Protocol of the Session on September 9, 2010

Wir haben sehr gute Erfahrungen mit den Hilfsorganisationen in Sachsen-Anhalt. Dies soll nicht durch Regelungen gefährdet werden, die nur danach schielen, wer der günstigste, um nicht zu sagen der absolut billigste Anbieter ist. Genau diese Gefahr besteht derzeit, wenn wir nicht die geplante Änderung des Rettungsdienstgesetzes in Angriff nehmen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich auch einen Satz für die Zukunft formulieren. Ich hoffe, dass wir in der nächsten Legislaturperiode eine umfassende Änderung dergestalt vollziehen können, dass wir, gerade was die Ausschreibung angeht, zuverlässige Kriterien in dem Gesetz formulieren können, die gegenüber der Wirtschaftlichkeit gleichberechtigt sind, Kriterien, nach denen wir zu klaren und fairen Bedingungen ausschreiben können und bei denen wir die Erfahrungen der Hilfsorganisationen oder der privaten Anbieter aus unserem Land in das Verfahren einbringen können.

Wir sollten, wenn die umfassende Novellierung kommt, auch versuchen, das Sozialministerium und das Innenministerium an einen Tisch zu holen und dann am Ende gemeinsam zu versuchen, Rettungsdienst, Brandschutz

und Katastrophenschutz vielleicht in einem Gesetz zu bündeln, wie es andere Bundeslänger bereits getan haben.

Gestatten Sie mir nun noch einige Ausführungen zum zweiten Regelungskomplex, der die gesetzlichen Krankenkassen im Land mit Sorge erfüllt. In den beiden letzten Jahren ist es in verschiedenen Rettungsdienstbereichen wie auch bei der Luftrettung streitig gewesen, ob Benutzungsentgelte kostendeckend erhoben werden. Diesbezüglich wurden verschiedene Schiedsstellen- und Verwaltungsgerichtsverfahren eingeleitet.

Eine Aufhebung der Kostendeckung im Rettungsdienst war mit dem derzeit geltenden Gesetz nicht beabsichtigt. Deswegen werden die Änderungen in § 12 Abs. 1 und 2 vorgenommen, um zukünftig Klarheit zu schaffen. Dadurch soll die Sicherstellung gewährleistet sein und es sollen Verfahrenskosten bei allen Beteiligten zugunsten der Versicherten gespart werden.

Sowohl die Träger als auch die Kassenärztliche Vereinigung können nicht gesetzlich zur Sicherstellung verpflichtet sein, ohne ihnen gleichzeitig die notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen. Eine Substitution der fehlenden Mittel durch eigene Mittel ist mangels zur Verfügung stehender Ressourcen nicht möglich. Denn der Rettungsdienstbereich - das wissen Sie alle - ist ein Non-Profit-Geschäft; da kann man keine Rücklagen bilden und auch keinen Gewinn erzielen, zumindest nicht diejenigen, die momentan die Aufgaben des Rettungsdienstes im Land Sachsen-Anhalt erfüllen. Daher wird in Absatz 1 noch einmal klargestellt, dass die Grundlage der betriebswirtschaftlichen Kosten eine bedarfsgerechte, wirtschaftliche und sparsame Betriebsführung sein muss.

Zwischenzeitlich hat das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt in seinem Beschluss vom 23. Juni 2010 unter dem Aktenzeichen 3 K 495/08 entschieden, dass auch nach der Neufassung des Rettungsdienstgesetzes Benutzungsentgelte kostendeckend sein müssen. Insofern handelt es sich bei unserer Änderung lediglich um eine Klarstellung geltenden Rechts.

Aufgrund der langen Dauer der bisherigen Schiedsstellenverfahren und der Möglichkeit des im Anschluss möglichen Rechtsmittelverfahrens vor dem Verwaltungsgericht muss eine Regelung geschaffen werden, um die Finanzierung der Leistungserbringer und des Trägers während eines unter Umständen lang andauernden Rechtsstreits zu sichern. Ansonsten drohen Insolvenzen der Hilfsorganisationen oder der privaten Anbieter oder sogar die Insolvenz der Kassenärztlichen Vereinigung. Diese hat sicherlich eine etwas dickere Decke als ein Wohlfahrtsverband, aber ich weiß es nicht ganz genau; deswegen wollen wir darüber auch nicht spekulieren.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich freue mich auf die Beratung zu diesem Gesetzentwurf. Wir wissen, dass es erst einmal nur ein kleiner Entwurf ist, der versucht, die Spitze des Eisberges ein wenig abzumildern. Wir müssen versuchen, hier wirklich eine rechtssichere Lösung hinzubekommen. Das haben wir mit dem Entwurf und auch im Vorfeld so weit wie möglich vorzubereiten versucht.

