Protocol of the Session on September 9, 2010

Das Zweite ist: Wenn wir über den öffentlichen Personennahverkehr reden, reden wir ganz schnell über Geld. Deshalb vorweg einige Anmerkungen.

Sachsen-Anhalt hat im schienengebundenen Nahverkehr ein Streckennetz von ca. 1 700 km. Hinzu kommen 335 Stationen und Bahnhöfe. Das Auftragsvolumen beläuft sich auf 34,3 Millionen Zugkilometer, die sich aus der Bedienung ergeben. Der Auftragswert beläuft sich auf 248,8 Millionen €. Ferner werden 22,6 Millionen Reisende gezählt, die in Sachsen-Anhalt mit dem SPNV befördert werden. Die Verkehrsleistung beläuft sich auf 825 Millionen Personenkilometer. Es gibt 1 700 Beschäftigte. - Das ist der schienengebundene Nahverkehr.

Es gibt 14 Buslinien des ÖPNV-Landesnetzes. Der Zuschuss vom Land beläuft sich auf 4,2 Millionen € im Jahr 2009 und im Jahr 2010 auf 5,6 Millionen €. Das Ziel ist, ca. 30 landesbedeutsame Buslinien einzurichten, entsprechend dem ÖPNV-Plan des Landes Sachsen-Anhalt.

In Sachsen-Anhalt haben wir verschiedene Modellprojekte hierzu. Dies betrifft zum einen den Rufbus, der schon längst aus den Kinderschuhen heraus ist. Wir haben zudem den Einkaufsbus in Jessen sowie die Anbindung des Krankenhausstandortes Neindorf an Oschersleben, die Anbindung des Gewerbegebiets Osterweddingen, kombinierte Bahn-Bus-Verkehre zwischen Lutherstadt Wittenberg und Bad Schmiedeberg - um nur einige zu nennen.

Das heißt, wir sind auch dabei, Flexibilität in das Verhältnis von Bus und Bahn zu bringen. Wir hoffen, dass das Hohe Haus sich dem anschließt, sodass demnächst eine fünfte Stadt in Sachsen-Anhalt über eine Straßenbahn verfügen wird.

(Zustimmung von Frau Fischer, SPD)

- An dieser Stelle könnten alle ein bisschen klopfen.

(Zustimmung)

Für Naumburg ist das natürlich gut. Wir wollen dafür Sorge tragen, dass in dieser Stadt künftig auch eine Straßenbahn fährt.

Nun zu dem eigentlichen Entwurf eines Gesetzes zur Änderung von Rechtsvorschriften im öffentlichen Personennahverkehr. Die Landesregierung führt mit dem Änderungsgesetz ihre Politik im öffentlichen Personennahverkehr fort, wonach die Finanzausstattung, die den kommunalen Aufgabenträgern für den ÖPNV zur Verfügung gestellt wird, streng an deren Verkehrsangebot und Verkehrserfolg zu koppeln ist.

Diese seit der Neuregelung des ÖPNV-Gesetzes aus dem Jahr 2005 geltende Orientierung hat sich als Impuls für die Neuausrichtung des ÖPNV als ein Mix der Verkehrsträger bewährt. Das System hat zudem auch eine Reihe von Aufgabenträgern ermutigt, ihre Mittelausreichung vom bisherigen reinen Defizitausgleich ohne Erfolgskontrolle im Rahmen der Neuvergabe der Liniengenehmigungen auf eine erfolgsabhängige Mittelvergabe auszurichten.

Vorrangiges Ziel dieses Änderungsgesetzes ist es, von der Länderöffnungsklausel im Bereich der Ausgleichsleistungen für Ausbildungsverkehr nach § 64a des Personenbeförderungsgesetzes des Bundes, bezogen auf § 45 des Personenbeförderungsgesetzes, Gebrauch zu machen. Die Gesetzesinitiative geht von den Grundsätzen und Zielen der ÖPNV-Gestaltung im Land aus, wonach die Gestaltungskraft der kommunalen Aufgabenträger durch Zusammenführung der Aufgaben- und der Finanzverantwortung schrittweise gestärkt werden soll.

