Protocol of the Session on September 9, 2010

Wir Parlamentarier hätten dann bei solch einer schwierigen Entscheidung keinerlei Mitspracherecht mehr; denn der Schülerverkehr wird trotz der demografischen Entwicklung und rückläufiger Tendenzen eine tragende Säule des ÖPNV bleiben. Wir sollten dieses Thema nicht aus der Hand geben; denn die Zukunft des ÖPNV wird uns sicherlich auch weiterhin im Plenum beschäftigen. Die demografische Entwicklung wird immer wieder Änderungen und auch schmerzhafte Einschnitte erforderlich machen.

Mobilität wird heute vielerorts gefordert. Sie ist auch eine wichtige Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe. Der Staat hat deshalb auch nach liberaler Lesart die Aufgabe, die Mobilität sicherzustellen, indem er die entsprechende Infrastruktur bereitstellt.

Die unangenehme Frage, die zusehends drängender wird, lautet jedoch, ob es künftig vertretbar bleiben wird, mit einem teuren ÖPNV-Netz selbst bei dramatischer

Unterauslastung jede weit entfernt gelegene Ortschaft und jedes weit entfernt gelegene Dorf auch in dünnbesiedelten Regionen zu erreichen.

(Zurufe von Herrn Felke, SPD, und von Herrn Scheurell, CDU - Herr Miesterfeldt, SPD: Ja, ja, der Kollege!)

- Ihr habt verstanden, was ich meine.

(Zuruf von der SPD: Ha, ha!)

Es ist tatsächlich die Frage, ob man das mit hoher Taktfrequenz auch in Zukunft noch gewährleisten kann. Hier muss es neue und auch unkonventionelle Wege geben. Flexible Bedienerformen und Bürgerbusangebote, wie sie im Gesetzentwurf der Landesregierung vorgeschlagen werden, sind ein erster Schritt; aber das wird nicht ausreichen, machen wir uns nichts vor. Da die Fraktion DIE LINKE, wenn ich ihren Änderungsantrag richtig verstanden habe, auch diesen Schritt schon ablehnt, darf man sich fragen, welche Finanzierungsvorschläge DIE LINKE für den zukünftigen ÖPNV hat.

(Herr Felke, SPD: Dann kommt das Guido-Mobil!)

- Das sicherlich nicht, Herr Felke. - Meine Damen und Herren! In der kommenden Legislaturperiode wird uns diese Thematik erneut einholen. Wir freuen uns auf die Ausschussberatungen über den vorliegenden Gesetzentwurf. Wir sprechen uns dafür aus, dass der Regierungsentwurf in die Ausschüsse für Landesentwicklung und Verkehr, für Bildung, Wissenschaft und Kultur sowie für Inneres überwiesen wird. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP)

Danke sehr, Herr Abgeordneter Dr. Schrader. - Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Doege.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Minister hat bereits darauf hingewiesen, dass die Gewährleistung der Daseinsvorsorge im Bereich der Mobilität ein Punkt ist, dem wir uns im Besonderen zu stellen haben. Diese Aufgabe stellt sowohl das Land als auch die Kommunen aufgrund der demografischen Entwicklung vor schwierige Entscheidungen.

Die älter werdende Gesellschaft wird dazu führen, dass immer mehr Menschen Dienstleistungen des ÖPNV in Anspruch nehmen werden. Allerdings führt die fortschreitende Bevölkerungsabnahme in unserem Bundesland auch zu sinkenden Fahrgastzahlen. Dadurch sinken auch die Einnahmen, sodass die Verkehrsunternehmen in Probleme geraten.

Der Gesetzentwurf, der Ihnen vorliegt, soll eine erste Antwort auf die im Bereich der Finanzierung des Ausbildungsverkehrs bestehenden Probleme geben. In den vergangenen Jahren ist es in Sachsen-Anhalt zu drastischen Verminderungen der Schülerzahlen gekommen. Die Folgen sind Ihnen allen bekannt. Dadurch haben sich letztlich auch die Zuweisungen des Landes für diesen Bereich verringert.

Viele Kolleginnen und Kollegen, die in den Kreistagen kommunalpolitisch aktiv sind, wissen, dass eine geringere Schülerzahl nicht zwangsläufig zu geringeren Verkehrsleistungen und damit auch zu geringeren Kosten

im Bereich des ÖPNV führt. Denn es ist unter dem Kostenaspekt relativ unbedeutend, ob in einem Bus zehn oder 20 Schüler sitzen. Der Bus muss die entsprechenden Ortschaften anfahren und damit fallen die Kosten an.

Hinzu kommt, dass durch die Schließung von Schulstandorten die Entfernungen zwischen dem Wohnort und dem Schulstandort zunehmen, was letztlich zu einer Ausweitung der Verkehrsleistungen der Aufgabenträger führt.

