In stationären Einrichtungen der Kinder- und Jugendpsychiatrie findet vorrangig Gruppenunterricht statt, in besonderen Einzelfällen auch Einzelunterricht. Der Gruppenunterricht hat in der Sekundarstufe einen Umfang von zehn bis 14 Wochenstunden. Die Gruppengröße differiert nach Alter, Behandlungsansatz und Gruppenfähigkeit der betroffenen Kinder und Jugendlichen. Eine Gruppengröße von sechs Schülerinnen und Schülern wird nach unserer Kenntnis nicht überschritten.
Die tägliche Unterrichtszeit beträgt zwischen 90 und 135 Minuten. Die Unterrichtssequenzen sind der Belastbarkeit anzupassen, das heißt, sie betragen nicht durchgängig 45 Minuten, damit ein ausreichender Wechsel von Be- und Entlastungsphasen erreicht wird. Damit und durch die geringe Schülerzahl entstehen sehr intensive Lernphasen.
Kinder und Jugendliche mit psychiatrischen Erkrankungen haben häufig schon bei der Aufnahme in die stationäre Behandlung umfassende Lernanschlussprobleme. Oft entspricht das erreichte Lernvermögen nicht dem aktuellen Stand der jeweils zuzuordnenden Jahrgangsstufe im Bildungsgang. Deshalb muss auch die jeweilige Wiederaufnahme des Unterrichts an der Schule oft individuell geregelt werden. Mit den Heimatschulen sind Förder- und Lernpläne zu besprechen.
Über die Förderzentren wird sehr oft der Kontakt zu den Kooperationsschulen gesucht, um die Wiederaufnahme des Unterrichts umsichtig vorzubereiten und weiteren Lernanschlussproblemen vorzubeugen.
Unter Punkt 2 Ihres Antrages nennen Sie nun vier Kriterien, die offensichtlich den von Ihnen gesehenen Handlungsbedarf beschreiben. Genau diese Kriterien haben bereits in der Vergangenheit Aktivitäten der Landesregierung geleitet, und zwar mit dem Erlass „Hinweise zur Organisation von Sonderunterricht“ vom 26. August 2009, veröffentlicht im Schulverwaltungsblatt Nr. 12/2009. Ich beziehe mich dabei insbesondere auf die Seite 255. Der Erlass wurde erstmals bei der Vorbereitung des Schuljahres 2010/2011 berücksichtigt und vom Landesverwaltungsamt im Maßnahmenplan zur Vorbereitung des Schuljahres 2010/2011 umgesetzt.
Jetzt konkret zu den vier Kriterien. Erstens. Was die flexible Organisation und das frühere Einsetzen des Unterrichts betrifft, stimmen die Lehrkräfte im Krankenhausunterricht die Angebote untereinander und mit den Verantwortlichen im Klinikbereich ab. Sie reagieren flexibel auf die Bedarfe und die Therapiepläne der Klinik. Die Unterrichtsaufnahme durch die Kinder und Jugendlichen erfolgt umgehend, sobald die Klinik eine längerfristige Aufnahme signalisiert und die Eltern vom behandelnden Arzt darüber informiert wurden.
Zweitens. Zur Erweiterung des Unterrichts. Seit dem Inkrafttreten des genannten Erlasses ist der Unterrichtsumfang nicht nur klar geregelt, sondern auch etwas umfangreicher als in den Jahren zuvor, wenngleich selbstverständlich noch immer eingedenk des Gesundheitszustandes der Patienten.
Für die Qualität des Unterrichts sind die Basisförderschulleiter mit verantwortlich. Eine zusätzliche Erweiterung der Unterrichtsfächer ist für Jugendliche in Abschlussklassen möglich. Die Lehrkräfte arbeiten eng mit den Heimatschulen zusammen, um die Lehrinhalte und die Lernleistungsmöglichkeiten miteinander zu verknüpfen.
Über das Landesverwaltungsamt wird, soweit möglich, die Weiterbeschulung langfristig vorbesprochen. Dabei werden die Eltern einbezogen.
Drittens ist die von Ihnen geforderte Zuordnung der Kliniken zu Förderzentren und die Klärung der Verantwortung ebenfalls bereits Realität. Seit dem Schuljahr 2009/ 2010 ist der Krankenhausunterricht einzelnen Förderzentren zugeordnet. Insgesamt sind 13 Förderzentren für den Krankenhausunterricht in ihrem Zuständigkeitsbereich verantwortlich. Jedes Förderzentrum kooperiert mit einer oder mit zwei Kliniken. Die Verantwortung ist eindeutig der Basisförderschule übertragen.