Meine Damen und Herren! Wir wollen die Landkreise also nicht nur in die Verantwortung nehmen, sondern wir wollen den Landkreisen auch den notwendigen Spielraum eröffnen. Deshalb sollen die Ausgleichsleistungen für den Ausbildungsverkehr in Sachsen-Anhalt künftig nicht mehr unmittelbar an die Unternehmen, sondern zweckgebunden an die Aufgabenträger, nämlich die Landkreise und die kreisfreien Städte ausgereicht werden.

In den Gesetzentwurf wurde der ausdrückliche Hinweis aufgenommen, kommunale Rechtsgrundlagen zu schaffen, die eine offene, transparente und diskriminierungsfreie Ausreichung der Mittel an die Unternehmer gewährleisten. So werden Rahmenbedingungen geschaffen, die es den Aufgabenträgern ermöglichen, die auf den Verkehrserfolg abgestellte Finanzausstattung des Landes auch im Verhältnis von Aufgabenträgern zu Verkehrsunternehmen anzuwenden.

Der bei den Unternehmern vorhandenen Befürchtung, die Aufgabenträger könnten die Mittel anderweitig einsetzen, wurde mit einer klaren Zweckbindung und einer Rückzahlverpflichtung bei nicht vollständigem Einsatz für die Belange des Ausbildungsverkehrs begegnet. Mit dem Gesetz leistet das Land einen erheblichen Beitrag zum Bürokratieabbau bei den Verkehrsunternehmen und beim Landesverwaltungsamt. Bei entsprechenden Regelungen durch die Aufgabenträger kann künftig das aufwendige und auch streitträchtige Berechnungsverfahren entfallen.

Die Landesregierung unterstreicht mit dem Änderungsgesetz ihr Ziel, den Ausbildungsverkehr auch unter den Bedingungen des demografischen Wandels als tragende Säule im Sinne eines Haltefaktors zur flächendeckenden Versorgung mit ÖPNV-Leistungen im Regionalverkehr zu sichern.

Da in diesem Bereich in den vergangenen Jahren bereits erhebliche Kürzungen vorgenommen worden sind und die Belastungsgrenze erreicht ist, beabsichtigt die Landesregierung nicht, die Systemumstellung für weitere Einsparungen zu nutzen. Der Entwurf schreibt deshalb für die nächsten drei Jahre eine Finanzausstattung für den Ausbildungsverkehr in Höhe von 31 Millionen € fest, die für die Aufgabenträger Planungssicherheit schafft.

Meine Damen und Herren! Ein Vergleich dazu: Im Jahr 2009 haben wir für die gleichen Leistungen 29 Millionen € zur Verfügung gestellt. In diesem Zusammenhang

bin ich den Regierungsfraktionen dankbar, die darauf gedrungen haben, dass eine Drei an der ersten Stelle steht. Herr Felke, ich denke, dabei haben wir uns zusammengefunden und gesagt: Jawohl, wir nehmen 31 Millionen €.

(Zustimmung von Herrn Scheurell, CDU)

Man darf in diesem Zusammenhang auch erwarten, dass diese 29 Millionen € in den nächsten Jahren natürlich etwas abschmelzen werden. Mit den 31 Millionen € sind die kommunalen Träger also gut ausgestattet.

Durch den Zeitrahmen von drei Jahren soll eine verkehrsplanerische Neuordnung des kommunalen ÖPNVGesamtsystems erleichtert werden, deren Notwendigkeit sich in den Landkreisen aus der Gemeindegebietsreform sowie aus einigen in deren Folge zu erwartenden Neugliederungen von Schuleinzugsbereichen ergibt.

Durch die Zusammenführung der bisher getrennten Finanzausstattung für den ÖPNV und den Ausbildungsverkehr werden nicht nur die verkehrsplanerischen Möglichkeiten der Landkreise und kreisfreien Städte erweitert; es besteht für sie nunmehr die Möglichkeit, die bisher getrennten Verwaltungseinheiten organisatorisch zusammenzuführen.

Für das Land und die Unternehmen wird zudem der für die Beantragung und Ausreichung der Mittel erforderliche Verwaltungsaufwand minimiert, strukturelle Fehlanreize des bisherigen Systems werden abgebaut.