In den ländlichen Regionen dieses Landes - der überwiegende Teil Sachsen-Anhalts zählt zu den ländlichen Regionen - hat das dazu geführt, dass der Schülerverkehr bereits heute das Rückgrat des ÖPNV darstellt. Der Schulbus ist schon heute oft die einzige Möglichkeit zur Erreichung des nächsten zentralen Ortes. Eine weitere Ausdünnung des Liniennetzes ist deshalb kaum mehr möglich.

Das Land hat deshalb die Aufgabe, den Aufgabenträgern die Grundlagen für die Sicherstellung des ÖPNV zu geben. Dies versuchen wir mit dem Ihnen vorliegenden Gesetzentwurf.

Mit der künftigen Pauschalierung der finanziellen Mittel für den Ausbildungsverkehr wollen wir den Aufgabenträgern und den Verkehrsunternehmen die Gelegenheit geben, die Prozesse eigenverantwortlich zu gestalten und den ÖPNV fit zu machen für die Herausforderungen der Zukunft.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte noch kurz auf einige der Paragrafen des Artikels 2 der Novelle eingehen.

Mit der Änderung des § 3 in Artikel 2 wird das Ziel verfolgt, den Verkehrserfolg künftig transparenter darzustellen, um die Ergebnisse bei der Neuaufstellung des ÖPNV-Plans auch nutzen und bewerten zu können. Dies begrüßen wir ausdrücklich.

In § 8 bekennt sich das Land Sachsen-Anhalt dazu, den Aufgabenträgern aus den Mitteln des Regionalisierungsgesetzes zweckgebundene Zuweisungen in Höhe von 39 Millionen € zu gewähren. Die Höhe der finanziellen Mittel für die nachfolgenden Jahre richtet sich nach der Höhe der Mittel aus dem Regionalisierungsgesetz. Es ist schon angemahnt worden, dass letztlich bei der Fortschreibung des Regionalisierungsgesetzes dafür zu sorgen ist, dass die Dynamisierung der Regionalisierungsmittel dann tatsächlich so eintritt.

Die Verpflichtung, 20 % der Mittel für Investitionen auszugeben, wird von uns grundsätzlich begrüßt. Auch der Abrechnungszeitraum von vier Jahren erscheint - Zumindest nach gegenwärtigem Sachstand - angemessen, um dies bewerkstelligen zu können.

Aus unserer Sicht ist jedoch die Forderung zu hinterfragen, dass ein Anteil von 80 % der Verkehrsleistungen mit Fahrzeugen erbracht werden soll, die nicht älter als zwölf Jahre sind. Es stellt sich die Frage, ob dadurch die Gefahr besteht, dass Unternehmen mit einem entsprechenden Investitionsstau nicht oder nur teilweise in den Genuss einer öffentlichen Förderung kommen. Aber gerade diese Unternehmen hätten eigentlich eine entsprechende Förderung nötig.

§ 9 sieht vor, den Aufgabenträgern des Ausbildungsverkehrs für die Jahre 2011 bis 2013 eine Finanzierung in Höhe von jeweils 31 Millionen € zukommen zu lassen.

Meine Vorredner wiesen darauf hin, dass das in Zukunft per Rechtsverordnung festgelegt werden soll. Ich glaube, wir können im Ausschuss noch darüber diskutieren, ob wir diesbezüglich eine Rechtsverordnung für angemessen halten oder ob wir eventuell andere Möglichkeiten für besser halten.

Aus der Sicht der SPD-Fraktion ist es von ausschlaggebender Bedeutung, dass die Pauschalierung der finanziellen Zuschüsse für den Ausbildungsverkehr eine Mehrwertsteuerpflicht entstehen lässt. Hier sehen wir auch das MLV in der Pflicht, die Aufgabenträger dahin gehend zu unterstützen, eine rechtskonforme Lösung zu finden. Im Fachausschuss sollten wir in diesem Zusammenhang das vorgesehene Satzungsmodell ausführlich erläutern.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am Rande der Festveranstaltung „20 Jahre Landkreistag“ wurden wir vom Landrat des Salzlandkreises darauf hingewiesen, dass es in Bezug auf die Binnenverteilung der Zuschüsse für den Ausbildungsverkehr aus der Sicht des Salzlandkreises einige Unwägbarkeiten gibt. Über diese sollten wir im Fachausschuss diskutieren. Ich glaube, das ist hier heute nicht der richtige Ort dafür.

Im Namen der SPD-Fraktion beantrage ich die Überweisung zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Landesentwicklung und Verkehr sowie zur Mitberatung an den Innenausschuss und an den Finanzausschuss.

Gestatten Sie mir, weil ich noch etwas Zeit habe, noch eine Bemerkung zu den Ausführungen von Herrn Dr. Daehre. Er hat bereits auf die Dinge hingewiesen, die von den kommunalen Spitzenverbänden in die Diskussion eingebracht worden sind: die Verminderung der Investitionsquote, auch die eventuelle Absenkung des Innovationsfonds. Ich glaube, all das sind Dinge, über die wir im Fachausschuss beraten sollten. Dort haben wir die nötige Zeit und dort sollten wir uns auch fachlich mit den Dingen auseinandersetzen. - Schönen Dank.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Danke sehr, Herr Abgeordneter Doege. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht der Abgeordnete Herr Heft.