Wir sind auch in enger Abstimmung mit den entsprechenden Verbänden, ob nun dem Landkreistag, dem Städte- und Gemeindebund oder Hilfsorganisationen oder privaten Anbietern. Wir wollen versuchen, eine Lösung zu schaffen, die uns allen am Ende ein wenig Luft

bringt, um eine umfassende Novellierung in der nächsten Legislaturperiode vorzubereiten.

Vielleicht haben wir die Zeit, die wir brauchen, wenn uns der Gesetzgeber in Berlin einige der Probleme abnimmt. Mittlerweile werden in Berlin genau die Fragen, mit denen wir uns beschäftigen, diskutiert; denn wir sind nicht allein auf der Welt. Alle anderen Bundesländer haben die gleichen Probleme, wenn es um die Ausschreibung geht, wie wir sie in Sachsen-Anhalt haben.

Sie wissen es selbst: Wenn in Europa oder in der Welt eine Katastrophe passiert, dann sind unsere Katastrophenschützer diejenigen, die als Erste gern gesehen werden. Aber wir haben aufgrund der EU momentan einen so engen Mantel, in dem wir uns befinden, sodass wir besondere Bedingungen nicht vorhalten dürfen. Wenn wir aber dieses System so aufrechterhalten wollen, wie wir es jetzt kennen, dann brauchen wir besondere Bedingungen. Dafür müssen wir gesetzliche Grundlagen schaffen.

Vielleicht gelingt es ja der Koalition in Berlin, das SGB V anzupacken und klar zu definieren, ob der Rettungsdienst eine Transportleistung, also eine Taxifahrt, ist oder ob der Rettungsdienst nicht doch eine medizinische Leistung ist, wie wir es sehen. Das ist von der Sache her eigentlich logisch, aber es ist in dem Bundesgesetzbuch eben anders definiert. Vielleicht gibt es in Berlin eine Klärung. Dann würde uns zumindest dieses Problem auf diesem Weg ein wenig abgenommen werden.

Am Ende vielleicht noch ein Gedanke, über den wir schon im Vorfeld diskutiert haben. Wir wissen, dass die enormen Kostensteigerungen im System aufgrund des Ärztemangels zustande kamen. Es gibt in ganz Deutschland nur wenige Notärzte. Auch diesbezüglich haben wir keine einheitlichen Regelungen; der Wettbewerb bestimmt den Preis. Es ist mittlerweile so, dass man an einer Börse mehr oder weniger bieten muss, um die Ärzte ins Land zu holen.

Wir müssen einmal schauen, ob man von Berlin aus vielleicht nicht auch diesbezüglich gewisse Standards vorgeben kann; denn ansonsten wird sich die Preisspirale immer weiter nach oben schrauben. Auch dabei müssen wir schauen, wie wir das in den Griff bekommen.

Vielleicht können auch die Krankenkassen - sie tun momentan so, als ob sie vieles besser könnten - den Sicherstellungsauftrag von der KV übernehmen. Wir können zumindest einmal darüber nachdenken. Vielleicht schaffen sie es ja kostengünstiger und effektiver. In Sachsen soll das günstiger sein. Vielleicht kann man sich an den Kassen in Sachsen orientieren.

Das Verfahren im Landtag wird uns letztlich genug Zeit geben, um darüber zu diskutieren. Ich bitte um Überweisung zur federführenden Beratung in den Sozialausschuss und zur Mitberatung in den Innenausschuss. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU und bei der SPD)

Abgeordneter Herr Kurze, es gibt noch eine Nachfrage von Frau Bull. - Frau Bull, bitte sehr.

