Bereits am 10. März 2008 beschloss der Bildungskonvent mit 20 Prostimmen und lediglich vier Enthaltungen, also einstimmig, seine Handlungsempfehlungen im Bereich der frühkindlichen Bildung und Erziehung gegenüber der Landespolitik. Schon in der Vorbemerkung ist nachlesbar, dass es den Akteuren des Bildungskonvents um Teilhabechancen von Kindern an Bildungsangeboten geht.
Deshalb war es auch nur konsequent, dass an erster Stelle des Empfehlungskatalogs die Wiedereinführung
des ganztägigen Betreuungsanspruchs in der Kita für alle Kinder, unabhängig von sozialer Herkunft und Beschäftigungsstatus der Eltern, steht.
Die folgenden Punkte beschäftigten sich mit dem Übergang von der Kita zur Grundschule, mit dem Ausbau von integrativen Angeboten, der Qualitätsentwicklung, unter anderem durch die Akademisierung der Erzieherinnenausbildung und engen Kooperationsbeziehungen mit anderen gesellschaftlichen Partnern.
Das sind unzweifelhaft alles wichtige Punkte. Insbesondere die Hochschulausbildung war in dieser Legislaturperiode ein Schwerpunkt dieser Debatte. Ich denke, es ist auch ein gutes Zeichen, dass sich der Landtag von Sachsen-Anhalt hierfür klar ausgesprochen hat.
Meine Fraktion hat sich jedoch bewusst dafür entschieden, heute einen Bund herauszulösen und zu thematisieren, ohne damit sagen zu wollen, dass die übrigen Empfehlungen unwichtig sind.
Unser politischer Schwerpunkt in der frühkindlichen Bildung und Betreuung ist ganz klar die Rückgängigmachung der politischen Fehlentscheidung aus dem Jahr 2003 und die Wiedereinführung des Ganztagsanspruches für alle Kinder.
Ich habe das Interview mit dem Sozialminister Herrn Bischoff in der gestrigen „Volksstimme“ erfreut wahrgenommen. Ich zitiere:
„Die Hirnforschung sagt, dass die wesentlichen Grundlagen bis zum sechsten Lebensjahr gelegt werden. Daher bin ich zutiefst davon überzeugt, dass wir ein Ganztagsangebot mit Krippe, Kindergarten und darüber hinaus auch in allen Schulformen brauchen, und zwar für alle Kinder, vor allem für Kinder aus sozial schwachen Elternhäusern.“
Ich erinnere mich noch gut daran, dass Sie, Herr Minister, in der letzten Legislaturperiode hier in der ersten Reihe saßen und nach vorne riefen, dass Bildung nur vormittags stattfinde. Aber es ist doch schön zu wissen, dass man auch nach dem sechsten Lebensjahr noch lernfähig ist.
Wie ich dem Pressespiegel regelmäßig entnehmen kann, sind nicht nur die Kolleginnen meiner Fraktion regelmäßig in Kindertageseinrichtungen unterwegs. Ich denke, dann werden auch Sie genauso wie wir immer wieder mit den bestehenden Problemen in den Kitas konfrontiert. Das ist so auch legitim.
Von den Erzieherinnen werden vor allem die zu eng bemessenen Zeiten für Vor- und Nachbereitung und die Fortbildung sowie die Mängel in der Qualität der Erzieherinnenausbildung angesprochen. Sehr enge Personalschlüssel, die kaum Spielräume bei krankheitsbedingten Ausfällen erlauben, eine extrem hohe Teilzeitquote von insgesamt 85 % tragen eben nicht zur notwendigen
Qualität frühkindlicher Bildung und Betreuung bei. Da kann man noch so oft proklamieren, dass wir bundesweit das beste Gesetz zur Kinderbetreuung haben. Dieser Satz allein sagt nicht wirklich etwas über Qualität aus.
Schwerpunkt der Gespräche sind immer wieder die soziale Ausgrenzung von Kindern mit einem Halbtagsanspruch und die bestehenden Probleme in den Familien. Erzieherinnen, mit denen ich gesprochen habe, sagen klipp und klar: Ja, Halbtagskinder werden von Bildungsprozessen ausgeschlossen. Ja, es gibt die so genannten bildungsfernen Elternhäuser, denen die notwendigen Erziehungs- und Bildungskompetenzen fehlen, um ihren Kindern ein abwechslungsreiches und anregendes Aufwachsen zu ermöglichen. Das hat nichts damit zu tun, dass wir es ihnen nicht zutrauen oder ihnen gar die Kinder wegnehmen wollen.
Ich denke, das gilt vor allem für die Kinder, die es ganz dringend brauchen. Denn der Sozialminister hat völlig Recht: Die ersten sechs Jahre sind sehr entscheidende Jahre in der Entwicklung eines Menschen.
Meine Erfahrung ist, dass die Erzieherinnen in den Kitas schon jetzt sehr viele Probleme wegtragen, sehr flexibel auf Schwierigkeiten eingehen und neben dem Dreiklang Bildung, Betreuung, Erziehung viele weitere Aufgaben übernehmen. Das hat aber eben auch Grenzen, die sie aufgrund der Halbtagsregelung nicht einfach vom Tisch wischen können.
