Angesichts dieser katastrophalen Finanzlage können die Kommunen weitere Einnahmeausfälle aus unserer Sicht nicht mehr verkraften. Schon jetzt verkommt die kommunale Selbstverwaltung zur Mangelbewirtschaftung. Schon längst sind wesentliche Teile des kommunalen Tafelsilbers verscherbelt, beliehen oder sollen aufgrund des Haushaltskonsolidierungsprozesses nach Auffassung der Kommunalaufsichten veräußert, privatisiert oder geschrumpft werden.
Der Stolz kommunaler Mandatsträger als Gestalter der unmittelbaren Lebensverhältnisse ist schon lange der Mühsal des Zwangsverwalters gewichen. Aufschreie von betroffenen Kommunen finden im Handeln der Regierung keinen Widerhall. Fast wöchentlich sind Meldungen über geschlossene Schwimmbäder und Kultureinrichtungen, stetig steigende Gebühren und Beiträge sowie offene Mandatsträgerplätze in den Medien nachzulesen. Auch der Versuch, Schlaglöcher zu verkaufen, ist ein untauglicher Versuch zur Rettung der kommunalen Selbstverwaltung.
Im Kern geht es um den Bestand der grundgesetzlich garantierten kommunalen Selbstverwaltung. Mit Recht wies die 23. Landkreisversammlung in ihrer Resolution vom 7. September darauf hin, dass die kommunale Selbstverwaltung von dem aktiven Wirken der Bürger und deren Bereitschaft lebt, selbst mitgestalten zu wollen. Doch die Bürger machen in zunehmendem Maße die Erfahrung, dass die von ihnen gewählten Kommunalvertretungen nichts mehr entscheiden können, da keine Spielräume mehr da sind. Die Unterfinanzierung der Kommunen gefährdet so das demokratische Gemeinwesen und verstärkt die Abkehr der Bürger von der Mitwirkung in kommunalen Entscheidungsprozessen.
Meine Damen und Herren! Die im Rahmen der freiwilligen Phase der Gemeindegebietsreform bereitgestellten so genannten Hochzeitsprämien sind bereits aufgebraucht. Mit dem Programm Stark II wird der untaugliche Versuch unternommen, durch eine Teilentschuldung bei gleichzeitigem Verzicht auf eine Kreditneuaufnahme für den Zeitraum von zehn Jahren diese durch jahrelange Regierungspraxis seit dem Jahr 1995 herbeigeführte Situation zu verbessern. Eine nachhaltige Änderung dieser Situation durch eine tatsächliche Gemeindefinanzreform
in der Bundesrepublik zu erreichen versuchen die kommunalen Spitzenverbände seit mehr als 40 Jahren.
Die Darstellungen aus der mittels Selbstbefassungsantrag begehrten Berichterstattung der Landesregierung im Innenausschuss zu den Zwischenberichten der Bundesgemeindefinanzkommission lassen Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Willens der Bundesregierung zu einer nachhaltigen Gemeindefinanzreform aufkommen.
Allein die mit dem Einsetzungsbeschluss formulierte Forderung, dass dem Bund durch die Ergebnisse dieser Kommission keinerlei Mehraufwendungen entstehen dürfen, verkennt den Ernst der Lage der Kommunen bundesweit und führt in seiner Konsequenz zur weiteren Aushöhlung der Demokratie.
Wir fordern die Landesregierung auf, sich entsprechend unserem Antrag für eine grundsätzlich andere Steuerpolitik des Bundes einzusetzen. Eine konjunkturunabhängige Kommunalsteuer ist aus unserer Sicht zwingend erforderlich.
Für uns als LINKE ist es außerordentlich befremdlich, dass die Landesregierung in der Innenausschusssitzung am 26. August nicht in der Lage war, zu den seit eineinhalb Monaten vorliegenden Zwischenberichten der Gemeindefinanzkommission eine eigene Position zu entwickeln.
Im Gegenteil, sie hat in Rahmen dieser Berichterstattung klar gemacht, Herr Minister, dass in dieser Legislaturperiode - das ist nachlesbar - mit keiner Änderung der Finanzausstattung der Kommunen zu rechnen ist. Sie haben es verschoben auch unter Hinweis auf das FAG, das erst in der nächsten Legislaturperiode behandelt werden soll, sodass es erst dann zu einer Lösung kommen wird. Aber es ist immer die Frage, unter welchen Bedingungen. Dabei entscheidet der Bund einen großen Teil mit und da entscheiden wir im Land ein Stück weit mit. Natürlich entscheiden auch die Kommunen bei den Haushaltsbestrebungen mit.
Es ist aus unserer Sicht auch nicht hilfreich, wenn auf der einen Seite Forderungen nach Umweltzonen aufgemacht werden wie bei den kreisfreien Städten, auf der anderen Seite aber mithilfe von Fördermitteln Baumaßnahmen realisiert werden, die den Verkehr wieder in die Innenstädte zurückholen. Das ist aus unserer Sicht nicht produktiv. Im Gegenteil, es führt nicht zu Nachhaltigkeit in diesem Sinne.