Ich habe zwei Fragen. Erstens. Eine der Intentionen des Gesetzentwurfs aus dem Jahr 2006 war die Reduzie

rung der Zahl der Leitstellen. Wir haben im Land, wie Sie richtig sagten, 14 Leitstellen; unsere Nachbarländer haben etwa vier bis sechs, ohne dass dort der Rettungsdienst zusammengebrochen wäre. Weshalb ist es in den letzten vier Jahren nicht gelungen, diesem Auftrag gerecht zu werden?

Zweitens. Was hat Sie eigentlich bewogen, im Jahr 2006 den Antrag der Opposition, den Hilfsorganisationen den Vorrang einzuräumen, abzulehnen?

Sehr geehrte Kollegin Bull! Zu Frage 1: Wir haben in Sachsen-Anhalt das System der integrierten Leitstelle. Um es denjenigen, die nicht in dem Thema stecken, einmal zu erklären: Es ist so, dass wir die Polizei, die eigentlich eine eigene Leitstelle haben könnte, den Brand- und Katastrophenschutz, der eigentlich eine eigene Leitstelle haben könnte, und den Rettungsdienst in der integrierten Leitstelle zusammenfassen.

Theoretisch könnten wir es so machen: Jede Leitstelle ist für sich in jedem Landkreis und überall sitzen Menschen 24 Stunden lang und jeder bearbeitet - ich sage es einmal so - drei Anrufe. Wir haben alles in einem und sparen dadurch Kosten.

Wir haben eine Reduzierung der Zahl der Leitstellen vorgenommen, indem wir die Kreisgebietsreform umgesetzt haben. Sicherlich gebe ich Ihnen darin Recht, dass man auch kreisübergreifend hier und da noch enger zusammenarbeiten kann. Aber ich muss den Kostenträgern gegenüber auch ganz klar sagen, dass wir eine deutliche Reduzierung vorgenommen haben und dass - die Zahlen sind durch unser Statistisches Landesamt wunderbar belegt - die Kassen am Ende natürlich nur den Anteil der Kosten der Leitstelle erstatten, der für den Rettungsdienst anfällt.

(Zuruf von Frau Bull, DIE LINKE)

Wenn ich richtig informiert bin, gehören diese Kosten prozentual zu den geringsten und haben in den letzten vier Jahren

(Zuruf von Frau Bull, DIE LINKE)

eine Steigerung, wie sie in anderen Bereichen der Fall war, nicht erfahren. Daher denke ich, dass wir an der integrierten Leitstelle festhalten sollten.

(Zuruf von Frau Bull, DIE LINKE)

Sicherlich könnte man den Rettungsdienst herausnehmen und könnte das in drei, vier, fünf Leitstellen bündeln. Aber wir wollen doch - ich glaube, darin sind wir uns in diesem Hause alle einig -, dass wir schnell auch zu den Verunfallten oder zu den Patienten auf das flache Land kommen.

(Zustimmung von Herrn Güssau, CDU, und von Herrn Rotter, CDU)

Wenn die Leitstellen zu groß werden und man den Überblick im Lande verliert, dann möchte ich nicht die Verantwortung dafür tragen, dass der Rettungswagen,

(Zuruf von Frau Bull, DIE LINKE)

- lassen Sie mich bitte ausreden, Frau Bull, wenn ich hier vorn rede - der Notarzt oder der Rettungssanitäter zu spät am Unfallort eintreffen.

(Zustimmung bei der CDU - Zuruf von Frau Bull, DIE LINKE)

- Das Mikro steht in der Mitte. Sie können dann gern noch eine Intervention machen oder eine Frage stellen.

Zu der zweiten Frage. Ich habe im Rahmen des Verfahrens schon des Öfteren gesagt, dass ich damals auch in der Fraktion einer der wenigen war, die die Bedenken, die Sie eben vorgetragen haben, auch vorgetragen haben und auf die Probleme hingewiesen haben, die auf uns zukommen.

Als Politiker muss man doch auch einmal selbstkritisch sagen dürfen: Das, was wir mit dem Gesetz wollten, ist in vielen Bereichen nicht so eingetreten, wie wir es uns als Gesetzgeber gewünscht haben. Deshalb wollen wir jetzt nachbessern. Ich glaube, es ist nicht schlimm, wenn man als Politiker auch einmal einen Fehler eingesteht. Ich denke, wer das kann, der kann auch zukunftsfähige Politik machen. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU und bei der SPD - Frau Bull, DIE LINKE: Das halten wir einmal fest!)

