Es ist nachvollziehbar, dass gerade nach einem Beißvorfall Unsicherheiten bei der Bevölkerung vorhanden sind.
Die Landesregierung hat dem Landtag heute den Entwurf eines Gesetzes zur Vorsorge gegen die von Hunden ausgehenden Gefahren vorgelegt. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die FDP-Fraktion spricht sich gegen das von Minister Hövelmann vorgelegte Gesetz aus, weil wir eine andere Auffassung vertreten, und zwar eine andere Auffassung dazu, wie das Miteinander von Mensch und Tier geregelt werden soll.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Man muss sich zunächst fragen: Was soll ein solches Gesetz bewirken? Kann das Gesetz das angestrebte Ziel - das Ziel des vorliegenden Gesetzentwurfes ist die Verhinderung von so genannten Beißvorfällen, die durch so genannte Kampfhunde ausgelöst werden - erreichen? Ist es erforderlich und angemessen? Wo und in welchem Umfang finden diese Beißvorfälle statt?
Schauen wir uns einfach einmal die zurückliegenden Fälle in der jüngeren Vergangenheit genauer an. Am 26. Januar, am 17. Februar und am 21. Februar kam es in Bad Kösen zu Vorfällen mit Rottweiler-Mischlingen.
Wären diese Vorfälle durch ein Kampfhundegesetz verhindert worden? - Nein. Denn nach dem Verordnungsentwurf sind Rottweiler keine so genannten Kampfhunde. Sie tauchen in der Rassenliste zunächst nicht auf. Also sind präventiv keine besonderen Maßnahmen vorgeschrieben.
Am 14. Januar 2004 kam es zu einem Beißvorfall mit einem Rottweiler-Mischling, der sich von seiner Leine losgerissen hatte.
Hätte uns bei diesem Vorfall ein Kampfhundegesetz geholfen? - Nein. Denn der Hund wäre nicht unter die Rassenliste gefallen. Die in der Verordnung vorgesehene etwaige Anordnung der Leinenpflicht hätte nicht geholfen, da der Hund ja angeleint war und sich nur losgerissen hat, was sicherlich nicht dem Hund anzulasten ist, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Am 23. Juli 2006 ereignete sich der folgenschwerste Beißvorfall der jüngsten Vergangenheit, der unter anderem auch in der Gesetzesbegründung herangezogen wird. Eine 91-jährige Rentnerin wurde von einem American Staffordshire ihres Enkels mehrfach gebissen und verstarb leider an ihren schweren Verletzungen.
Hätte das vorgelegte Gesetz diesen Vorfall verhindert? - Nein. Zwar handelt es sich hierbei um einen Hund, der in die Rassenliste der Verordnung fallen würde. Allerdings fand der Vorfall im familiären Umfeld, auf einem eingefriedeten Besitztum statt. Folglich ist davon auszu
Am 24. September 2006 wurde ein zehnjähriger Junge in Stendal von einem American Bulldog gebissen und schwer verletzt.
Hätte das vorliegende Gesetz den beschriebenen Beißvorfall verhindern können? - Vielleicht. Der Hund war angeleint, hatte sich aber losgerissen. Er war steuerrechtlich nicht angemeldet. Daraus kann man schließen, dass auch eine Haftpflichtversicherung von diesem Hundehalter sicherlich nicht freiwillig abgeschlossen werden würde. Auch die Frage, ob sich der Halter an die Maulkorbpflicht gehalten hätte, ist offen. Ich würde es eher bezweifeln.
Am 14. Oktober 2006 kam es in Havelberg zu dem jüngsten Zwischenfall, als ein Staffordshire-Terrier aus dem Haus lief und sich mit einem anderen Hund verbiss. Beim Versuch der Trennung wurde die Frau verletzt, die den Terrier in ihrer Obhut hatte.
Hätte das Gesetz den Vorfall verhindert? - Nein. Denn auch in diesem Fall ist das familiäre Umfeld entscheidend, weil der Hund aus der Wohnung oder aus dem Haus hinausgelaufen ist. Ich glaube, wir gehen alle nicht davon aus, dass der Hund präventiv in der Wohnung einen Maulkorb getragen hätte und damit der Vorfall hätte verhindert werden können.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zwischenfazit: Die Beißvorfälle in den letzten Monaten bzw. Jahren in Sachsen-Anhalt hätten durch das neue Gesetz des Herrn Innenministers nicht verhindert werden können.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es läuft in vielen Fällen ins Leere - das haben auch Untersuchungen gezeigt -, weil viele Beißvorfälle im familiären Umfeld stattfinden, in dem das Gesetz keine Anwendung findet oder keine Wirkung entfaltet.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bevölkerung ist gefährlichen oder aggressiven Hunden jedoch keineswegs schutzlos ausgeliefert, wie man das annehmen könnte, wenn man die Diskussion in der Presse in den letzten Wochen verfolgt.
Sie, Herr Minister Hövelmann, haben am 26. September 2006 in der „Bild“-Zeitung richtig festgestellt: „Kein Gesetz kann völlige Sicherheit bieten.“ Dieser Satz, Herr Minister, ist richtig, und er ist auch notwendig, weil sich in der Diskussion der Eindruck durchaus verfestigt hatte, das Gesetz würde alle Sorgen beseitigen.