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Mittel in Höhe von 157 Millionen € stehen den Aufgabenträgern und Verkehrsunternehmen zur Organisation und Gestaltung des öffentlichen Personennachverkehrs im Jahr 2010 in Sachsen-Anhalt zur Verfügung, davon allein 76 Millionen € für Investitionen. Der heute von der Landesregierung vorgelegte Gesetzentwurf für die Neuorganisation des öffentlichen Personennahverkehrs in Sachsen-Anhalt streicht allein die Investitionsförderung im straßengebundenen ÖPNV auf ca. 16 Millionen € zusammen.

Mit der heutigen Debatte um ein neues ÖPNV-Gesetz im Land wird eine mehr als zweijährige Diskussion darüber beendet, ob überhaupt und, wenn ja, wie und wann das noch geltende ÖPNV-Gesetz des Landes wiederum - ich betone ausdrücklich: wiederum - Zulasten der Verkehrsunternehmen und Aufgabenträger und vor allem zulasten der potenziellen Nutzer geändert wird.

Der vorliegende Gesetzentwurf der Landesregierung - das belegen die uns vorliegenden Stellungnahmen der

Verbände und Aufgabenträger zum Referentenentwurf des neuen ÖPNV-Gesetzes vom April dieses Jahres - genügt in vielen Dingen nicht den Anforderungen an die Gestaltung eines modernen öffentlichen Verkehrs in Zeiten des Klima- und vor allen Dingen des demografischen Wandels.

Dieser Gesetzentwurf, meine Damen und Herren, knüpft nahtlos an die sich im Entwurf des Landesentwicklungsplanes abzeichnende Entwicklung und Gestaltung zukünftiger Mobilität im Land an: einseitige Ausrichtung auf individuelle Mobilität mit dem Pkw zulasten derer, die sich kein eigenes Fahrzeug leisten können oder wollen. Das, meine Damen und Herren, sind indirekte Subventionen für die Automobilindustrie zulasten öffentlicher Verkehre, zulasten der Kommunen, welche die Folgekosten zu tragen haben.

Wir werden uns zukünftig individuelle Mobilität, wie sie heute praktiziert und wiederum massiv gefördert wird, nicht mehr leisten können. Es spricht Bände gegen die Landesregierung, dass das zuständige Verkehrsministerium meine Kleine Anfrage in der Drs. 5/7193 bis heute nicht beantwortet hat, obwohl sie der Landesregierung rechtzeitig vorlag.

(Oh! bei der CDU)

Insofern, Frau Präsidentin, stimme ich der beantragten Fristverlängerung zur Beantwortung der Kleinen Anfrage nicht zu, da die von mir gestellten Fragen und die darauf eigentlich von der Landesregierung zu erwartenden Antworten bei der Erarbeitung dieses Gesetzentwurfs eine Rolle gespielt haben müssen.

Der vorliegende Gesetzentwurf beinhaltet aus der Sicht der Fraktion DIE LINKE und zum Teil auch aus der Sicht der Verbände und der Betroffenen folgende gravierende Mängel:

Erstens. Sachsen-Anhalt verabschiedet sich endgültig von seiner Verantwortung für die Gestaltung des öffentlichen straßengebundenen Personennahverkehrs im Land. Dies verdeutlicht

(Herr Gürth, CDU: So ein Quatsch! Das ist doch Unsinn!)

- Herr Gürth, jetzt hören Sie bitte genau zu -

a) die Übertragung der Daseinsvorsorge im öffentlichen Verkehr aus dem bisherigen übertragenen Wirkungskreis auf den eigenen Wirkungskreis der Aufgabenträger ohne - ich betone ausdrücklich: ohne - gleichlaufende Übertragung der im Haushalt stehenden finanziellen Mittel.

b) Damit einhergehend verabschiedet sich das Land auch abschließend und endgültig aus seiner Verantwortung für eine angemessene Finanzausstattung der Aufgabenträger zur Gestaltung eines modernen öffentlichen Personennahverkehrs.

c) Das Land zieht sich nach dem vorliegenden Gesetzentwurf vollständig aus der Investitionsförderung im öffentlichen Personennahverkehr zurück. Die Landesregierung nimmt es billigend in Kauf, dass das Anlagevermögen der Verkehrsunternehmen auf Verschleiß gefahren wird.

Das, was bisher mit einem Rechtsanspruch der Aufgabenträger und Verkehrsunternehmen verbunden war, soll mit dem neuen Gesetz für eine Übergangszeit von drei Jahren festgeschrieben und dann dem ungewissen

Inhalt einer Verordnung überlassen werden. Damit, meine Damen und Herren, werte Kolleginnen und Kollegen, würde dieses Hohe Haus seine Finanzhoheit über Mittel in Höhe von 70 Millionen € grundlos und ohne Not abgeben.