Zu Punkt 2 des Antrages. Landsorganisationsgesetze sind in fast allen Landensverfassungen festgeschrieben. Sie haben die Funktion, verlässliche Koordinaten für den Aufbau der Landesverwaltung gesetzlich zu fixieren.
Im Land Sachsen-Anhalt wurden bereits mehrfach Absichtserklärungen zur Vorlage eines Landesorganisationsgesetzes unterbreitet. Am Ende der dritten Legislaturperiode hat der Landtag ein solches Gesetz für die vierte Legislaturperiode von der Landesregierung eingefordert. In den Koalitionsvertrag zwischen der CDU und der FDP fand diese Forderung Aufnahme. Was kam? - Es kam null Feedback in den parlamentarischen Raum. Jetzt werden wieder kräftig die Strukturen reformiert, aber eben nicht auf der Grundlage eines Landesorganisationsgesetzes.
Ein modernes Landesorganisationsgesetz schreibt natürlich nicht ein für allemal Behördenstrukturen fest, nein, es schreibt der Landesregierung auch den Rahmen für Umstrukturierungen vor. Aus unserer Sicht gehören dazu mindestens die Kriterien der Verteilung der Landesbehörden im Raum. Ich frage mich, ob es bei den jetzt zu treffenden fachlichen Entscheidungen - ob es den Polizeibereich oder den Justizbereich betrifft - irgendeine Querschnittssicht zum Beispiel auf den ländlichen Raum gibt oder ob es eine Beziehung zwischen Behördenstrukturen und dem Prinzip der zentralen Orte gibt. Als Stichwort nenne ich Halberstadt. Ich weiß nicht, nach welchen Kriterien diese Querschnittssicht von der Landesregierung getätigt wird.
Deshalb haben wir diese Forderung aufgestellt; denn aufgrund dieser Forderung erhalten sowohl die Landesregierung als auch das Parlament verlässliche Kriterien, wann die Landesregierung allein entscheiden kann, wann sie das Parlament einbeziehen muss und wann eine Gesamtschau erforderlich ist.
Ich vermisse das sehr. Im Moment kämpfen wir uns durch einen Dschungel von Fachgesetzen und müssen immer überlegen, ob wir zuständig sind oder nicht. Deshalb wollen wir rechtzeitig das Landesorganisationsgesetz und deshalb lehnen wir auch den Alternativantrag ab, in dem steht, dass wir das am Ende der Legislaturperiode machen.
Nein, meine Damen und Herren, wenn der Prozess der Umstrukturierung der Behörden abgeschlossen ist, brauchen wir kein Landesorganisationsgesetz mehr. Wenn wir so vorgehen würden, dann würden wir es nie verab
schieden, weil es nie ein Ende von Behördenumstrukturierungen und von Verwaltungsmodernisierungen geben wird.
Zum Punkt 3 des Antrages. Im Zentrum der Verwaltungsmodernisierung steht laut Koalitionsvertrag und laut Aussage sowohl des Finanzministers als auch des Innenministers eine substanzielle Verlagerung von Landesaufgaben in die Kommunen. Indes wurde bisher nicht definiert, was substanzielle Aufgabenverlagerungen sind.
Was verstehen wir darunter? - Erstens wenn Behördenstrukturen auf Ortsebene bzw. ganze miteinander verwobene Aufgabenkomplexe verlagert werden können, zweitens wenn ausgeschlossen wird, dass an der ihrem Wesen nach gleichen Aufgabe eine staatliche Behörde miterfüllt, drittens wenn die Aufgabe ausschließlich auf der kommunalen Ebene gebündelt werden kann - in der Folge wird die Mittelinstanz eine andere Funktion bekommen - und viertens wenn die verlagerten Aufgaben einen wesentlichen Bezug zu Aufgaben im eigenen Wirkungskreis haben, die es gestatten, sowohl die Qualität als auch die Effizienz der Aufgabenwahrnehmung zu erhöhen.
Nun wird, wie gerade gestern, Finanzminister Bullerjahn als Motor und die Fachministerin als Bremse des Reformprozesses dargestellt. Gerade hier macht sich aber das Dilemma fest. Den entscheidenden Aspekt hat sich bisher niemand laut zu sagen getraut. Diesen wird aber der Finanzminister benennen müssen. Ob es ihm nun schmeckt oder nicht, die Aufgaben in 14 Körperschaften zu verlagern wird teuer, und zwar verdammt teuer. Zu diesem Ergebnis sind schon das so genannte Lottermoser-Papier und die Enquetekommission vor über zehn Jahren gekommen.
Nun hat der „Rohrkrepierer“ des Innenministers im Land viel Lärm verursacht. Aber dieses Sinnbild ist nicht korrekt. Der Schuss geht schon ab, auch wenn sich die nächste Reform auf Kreisebene bereits abzeichnet. Das haben Sie wider besseres Wissen so vereinbart. Der eigentliche Rohrkrepierer ist eine für diesen Kreiszuschnitt aus unserer Sicht unmögliche substanzielle Funktionalreform,
eine, die nicht nur bürgernah, sondern auch halbwegs effizient sein soll. Dabei wird sich die Lenkungsgruppe noch ganz schön verrenken müssen.