Alarmierend ist zudem die im Kommunalfinanzbericht dargestellte Tatsache, dass die Investitionsausgaben in den kreisfreien Städten im Jahr 2008 ein Minus von 5,83 % aufwiesen. Noch deutlicher rückläufig sind die Ausgaben für Investitionen bei den Landkreisen mit minus 9,26 %. Damit wird noch nicht einmal der jährliche Verschleiß von Anlagevermögen durch Investitionen kompensiert. Im Gegenteil, der Rückstau notwendiger Investitionen verstärkt sich weiter. Damit sinkt die Kreditfähigkeit der öffentlichen Hand. Somit verschärft sich die angespannte Situation der kommunalen Haushalte weiter.
Meine Damen und Herren! Natürlich sind die Kommunen gehalten, eigene Anstrengungen zur Verbesserung ihrer finanziellen Situation zu unternehmen. Da stehen natürlich solche Forderungen wie Einsparung von Personal. Die Zauberworte sind Outsourcing, Privatisierung, der
Verzicht auf lieb gewordene Sonderausstattungen - was immer das auch sei - und Einsparungen beim kommunalen Ehrenamt.
Das könnte man so stehen lassen, wäre da nicht eine Tatsache, die diese, wenn auch teilweise unfreiwilligen, Bemühungen nachträglich beschädigen würden, nämlich durch die gerade beendete Gemeindegebietsreform. Allein aufgrund der Vielzahl von Ortsteilen, der Zulässigkeit von Verwaltungsaußenstellen und der Nichtverwertbarkeit von frei gezogenen Verwaltungsimmobilien entstehen in den Kommunen erhebliche Mehrkosten.
Eigens bei den Einwohnerinnen und Einwohnern wird über die kommunalaufsichtlich für angemessen erachtete Anhebung der Hebesätze der Grund- und der Gewerbesteuer und der Einführung von Grundgebühren für den Wasser-, Abwasser- und Müllbereich bis hin zu Gebührenerhöhungen für die Benutzung öffentlicher Einrichtungen der Hebel angesetzt. Damit sinkt der Lebenswert in den Kommunen und die Einwohnerinnen und Einwohner werden neben den bestehenden demografischen Folgen mit den Füßen abstimmen.
Meine Damen und Herren! Das Ende 2009 verabschiedete Finanzausgleichsgesetz ist aus unserer Sicht nicht geeignet, um hierbei eine Umkehr einzuleiten. Es gab auch keine Umstellung von einer umlage- auf eine aufgabenbezogene Finanzierung.
Der Versuch der Umstellung auf eine aufgabenbezogene Finanzierung wurde auf der Hälfte des Weges abgebrochen, nämlich zu dem Zeitpunkt, als klar wurde, dass die Kommunen für die Aufgabenerfüllung Mittel von rund 400 Millionen € mehr benötigen würden, als die Landesregierung bereit war zu zahlen.
Mit der politischen Deckelung der Finanzausgleichsmasse hat man den Weg zu einer aufgabenbezogenen Finanzierung, wie es das Thüringer Landesverfassungsgerichtsurteil vom 21. Juni 2005 aussagt, verlassen und ist zu einer teilweisen Umlagefinanzierung zurückgekehrt.
- Im Sinne des Handelns, liebe Kollegen. - Wenn wir die kommunale Selbstverwaltung in unserem Land nicht nachhaltig schädigen wollen, müssen wir im Bund, im Land und in den Kommunen handeln. Dem dient unser Antrag. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Herr Minister, möchten Sie jetzt für die Landesregierung sprechen? - Ja, dann bitte. Es spricht Finanzminister Herr Bullerjahn.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist jetzt Freitagnachmittag. Ich sage einmal - ich hoffe, dass das jetzt nicht despektierlich klingt -: Ich habe nichts Neues gehört.
Ich habe keinerlei Ansatz gehört, wie die Lösung aussehen könnte. Ich sage mal, man kann sich doch nicht hierhin stellen und in einem Rundumschlag sagen, wenn a, b, c und d gemacht werden - was immer das dann heißt -, kann man sich sozusagen dieser Probleme entledigen.
Ich meine, wir werden uns jetzt nicht gegenseitig immer nur vorhalten, dass wir für den Wahlkampf arbeiten. Aber so einfach kann es sich keine Fraktion machen, wie Sie es in dem Antrag suggerieren.
Wissen Sie, ich behaupte nicht, dass es zu dem, was wir machen, keine Alternativen gäbe oder dass man das FAG nicht auch anders hätte machen können. Aber dieser Antrag ist voller Fehler und Unterstellungen. Sie wissen ganz genau, dass durch die Umstellung des FAG eine Gruppe gewonnen hat; das sind die Kommunen. Wir haben mitten in der größten Wirtschaftskrise eine Festbetragsfinanzierung eingeführt, die die Kommunen vor dem Rückgang der Zuweisungen um rund 150 Millionen € bewahrt hat. Das wissen Sie doch.
