Protocol of the Session on October 8, 2010

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die CDU steht voll und ganz hinter der Bundeswehr.

(Beifall bei der CDU - Frau Weiß, CDU: So ist das!)

Wir stehen zu unseren Soldaten und wir wollen, dass sie auch in Zukunft in ausreichender Stärke in unserem Land präsent sind. Wir sind den Soldaten dafür dankbar, dass sie für unsere Sicherheit ihr Leben riskieren. Wir wünschen allen Soldaten, dass sie gesund aus dem Einsatz wo auch immer zurückkommen.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und bei der FDP)

Wir wissen, dass auch viele Kameraden aus SachsenAnhalt derzeit ihren Dienst in Afghanistan oder im Kosovo leisten. Ich bedanke mich beim Minister für die anerkennenden Worte für diesen Einsatz und für das Gedenken an den gestern verstorbenen Kameraden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! In welcher Größenordnung die angestrebte Verkleinerung der Bundeswehr zu Standortschließungen führt, ist derzeit noch völlig unklar. Es ist aber zu erwarten, dass es so kommen wird. Eine Reduzierung von 250 000 auf 163 000 Soldaten wird nicht ohne solche Einschnitte einhergehen können. In Sachsen-Anhalt dienen zurzeit ca. 5 000 Soldaten und 1 100 Zivilbedienstete an 13 Standorten. Das sind mehr als 16 000 Menschen im Dienste der Bundeswehr.

Am schmerzlichsten wäre es für uns, wenn es zu einer Schließung einer der drei großen Garnisonsstädte kommen würde. In Burg und in Havelberg dienen jeweils 1 400 Soldaten. In Weißenfels dienen 1 200 Soldaten. Aber auch mit 700 Soldaten im GÜZ Altmark haben wir eine sehr große Bundeswehrdienststelle.

Schaut man sich die von Minister zu Guttenberg favorisierte Variante, das Modell 4 an, dann stellt man fest, dass das folgende Szenario denkbar ist: Verlust aller fünf Divisionsstäbe, vier Wehrbereichskommandos sollen abgebaut werden, Kürzungen soll es bei der Spezialinfanterie geben, also bei den Fallschirm- und Gebirgsjägertruppen. Auch die Luftwaffe und die Marine haben erhebliche Einschnitte zu erwarten.

All das haben wir in Sachsen-Anhalt nicht. Wir werden aber sicherlich nicht ganz ungeschoren davonkommen; denn auch im Bereich der Führung und Unterstützung sind Streichungen geplant. In Havelberg haben wir ein Führungs- und Unterstützungsbataillon mit der Nr. 382. Geplant ist auch, bei der Anzahl der Landeskommandos zu kürzen. Wir als Bundesland Sachsen-Anhalt haben ein solches in Magdeburg.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe nicht den Eindruck, dass bei der Pioniertruppe in Havelberg, bei der Logistiktruppe in Burg oder bei den Sanitätern in Weißenfels in größerem Umfang abgebaut werden soll, noch dazu wo in Havelberg und in Weißenfels entsprechend der neuen Ausrichtung die Stützpunkte zivilmilitärischer Zusammenarbeit aufgebaut sind. In Havelberg befindet sich eines von insgesamt nur zwei modernen Taucherausbildungszentren des gesamten Heeres. Mit dem Gefechtsübungszentrum Altmark haben wir die modernste Einrichtung dieser Art in Europa. Ich glaube nicht, dass die Bundesrepublik Deutschland dieses aufgeben wird.

Schauen wir uns einmal die Investitionen an, die in den letzten Jahren in unseren Kasernen getätigt wurden. Ich beziehe mich dabei auf die Standorte Havelberg, Burg und Weißenfels. In Havelberg wurden 75 Millionen € investiert, in Weißenfels 55 Millionen € und in Burg 127 Millionen €. Ich glaube nicht, dass diese Investitio

nen aufgegeben werden. Staatssekretär Schmidt hat bei seinem letzten Truppenbesuch in Havelberg gesagt, ein zweites Schneeberg werde es nicht geben.

(Zustimmung bei der FDP)

Für diejenigen, die es nicht wissen: Auch in Schneeberg in Sachsen gab es umfangreiche Investitionen und der Standort wurde geschlossen. Die Aussage des Staatssekretärs ist, so denke ich, ein ermutigendes Zeichen.