Meine Damen und Herren! In Punkt 4 wird auf die flächendeckende Bildung von Einheitsgemeinden eingegangen. Die dringende Notwendigkeit, dieses Vorhaben flächendeckend umzusetzen, ist uns vor allem auf der kommunalen Ebene in der Sache noch nicht ganz plausibel, im Verfahren aber unverantwortlich. Dieser Zustand muss beendet werden, und zwar unverzüglich und nicht erst am Ende der Legislaturperiode und dann vielleicht wie beim letzten Mal.
Trotz mehrmaliger Ankündigungen, dass nun alle Unstimmigkeiten zwischen der CDU und der SPD ausgeräumt wären, hält die Unklarheit auf der kommunalen Ebene über das Schicksal der Verwaltungsgemeinschaften in der Fläche an. Während das Kabinett am 26. September 2006 den Zeitplan für die Umsetzung der flächendeckenden Einführung von Einheitsgemeinden beschließt, zieht zeitgleich eine nicht unbeträchtliche An
zahl von Mitgliedern des Hohen Hauses durch das Land und erörtert an der kommunalen Basis, warum sie für den Erhalt von Verwaltungsgemeinschaften sind.
Wer zieht da durch die Gegend? - Nun, unter anderem auch wir. Dafür haben wir aber gute Gründe. Im Sommer haben wir dazu einen Parteitagsbeschluss gefasst. Wir ziehen durch die kommunale Ebene nicht nur mit der Begründung, die Verwaltungsgemeinschaften müssten erhalten bleiben, sondern wir sagen eindeutig: So wie sie sind, können sie nicht flächendeckend bzw. im Ansatz erhalten bleiben; vielmehr müssen zwei Defizite der Verwaltungsgemeinschaften überwunden werden.
Das eine Defizit ist, dass überörtliche Aufgaben auch in überörtlicher Verantwortung wahrgenommen werden müssen, nämlich im Gemeinschaftsausschuss. Das zweite strukturelle Defizit ist, dass es teilweise zu viele kleine Gemeinden in der Verwaltungsgemeinschaft gibt.
Dieser Ansatz, meine Damen und Herren, - daran erinnere ich auch die CDU-Fraktion - ist seit der dritten Legislaturperiode in diesem Hohen Haus ständig Konsens gewesen. Das war zum einen die Verbandsgemeinde, die so nicht ging und so nicht gewollt wurde und die zugegebenermaßen sehr viele Strukturen benötigt, und das war zum anderen die Alternative der CDU zu diesem Problem, die in der vierten Legislaturperiode gesagt hat, wir übertragen es einfach per Gesetz.
Vom Ansatz her waren wir uns aber alle einig. Wir haben gesagt: Gut, wenn das eine nicht gewollt und das andere verfassungsrechtlich nicht gekonnt wird, warum sagen wir dann der kommunalen Ebene nicht: Wer als Verwaltungsgemeinschaft erhalten bleiben will, überträgt diese überörtlichen Aufgaben, so wie es jetzt schon in der Gemeindeordnung vorgesehen ist. Wer dazu nicht bereit ist, der muss in eine effizientere Struktur hineingehen.
Aber es gibt auch von der CDU nicht solche Angebote. Es wird jetzt immer gesagt: erhalten oder nicht erhalten. - Meine Damen und Herren! Wir können das der kommunalen Ebene nicht mehr zumuten, was da getrieben wird!
Seit dem Jahr 1999 reden wir hier über diesen Fakt. Da macht doch keiner mehr mit. Das muss uns doch total klar sein. Entschuldigen Sie, meine Damen und Herren, dass ich mich darüber so sehr aufrege. Das hat mich schon die ganze Zeit, schon in der vierten Legislaturperiode wahnsinnig aufgeregt, was da abläuft.
Meine Damen und Herren! Wir wollen, dass dieses Parlament, und zwar nicht erst im zweiten Halbjahr, eine Entscheidung darüber trifft, und zwar so oder so. Die kommunale Ebene muss wissen, ob es im Parlament eine Mehrheit für diese im Koalitionsvertrag vereinbarte Vorgehensweise gibt. Wenn es dafür in diesem Parlament keine Mehrheit gibt, dann wissen die kommunalen Ebenen und auch der Herr Innenminister, dass sein Leitbild anders aussehen muss, das er im nächsten Jahr vorlegen wird. Wenn es aber eine parlamentarische Mehrheit in diesem Hohen Haus dafür gibt, dann weiß die kommunale Ebene, dass es jetzt Zeit wird, sich nicht wie wahnsinnig dagegen zu stemmen, sondern sehr schnell darüber nachzudenken, wie man effiziente Strukturen findet.