Meine Damen und Herren! Vor dem Hintergrund eines sich auch im Bereich des öffentlichen Straßenpersonennahverkehrs abzeichnenden Wettbewerbs wird der bereits eingeleitete Rückzug des Landes aus der Investitionsförderung fortgesetzt. Gleichzeitig erfolgt aus den bisher vom Land zur Förderung von schadstoffarmen Bussen eingesetzten Mitteln einer Aufstockung der Zuweisungen an die Aufgabenträger in Höhe von jährlich 3 Millionen €.

Zur Sicherung einer aufgaben- und verkehrsträgerübergreifenden Einführung von Zukunftstechnologien im ÖPNV-Gesamtsystem in Sachsen-Anhalt wird ein Zukunftsfonds geschaffen, der jährlich mit Mitteln in Höhe von mindestens 2 Millionen € ausgestattet wird.

Meine Damen und Herren! Ich möchte an dieser Stelle einflechten, dass die kommunalen Spitzenverbände den Wunsch geäußert haben, dass im Bereich des Zukunftsfonds eine Reduzierung auf 1 Millionen € erfolgt. Außerdem haben die Landkreise und die kommunalen Spitzenverbände mitgeteilt, dass ihnen ein Anteil von 20 % der vorgesehenen Mittel für die Investitionen zu hoch sei. Sie wünschen sich die Festschreibung einer anderen Prozentzahl im Gesetz.

Wie sagt man so schön: Kein Gesetzentwurf ist in den Landtag so hineingekommen, wie er hinausgeht. Ich denke, das werden wir bei der Anhörung der kommunalen Spitzenverbände zu verhandeln haben. Unser Vorschlag liegt auf dem Tisch. Wie das Hohe Haus aber im Rahmen dessen, was wir vorgeben, entscheidet, das überlassen wir selbstverständlich den Parlamentariern.

Meine Damen und Herren! Der Fonds, den wir jetzt einführen, dient der Finanzierung von Vorhaben zur Entwicklung und Umsetzung von Forschungs-, Entwicklungs- und Innovationsstrategien gemäß dem Plan des öffentlichen Personennahverkehrs des Landes SachsenAnhalt. Dieser Zukunftsfonds kommt letztlich auch den kommunalen Aufgabenträgern zugute.

Durch den Gesetzentwurf wird der ÖPNV-Plan dahin gehend weiterentwickelt, dass er zum Zeitpunkt seiner Aufstellung die Ergebnisse der landesweiten ÖPNVGestaltung des vorherigen Planungszeitraums aufgabenträgerbezogen wiedergibt. Den Akteuren sollen dadurch Möglichkeiten der Synergieeffekte im Interesse eines ÖPNV-Gesamtsystems aufgezeigt werden. Entsprechend der Zielsetzung des Gesetzentwurfs, den Verwaltungsaufwand zu minimieren, werden dazu die für die Berechnung der Finanzausstattung ohnehin vorzuhaltenden Daten verwendet.

Die Landesregierung nimmt das Änderungsgesetz zum Anlass, die Aussagen zum ÖPNV-Plan als Fachplanung im Rahmen der Landesentwicklung zwischen ÖPNVG LSA und Landesentwicklungsplan, wie er Ihnen jetzt vorliegt und in diesem Hohen Hause noch zu diskutieren ist, zu synchronisieren.

Darüber hinaus erfolgen redaktionelle Änderungen und Ergänzungen sowie Streichungen von Vorschriften, die zeitlich befristet waren und deren Regelungszweck erfüllt ist. Das betrifft unter anderem die Impulsförderung zur Implementierung flexibler Bedienformen. - So viel von meiner Seite zur Einbringung dieses Gesetzentwurfs.

Meine Damen und Herren! Ich bitte darum, dass wir zügig beraten und dieses Gesetz in diesem Jahr verabschieden. Es gibt einen Änderungsvorschlag der Fraktion DIE LINKE. Ich denke, dass man über diese Änderung dann im Ausschuss diskutieren sollte.

Ich kann nur eines sagen: Mit der Finanzausstattung, die wir jetzt anbieten, sind wir an einer Grenze angelangt - auch das gehört mit dazu -, wo wir denken, dass damit der öffentliche Personennahverkehr nicht nur attraktiv, sondern sehr attraktiv gestaltet werden kann.

