debatte auf die Diskussion im Landtag in den Jahren 1992/1993 hingewiesen. Unter anderem habe ich dort etwas gefunden, das ich sehr bemerkenswert fand. Bereits in der ersten Legislaturperiode, als weder SPD noch damals PDS gemeinsam die Chance hatten, irgendeine Schulreform im Sinne von mehr Integration zu machen, als Sie das gegliederte Schulsystem in Sachsen-Anhalt eingeführt haben, hat die CDU-Fraktion hier in diesem Haus erklärt, so müsse es bleiben; man wolle keine Experimente an den Schulen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das, was Sie heute vorlegen, hat nichts damit zu tun, was SPD und PDS in der Vergangenheit gemacht haben. Sie plädieren für einen Schulfrieden, weil wir im Moment ein Schulsystem haben, das Ihnen zupass kommt.

(Zustimmung bei der LINKEN - Herr Gallert, DIE LINKE: Genau! - Herr Franke, FDP: Weil es der Bildung zupass kommt!)

Sie plädieren für einen Schulfrieden in einem gegliederten Schulsystem, nicht weil es das bessere ist, sondern

weil es Ihr Schulmodell ist, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP.

(Zuruf von der FDP)

Ich möchte Sie einmal fragen, Herr Kollege Kley - Sie können ja im Rahmen Ihrer Erwiderung darauf antworten -: Hätten Sie denn diesen Antrag heute auch gestellt, wenn wir eine Gemeinschaftsschule in Sachsen-Anhalt hätten. - Sie hätten diesen Antrag nicht gestellt, weil es eben nicht Ihrer Vorstellung davon entspricht, wie Schule funktioniert.

Wir werden in der nächsten Legislaturperiode genau so, wie wir das in der Vergangenheit auch gemacht haben, unter den Fraktionen und in der Öffentlichkeit darüber reden müssen, was wir an Schule verändern wollen und was wir an Schule verändern müssen. Ich werde das, was ich an Problemfeldern heute Morgen skizziert habe, jetzt nicht wiederholen.

Sie können davon ausgehen, dass meine Fraktion in der nächsten Legislaturperiode dafür eintreten wird, dass wir handeln und die Defizite, die beschrieben worden sind, angehen müssen. Aber Sie können auch davon ausgehen, dass meine Fraktion und meine Partei gleichermaßen verantwortungsbewusst handeln werden.

Die Aufwertung der Sekundarschulen, die Öffnung hin zum längeren gemeinsamen Lernen, der Auftrag für mehr Integration und Inklusion sind durch den Bildungskonvent ausdrücklich legitimiert und sie entsprechen der Erwartungshaltung der Mehrheit der Bevölkerung, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der LINKEN - Frau Feußner, CDU: Das ist Ihre Meinung, nicht die Erwar- tungshaltung der Bevölkerung!)

Wir werden als Fraktion mit der mangelnden Qualität unseres Schulsystems und mit der sozialen Schieflage an unseren Schulen keinen Frieden schließen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP.

(Herr Kosmehl, FDP: Ihr seid doch die Friedens- partei! - Frau Feußner, CDU: Ihr wart doch sonst immer für den Frieden!)

Gestatten Sie mir eine letzte Bemerkung. Liebe Kollegin Mittendorf, wir sitzen jetzt seit vielen Jahren gemeinsam im Bildungsausschuss und ich bin vieles gewöhnt. Aber vielleicht können Sie mir noch verraten, welchen Gewinn wir im Ausschuss aus der Diskussion über diesen Antrag erzielen werden. Ich kann ihn nicht erkennen. Meine Fraktion wird eine Ausschussüberweisung ablehnen. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Höhn. - Jetzt erteile ich für die CDUFraktion Frau Feußner das Wort. Bitte schön, Frau Feußner.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe immer gedacht, die Partei der LINKEN hat sich immer für Frieden ausgesprochen. Heute tut sie dies ausnahmsweise nicht. Ich kann Ihnen heute sagen: Ich bin immer für Frieden.

(Frau Dr. Hüskens, FDP, lacht)

Der Begriff des Schulfriedens suggeriert, dass wir im Land bezüglich der Diskussion um Schulstrukturen derzeit in einem Kriegszustand wären. Ich hoffe, dass wir auch in der Zukunft nie in eine solche Situation kommen werden. Das wäre eine fatale Situation für unsere Schülerinnen und Schüler, für unsere Lehrerinnen und Lehrer und für unsere Eltern, aber auch für unser Land in Gänze. Im Gegenteil, wir sollten auf unseren derzeitigen Erfolgen aufbauen und - ich sage: auch und natürlich - noch bestehende Defizite abbauen.

Wohin ein politischer Streit um Strukturen führen kann, konnten wir vor kurzem in Hamburg erleben. Das ging so weit, dass über die Strukturveränderungen - ich muss das sicherlich niemandem erläutern; es ging um die vierjährige bzw. um die sechsjährige Grundschule - im Rahmen eines Volksentscheides befunden werden musste, was erhebliche Auswirkungen nach sich zog, erstens den Rücktritt von Ole von Beust, zweitens einen erheblichen Vertrauensverlust in die politische Führung, in die Politik allgemein und in die dort befindlichen Parteien allemal.

Sie haben für mich während dieses Volksentscheides eine nicht nachvollziehbare Rolle gespielt. Ich möchte an dieser Stelle nur daran erinnern, dass selbst die SPD, die für längeres gemeinsames Lernen ist, sich in Hamburg nicht für eine sechsjährige Grundschule positionieren konnte. Das kann man sehen, wie man will. So wie die politischen Konstellationen gerade einmal sind, so positioniert man sich. Das ist für eine dauerhafte Bildungspolitik nicht dienlich.

(Zustimmung von Herrn Kosmehl, FDP)

Dies alles lehrt uns, dass wir mit strukturellen Veränderungen doch sehr sensibel umgehen sollten.

Von Ihnen, Frau Mittendorf, wurde das Thema Bremen angesprochen. Sie sagten, einem solchen Schulfrieden könnten Sie beitreten, weil Ihnen die Struktur an sich, die dort vereinbart worden ist, sehr entgegenkommt. Allerdings muss man auch wissen, woher Bremen gekommen ist. Dort sind alle Parteien aufeinander zugegangen.

Aber wir wissen auch, wie die politischen Konstellationen in der Vergangenheit in Bremen waren. Bremen war hauptsächlich über die Gesamtschule strukturiert. Die Gesamtschule hat in Bremen dazu geführt, dass Bremen an letzter Stelle bei Pisa stand, und nichts anderes.