Schon heute gelten die Vorschriften des Tierschutzgesetzes und des SOG. Des Weiteren haben wir den Runderlass des Ministeriums, der eine Art Handreichung darstellt, um den Kommunen im eigenen Satzungsrecht Möglichkeiten zu eröffnen, Maßnahmen zu ergreifen, um von bestimmten Hunden ausgehende Gefahren abzuwehren.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Innenministerium - ich hatte es gerade angesprochen - hat das in dem Runderlass vom 6. September so formuliert:
- Untersagung der Betreuung und der Aufsicht von Hunden durch den Halter, vorübergehend oder auf Dauer, - sofortige Sicherstellung des Hundes bei Nichtbefolgen der Anordnung, - Anordnung des Leinen- und Maulkorbzwangs, - Mitnahmeverbot, - ausbruchsichere Haltung, - Verbot des Haltens oder Führens oder - Sicherstellen der Hunde, - Ahndung als Ordnungswidrigkeit, - grundsätzlich keine Herausgabe eines sichergestellten unverwahrten Hundes an die Person, bei der der Hund sichergestellt wurde.
Wenn aber, Herr Minister, alle diese rechtlichen Möglichkeiten - dieser Erlass stammt aus Ihrem Haus; er stammt vom September dieses Jahres - schon heute bestehen, dann stellt sich für uns die Frage, ob anstatt der Schaffung eines Kampfhundegesetzes nicht besser die bestehenden Regelungen, die anscheinend nicht angewendet oder nicht kontrolliert werden, verstärkt überprüft und durchgesetzt werden müssen. Es krankt an der Umsetzung und nicht an der Tatsache, dass den Kommunen keine Möglichkeiten an die Hand gegeben sind.
Um das vielleicht noch in einem kleinen Punkt zu ergänzen: Ich habe mit sehr viel Aufmerksamkeit gelesen, was Herr Oberbürgermeister Trümper am 7. Oktober 2006 der „Volksstimme“ gesagt hat. Er konstatierte:
„Ordnungsamtmitarbeitern fehlt die Ausbildung und auch die Zeit, gegen unangeleinte, gefährliche Hunde einzuschreiten.“
„Die Kommunen lehnen es ab, dass so genannte Kampfhunde beschlagnahmt und dann in Tierheimen jahrzehntelang versorgt werden, da hierdurch enorme Kosten auf die Kommunen zukommen.“
Herr Minister, wie bewerten Sie diese Aussage des Oberbürgermeisters? Wie wollen Sie sicherstellen, dass Ihr Gesetz vor Ort tatsächlich Anwendung findet? Herr Minister, ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Sie bei der Einbringung des Gesetzentwurfs einfach nur auf Aktionismus setzen.
Am 25. Juli 2006 haben Sie noch gesagt: Genauigkeit vor Schnelligkeit; es wird eine Regelung geben - ich dachte, das wäre die Handreichung im Runderlass -, wie es im Koalitionsvertrag angekündigt ist, aber wir prüfen.
Weniger als zwei Monate später wird der Gesetzentwurf dem Landtag präsentiert. Ich frage mich: Wo ist Ihre Genauigkeit geblieben?
In dem Gesetz mit vier Paragrafen, von denen Sie eigentlich nur einen haben wollen, nämlich die Verord
Diesen einen Paragrafen wollen Sie haben. Sie haben nichts ausgeführt hinsichtlich der Frage, wie Sie die Kontrolle der Umsetzung des Gesetzes vor Ort sicherstellen wollen. Daran krankt es doch; denn wir haben im freien Raum bei den Kommunen Hunde, die keine Steuermarke haben, die also nicht angemeldet sind. Sie müssen das kontrollieren, damit es wirksam wird, wenn Sie davon ausgehen, dass eine Hundehaftpflicht eine steuernde Wirkung dahin gehend hat, ob man sich und wer sich einen Hund anschafft. Dazu haben Sie nichts gesagt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir werden uns sehr stark in die Diskussion einbringen. Ich weise alle Kolleginnen und Kollegen noch einmal darauf hin, dass dieser Landtag vor fast zwei Jahren eine Anhörung durchgeführt hat, die sehr aufschlussreich war. Alle Gruppen, die es in der Gesellschaft gibt, haben daran teilgenommen und haben sich geäußert. Wir haben festgestellt, dass Hunderassen nicht a priori gefährlich sind, sondern dass es die falsche Erziehung eines Hundes ist, die diesen zu einem gefährlichen Hund macht. Wir werden darauf dringen, dass es auch weiterhin in diesem Parlament möglich ist, eine solche Anhörung erneut durchzuführen, gegebenenfalls mit dem Ergebnis neuer Erkenntnisse.
Herr Präsident, immer, sehr gern. - Herr Minister, Ihrem Ansinnen, dem Landtag heute einen Gesetzentwurf vorzulegen und zu sagen, ihr müsst es in diesem Jahr noch verabschieden und es ist wegen des bestehenden Drucks ganz wichtig, werden wir nur dann folgen können, wenn es uns gelingt, in der parlamentarischen Debatte ausgewogene Möglichkeiten zur Anhörung zu haben, mit Anhörungsfristen, die es den Betroffenen ermöglichen, umfangreiche Stellungnahmen abzugeben. Zudem muss die Möglichkeit bestehen, diese Stellungnahmen auszuwerten; denn auch das gehört dazu, wenn wir tatsächlich ein Gesetz machen.