Unter diesen Vorzeichen, meine sehr verehrten Damen und Herren, habe ich nicht den Eindruck, dass es zu allzu großen Einschnitten in unserem Land kommen wird. Aber es geht auch um die vielen kleinen Standorte in unserem Land; denn auch diese leisten einen großen Beitrag für die Verankerung der Bundeswehr in der Fläche. Herr Minister Hövelmann, ich bedanke mich bei Ihnen für die Bereitschaft, die Sie angekündigt haben, sich auch für diese kleinen Standorte einzusetzen.

Meine Damen und Herren! Standortschließungen im Zusammenhang mit dieser Reform wären starke Einschnitte. Aber mit dieser Reform ist auch ein wahrlich historischer Schritt verbunden, über den gesprochen werden muss. Noch in diesem Jahr entscheiden die Parteitage von CDU und CSU, ob sie den Kurs von Verteidigungsminister zu Guttenberg unterstützen, die Wehrpflicht auszusetzen. Als Delegierter zum CDU-Bundesparteitag sage ich: Ich werde dem zustimmen. Auch wenn das für meine Partei eine ganz neue Richtung wäre, für mich steht schon lange fest, dass die Wehrpflicht nicht mehr zeitgemäß ist. Ich gebe aber allen Recht, die sagen, jedem jungen Mann kann der Militärdienst nur gut tun.

(Zustimmung von Frau Weiß, CDU)

Ich selbst war auch zehn Jahre lang dabei und bereue das nicht, im Gegenteil. Aber es ist nun einmal nicht der Auftrag der Bundeswehr, den jungen Männern Deutschlands Disziplin und Ordnung beizubringen. Der Auftrag der Bundeswehr heißt Landesverteidigung.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der SPD)

Zur Rechtfertigung können wir einzig und allein sicherheitspolitische Überlegungen heranziehen. Andere Erwägungen, wie zum Beispiel der Zivildienst oder eine vorteilhaftere Rekrutierung von Zeit- und Berufssoldaten, dürfen verfassungsrechtlich keine Rolle spielen.

Die Sicherheitslage hat sich zum Glück gravierend geändert. Ich zeige eine Karte hierzu. - Solche Angriffspläne waren vor 21 Jahren in Europa noch aktuell. Ich werde das nachher noch einmal herumreichen. Wer Interesse hat, kann sich das ansehen.

Damals standen sich sechs Millionen Soldaten des Warschauer Paktes und 4,5 Millionen Soldaten der Nato gegenüber. Heute, meine Damen und Herren, hat sich das Blatt zum Glück gewendet. Eine unmittelbare territoriale Bedrohung Deutschlands gibt es nicht mehr. Landesverteidigung ist heute primär Bündnisverteidigung an und auch jenseits der Grenzen des Bündnisgebietes. Dabei wird noch stärker auf die Prävention von Krisen und Konflikten geachtet werden müssen; auch die Sicherung der Transportwege gehört dazu.

Dies ist, meine sehr verehrten Damen und Herren, mit den Wehrpflichtigen heutzutage nicht mehr zu leisten. Die Truppe muss professionell, reaktionsschnell und multinational einsetzbar sein. Der Wehrdienst hat schon heute an Bedeutung verloren. Die hochtechnologische

Nachrichten- und Waffentechnik kann nicht in einem halben Jahr erlernt und auch nicht nach einem ganzen Jahr beherrscht werden. In Auslandseinsätze kann man zu Recht nur Zeit- und Berufssoldaten oder freiwillig länger dienende Wehrpflichtige schicken.

Lediglich 32 600 junge Männer - das sind 16 % eines Jahrgangs - leisten überhaupt noch Wehrdienst. Erklären Sie diesen jungen Männern einmal, warum gerade sie in ihren Freiheitsrechten eingeschränkt werden sollen, die anderen 84 % jedoch nicht.

Herr Schulz, kommen Sie bitte zum Schluss.

Frau Präsidentin, ich gebe mir Mühe.

Die Mühe muss erfolgreich sein.

Sie waren heute schon sehr flexibel bei der Auslegung der Redezeit. Daher gestatten Sie mir auch noch zwei Sätze.

Die meisten unserer Partner haben dies schon erkannt. Es gibt innerhalb der Nato oder innerhalb der Europäischen Union kein größeres Land, das an der Wehrpflicht festhält, einmal abgesehen von der Türkei.