Herr Kurze, danke sehr für die Einbringung und die Beantwortung der Fragen. - Es spricht jetzt für die Landesregierung Minister Bischoff. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte vonseiten der Landesregierung kurz Stellung dazu nehmen. Ich begrüße es erst einmal, dass die die Regierung tragenden Fraktionen diesen Gesetzentwurf einbringen.

Ich habe im Januar angekündigt, dass man das Gesetz novellieren müsse, und damals schon auf die nächste Wahlperiode geschielt. Aber im Frühjahr ist die Diskussion richtig in Gang gekommen. Herr Kurze hat absolut Recht, wenn er sagt: Das ist nicht nur eine Diskussion, die in diesem Land geführt wird, sondern eine, die bundesweit in allen Ländern geführt wird. Das geht bis hin zu den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs. Als es diese gab, ging es noch einmal los, obwohl sie uns nicht direkt betroffen haben.

Ich bedanke mich dafür, dass der Gesetzentwurf eingebracht worden ist und dass es ein kurzer Gesetzentwurf ist, der an der Front derer, die den Rettungsdienst leisten, sozusagen ein Stück weit Beruhigung mit sich bringt. Das halte ich für richtig; denn auch in der Anhörung ist deutlich geworden, dass es eine Vielzahl von Dingen gibt, die man auf die Schnelle nicht regeln kann.

Wichtig ist auch Folgendes - darauf hat Herr Kurze deutlich hingewiesen -: Es ist vor allem in den letzten Tagen noch einmal deutlich Zug hineingekommen, auch durch die Wohlfahrtsverbände und die Rettungsdienste bundesweit, die auf Berlin noch einmal dahin gehend Druck ausüben, dass in das SGB V eine Regelung aufgenommen wird, nach der der Rettungsdienst auch eine Krankenbehandlung und nicht lediglich eine Transportmittelgeschichte ist, sodass dann auch die Frage der Ausschreibung eine völlig andere ist. Denn dann gehört es zur Daseinsvorsorge, ist gesetzlich geregelt und wir sind in der Vergabe dieser Dinge freier. Man sollte das, was dabei passiert, nicht abwarten, aber begleiten.

Es gibt etliche Landkreise, die nicht davon berührt sind, weil ihre Genehmigungen bis in das Jahr 2014/2015 hineinragen. Aber bei denen, bei denen es jetzt akut ist, ist erst einmal ein Stück weit Ruhe eingekehrt. Das finde ich sehr wichtig.

Es gibt natürlich gleichzeitig auch Diskussionen - die werden wir im nächsten Jahr führen - Zur Frage des Kostendeckungsprinzips, das wir wieder einmal angesprochen haben. Der Bund hat uns vorgegeben, dass wir sozusagen keine Kostensteigerung bei den Kassen verursachen dürfen. Es sollte ja Beitragsstabilität gegeben sein, und wenn eine Erhöhung erfolgt, dann nur entsprechend der Entwicklung der Grundlohnsumme. Nur in diesem Rahmen kann es sich bewegen. Die Schiedsstelle ist eine ähnliche Sache.

Ich möchte noch kurz etwas zu den Reaktionen der Kassen sagen - vielleicht darf ich das auch einmal in meiner Funktion tun -: Ich fand sie und auch die öffentliche Diskussion nicht angemessen. Das betrifft alle Abgeordneten in diesem Hause. Wenn jemand persönlich zitiert wird, der sein Recht als Abgeordneter wahrnimmt, das einzubringen, dann finde ich es nicht gut, ihn mit Namen in der Zeitung bloßzustellen. Das halte ich nicht für richtig. Es ist sein legitimes Recht. Ich glaube auch, das schadet unserer Zusammenarbeit generell.

Ich sage das auch deswegen, weil manch einer sagt: Herr Kurze ist ja beim DRK. Ich komme vom ArbeiterSamariter-Bund; das könnte man mir also genauso unterschieben. Alle, die irgendwo bei den Rettungsdiensten engagiert sind, kennen das auch. Warum soll jemand, der dort engagiert ist, nicht auch im Landtag die Probleme ansprechen und lösen? Ich halte das für einen ganz normalen Vorgang.