Ich will aber darauf verweisen, dass das Hohe Haus spätestens im Jahr 2014 mit der Novellierung der Regionalisierungsmittel vor weiteren großen Herausforderungen steht. Deshalb haben wir gesagt, wir machen das jetzt einmal für einen Zeitraum von drei Jahren, um Erfahrungen zu sammeln. Dann wird man sehen, welche Stellschrauben für die Zukunft noch zu ändern sind. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank für die Einbringung, Herr Minister Dr. Daehre. - Wir treten jetzt in eine Zehnminutendebatte ein. Als erster Debattenredner wird der Abgeordnete Herr Dr. Schrader von der FDP-Fraktion sprechen. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor sechs Jahren haben wir mit der damaligen schwarz-gelben Koalition eine weitreichende Änderung des ÖPNV-Gesetzes beschlossen, die damals für heftige Diskussionen sorgte.

Die damaligen Oppositionsfraktionen SPD und PDS - jetzt LINKE - haben, wie es ihre Aufgabe ist, natürlich nicht mit Kritik gespart. Jetzt stellen wir mit Freude fest, dass die SPD-Fraktion nun, da sie in Regierungsverantwortung ist, einen Entwurf mitträgt, der den damals eingeschlagenen Weg durchaus fortsetzt.

Die Idee, die Ausgleichsleistungen für den Ausbildungsverkehr zweckgebunden an die Landkreise und kreis

freien Städte fließen zu lassen, ist zu begrüßen. Bisher flossen die Mittel des Landes für den Ausbildungsverkehr direkt in die Unternehmen und waren von Schülerzahlen und Reiseweiten abhängig. Dabei hatte man manchmal den Eindruck, dass die Reisestrecken der Schüler sehr kreativ gestaltet werden. Aufgabenwahrnehmung und Finanzierung erfolgen nun aus einer Hand. Das ist positiv und das stärkt darüber hinaus die Eigenverantwortung der Kommunen und Gebietskörperschaften.

Über Details wie beispielsweise den Verteilerschlüssel werden wir im Ausschuss diskutieren müssen, nachdem wir eine Anhörung durchgeführt haben. Wir hoffen, dass die Koalitionsfraktionen in diesem Falle einer Anhörung zustimmen, nicht dass uns dasselbe passiert wie beim Landesentwicklungsplan.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zuruf)

- Heißt das jetzt auch Landesentwicklungsplan? - Ja, okay.

(Herr Felke, SPD: Erzählen Sie nicht solchen Un- fug! Sie sollten vorschlagen, wer eingeladen wird!)

- Bleiben Sie doch locker, Herr Felke.

(Heiterkeit bei der CDU)

Die Anhörung ist deshalb wichtig, weil es von den ersten Landkreisen schon Einsprüche gibt; denn anscheinend wurde der Verteilerschlüssel bei einigen Verkehrsunternehmen, die kreisübergreifend Leistungen anbieten, nicht entsprechend berücksichtigt.

Eine wichtige Frage, die ebenfalls in den Fachausschuss und insbesondere in den Finanzausschuss gehört, ist die Frage nach dem FAG und weiteren Fördertöpfen, die im mittelbaren oder unmittelbaren Zusammenhang mit dem ÖPNV zu sehen sind. Das gehört in die Ausschussberatungen, das gehört auf den Tisch, um auch Transparenz in die Gesamtfinanzierung des ÖPNV hineinzubekommen.

Genauso werden wir darüber diskutieren müssen, ob wir Parlamentarier uns wieder einmal ein wenig selbst entmachten. Bei der Verabschiedung des vorliegenden Entwurfs würden wir den kommunalen Aufgabenträgern in den kommenden drei Jahren 31 Millionen € pro Jahr für den Ausbildungsverkehr zugestehen. Es ist jedoch vorgesehen, dass das Ministerium das ab dem Jahr 2014 auf der Grundlage einer Verordnung allein erledigt.

Wir Parlamentarier hätten dann bei solch einer schwierigen Entscheidung keinerlei Mitspracherecht mehr; denn der Schülerverkehr wird trotz der demografischen Entwicklung und rückläufiger Tendenzen eine tragende Säule des ÖPNV bleiben. Wir sollten dieses Thema nicht aus der Hand geben; denn die Zukunft des ÖPNV wird uns sicherlich auch weiterhin im Plenum beschäftigen. Die demografische Entwicklung wird immer wieder Änderungen und auch schmerzhafte Einschnitte erforderlich machen.