Die Wehrpflicht wird nicht abgeschafft. Sie bleibt in Artikel 12a des Grundgesetzes verankert. Unter den gegenwärtig bestehenden sicherheitspolitischen Umständen wird sie nur ausgesetzt und kann jederzeit wieder aktiviert werden. Ich glaube, meine Damen und Herren, wir sind uns alle darin einig, dass keiner von uns solche Umstände jemals wieder haben will. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der SPD)

Das war der letzte Debattenbeitrag. Wir treten in das Abstimmungsverfahren zur Drs. 5/2884 ein.

Es wurde nicht angeregt, den Antrag in den Ausschuss zu überweisen. Wir stimmen also direkt über den Antrag ab. Wer der Drs. 5/2884 seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Koalitionsfraktionen und die FDP. Wer ist dagegen? - Die Fraktion DIE LINKE. Damit ist der Antrag angenommen worden. Wir verlassen den Tagesordnungspunkt 23.

Meine Damen und Herren! Ich rufe den Tagesordnungspunkt 16 auf:

Erste Beratung

Handlungsempfehlungen des Bildungskonvents zur frühkindlichen Bildung und Erziehung

Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drs. 5/2866

Ich bitte Frau von Angern, den Antrag einzubringen. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Schauen wir zunächst einmal zurück an den Beginn der fünften Legislaturperiode. Eine Schwarzgelbe Koalition war im Land nicht mehr mehrheitsfähig, sodass eine neue Koalition gefunden werden musste, die sich auch schnell zwischen CDU und SPD fand.

(Herr Stahlknecht, CDU: Na siehste!)

Eine enorme politische Hürde war für beide Parteien jedoch das Thema Bildungspolitik im Allgemeinen und das gegliederte Schulsystem im Besonderen. Die Strategen der SPD fanden jedoch schnell eine Leiter, die über die Hürde helfen sollte. Das Zauberwort hieß „Bildungskonvent“. Er sollte helfen, gesellschaftliche Kräfte, inklusive der Fraktionen im Landtag von Sachsen-Anhalt, an einen Tisch zu holen, um über die künftige Bildungspolitik des Landes zu beraten.

Meine Damen und Herren der SPD-Fraktion, welches Resümee ziehen Sie nach fünf Jahren? Haben Sie einen Erkenntnisgewinn? - Ich denke, dass Sie und auch wir noch dieselben politischen Forderungen vertreten; das gilt im Übrigen leider auch für Ihren Koalitionspartner. Ich verweise diesbezüglich auf die Debatte heute Morgen.

Ergo: Wir haben fünf Jahre verschenkt. Kinder, die vor fünf Jahren in die Schule kamen, sind inzwischen fein säuberlich im gegliederten Schulsystem aufgeteilt.

Dieser politischen Verantwortung hinsichtlich der verlorenen Zeit müssen Sie sich, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der SPD, stellen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Nunmehr stellt sich die Gretchenfrage: Was passiert mit den Empfehlungen des Bildungskonvents? Nehmen wir die geleistete Arbeit ernst und versuchen, die vorgeschlagenen Veränderungen umzusetzen, oder legen wir das Papier in der Rundablage ab?

Sicherlich ist nicht alles sofort und in vollem Umfang umsetzbar. Doch lassen Sie uns ernsthaft prüfen, was in Sachsen-Anhalt geht. Denn ich denke, gerade auch durch unser Verhalten im Umgang mit den Empfehlungen können wir einen positiven bzw. einen negativen Beitrag zur Politikverdrossenheit in unserem Land leisten.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich unterstelle Ihnen jedoch, dass Sie sich tatsächlich ernsthaft mit den Ergebnissen des Konvents auseinandersetzen. Das konnte ich zumindest auch dem letzten Zwischenruf entnehmen, mit dem unser Ministerpräsident unter anderem damit zitiert wird, dass „die Handlungsempfehlungen zweifellos eine gute Grundlage für die weitere bildungspolitische Diskussion in unserem Land sind. Sie weisen in die richtige Richtung.“ - Recht hat er.

Bereits am 10. März 2008 beschloss der Bildungskonvent mit 20 Prostimmen und lediglich vier Enthaltungen, also einstimmig, seine Handlungsempfehlungen im Bereich der frühkindlichen Bildung und Erziehung gegenüber der Landespolitik. Schon in der Vorbemerkung ist nachlesbar, dass es den Akteuren des Bildungskonvents um Teilhabechancen von Kindern an Bildungsangeboten geht.