Viertens vermissen Sie den Aufbau einer Stammlehrerschaft für die Kliniken mit Qualifizierungen für die besonderen Anforderungen. Wie in der Antwort auf die Kleine Anfrage von Frau Reinecke vom Juni 2010 bereits angekündigt, wurde mit dem Landesverwaltungsamt vereinbart, für den Krankenhausunterricht Stammlehrkräfte zu gewinnen. Ebenso wurden in diesem Sinne die Förderzentren angewiesen, die Lehrerwochenstunden für den Krankenhausunterricht auf wenige Lehrkräfte zu beschränken, damit sich in den jeweiligen Förderzentren Teams entwickeln.
Insgesamt unterrichten in diesem Schuljahr rund 60 Lehrkräfte mit einem Unterrichtsumfang von rund 1 000 Wochenstunden - ganz genau sind es 999. Die Größenordnung der Adressatengruppe von etwas mehr als 2 000 Schülerinnen und Schülern haben Sie in Ihrem Antrag bereits genannt.
Die Förderzentren und das Landesverwaltungsamt beraten die Lehrkräfte des Krankenhausunterrichts und beteiligen sich an deren Qualifizierung. Zugleich ist es aber auch eine Aufgabe der Klinik, den Lehrkräften entsprechende Qualifikations- und Informationsangebote zu unterbreiten. Dafür gibt es gute Beispiele.
Das St.-Barbara-Krankenhaus Halle bindet beispielsweise die Kliniklehrkräfte in die Montagsgespräche ein, die sich ausgewählten Krankheitsbildern zuwenden und diese sowohl medizinisch als auch multiprofessionell diskutieren. Außerdem können für diesen Personenkreis über das Lisa ausgewählte Fortbildungsangebote gemacht und anerkannt werden. Über den VdS gibt es jährlich eine mehrtägige Fachtagung zu speziellen Fragen des Krankenhausunterrichts, an denen die Lehrkräfte teilnehmen können.
Meine Damen und Herren! Über die unter Punkt 3 des Antrages genannten Erfahrungen und Regelungen in anderen Bundesländern berichten wir gerne. Dafür scheint der zuständige Ausschuss der passende Ort zu sein.
Punkt 1 des Antrages hingegen sieht vor, dass der Landtag - möglicherweise sogar sofort - einen Handlungs
bedarf feststellen soll. Nun darf man annehmen, dass Sie diesen vermuteten Handlungsbedarf an den vier Forderungen festmachen, über die ich gerade sprach. Soweit diese Forderungen erfüllt sind, besteht, denke ich, also kein Handlungsbedarf.
Deshalb bitte ich darum, aus Gründen der Logik über den unter Punkt 1 des Antrages angestrebten Beschlusstext erst dann zu befinden, wenn darüber beraten wurde, ob die Prämissen, eben das Bestehen von Handlungsbedarf, überhaupt zutreffen. - Herzlichen Dank.
Danke sehr für den ausführlichen Bericht, Frau Ministerin. Ich möchte darauf hinweisen, dass der Antragsteller selbst inzwischen eine Überweisung an den Ausschuss beantragt hat. Eine Direktabstimmung erfolgt also sicherlich nicht. - Als nächste Debattenrednerin spricht die Abgeordnete Frau Gorr für die CDU-Fraktion. Bitte sehr.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Meine Ausführungen werde ich kurz und knapp halten; denn in der Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage von Frau Reinecke vom 24. Juni 2010 sind die Probleme alle benannt und angesprochen worden. Zudem hat Ministerin Frau Wolff eben noch einmal den aktuellen Stand zum Schuljahr 2010/2011 dargelegt.
Ich möchte jedoch einen Punkt herausgreifen und einer besonderen Würdigung unterziehen. Meiner Ansicht nach besteht nämlich die Notwendigkeit, die Reintegration von Kindern und Jugendlichen, die Krankenhausunterricht erhalten haben, in ihre gewohnte Umgebung von Elternhaus und Heimatschule besser als bisher zu verwirklichen. Die Landesregierung hat in ihrer Beantwortung dazu ausgeführt - ich zitiere -:
„Diese Abschlussgespräche finden jedoch nur selten statt, da die Entlassung aus der stationären Behandlung zumeist sehr abrupt erfolgt.“
In diesem Punkt ist auch meiner Ansicht nach Handlungsbedarf gegeben; denn die Wiedereingliederung muss gelingen.
Die Situation der Kinder und Jugendlichen in psychiatrischer Behandlung ist nämlich eine grundsätzlich andere als wenn ein Kind mit einem Beinbruch oder mit einer Lungenentzündung im Krankenhaus liegt. An erster Stelle steht hierbei die Therapie. Die Belastungen durch Einzelbeschulung oder Beschulung in kleinen Gruppen von vier bis fünf Schülern müssen hierbei wohl abgewogen werden.
Oft muss bei der Beschulung in den Kernfächern auch die psychologische Komponente nach dem Motto „Du schaffst es; du kannst wieder in den Alltag zurückkehren“, berücksichtigt werden. In vielen Fällen werden dem Krankenhausaufenthalt auch schwierige Bedingungen in Schule und Familie vorausgegangen sein.