Eines aber, meine Damen und Herren, geht nicht: Wir können uns nicht sozusagen verabschieden und auf der
Deshalb werden wir Sie - auch wenn dieser Alternativantrag jetzt durchgeht - nicht von der Leine lassen; denn das können wir einfach nicht mehr zulassen. Das ist unverantwortlich. Wir müssen jetzt zu Potte kommen, egal ob so oder so.
Ich will Ihnen noch etwas sagen: Ich bin eigentlich - wir haben uns lange darüber unterhalten - eine große Verfechterin von Einheitsgemeinden. Es kann doch aber nicht sein, dass man auf der kommunalen Ebene mit einem Mal in den Verruf kommt, dass man die Einzige sei, die den Innenminister verteidigt, weil sich nämlich - das betrifft nicht nur die CDU - auch einige der SPD-Abgeordneten in den Auseinandersetzungen diskret zurückhalten, wenn es auf der kommunalen Ebene um dieses Thema geht. Dazu muss ich einmal sagen: So geht es auch nicht! Ich kann es ja ab, dass ich in die Nähe des Innenministers gerückt werde - ich bin ja auch mit vielem einverstanden -, aber das können wir in dieser Form der kommunalen Ebene nicht zumuten.
Wir müssen uns auch bitte schön fachlich, was die Verwaltungsmodernisierung, die kommunale Strukturreform betrifft, in die tieferen sachlichen Ebenen bemühen. Deshalb steht in dem Antrag der Punkt 5. In Punkt 5 unternehmen wir den wiederholten Versuch, einen Ausschuss für diesen Prozess zu installieren.
Eigentlich müssten jetzt fast alle dafür sein. Die SPDFraktion hat das nicht nur zu Oppositionszeiten unterstützt, sie hat das auch unterstützt, als sie regiert hat. Der damalige Innenminister war ein absoluter Gegner dieses Ausschusses. Lesen Sie aber einmal seine Rede zum Abschlussbericht des zeitweiligen Ausschusses: Mensch, der hat uns ja so gelobt, uns ist ja die Brust geschwollen.
- Ja, eben. Damals haben Sie gesagt, es habe noch nie eine - sage ich einmal - so intensive Reformdiskussion mit sachkundigen Parlamentariern gegeben, wie es in dieser Zeit der Fall gewesen ist. Die SPD müsste doch total auf unserer Seite sein. Sie muss für unseren Antrag stimmen!
Und die FDP hat jetzt gerade betont, als sie den Haushalt ausgewertet hat, dass es eigentlich an der Zeit wäre, einen Ausschuss zu installieren, damit die Sache einmal vorwärts geht. Wir sind sowieso dafür. Ich denke einmal, die CDU hat in so einem Ausschuss die einmalige Chance, ganz ruhig und detailliert über diese Sachfragen zu reden. Vielleicht würden Sie dann an der einen oder anderen Stelle mit einem Mal ganz anders denken.
Ich habe nämlich meine Redezeit um 16 Sekunden, jetzt schon um 19 Sekunden überschritten. Ich bitte Sie, unserem Antrag zuzustimmen. - Danke schön.
Jetzt bemühe ich die Geschäftsordnung - ich bin ja schließlich auch Vizepräsidentin -: Nachfragen aus der eigenen Fraktion sind nicht mehr zulässig, wenn die Redezeit abgelaufen ist.
Frau Dr. Paschke, dann muss ich mich ja ganz herzlich bei Ihnen bedanken. - Ich rufe dann die Stellungnahme der Landesregierung auf. Herr Minister Hövelmann hat das Wort. Bitte schön.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Heute liegen dem Landtag zwei Anträge zur Beratung vor, die sich mit den Themen Verwaltungsmodernisierung und Kommunalreform befassen.
Die Fraktion der Linkspartei.PDS hat einen sehr weitgehenden Antrag vorgelegt mit dem Ziel, die Rolle des Parlaments bei den beiden Reformprozessen zu stärken. Aus der Sicht der Landesregierung und auch der regierungstragenden Fraktionen geht dieser Antrag aus dem folgenden Grund zu weit.
Der Aufbau und die Organisation der Landesverwaltung sind im Rahmen der Gewaltenteilung vorrangig Aufgabe der Exekutive. Gleiches gilt für die Vorbereitung und Durchführung einer Kommunalreform. Daher ist es sachgerecht, die Einbindung des Landtags in die Reformprozesse so vorzunehmen, wie es die regierungstragenden Fraktionen in ihrem Alternativantrag vorgeschlagen haben; denn bei der Frage, wann und mit welcher Tiefe ein Landesorganisationsgesetz beschlossen werden soll, muss beachtet werden, dass die Landesverwaltung immer handlungsfähig sein muss und sich in einem noch nicht abgeschlossenen Umstrukturierungsprozess befindet.