Man kann darüber reden, ob die Mittel auskömmlich sind. Aber ich glaube, im Vergleich mit den anderen Ländern - Herr Hövelmann weiß das noch viel besser als ich - müssen wir uns nicht verstecken.
Nun zu suggerieren, dass wir die Kommunen fünf vor zwölf haben hängen lassen, heißt auch zu negieren, dass wir bei der Teilentschuldung noch zusätzliche Instrumente in die Hand nehmen, um den Kommunen zu helfen. 630 Millionen € bekommen die Kommunen in den nächsten zehn Jahren, um die Hälfte ihrer Schulden auf das Land zu übertragen. Ich meine, was wollen Sie denn noch alles erreichen? Das Geld muss schließlich erwirtschaftet werden.
Es gibt einen Satz, auf den Sie gar nicht groß eingegangen sind. Er lautet: Notwendige Ausgaben sind dann eben mit neuen Schulden zu finanzieren. - Wie einfach macht es denn DIE LINKE den anderen, sie an dieser Stelle anzugreifen? Ich denke, auch Sie, auch Ihre Finanzpolitiker in den anderen Ländern sind doch den gleichen Kautelen unterworfen wie wir, nämlich Haushalte aufstellen zu müssen, ohne neue Schulden zu machen.
Dieser Antrag macht doch alles wieder kaputt. Das sage ich Ihnen auch als jemand, der die Arbeit in den Ausschüssen schätzt. Dieser Antrag ist aus meiner Sicht so einfach gestrickt, dass Sie jetzt wahrscheinlich von allen drei Fraktionen Prügel bekommen werden, die Sie sich an der Stelle aber auch verdient haben.
Ich habe mich schon beim ersten Lesen darüber gewundert - ich weiß, dass ich hier auch schon als Oppositionspolitiker stand -, warum man jetzt zum wiederholten Male aber auch alles hier hineinpackt und Folgendes feststellt: Die einzig richtig Gekniffenen sind die Kommunen; das Land muss sich kümmern.
Ich hoffe, Sie haben mitbekommen, dass das Land in diesem Jahr auch ein Defizit haben wird. Wir werden leider auch neue Schulden aufnehmen müssen. Ich weiß
nicht, woher Sie ableiten, dass unsere Schulden bessere Schulden sind als die Schulden der Kommunen. Das sehe ich nicht so.
Lösen kann man das Ganze, indem die Steuerkonzeption nur dahin gehend geändert wird, dass die Reichen den Rest bezahlen. Da kann ich zum Teil ja mitgehen.
Sie wissen ganz genau, dass sich die Steuergesetzgebung aber über Jahre entwickeln muss. Ich sage hier mal das, was ich schon oft gesagt habe: Wir müssen unseren Haushalt durch eigene Sparanstrengungen in den Griff bekommen.
Zusätzliche Steuern kann man nur dafür verwenden, wenn man zum Beispiel in die Bildung mehr Geld investieren will. Das ist, so glaube ich, eine Lesart, der wir uns alle öffnen müssen und für die wir auch eine große Mehrheit finden können.
Dieses FAG selber folgt einer gewissen Logik, dass wir die Aufgaben, die vor Ort anstehen, aus unserer Sicht ausreichend und adäquat ausfinanzieren. Aber es gibt eine Diskussion über die Auskömmlichkeit, auch hier im Parlament. Deswegen wurde vom Parlament selbst festgelegt, dass es eine Evaluierung geben wird. Ich bitte darum, diese auch abzuwarten.
Es gibt ja erste Diskussionen, dass die Gewichtung der einzelnen Ebenen nicht ganz gelungen ist, dass eben die kleineren, sprich die Grundzentren, vielleicht wirklich zu wenig bekommen. Das ist aber im Moment alles in der Diskussion und wird vom Landtag der nächsten Legislaturperiode zu diskutieren sein.
Zur Gemeindefinanzkommission. Ich habe - dazu stehe ich auch - öffentlich gesagt, dass ich in der jetzigen Krise davon ausgehe, dass niemand Geld zu verschenken hat. Kollege Schäuble muss seinen Bundeshaushalt in Ordnung bringen, wir müssen unseren Haushalt in Ordnung bringen und die Gemeinden müssen ihre Haushalte in Ordnung bringen. Anzunehmen, dass die Kommunen in der größten Wirtschaftskrise ausgeglichene Haushalte haben müssen, ist doch illusorisch. Das wirft denen auch niemand vor.
Aber wir wollen, dass die Kommunen - genau wie wir - mit ihren Haushalten in den nächsten drei, vier Jahren wieder zu dem kommen, was vor der Krise unsere Absicht war, nämlich dauerhaft ohne zusätzliche Schulden auszukommen. Das ist der Anspruch. Den werden wir auch gemeinsam mit den Kommunen umsetzen.