Die Bundessozialministerin sprach in der Aktuellen Debatte im Bundestag zur so genannten Hartz-IV-Reform von einer Werteentscheidung. Meine Damen und Herren, ich denke, die Frage über die Ganztagsbetreuung wird eine Werteentscheidung in Sachsen-Anhalt werden.
Ich möchte mich heute auch nicht um die Frage der Kosten herummogeln. Das haben wir bereits in der Debatte zum Doppelhaushalt 2008/2009 nicht gemacht, als wir das letzte Mal eine KitaG-Änderung forderten. Die Mitglieder des Finanzausschusses erinnern sich sicherlich noch an unsere Refinanzierungsvorschläge, die zum Teil von den Koalitionsfraktionen zur Erfüllung ihrer Wünsche dankend aufgenommen worden sind.
In der Antwort der Landesregierung auf eine Anfrage im Jahr 2008 hinsichtlich der Kosten für die Rückkehr zum Ganztagsanspruch bezifferte die Landesregierung diese Kosten auf ca. 36,22 Millionen €. Auch unsere neuesten Berechnungen anhand der aktuellen Kinderzahlen zeigen Mehrkosten von ca. 37 Millionen € jährlich auf. Hinzu kommen die Kosten, die laut KiFöG Sachsen-Anhalt durch die Kommunen zu tragen sind.
Ich denke, wir sind uns alle darüber einig, dass dies selbst bei einem Gesamthaushalt von 10 Milliarden € nicht gerade wenig Geld ist.
Ich werde heute nicht nur auf die Veränderung der Steuerpolitik verweisen, weil unsere Kompetenzen dabei lediglich auf die Mitwirkung im Bundesrat beschränkt sind.
Aber der Hinweis auf die bisweilen populistische Debatte zum Wassercent sei mir an dieser Stelle durchaus erlaubt.
Meine Fraktion kann und will auch nicht alles über die Höhe der Neuverschuldung regulieren. Denn ich teile durchaus das Argument, dass wir sehr sensibel mit unserer Verantwortung gegenüber kommenden Generationen umgehen müssen. Aber gegebenenfalls muss eben auch diese Frage diskutiert werden, so wie wir es auch bezüglich des Doppelhaushaltes 2010/2011 getan haben.
Ich gebe auch zu bedenken, dass wir in Zukunft gebildete Menschen brauchen, die durch ihre Arbeit unser Gesundheitssystem, unser Rentensystem und auch viele andere Ausgaben schultern müssen.
Deshalb darf die so genannte Generationengerechtigkeit nicht nur von einer Seite aus betrachtet werden. Ich verweise diesbezüglich auf die Bertelsmann-Studie zu den Folgekosten unzureichender Bildung durch entgangenes Wirtschaftswachstum. Die Kosten können laut Bertelsmann-Stiftung bei einer Bildungsreform um tatsächlich 90 % reduziert werden. - Hm. Lautes Schweigen.
Wir müssen natürlich auch in den bestehenden Haushalt blicken. Es ist festzustellen, dass im Haushalt des Sozialministeriums der überwiegende Teil der Ausgaben durch Rechtsansprüche gebunden ist. Hier ist also eher wenig zu holen. Das heißt, wir müssen eine Gesamtschau auf den gesamten Haushalt machen. Wir müssen nicht nur sämtliche Investitionen in Straßen, Bauten und auch in Wirtschaftsprojekte auf ihre Sinnhaftigkeit hin prüfen.
Ich sehe durchaus eine Chance, mit der Hilfe der neuen Steuerungsmethoden, mit einer neuen Schwerpunktsetzung im Haushalt tatsächlich nur noch die Projekte zu fördern, die sich nachhaltig positiv für unser Land auswirken.
Außerdem sollten wir uns auch über den Umgang mit Steuermehreinnahmen verständigen. Dabei müssen wir eben auch kritisch darüber diskutieren, was uns ein ständig wachsender Pensionsfonds bringt, wenn zugleich der Nachwuchs weggespart wird, der die zukünftigen Renten und Pensionen erarbeiten soll.
Mir ist durchaus bewusst, dass all das, was ich benannt habe, Minenfelder sind, übrigens auch in meiner Fraktion.
Nun zu der Frage der Abstimmung über den Antrag. Für den Fall, dass Sie, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen insbesondere von der SPD-Fraktion, sich heute wiederholt dazu entscheiden sollten, über den Antrag
nicht direkt abstimmen zu wollen, möchte ich sagen: Ich kann diese Flucht menschlich durchaus verstehen, halte sie aber politisch für falsch.
Sowohl Ihr Sozialminister als auch Ihr Wahlprogrammentwurf sprechen eine ganz deutliche Sprache pro Ganztagsanspruch. Ich finde, dann macht es Sinn, sich auch heute hier in diesem Hause klar dazu zu bekennen.