Deshalb, meine Damen und Herren, bitte ich an dieser Stelle darum, dem Anliegen zu folgen, den Antrag in den Ausschüssen für Bildung, Wissenschaft und Kultur sowie für Soziales noch einmal näher zu betrachten. Ich kann mich allerdings nicht dem Vorschlag hinsichtlich der Federführung anschließen, Herr Dr. Eckert. Ich denke
- vielleicht wird Frau Reinecke noch darauf eingehen -, dass die Federführung beim Bildungsausschuss liegen sollte.
(Herr Dr. Eckert; DIE LINKE: Wir wollen, dass es noch behandelt wird! - Frau Bull, DIE LINKE: Wenn Sie uns zusichern, dass es noch in dieser Legislaturperiode behandelt wird, sind wir gern bereit!)
- Das kann ich nicht zusichern. Ich würde diesen Part Frau Reinecke überlassen. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben es an dieser Stelle offenkundig mit einem sehr ernsthaften Thema an einer Schnittstelle zwischen Gesundheits- und Schulpolitik zu tun. Ich glaube, es wäre angemessen, wenn wir dem Antrag der LINKEN folgen würden und das ganze Thema mit etwas mehr praktischer Ausrichtung diskutieren.
Es mag sein, dass wir das, was wir von Frau Ministerin dazu gehört haben, was sich alles mit diesem Schuljahr ändern wird, glauben können. Schaut man jedoch in die Berichte des Psychiatrieausschusses, so stellt man fest, dass wir an dieser Stelle ein latentes Problem haben, welches seit Jahren besteht.
Auch die gegenwärtige Diskussion hat keine Lösungen aufgezeigt. Wenn wir der Argumentation von Frau Gorr und der Frau Ministerin folgen, dass der Therapieansatz im Vordergrund steht, dann muss man, so glaube ich, ehrlicherweise auch sagen, dass die Schüler, die sich in einer psychiatrischen Einrichtung befinden, dieses Schuljahr lassen können. Denn das ist die Folge.
Wir können nicht sagen, es findet nur ein eingeschränkter oder kein Unterricht statt, und gleichzeitig erwarten, dass diese Schüler, die schon in der Schule große Probleme hatten zu folgen, dann, wenn sie aus dem Krankenhaus kommen, wieder einsteigen können. Ich glaube, das ist nicht adäquat, weil Schüler, vor allem die Schüler mit ADHS und ähnlichen Problemen, nicht dauerhaft vom Schulerfolg ausgeschlossen werden können.
Nein, im Gegenteil: Für diese Schüler müssen Möglichkeiten gefunden werden, wie durch qualifiziertes Lehrerpersonal der Wissensstand der Kinder auf einem Niveau gehalten werden kann, des es den Kindern ermöglicht, die Schuljahre adäquat in der Schule zu absolvieren. Das klingt in der Verordnung alles sehr schön; das hat Frau Ministerin sehr gut vorgelesen, aber das ist im Moment nicht der Fall.
Das klingt in der Verordnung gut, prima. Es gibt auch viele Maßnahmen der Zusammenarbeit, aber ich kann jeden nur auffordern, sich das einmal vor Ort anzuschauen.
Es gibt Lehrerinnen und Lehrer, die eben nicht von einer Förderschule kommen, sondern die noch Stunden offen hatten und dorthin geschickt werden und völlig überför
dert sind mit den jeweiligen Schülerinnen und Schülern. Außerdem ergeben sich Gruppengrößen, die, da eine gewisse Anzahl von Schülerinnen und Schülern in einem Krankenhaus in einer bestimmten Altersklasse ist - das können Sie vorher nicht bestimmen -, kaum noch beschulbar sind.
Das Problem der Lehrerkapazität kann man ausgleichen, aber es sind in den Einrichtungen gar keine Räume vorhanden, in denen die Beschulung stattfinden kann.
Es ist aber offensichtlich niemand bereit, sich dem Thema vor Ort zu stellen. Vielmehr liest man die Verordnung vor und stellt uns die schöne heile Theorie in den Raum.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, das ist dem Thema nicht angemessen. Wir sollten noch einmal intensiver darüber reden, was das Ziel ist. Und wir sollten wirklich etwas tun. Ich bin nicht bereit - damit folge ich der Intention der LINKEN -, dass wieder eine lustige Überweisung des Antrags in den Bildungsausschuss erfolgt, an dem der Erledigt-Vermerk schon jetzt klebt.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Redner sind thematisch sehr unterschiedlich eingestiegen. Ich möchte für die SPD-Fraktion anmerken, dass wir für dieses Thema schon recht lange sensibilisiert sind, nicht nur durch die Berichte des Psychiatrieausschusses - auch schon vor dem Jahr 2006, also auch zu Ihrer Zeit als Minister, Herr Kley -,